Verschneite Weihnacht
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Autor: Ulyaoth Dauer: ~28 Minuten
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Dateigröße: 25,6 MB Format: Zip

Die Sprecher:


Anju sprach Madame Marie

Evilitschi mimte Immanuel Kogfa

FoWo trat auf als Varsha

Impa vertonte Joel

Reaven agierte als Til

Sirius verkörperte Zephos

Tetra stellte Dolores dar

Vas-y übernahm den Erzähler

Vorwort des Autors


Sehr geehrte Leser und Leserinnen, User und Userinnen, Zeldafans und Zeldafaninnen,

frohe Weihnachten. ^^
Die Idee zu dieser kleinen Geschichte kam mir… eigentlich gar nicht, da mich Vas-y eines schönen Abends einfach damit überfiel und mich fragte, ob ich Lust und Zeit hätte, dieses Jahr das ZFB-Hörspiel zu Weihnachten zu schreiben. Zeit hatte ich da zwar keine, aber so was hält mich bekanntlich nicht auf. Pünktlich bzw. im letzten möglichen Augenblick (wie diese kleine Rede hier) hab ich dann dieses kleine Machwerk abgeliefert.
Das Setting ist post-Windwaker, Link ist also mit Tetra schon seit geraumer Zeit unterwegs (und schlägt sich vermutlich zur selben Zeit gerade mit einem gewissen Meereskönigtempel herum – und das zu Weihnachten, der Arme!), die Charaktere sind ausnahmslos aus Windwaker übernommen, vielleicht nicht ganz originalgetreu, aber was soll’s, das hier ist kein historisches Dokument, sondern eine Zelda-FF. Ich will auch gar nicht mehr lange rumschwafeln, sondern mich einfach mal bei Vas bedanken, der genug Vertrauen in mich hatte, diese Story zu schreiben (mutig, mein Junge!) sowie bei all den tapfren Recken, die sich die Mühe gemacht haben, meinen Unfug da auch noch zu vertonen.
Da bleibt mir dann nichts weiter, als noch ein letztes Mal frohe Weihnachten sowie viel Spaß mit der diesjährigen ZFB-Weihnachtsgeschichte zu wünschen.

Möge der Wind mit euch sein.
Euer Ulyaoth

Verschneite Weihnacht


Es war schon kalt, als Til und Joel ihr Haus verließen. Eisiger Wind wehte ihnen vom Ozean entgegen, es war nebelig und kaum waren sie eine Minute lang unterwegs, fing Tils Nase auch schon wieder zu laufen an. „Ich hasse den Winter!“, behauptete Joel, als sie gemeinsam den Weg bis hinunter zum Steg gingen, wo das Schulschiff bereits wartete. „Man kann überhaupt nicht draußen spielen und ständig muss man Feuerholz für den Kamin holen!“
„Dafür ist heute Abend Weihnachten!“, warf Til ein, der neben seinem Bruder her trippelte. „Da gibt’s Geschenke und viel zu essen! Und die ganze Insel kommt zusammen, um zu feiern.“
„Aber vorher müssen wir trotzdem noch zur Schule!“, klagte Joel laut und breitete theatralisch die Arme aus. „Wo liegt denn der Sinn eines Feiertages, wenn man nicht einmal schulfrei bekommt?“
„So vergeht wenigstens die Zeit schneller.“ Til schniefte. „Wenn ich den ganzen Tag auf den Abend warten müsste, mir würde soooo langweilig werden!“
Joel maulte nur, aber vermutlich, weil ihm darauf nichts einfiel. „Macht mal nicht so ein Gesicht“, versuchte Varsha sie aufzumuntern, als sie ihren Krug auf dem Kopf balancierend an den beiden Jungs vorbei ging. „Ich und die Großmutter werden bis heute Abend ein großes Fest veranstalten – und ihr wisst ja, wie Großmutters Kuchen schmeckt!“
„Oh ja!“ Til klopfte sich vergnügt auf den Bauch. „Ich glaube, letzte Weihnachten habe ich so viel davon gegessen, dass ich drei Tage lang nicht gerade gehen konnte!“
Auch Joel nickte. „Oh, der war toll, ja.“
„Na seht ihr!“ Varsha nickte aufmunternd und fing gerade noch rechtzeitig den Krug auf, der ihr dabei vom Kopf rutschte. „Ich habe auch gehört, dass Vadder Orca einen Schaukampf zu Ehren der Götter veranstaltet, es wird also genug zu sehen geben“.
Til und Joel machten gleichzeitig: „Ui, toll!“
„Bis zum Abend werden wir das aber erst vorbereiten. Ihr könnt also beruhigt zur Schule gehen“, sagte Varsha zwinkernd und sah in die Richtung des Bootes, das die Kinder nach Port Monee mitnehmen sollte. Der Kapitän winkte ihnen bereits zu. „Und kommt gut an!“, rief sie Til und Joel hinterher, die bereits dem Boot entgegenliefen.

