Adventskalender 2001 - Truth of Dreams - Tür 8

Autor: Ellen alias Eowyn



The Legend of
Zelda
Truth of Dreams


Teil 2
Link blickte hinter das Schild und sah eine weiße Truhe, die auf einem gläsernen Podest stand. Er öffnete sie und fand einen weißen Kristall darin, der im Licht des Tempels glitzerte und funkelte.

Ohne zu zögern steckte er ihn in die Tasche und wandte sich um. Hinter dem Teleporter, mit dem er hierhergelangt war, befand sich ein weiterer, neben dem mit goldener Farbe das Triforce-Symbol verzeichnet war. Entschlossen trat er darauf und stand mit einemmal auf der Hylianischen Steppe, das dicke Buch hielt er immer noch in der Hand.

Kalter Wind fegte vereinzelte Blätter über das vertrocknete Gras, graue Wolken hingen schwer am Himmel und eisige Stille lag in der Luft. Der Teleporter hatte ihn zum Platz vor dem Schloss gebracht. Doch da war gar kein Schloss mehr. Nicht mal ein Hügel, auf dem es mal gestanden haben könnte. Nur eine Mulde, mit schwarzen Spuren und aufgewühlter Erde.

Link schüttelte verwundert den Kopf. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Ungläubig starrte er das dicke Buch in seinen Händen an.

"Hyrules Untergang"

Mit ungutem Gefühl schlug er das Buch in der Mitte auf und las wahllos einige Zeilen.

"Der leichte Nieselregen prasselte unaufhörlich nieder und weichte den Boden unter ihren Füßen auf. Link und Zelda hoben den Stein an und fanden in einer kleinen Mulde eine Kiste. Doch zu ihrem Entsetzen war diese leer, die Dunkelheit des Schlafes war verschwunden. Link blickte Zelda an und sagte: "Wir sollten uns beeilen, bevor Pentauron uns zuvorkommt." "

Link zog die Stirn kraus. Zelda würde jetzt sagen: "Wenn du das ganze Buch gelesen hättest, würdest du es auch verstehen..." Aber dafür blieb ihm keine Zeit. Hastig blätterte er ein paar Seiten weiter.

"Sie erinnerte sich an ihren Traum.
Sie stand da auf der Hylianischen Steppe und es regnete. Link lag vor ihr bewusstlos auf dem nassen Boden, einige Haarsträhnen klebten auf der nassen Stirn.
Zelda hatte keine Kontrolle mehr.
Sie hob ihr Schwert und stach zu.
Immer wieder und wieder.
Bis Link sich nicht mehr rührte..."


Link schlug entsetzt das Buch zu. Eine Weile stand er nur da und starrte es an und glaubte nichts von dem, was darin stand. Doch andererseits... was wenn es wahr war? Er rang mit seinen Zweifeln, während er sich nachdenklich umsah. Wo waren alle geblieben?

Er ließ sich erschöpft auf den Staubigen Boden sinken und schlug das Buch auf. "Lies es und versuche es zu verstehen," murmelte er zu sich selbst, als er die erste Seite suchte.

"Die Legende berichtet von einem schwarzen Magier, der die Träume der Sterblichen kontrollieren kann, wenn er einmal genug Macht dafür erhält. Er gewinnt mehr Energie indem er den Schlafenden furchtbare Angst einjagt. Je mehr sich die Menschen fürchten, desto mehr Macht bekommt er, bis er irgendwann mit der Macht der Dunkelheit des Schlafes in die reale Welt eindringen kann und sie erobert."

Link sah sich kurz um und versuchte so viele Worte wie möglich in seinem Gedächtnis zu behalten. Dann blätterte er zur letzten Seite des Buches.

"Die Prinzessin gab ihre Heimat nie auf. Sie kämpfte verbissen mit ihrem Feind und ihre Wut und Angst gaben ihr Kraft. Und obwohl ihr Herz um ihren alten Freund trauerte gab sie nicht auf. Sie verzweifelte nicht, sie hatte immer noch Hoffnung. Doch mit einem Schwert allein kann eine schwarze Kreatur wie Pentauron nicht vernichtet werden. Es bedarf mehr als Kraft und Geschick.

Das wurde ihr auch bewusst und sie hob die Dunkelheit des Schlafes zum Himmel. Sie wusste, was passieren würde, wenn sie es zerstörte, doch sie kannte keinen anderen Ausweg. "Eher sterbe ich mit meiner Heimat, als mich Euch zu unterwerfen."

Dies waren ihre letzten Worte, bevor sie die Dunkelheit des Schlafes und somit Pentauron und sich selbst auslöschte und niemand je wieder erwachte. Denn Link hatte den Lichttempel nicht mehr rechtzeitig erreichen können. Im Lichttempel hätte er das Licht des Erwachens erhalten und alle erwecken können und nur Pentauron wäre von Zelda in den Untergang gerissen worden.

