2. Das Mii als weltweiter Standard
Miyamoto:
Es gibt auf dem Nintendo 3DS-System zwei separate Features für die Mii-Charaktere. Ich denke, dass beide den Leuten viel Spaß machen werden.
Iwata:
Das sind "Mii-Maker" und "StreetPass Mii-Lobby", nicht wahr?
Miyamoto:
Genau. Wir haben auch schon versucht, die Mii-Charaktere mit "Tomodachi Collection" auf dem Nintendo DS-System zu verbreiten, aber diesmal werden wir viel mehr Energie darauf verwenden.
Iwata:
Um einen Punkt wieder aufzugreifen, den wir in einem vorherigen Interview schon einmal angesprochen haben: Die Mii-Charaktere wären nie entstanden, wenn es "Tomodachi Collection" nicht gegeben hätte.
Miyamoto:
Das stimmt.
Iwata:
Sie wollten ein entsprechendes Feature schon seit dem Super Famicom- und Nintendo 64-System umsetzen. Sie mögen Karikaturen schon immer und deshalb war es Ihr Traum, eine "virtuelle Version von sich selbst ins Spiel zu bringen."
Miyamoto:
Ja. Und trotz aller Rückschläge habe ich diesen Traum nie aufgegeben. (lacht)
Iwata:
Ja. (lacht) Und als ich "Tomodachi Collection" eines Tages in der Entwicklung gesehen habe, habe ich es Ihnen gezeigt und Sie gefragt, ob das nicht eigentlich Ihrer ursprünglichen Vorstellung entsprechen würde. Und so haben die Mii-Charaktere ihren Anfang genommen.
Miyamoto:
Genau, das war der Anfang. Also haben wir die Mii-Charaktere auf der Wii-Konsole umgesetzt. Dann haben wir "Tomodachi Collection" für das Nintendo DS-System entwickelt, und jetzt sind sie auch auf dem Nintendo 3DS-System vorinstalliert.
Iwata:
Das ist eine merkwürdige Wendung des Schicksals. Oder besser gesagt, Ihre unnachgiebige Entschlossenheit hat diese Entwicklung hervorgebracht.
Miyamoto:
(lacht)
Iwata:
Sprechen wir jetzt mal über die Mii-Charaktere auf dem Nintendo 3DS-System!
Miyamoto:
Ja, gut. Diesmal haben wir in Bezug auf die Mii-Charaktere zwei Ideen gehabt. Zuerst wäre da die Kompatibilität mit der "StreetPass"-Funktion. Wenn man unterwegs Leuten begegnet, die auch ein Nintendo 3DS-System haben, kann man so die Welt der Mii-Charaktere erweitern.
Iwata:
Bisher mussten die Leute bei einer Begegnung dasselbe Spiel im System haben, um den Zufallsbegegnungsmodus nutzen zu können, z. B. "nintendogs" oder "Dragon Quest IX: Hüter des Himmels". Aber beim Nintendo 3DS-System wird die "StreetPass"-Kommunikation schon aktiviert, wenn man das System einfach nur bei sich hat. Das heißt aber nicht, dass die Mii-Charaktere der Spieler ohne ihr Wissen auf Reisen gehen. Nur wenn man "StreetPass Mii-Lobby" zumindest einmal aktiviert hat und die "StreetPass"-Funktion eingeschaltet ist, machen sich die eigenen Mii-Charaktere auf den Weg und tauchen auf den Nintendo 3DS-Systemen anderer Leute auf.
Miyamoto:
Stimmt. Ganz einfach gesagt will ich die Mii-Charaktere auf der ganzen Welt verbreiten.
Iwata:
Ach ja. (lacht)
Miyamoto:
Es ist ja klar, dass man Mii-Daten mit den Leuten in der eigenen Umgebung tauschen kann. Ich will die Mii-Charaktere aber auf alle möglichen Arten einsetzen, ob man "StreetPass" oder ein drahtloses Netzwerk benutzt. Ich möchte, dass die Mii-Charaktere irgendwann zum weltweiten Avatar-Standard werden.
Iwata:
Das ist also Ihr Ziel. (lacht)
Miyamoto:
Ja, ein hohes Ziel. (lacht) Ich hoffe, dass man in Zukunft auch das eigene Mii einreichen soll, wenn man eine Formalität auf dem Amt erledigen muss. (lacht)
Iwata:
(lacht) Das ist aber wirklich ein hohes Ziel!
Miyamoto:
Es wäre doch lustig, wenn ein weltweiter Standard daraus wird. Ganz einfach gesagt: Ich möchte, dass alle Leute die Mii-Charaktere auf verschiedene Arten nutzen.
Iwata:
Ah.
Miyamoto:
Also, das Ziel mit dem Amt ist vielleicht etwas übertrieben, aber ich möchte, dass Mii-Charaktere einfach vielseitiger genutzt werden. Und deshalb musste das zweite Ziel sein, die Gestaltungsanwendung für Mii-Charaktere zu überarbeiten.
Iwata:
Sie wollten also die Funktion zur Erstellung von Mii-Charakteren erweitern?
Miyamoto:
Ja. Bei den Mii-Charakteren gab es ursprünglich einige Einschränkungen, aber man konnte mit einer sehr einfachen Bearbeitungsanwendung eine virtuelle Repräsentation für sich oder andere erstellen. Das hat so schon Spaß gemacht. Aber dann fiel mir auf, welche Funktionen wir noch hinzufügen sollten, z. B. mehr Elemente für Gesichtszüge der Leute außerhalb Japans.
Iwata:
Richtig. Wir hatten schon viele Variationen für Japaner, oder Asiaten insgesamt, so dass es für diese Leute einfach war, eigene Avatare zu erstellen.