Ein frostiger Windhauch kam als Antwort zurück.

Einige Zeit später schneite es.
Schnee!
Til sah mit offenem Mund aus dem Fenster seines Klassenzimmers und beobachtete die Schneeflocken dabei, wie sie sanft und still zu Boden rieselten. Er hatte schon von Schnee gehört, Madame Marie hatte davon erzählt, aber gesehen hatte er ihn noch nie. Auf dem offenen Meer schneite es schließlich so gut wie nie. Wie er sich wohl anfühlte? Konnte man sich darin einwühlen? Schneemänner bauen?
Suzunari, der Händler aus dem Norden, hatte die Kinder schon oft mit Geschichten aus seiner Heimat beeindruckt. Einer Welt, die völlig aus Eis und Schnee bestand, in der man sich zum Spaß mit Schnee bewarf und Figuren aus Schnee formte – und sogar die Häuser daraus baute. Til hatte mit offenem Mund zugehört und versucht, sich vorzustellen, wie diese Welt wohl aussehen mochte und wie spaßig es wohl war, aus Schnee Dinge zu bauen. Und nun war der Schnee tatsächlich bis hierhin nach Port Monee gekommen! Wenn er das seinen Eltern erzählte!
„Til, hast du mal wieder nicht zugehört?“ Madame Maries Stimme riss Til aus seinen Gedanken. Er zuckte zusammen, fuhr hoch und nickte hastig.
„Jawohl… also, nein, das heißt, doch, Madame Marie!“
„So? Und wovon haben wir eben gesprochen?“
„Von… Terminas Milchhandelkrise im Jahr des Großen Mondes?“, riet Til drauflos, aber am Kichern seiner Klassenkameraden erkannte er schnell, dass er völlig falsch lag.
Madame Marie schüttelte tadelnd den Kopf, aber sie lächelte dabei. „Aber nein, du Dummerchen, das war das Thema in der vorletzten Stunde. Joel, wärst du so nett, noch einmal zu wiederholen, was wir eben besprochen haben?“
„Ja, Madame!“ Joel erhob sich. „Wir haben vom Weihnachtsfest gesprochen, woher es kommt und was gefeiert wird.“ „Oh, das weiß ich!“, platzte Til los und hüpfte vor Aufregung auf und ab. „Es ist die Nacht, die von den Göttern geweiht wurde, weil sie der übergang in ein neues Jahr ist! Und man feiert gemeinsam und schenkt seinen Freunden und Verwandten schöne Dinge!“
„Sehr brav.“ Madame Marie klang zufrieden. „Und was gibt es denn draußen so Interessantes zu sehen, Til? Du guckst ständig aus dem Fenster!“
Til ruderte aufgeregt mit den Armen. „Ja, es schneit, Madame!“
Mit einem Mal stand die gesamte Klasse zusammengedrängt am Fenster und starrte nach draußen. Til, der ganz hinten stand, konnte natürlich nichts mehr sehen, nicht zuletzt wegen seiner Lehrerin, die mindestens genauso aufgekratzt vor dem Fenster stand und in die Hände klatschte. „Oh, was für ein seltenes Phänomen, ein seltenes Phänomen!“
An Unterricht dachte nun natürlich niemand mehr. Schon rannten die Kinder nach draußen, dicht gefolgt von Madame Marie und Til, der von seinen Mitschülern beinahe überrannt worden war. Die „ganz kleinen Strolche“, wie sie sich nannten, warfen sich bäuchlings gleich in die noch nicht sehr dicke Schneeschicht, Shirley und Mary waren etwas vorsichtiger, aber inspizierten die weißen Flocken mindestens genauso neugierig wie die anderen.
„Ach du liebe Zeit, das ist ja kalt“, stellte Joel begeistert fest, als er eben mit bloßen Händen einen Schneeball formte. „Hey Til! Fang!“
Til wandte neugierig den Kopf – und wich gerade noch einem heran fliegenden Schneeball aus, der stattdessen den Fotografen Immanuel Kogfa traf, der im selben Moment sein Haus verließ. „Ui, jetzt gibt’s ärger“, machte Joel erschrocken und duckte sich hinter Madame Marie, aber der Fotograf lachte nur.