Hier endet eine Geschichte einer Welt, einer goldenen Macht und einer Liebe. Hier endet die Geschichte von Hyrule."


Link schloss das Buch. Er sah sich um und glaubte mit einemmal alles, was er gelesen hatte, trotz des Mistrauens, das er vorher gehabt hatte.

Hyrule war gestorben, weil er versagt hatte. Er hatte es nicht mehr geschafft, die Einwohner Hyrules zu erwecken und Zelda hatte sich selbst und alle Einwohner mit in den Untergang genommen, um Pentauron nicht siegen zu lassen.

Sie war gestorben, weil er versagt hatte.
Alle waren gestorben, weil er versagt hatte.

Und dabei musste er so kurz vor dem Ziel gewesen sein. Er war ja direkt vor der Tür zum Ziel eingeschlafen und erst aufgewacht, als es längst zu spät war.

Link blickte zum grauen Himmel. "Und was wird jetzt?" Langsam stand er auf. Warten half ihm auch nicht. Er musste einen Weg finden, es wieder rückgängig zu machen. Er brauchte eine zweite Chance und mehr Zeit... "Zeit?", murmelte er und spürte neue Hoffnung in sich aufsteigen. Ohne zu zögern sprang er auf und rannte zu den letzten Resten des Schlosses. Nach einigen Minuten fand er wonach er suchte.

Mit einem Jubelruf hob er die Okarina der Zeit in die Höhe und sprang vor Freude im Kreis. Nach einer Weile blieb er stehen und blickte sich noch einmal um. Dann hob er die Okarina an seine Lippen und spielte die Hymne der Zeit.

Die Nacht war rabenschwarz. Kein Stern funkelte durch die Wolkendecke und auch das silberne Licht des Mondes war verschwunden. Es herrschte Stille. Keine Schritte waren zu hören, kein Zweig knackte, kein Blatt raschelte im Wind. Und doch wusste Link, dass er in einem dunklen Wald war. Große gespenstische Bäume ragten um ihn herum zum Himmel auf und feuchtes Laub bedeckte den Boden zu seinen Füßen.

Er sah sich um. Seine Augen gewöhnten sich langsam an die fast völlige Dunkelheit und hinter sich bemerkte er einen steilen Abhang und wenn es nicht so dunkel gewesen wäre, hätte er dort ein Tal mit noch mehr Bäumen und einem Fluss sehen können.

Und dann hörte er dumpfes Hufgetrappel. Es war schon ganz nah; auf dem weichen Boden hatte er es vorher nur nicht hören können. Das Pferd, das im vollen Galopp zwischen den Bäumen hervorkam und vor ihm scharf bremste, kannte Link nur zu gut. Die Farbe seines Felles war unter der roten Decke und der schwarzen Rüstung nicht auszumachen, seine Augen leuchteten unnatürlich hell unter der zottigen roten Mähne, die ihm über die Stirn fiel.

Doch noch besser kannte er seinen dunklen Reiter. Die feuerroten Haare, die böse funkelnden Augen und die silberne Rüstung hatte sich seit ihrem letzten Treffen kaum verändert; und auch Ganondorfs Lachen war genauso grausam wie damals.

Doch was Link dann erkannte, jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken und ließ ihn zittern.

Die Gestalt, die vor Ganondorf im Sattel saß, starrte Link flehend an, die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben und Strähnen blonden Haares fielen ihr ins Gesicht, das tränennass und rot angelaufen war. Ihr weißes Kleid mit dem rosafarbenen Oberteil hatte einen Riss am Ärmel und ihre Hände krallten sich ängstlich in die Falten ihres langen Rockes, der das Triforce-Symbol und noch andere königliche Zeichen trug.

Link glaubte nicht, was er sah; Zelda schluchzte erschrocken, als sie ihn erkannte.

Endlose Sekunden verstrichen, in denen Ganondorf, Link und Zelda einander anstarrten und ihre Überraschtheit überwanden.

Link wusste, was jetzt folgen würde und machte sich bereit. Entschlossen griff er nach dem Heft des Masterschwertes, doch seine Hand griff ins Leere, denn das Schwert hing nicht wie üblich an seinem Gürtel.

Erst nach einer kurzen Zeit wurde Link sich seiner Situation bewusst. Er hatte keine Waffe bei sich, keinen hilfreichen Gegenstand, nicht einmal seinen Schild, um sich irgendwie zu verteidigen und selbst wenn er das Masterschwert gehabt hätte, was hätte es ihm denn geholfen? Wenn Ganondorf eine seiner schwarzen Energiekugeln auf ihn geworfen hätte, wie hätte er sie auf ihn zurückschleudern können, wenn Ganondorf Zelda in seiner Gewalt hatte? Er konnte einfach nur dastehen und abwarten was unweigerlich folgen würde oder versuchen ihn mit seinen bloßen Händen umzubringen.