Miyamoto:
Genau. Was uns betrifft, war die Anwendung schon sehr vielseitig und einfach einsetzbar. (lacht) Aber ich würde mein Ziel nicht erreichen können, wenn wir sie nicht noch überarbeitet hätten.
Iwata:
Weil Ihr Ziel ja die ganze Welt ist. (lacht)
Miyamoto:
Richtig. Und außerdem war es auch noch zu schwierig, wirklich speziell aussehende Männer und Frauen mit charakteristischen Gesichtszügen zu erstellen.
Iwata:
Oh. Sie meinen, dass alle irgendwie ähnlich ausgesehen haben?
Miyamoto:
Ja. Das haben wir noch etwas verbessern können. Außerdem wollte ich, dass die Mii-Charaktere den Personen schon ähnlicher sehen konnten, ohne dass man immer mehr verschiedene Komponenten hinzufügen musste. Deshalb kann man jetzt auch die Länge und Breite der Augen, Münder und anderer Gesichtselemente verändern. Mit dieser Funktion kann man die eigenen Mii-Charaktere jetzt auch mit wenigen Elementen noch unterschiedlicher gestalten.
Iwata:
Ich verstehe.
Miyamoto:
Man kann jetzt ein Mii entwerfen, das einem viel ähnlicher sieht, als das bisher möglich war. Man kann auch viele Feineinstellungen vornehmen, obwohl es bestimmt manche Leute gibt, denen das zuviel ist.
Iwata:
Das verstehe ich vollkommen. Wenn man mehr Möglichkeiten hat, wirkt es auch etwas komplizierter.
Miyamoto:
Das Beste an den Mii-Charakteren ist ja, dass sie relativ einfach zu erstellen sind. Diese Entscheidung haben wir bewusst bei der Konzeption so getroffen. Während der Entwicklung haben wir darüber nachgedacht, wie man die Gesichter im Detail gestalten kann, aber wir haben auch an einer Möglichkeit gearbeitet, schnell und einfach ein Mii zu erstellen. Eine Idee war, dass man ein Foto eines Gesichts aufnehmen sollte, das dann analysiert werden konnte, um daraus automatisch einen Mii-Charakter zu machen. Ich war der Idee gegenüber erst sehr skeptisch und sagte: "Okay, aber das klappt bestimmt nicht so wie geplant."
Iwata:
(lacht)
Miyamoto:
Aber wir brauchten ja keine Gesichtsanalyse, die bis ins kleinste Detail genau wäre. Wir dachten, dass es schon funktionieren könnte, wenn wir das Gesicht der Spieler automatisch ein wenig karikieren würden. Wir haben weiter darüber gesprochen und daran gearbeitet, und schließlich erreichten wir etwas, das schon sehr brauchbar war.
Iwata:
Wenn man ein Foto von jemandem macht, erhält man automatisch verschiedene Varianten seines oder ihres Mii. Man wählt dann einen Vorschlag aus der Liste aus und kann noch die Details bearbeiten.
Miyamoto:
Richtig. Wenn man also will, dass man sich wirklich erkennt, hat man immer die Option, die Gesichtszüge zu bearbeiten. Aber wenn man schnell fertig sein möchte, kann man sich einfach auf die Gesichtsanalyse verlassen. Wenn man sein Nintendo 3DS-System dabei hat, kann man also viel Spaß damit haben, Mii-Charaktere für alle möglichen Leute anzulegen. Und wenn man bedenkt, dass es viel mehr Spaß macht, wenn alle darauf zugreifen können, war es klar, dass wir die Software auf dem System vorinstallieren mussten und den Kunden keine separat erhältliche Software-Karte dafür anbieten wollten.
Iwata:
Ja. Wenn alle etwas teilen, hat es dadurch schon einen besonderen Wert.
Miyamoto:
Genau. Und um einen weltweiten Standard daraus zu machen, mussten wir es sowieso von Anfang an auf jedem Nintendo 3DS-System vorinstallieren.
Iwata:
Das mit dem weltweiten Standard ist also immer noch Ihre Motivation. (lacht)
Miyamoto:
Ja, das ist mein Ziel. Ich bin fest entschlossen! (lacht) In der Vergangenheit haben wir "PictoChat" auf dem Nintendo DS-System mitgeliefert, aber diesmal hat es eine etwas andere Bedeutung. Wir wollten "PictoChat" integrieren, weil man nicht alleine damit spielen, es aber trotzdem praktisch nutzen konnte, wenn jeder Nintendo DS-Benutzer es zur Verfügung hatte.
Iwata:
Ja, richtig.
Miyamoto:
Aber bei den Mii-Charakteren möchte ich noch weiter expandieren und noch mehr erreichen. Deshalb haben wir uns für die Integration auf dem Nintendo 3DS-System entschieden. "StreetPass" kann jederzeit von allen Benutzern verwendet werden.
Iwata:
Jeder Kunde kann also damit Spaß haben.
Miyamoto:
Ja. Und vielleicht gehe ich damit jetzt etwas zu sehr ins Detail, aber man kann die Mii-Charaktere auch als .jpg-Bilddateien speichern. Außerdem kann man Mii-Charaktere in QR-Codes konvertieren (das ist eine Art Strichcode). Deshalb kann man jetzt z. B. das eigene Mii auf eine Neujahrs-Grußkarte drucken oder die QR-Codes der Mii-Charaktere anderer Leute in Magazinen und auf Visitenkarten mit dem eigenen Nintendo 3DS einlesen. Nach dem Debüt der Mii-Charaktere auf dem Wii-System konnten wir alle Vorschläge dazu berücksichtigen, was wir verändern sollten.
Iwata:
Ich verstehe.
3. Man muss es einfach ausprobieren
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