„Ho ho, Schneebälle werfen, ja, das habe ich als Kind auch gerne getan!“ Bedächtig schlich er weiter, vorbei an den spielenden Kindern. „Ach Schnee… wie lange ist es her, dass es das letzte Mal geschneit hat?“ „Sie haben schon einmal Schnee erlebt?“, fragte Til neugierig nach und trippelte an den Fotografen heran, der soeben seine klobige Fotobox hob und auf die Ganz Kleinen Strolche richtete, die laut kreischend Figuren in den Schnee buddelten. „Hat es auf Port Monee schon einmal geschneit?“
„Oh ja!“, nickte Immanuel und blickte prüfend durch den Sucher, bevor er kopfschüttelnd an dem Objektiv schraubte. „Oh, viele Jahre ist es her, damals war ich gerade mal so alt wie du! Aber ich weiß noch genau, wie wir alle damals genauso froh darüber waren. Bloß die Tatsache, dass keine Schiffe mehr fuhren, war etwas störend, damals saß ich drei Tage hier fest, bevor ich Port Monee verlassen konnte… hm, ich glaube, ich nenne dieses Foto ‚Kinder im Schnee’…“
Til erschrak. „Was sagten Sie?“
„Kinder im Schnee... du weißt schon. Sie spielen im Schnee, also nenne ich das Foto…“ „Nein!“, unterbrach Til. „Das davor. Die Schiffe fuhren nicht mehr weil zu viel Schnee war?“ Immanuel nickte langsam. „Ja, die Seeleute wollten nicht auf die offene See hinaus. Port Monee ist weit und breit die einzige Insel mit einem Leuchtturm und sie hatten Angst, sich zu weit von hier zu entfernen. Der fallende Schnee verschlechtert die Sicht, weißt du?“
Mit einem Mal wandelte sich Tils Freude in Angst. Was, wenn er nun Port Monee nicht rechtzeitig verlassen konnte? Sie würden zuhause auf Präludien ohne ihn feiern und er müsste hier zusammen mit Joel warten, bis das Schulschiff wieder fuhr! Wie schrecklich!
Hektisch rannte Til zurück zu seiner Lehrerin und erzählte ihr alles.
„Na, na, nun mal nicht den Moblin an die Wand“, beruhigte ihn Madame Marie. „Noch ist nichts verloren. Komm mit, wir fragen einfach nach!“
Sie warf noch einen prüfenden Blick auf die spielenden Kinder, die um Immanuel herumwuselten und beschloss dann, dass sie die Kleinen erst mal sich selbst überlassen konnte. Sie nahm Til an der Hand, ging mit ihm in Richtung der Küste und beobachtete amüsiert die Reaktionen der anderen Stadtbewohner auf den Schnee. Jedermann schien begeistert und amüsiert, selbst der Alchimist füllte eifrig Schnee in Flaschen und murmelte vor sich hin, ob es dafür wohl Verwendung in Elixieren gäbe. Einzig Suzunari schien gelangweilt und verwundert über die Reaktionen der Stadtbewohner.
„Ah, Madame Marie!“, ertönte auf einmal die Stimme von Dolores, der Tochter des reichsten Mannes in Port Monee. Sie stolperte ihnen entgegen, augenscheinlich ein wenig durch ihr Kleid behindert, das am Saum voller Schnee war. „Schön, Euch zu sehen, Madame. Sche süis onschon… enschan… Ich bin erfreut!“
„Oh, guten Tag, Dolores.“ Marie blieb stehen. „Du warst seit drei Tagen nicht in der Schule. Stimmt etwas nicht?“ „Oh, mein Vater. Er meint, Schule wäre nicht standesgemäß und jetzt gibt er mir Privatunterricht.“ Sie seufzte. „Aber was soll man schon tun?“
„Ich werde mit ihm reden“, beschloss Marie und nickte. „Und was treibt dich bei dem Schneegestöber ins Freie?“
Mit einem Mal sah Dolores betrübt aus. „Oh… na ja, ich war eben unten bei den Booten. Ich wollte vor dem Weihnachtsfest noch einmal meinen Verlobten besuchen, aber die Seeleute weigern sich, heute noch Port Monee zu verlassen.“ Sie stemmte entrüstet die Hände in die Seiten. „Also, diese ungehobelten Flegel, die Bedürfnisse einer Dame so zu missachten!“
Til war entsetzt. „Was? Die Schiffe fahren heute nicht mehr?“
„Unglaublich, nicht wahr?“ Dolores schnaubte sehr undamenhaft durch die Nase. „Es gibt wirklich keine Gentlemen mehr auf dieser Welt!“
„Verlier nicht gleich die Hoffnung, Til!“, warf Marie schnell ein, als Til aussah, als würde er gleich zu weinen beginnen. „Vielleicht bessert sich das Wetter bis heute Abend. Auf dem Meer schneit es selten lange.“