Doch es war schon zu spät. Ganondorf lachte, als er sah, wie Link seine Situation erkannte. Er genoss noch einen Augenblick das Gefühl der Überlegenheit, dann hob er die Hand. Zelda schrie ängstlich auf, doch sie konnte nicht verhindern, was folgte: Die schwarze Energiekugel traf Link in die linke Schulter und schleuderte ihn mit einer ungeheuren Wucht zurück.

Ohne jegliche Kontrolle über seine Bewegungen, fiel Link rückwärts den Abhang hinab und verschwand in der Dunkelheit. Zelda starrte Ganondorf hasserfüllt an, Tränen rannen über ihr Gesicht. Verzweifelt schlug und trat sie nach ihm, um sich zu befreien. Ganondorf hielt schnell ihre Arme fest und Zelda spürte seinen Fingernägel auf ihrem Unterarm. "Gib endlich auf!", rief er noch, dann wurde ihr schwarz vor Augen.


Erschrocken schlug Prinzessin Zelda die Augen auf. Um sie herum war es dunkel, doch das silberne Licht des Mondes fiel auf das Kissen, auf dem ihr Kopf lag. Sie brauchte ein paar Sekunden, um sich klar zu werden, dass sie in ihrem Zimmer im Schloss von Hyrule war. Verwundert setzte sie sich auf und sah sich um.

"Ich habe geschlafen..." Mit einem mulmigen Gefühl stand sie auf und zündete eine Lampe auf ihrem Tisch mit dem Spiegel an. Verschlafen rieb sie sich die Augen und sah in den Spiegel und als sie ihr Spiegelbild bertrachtete, war sie mit einemmal hellwach. Ihr langes weißes Nachthemd hatte einen aufgerissenen Ärmel und auf ihrem Unterarm sah sie rote Flecken.

Nach ein paar Sekunden war sie sich bewusst, dass sie von ihrem Fluchtversuch stammten, den sie vor ein paar Sekunden unternommen hatte. "Aber... ich habe geträumt."

Verwirrt setzte sie sich auf ihr Bett und rieb sich die schmerzenden Unterarme. Sie hatte erst nicht glauben können, dass es ein Traum war, weil alles so real war, doch jetzt weigerte sie sich zu glauben, dass es keiner war. Wie war sie denn dann hierhergekommen und wo war Ganondorf jetzt und...?

"Link!"

Als Link die Augen aufschlug, war es dunkel. Er wandte den Kopf und erkannte sein eigenes Haus in Kokiri wieder. Wie war er hier gelandet? War das auch ein Traum? Er konnte überhaupt nicht mehr einordnen, was Traum und was Realität war.

Er wollte sich aufsetzen, doch plötzlich spürte einen furchtbaren Schmerz in der linken Schulter, der ihn völlig lähmte und er ließ sich wieder auf sein Kissen fallen, bemüht, sich nicht zu bewegen.

Was war hier los? Als er so ganz regungslos dalag klang der Schmerz langsam ab, als er plötzlich eine Stimme hörte:

"Link?"

Link konnte sich kaum bewegen, doch er erkannte Zeldas Stimme auch so. Er wandte nur seinen Kopf zur Seite und sah die Prinzessin, wie sie die Leiter zu seinem Haus hinaufkam. Sie trug ihr Haar offen, sodass es ihr in Wellen über die Schultern fiel, über ihrem weißen Nachthemd trug sie einen dunklen Mantel und in der Hand trug sie eine Lampe. Sie trug nicht, wie üblich das Kleid mit den königlichen Zeichen, keinen Schmuck, keine Haarspangen. Das einzige, woran Link dachte, war, wie schön sie aussah. "Geht es dir gut?", riss sie ihn aus seinen Gedanken.

Wie sollte er darauf jetzt antworten? "Ich habe schlecht geträumt, gerade eben." Zelda stellte die Lampe auf dem Tisch ab. "Kamen ich und Ganondorf zufällig in dem Traum vor?" Link nickte mühsam, bemüht, seine Schulter ruhig auf dem Kissen zu halten. "Woher weißt du davon?"

Zelda sah ihn mit einem Blick an, der irgendwo zwischen ungeduldig und bemitleidend lag. "Ich hatte den selben Traum, ich weiß nur nicht, ob ich ihn als Traum bezeichnen kann." Prüfend sah sie Link an. "Alles in Ordnung?" Link schenkte ihr ein erschöpftes Lächeln. "Solange ich mich nicht bewege, geht's schon. Komm, setz dich, mach's dir bequem."