Zwei Stunden später schneite es immer noch.
„Hmhm, wenn das so weitergeht, versinkt ganz Port Monee in Schnee“, brummte Immanuel Kogfa und wackelte bedächtig mit dem Kopf, während er aus dem Fenster seines Hauses sah. Die Kinder und ihre Lehrerin hatte er inzwischen eingeladen, da sein Haus besser geheizt war als das Klassenzimmer und ihm ohnehin nach Gesellschaft gewesen war, wie er selbst gesagt hatte. Vor dem Fenster rieselten immer noch dicke Flocken vom Himmel und ganz Port Monee war mit einer weichen Schicht bedeckt. Es sah wunderbar aus, aber Til konnte nichts Schönes mehr daran finden.
„Ich will nach Hause!“, jammerte er. „Zuhause machen sich alle schon sicher Sorgen und ich verpasse das Fest und den Kuchen und alles!“
„Sorgen macht sich niemand“, versicherte Madame Marie schnell. „Ich habe einen Orni-Postboten nach Präludien geschickt um dort Bescheid zu sagen. Eure Eltern wissen, dass es euch gut geht.“
„Aber das Fest!“ Til blieb untröstlich. Er sah sich um. Außer ihm schien der Schnee niemanden wirklich zu stören. Die Strolche hatten noch immer rote Gesichter und blau angelaufene Nasen von der Kälte, aber sahen sehr zufrieden aus, Shirley und Mary ebenfalls, hatten sie doch einen riesigen Schneemann direkt vor die Tür der Schule gebaut. Nur Joel schien es so ähnlich zu gehen wie ihm, aber er hielt sich tapfer zurück und versuchte, seinen Bruder aufzumuntern.
„Es hört sicher gleich auf zu schneien“, meinte er und klopfte Til auf die Schulter, der nur traurig schniefte. „Wir kommen eben etwas später. Die warten sicher auf uns!“
Til war sich da nicht so sicher. Wenn sie bis morgen warten mussten, würden zuhause natürlich alle ohne sie feiern, schließlich musste man Weihnachten in der Nacht feiern – sonst müsste es ja Weihmorgen oder Weihtagen heißen.
„Wir könnten Weihnachten ja hier feiern.“ Immanuel räusperte sich. „Also, mein Haus ist zwar nicht groß, aber ich habe mir extra für heute Kuchen liefern lassen und ich habe noch hervorragenden Deku-Tee hier…“
„Für eine Tasse Tee wäre ich dankbar“, meinte die Lehrerin und wandte sich dann wieder an den betrübten Til, während der Fotograf an ihr vorbei in seine Küche marschierte. „Was hältst du davon, hm? Wir feiern einfach hier, in Port Monee. Wir könnten sogar fragen, ob Dolores’ Vater uns seine Auktionshalle für die Feier zur Verfügung stellt.“
„Das wäre nicht dasselbe“, schniefte Til.
Joel nickte, nun selbst ein wenig betrübt. „Ja, die Feier auf unserer Insel ist ganz was Besonderes… ach, warum mussten die Windgötter uns denn ausgerechnet heute soviel Schnee schicken?“
„Vielleicht dachten sie, es wäre ein besonderes Geschenk für uns?“ Madame Marie seufzte. „Ach, ich weiß es ja nicht. Die Wege der Götter sind unergründlich…“
Joel zog eine Schnute. „Man müsste sie fragen.“
„Aber das geht doch nicht! Wie willst du denn einen Windgott fragen?“ Til blickte verzweifelt von seinem Bruder zu seiner Lehrerin und wieder zurück. Es gab keine Chance mehr – er würde das Fest auf Präludien wohl verpassen. Und seine Mutter würde Großmutters Kuchen aufessen und ihm nichts übriglassen… „Also, wenn man genau ist, geht das!“ Immanuel kam mit einem Tablett Teetassen aus der Küche zurück. „Was denkt ihr denn, wie das Foto von Zephos denn in mein Atelier gekommen ist?“
Til sprang auf. „Man kann ihn… rufen?“
„Natürlich, natürlich!“ Der Fotograf stellte das Tablett ab und reichte Madame Marie und Joel jeweils eine Tasse mit dampfendem Deku-Tee. „Allerdings brauchen wir dazu ein Medium.“
Joel runzelte die Stirn. „Ein mittelgroßes was?“
„Aber nein!“ Madame Marie musste lachen. „Nicht Medium im Sinne von mittelgroß. Herr Kogfa meint jemanden, der mit den Göttern sprechen kann.“
Til blinzelte. „So etwas wie einen Priester?“
„Nein, nein.“ Joel schüttelte den Kopf und gab sich Mühe, sehr schlau auszusehen. „Ich glaube, Herr Kogfa meinte jemanden, der das wirklich kann. Etwas wie einen Auserwählten oder so!“
„Oh, können Sie das?“ Madame Marie klatschte in die Hände und wandte sich an den Fotografen. „Sie wissen doch, wie man Zephos ruft… würden Sie den Kindern die Freude machen?“
Immanuel hustete und hätte fast die Teetassen fallengelassen, die er soeben zweien der Strolche reichen wollte. „Was, ich? Himmel, Himmel, das habe ich in meiner Jugend getan, ich weiß gar nicht, ob ich das noch kann!“
„Darf man das überhaupt?“ Joel wirkte plötzlich ein wenig ängstlich. „Was, wenn der Windgott wütend wird und Port Monee in einem riesigen Wirbelsturm zerstört und versenkt?“
„Zephos? Nein, nein, der ist harmlos.“ Immanuel Kogfa winkte beruhigend ab – wobei er den Tee aus der Tasse in seiner Hand natürlich verschüttete. „Sehr umgänglicher Windgott. Ganz anders als sein Bruder, der ja für Stürme zuständig ist.“
Joel blieb skeptisch. „Ich weiß nicht… ist er nicht ein riesiges, achtarmiges Monster mit flammenden Augen und tausend Zähnen?“
Aber niemand hörte ihm zu. Til war schon aufgesprungen und tänzelte wie wild um den Fotografen herum. „Oh, bitte, Herr Fotograf, bitte, bitte, bitte, bitte! Wenn Zephos uns helfen kann, würden Sie uns dabei helfen, ihn um Hilfe zu bitten?“
„Oh, also, ich weiß nicht“, brummte Immanuel und strich durch seinen Bart, aber als er all die Augenpaare sah, die auf ihn gerichtet waren, gab er nach. „Also gut, also gut. Aber ich garantiere für nichts!“ Til war aber bereits losgelaufen, mit einem Mal wieder gut gelaunt, die Ganz Kleinen Strolche stürmen ebenfalls unter lautem Jubelgeschrei aus dem Haus, um die ganze Stadt davon zu unterrichten. Immanuel sah ihnen etwas unglücklich nach, zuckte dann aber mit den Schultern. „Also, einen Versuch ist es ja wert, nicht wahr?“