Zelda setzte sich auf das Fußende seines Bettes, lehnte sich an die Wand und wickelte ihren Mantel dichter um ihre Schultern. "Ich habe mir Sorgen gemacht. Ich war mir nicht sicher, wie tief dieser Abgrund war, deswegen bin ich gekommen... Bist du sicher, das du nicht irgendwelche Hilfe brauchst?"

Link setzte sich mühsam ein Stück auf und betastete prüfend die schmerzende Schulter. "Es geht schon. Ich bin's ja gewöhnt. Sag mir lieber, was gerade eben passiert ist."

Zelda schluckte. "Also... ich bin eingeschlafen und in meinem Traum tauchte Ganondorf plötzlich auf und hat mich entführt. Naja, und dann habe ich dich gesehen."

"Davor war nichts?"
"Wieso?"
"Kennst du Pentauron?"
"Wen?"
"Dann passiert es jetzt wirklich..."
"Was?"
"Unsere Träume werden manipuliert. Dieser Pentauron versucht, uns Angst einzujagen, um in die reale Welt einzudringen und Hyrule zu erobern."
"Was?"

"Ich meine das ernst." Link sah ihr fest in die Augen, um ihr klarzumachen, wie ernst die Lage war. "Da war dieser Geist, sie hat ein Buch geschrieben, darin stand alles, was jetzt passiert!"

"Bist du sicher, das du das nicht auch geträumt hast?" "Ich bin mir sicher... ziemlich! Habe ich mich jemals geirrt?!" "Hast du das Buch zuende gelesen?"

Link schluckte. Wie sollte er das jetzt erklären? Er glaubte es ja selbst kaum. "Ich bin mit der Okarina der Zeit zurückgekommen, um ihn aufzuhalten! Das Ende kann ich beeinflussen!" Zelda gähnte. "Link, das klingt alles ziemlich verwirrend. Lass uns morgen weiterrreden, ja?"

"Nein, nicht einschlafen Zelda! Wenn wir uns mehr von ihm erschrecken lassen, gewinnt er an Energie und kann irgendwann Hyrule erobern!" "Ich bin so müde, Link..." Link spürte selbst, wie ihm die Augenlider zufielen. "Aber wir müssen aufpassen..." Doch Zelda war bereits eingenickt und auch Link sank zurück in erholsame Dunkelheit.

Das Geräusch, das an Links Ohren drang, hatte er lange nicht mehr gehört und fast vergessen. Ein rauschen, regelmäßig lauter und leiser, direkt zu seinen Füßen. Salzige Luft wehte ihm ins Gesicht und er erinnerte sich:

Das Meer... In Termina hatte er es das erste Mal gesehen und es hatte ihn verzaubert. Das klare Wasser, das den strahlend blauen Himmel reflektierte, der feine Sandstrand, der in kleinen Hügeln um seine Füße lag, die Palmen, deren Blätter im salzigen Wind raschelten, das Geschrei der Möwen, die unaufhörlich über die Wogen segelten.

Doch als Link jetzt die Augen öffnete, sah er etwas anderes: Da war ein Meer... schwarz wie die Nacht wogte es schwer vor seinen Füßen bis zum Horizont und kein Stern und keine Wolke spiegelte sich darin, die Blätter der Palmen streckten sich wie die langen Finger einer mageren Hand zum Himmel, als wollten sie nach der Unendlichkeit des Himmels greifen und es herrschte Totenstille.

Dann hörte er etwas: Ein ängstlicher Schrei ganz nah bei ihm und als er sich umsah, erkannte er Zelda, die um ihr Leben schrie. Die Wellen des Meeres griffen wie hilfesuchende Arme nach ihr und zerrten an ihrem Kleid und Zelda trat nach ihnen, doch sie konnte nicht entkommen. "Link! Hilf mir! Bitte!!"

Link hörte sie, sie war nur ein paar Meter von ihm entfernt, doch er konnte keinen Finger rühren. Er stand da auf einer kleinen Anhöhe direkt am Wasser und er hätte nur zwei drei Schritte gehen und die Arme ausstrecken müssen, um ihr zu helfen, doch er konnte nichts tun. Er befahl seinen Muskeln immer wieder, sich zu bewegen, doch seine schlimmsten Ängste und Befürchtungen wurden wahr.

Zelda hatte diesen verzweifelt nach Hilfe suchenden Ausdruck in den Augen, der Link am ganzen Körper erzittern ließ. Sie kämpfte mit den Wogen, doch es waren zu viele. Langsam zogen sie sie in die schwarzen Tiefen und immer wieder schrie sie panisch nach Hilfe, bis nur noch ein leises Gurgeln an Links Ohren drang und dann wurde es still und dunkel.


"NEIN!"

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