Einige Minuten später war es soweit. Immanuel Kogfa stand, die Fotobox um seinen Hals gehängt, in der Mitte des Platzes vor seinem Haus, umringt von den Stadtbewohnern, die teils neugierig, teils nervös auf den Fotografen starrten. Joel versteckte sich hinter Til, der viel zu aufgeregt war, um sich zu fürchten und hektisch von einem Fuß auf den anderen trat. Es war ganz still, bis auf einen Einwurf von Dolores, die an der Stiege zu ihrer Villa stand und sich mit einem Fächer Luft zufächelte, obwohl es ohnehin schon kalt war. „Hach, ist das alles aufregend!“
Immanuel räusperte sich, offensichtlich nicht erfreut über die vielen Gesichter, die ihn anstarrten. „Hm, hm… erwartet nicht zuviel. Die Zeit, in der ich kleinere Götter beschwören konnte, ist lange vorbei. Da kurvte ich noch auf kleinen Booten durch das Meer und fotografierte Seemonster und Feen und Dämonen und fremde Völker…“
„Probier es einfach“, quietschte Til, der bereits eine lange Rede befürchtete.
„Gut, gut.“ Der Fotograf räusperte sich ein weiteres Mal, hob die Hände in einer komplizierten Geste gen Himmel und stieß schließlich mit donnernder Stimme die Beschwörungsformel aus, die den Windgott Zephos von den himmlischen Gefilden in die Welt der Sterblichen rufen sollte.
„O gewaltiger Beherrscher der Winde und Reiter der Lüfte, erhöre das Flehen dieses demütigen Sterblichen und schenke uns die Gnade deiner göttlichen Aufmerksamkeit!“
Nichts geschah, außer dass einige Schneeflocken durch einen Windhauch durcheinander gewirbelt wurden. Immanuel senkte den Kopf, etwas beschämt wie es schien, und brummte etwas Unverständliches in seinen Bart. Til wandte seinem Bruder das Gesicht zu und sah, dass in seinen Augen ein paar Tränen glänzten. „Hey, dann feiern wir dieses Jahr eben hier in Port Monee“, versuchte Til seinen Bruder zu beschwichtigen, obwohl ihm selbst zum Heulen zumute war. „Mama hebt sicher etwas Kuchen für uns auf… und die Geschenke laufen ja nicht weg.“
Joel nickte. „Du hast recht. Und der Herr Fotograf hat es ja wirklich versucht!“
Immanuel sah den beiden Jungs entgegen, schüttelte den Kopf und krempelte dann auf einmal die ärmel hoch. „So, jetzt reicht’s mir!“ Er trat einen Schritt vor und winkte energisch in Richtung der Wolken. „Zephi, altes Haus… lass dich hier unten blicken, verflixt! Tu nicht so, als hättest du mich nicht gehört!“ Til meinte, sich verhört zu haben, aber in der nächsten Sekunde brauste tatsächlich ein orkanartiger Sturm von oben herab. Wolken brachen unter Donnern auseinander, ein Strom erst eisig kalter, dann angenehm warmer Luft drückte den Jungen beinahe zu Boden und fegte Schnee zur Seite. Joel warf sich schreiend auf den Boden und versteckte sich hinter Madame Marie, eine Wolke aus Schnee und Wind türmte sich direkt vor Immanuel auf, Stadtbewohner wichen vorsichtshalber ein paar Schritte zurück und dann öffnete etwas inmitten der Wolke etwas zwei leuchtend gelbe Augen und sagte:
„Oh, ach du bist es, Immanuel. Wie geht’s, wie steht’s, was macht die Kunst?“
Til blieb der Mund vor Staunen offen stehen. Der Windgott Zephos, Dirigent der Winde, Herrscher über die Luftströme und König aller Brisen entpuppte sich als kleines, froschartiges Wesen, das im Schneidersitz auf seiner Wolke saß und eine Tasse Kaffee in seinen Amphibienhänden hielt. „Das ist ja ein… Frosch!“, entfuhr es ihm, bevor ihm einfiel, dass es vielleicht nicht gerade schlau war, einen Gott zu verärgern.
„Ich muss doch sehr bitten!“, lautete Zephos’ entrüstete Antwort. „Außerdem: Wieso ruft man mich denn ausgerechnet in meiner Mittagspause? Könnte mir das jemand mal erklären?“
Joel hob den Kopf. „Mittagspause?“
„Göttliche Mittagspause“, nickte der Windgott und schlürfte aus seiner Tasse. „Den ganzen Tag schon verschiebe ich Hoch- und Tiefdruckgebiete, da darf man sich doch wohl ein wenig Entspannung gönnen, oder etwa nicht?“
„Oh, hm. Kommen wir ungelegen?“ Immanuel kratzte sich verlegen am Kopf. „Wir wussten ja nicht, dass…“ „Für einen alten Freund habe ich immer Zeit“, quakte Zephos und sank etwas weiter zu Boden. Mit einer schnellen Bewegung leerte er seine Tasse, die er danach mit einem leisen Puff verschwinden ließ. „Also, wo drückt uns der Schuh, was kann ich für euch tun?“
Til trat vor und scharrte verlegen mit den Füßen im Schnee. „Es geht um den vielen Schnee. Wir, also, ich und mein Bruder, würden gerne auf unserer Heimatinsel das Weihnachtsfest feiern, aber wegen des Schnees können wir nicht nach Hause.“ Er holte tief Luft. „Und da wollten wir dich als Wind- und Wettergott bitten, den Schnee dazu zu bringen, nicht mehr zu fallen!“
„Ach du liebes Bisschen!“ Zephos griff sich an die Stirn. „Ich bin doch für den Schnee gar nicht zuständig! Ich bin nur dafür da, Wind zu machen. Du weißt schon, von lauen Lüftchen über Brisen bis hin zu Windhosen. Nicht mal Wirbelstürme mache ich, das hat mein Bruder übernommen.
Familienbetrieb, du verstehst?“
„Aber, aber, aber…“ Til sah seine Hoffnungen schon wieder schwinden. „Könntest du die Schneewolken denn nicht einfach wegwehen?“
Zephos rutschte mitsamt seiner Wolke ein Stück zurück. „Dann wird der Gott des Frostes aber nicht begeistert sein! Der Zeitplan legt fest, dass von heute bis übermorgen Schnee über dem Meer fällt. Daran kann ich nichts rütteln – so weit reicht meine Allmacht nun auch wieder nicht! Meine Güte, und wie viel Arbeit ich schon damals hatte, als dieser Junge den Taktstock des Windes in die Finger bekommen hatte…“ Er schüttelte den Kopf. „Er war ja wirklich ein guter Windbeschwörer, aber stressig war das alles trotzdem. Drei Windrichtungsänderungen innerhalb von fünf Minuten… ihr habt keine Ahnung, welche Arbeit das war, ts!“
Madame Marie schaltete sich ein. „Kann man da wirklich nichts machen?“
„Ich teile das Wetter nicht ein!“, verteidigte dich Zephos und verschränkte die Arme. „Beschwert euch doch beim Gott des Zufalls, der regelt das Ganze! Ich weiß ja auch nicht, nach welchem System er das alles machts…“
Der Fotograf meldete sich noch einmal zu Wort. „Kannst du die Kinder wenigstens zu ihrer Insel bringen? Dich hält der Schnee ja nicht auf…“
„Eine solche Aufgabe ist eines Gottes doch nicht würdig!“, näselte Zephos und schwebte langsam um Immanuel herum. „Ich bin doch kein Kurierschiff!“
„He, warte!“ Dolores sprang plötzlich von ihrer Treppe. „Ich habe eine andere Idee!“ Zephos drehte sich herum und musterte das Mädchen aus seinen Froschaugen. „Ach wirklich? Gut, dann sprich, junge Sterbliche.“
„Wie wäre es denn, wenn du nicht die Jungs zu ihrer Insel bringst, sondern alle unsere Freunde hierher nach Port Monee beschwörst, damit wir hier alle gemeinsam feiern können? Das sind deutlich mehr Leute – eine viel göttlichere Aufgabe, meinst du nicht?“
„Und außerdem“, warf Joel ein, der seinen Mut wieder gefunden hatte, „Du dürftest dann mitfeiern!“ „Was, ich, ein Gott, soll mit Sterblichen feiern?“
Til nickte. „Großmutter macht hervorragenden Kuchen!“
Zephos hob einen Finger und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, überlegte es sich dann aber anders und klappte den Mund wieder zu. Einen Augenblick war Stille, dann ergriff Zephos wieder das Wort. „Also, in Anbetracht der Situation, also…ich meine, was für ein grausamer Gott wäre ich denn, die bescheidenen Bitten der Gläubigen abzulehnen!“
Das Gejubel der Kinder war nun ohrenbetäubend. Joel und Til fielen sich vor Begeisterung in die Arme und tanzten danach um den Windgott herum, der sich verlegen am Kopf kratzte. „Ja, nun, ist doch schon gut… möge der Wind mit euch sein und so. Bin gleich wieder da.“
Mit einem beeindruckenden Poff löste sich der Windgott auf und ließ nur wirbelnden Schnee zurück. Und während die Kinder nun aufgekratzt weiter durch den Schnee tobten, schob sich Madame Marie an den Fotografen heran.
„Nur eine Frage, werter Herr Kogfa… wie kommt man dazu, vom Windgott selbst als ‚alter Freund’ bezeichnet zu werden?“
„Oh, das.“ Immanuel strich durch seinen Bart. „Er ist mir einmal vor langer Zeit erschienen und wollte Passfotos.“
„Passfotos?“
„Nun, offensichtlich haben sie ihm gefallen!“

Es wurde das beste Weihnachtsfest aller Zeiten.
Zephos schaffte die Bewohner aller umliegenden Inseln nach Port Monee. Es wurde ein riesiger Tisch aufgestellt, auf dem alle Bewohner Platz hatten. Es gab viel zu essen und zu trinken, Varsha trug nun einen Krug mit warmem Deku-Tee von Sitzplatz zu Sitzplatz und bot jedem davon etwas an.
„Etwas Tee, Shirley? Noch eine Tasse, Herr Seefahrer? Noch etwas Tee, ihr kleinen Strolche? Nehmt schon, sonst wird er kalt! Oh hoppla, das tut mir jetzt leid, Mary! Ich bin sicher, das kann man auswaschen…“
Zephos hatte einen Ehrenplatz am Kopfende des Tisches erhalten und ließ sich Großmutters Kuchen schmecken. „Oh, ein wahrhaft göttlicher Kuchen, meine Dame! Ich werde beantragen, ihn auf die Liste zu Nektar und Ambrosia zu setzen, das Zeug hängt mir ohnehin schon zum Hals raus! Würden Sie mir das Rezept überlassen? Was, Familiengeheimnis? Och wie unendlich schade!“
„Na, Til? Ist ja wohl alles gut ausgegangen!“, lachte Madame Marie und reichte dem Jungen einen Teller mit Waffeln.
„Und wie!“ Til war glücklich. „Was sagst du dazu, Joel?“
„Oh ja… fabelhaft“, nickte dieser, obwohl er immer wieder nervös neben sich starrte. Der riesige Moblin Momo, Dolores’ Verlobter, machte ihn immer noch zappelig, obwohl er sehr höflich gewesen war und dem Festmahl sogar ein gigantisches Steak hinzugefügt hatte, bei dem Til aber lieber nicht wissen wollte, woher es kam. Den Seeleuten schien es aber zu schmecken.
„Das sollten wir nächstes Jahr wiederholen!“, dröhnte auch Immanuel und ließ sich noch etwas Tee geben. „So ist das weitaus schöner als allein mit seinen Fotografien!“
Schließlich gab es Geschenke und obwohl die Nacht hereinbrach, feierten die Bewohner weiter. Dicker Schnee rieselte weiterhin vom Himmel, aber diesmal störte es niemanden mehr, am allerwenigsten Til. Vom offenen Meer aus hörte man nur die lauten Stimmen der Feiernden und dazwischen mal Maries Stimme, die sich von allen anderen abhob.
„Ach… was für ein schönes Accessoire! Ein Schmetterlingsamulett, nein, woher wusstet ihr das nur!“
Dann verlor sich auch ihre Stimme in der Ferne und friedliche Stille senkte sich auf das Meer hinab.

Ende


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