Der doppelte Fluch

Autor: N@vi


Prolog

Es war Abend auf der Ranch. Die Pferde waren schon in den Stall gebracht worden und es war wunderbar ruhig. Nur aus dem Haus drang gelegentliches Scheppern, verursacht durch Malon, die einen massiven Holztisch mit einem Lappen bearbeitete. Eigentlich war er schon längst sauber, aber sie war so nervös, dass sie einfach etwas zu tun brauchte. Eine Woche war es nun her, dass er verschwunden war. Was mochte nur passiert sein? Selbst das Pferd zurückzulassen – sein ein und alles. War ihm etwas zugestoßen? Und dann diese seltsamen Worte. Was hatte das alles zu bedeuten?

Beim Gedanken daran verzog sie das Gesicht zu einer Schnute. Einfach zu gehen ohne Bescheid zu sagen – das hatte er noch nie gemacht. Nun gut, er hatte einen Brief hinterlassen. Bedeutete das, er hatte keine Zeit mehr gehabt, es ihr persönlich zu sagen? Sie umklammerte das Schriftstück in ihrer linken Hand fester. Sie mochte Link. Hatte ihn gemocht. Er war immer nett und gut zu ihr gewesen. Eigentlich zu allen. Auch die Tiere hatten ihn gemocht und trotzdem war er nun fort. Da plötzlich klopfte es an der Tür.

„Die Ranch ist geschlossen!“, rief Malon nach draußen. Es war schon nach zehn Uhr. „Bitte, darf ich eintreten?“, erklang eine gedämpfte Stimme. „Es geht um den Helden Der Zeit.“ Sofort legte Malon den Lappen zur Seite und öffnete das Tor. Ihr gegenüber stand eine hochgewachsene, schlanke Frau, die sich lächelnd bedankte. Malon bat sie, sich auf einen der herumstehenden Stühle zu setzen. „Woher kennt Ihr Link?“, fragte sie wissbegierig, während sie einen weiteren Stuhl herbeischaffte und sich darauf niederließ. „Oh, Wer kennt ihn nicht?“, antwortete die hübsche Frau. „Er ist der Held Der Zeit. Es wäre eine Schande ihn nicht zu kennen.“

Natürlich, dachte Malon, wie dumm von ihr. „Was ist passiert?“, fragte Malon. Dieses Mädchen schien etwas zu wissen, das ihr helfen konnte. „Ist ihm etwas zugestoßen? Wisst Ihr, wo er ist? Ich war im Schloss, doch man konnte mir dort nicht helfen. Er scheint spurlos verschwunden zu sein.“

„Ah, das rätselhafte Verschwinden“, sagte die Frau und lächelte wieder, als gäbe es keinen Grund zur Sorge. „Ich möchte dir eine Geschichte erzählen, Malon“, sagte sie sanft. Sie wickelte das Bündel aus, das sie auf dem Rücken trug und eine Laute kam zum Vorschein. „Sie handelt vom Helden Der Zeit und von der Zukunft und der Vergangenheit, also höre gut zu, dann wirst du sie verstehen.“ Sie Strich einmal über die Saiten, sodass der Klang des Instrumentes das Zimmer erfüllte; und dann begann sie zu erzählen.

 

Kapitel 1

Der Boden der Koppel war sehr trocken, denn seit Tagen hatte es nicht mehr geregnet. Ein einziges Pferd galoppierte darin am Zaun entlang um einen Mann herum, der in der Mitte des Platzes stand. Ein kurzer Pfiff und ein Handzeichen ertönten, als dieser das Kommando änderte. Die schöne, braune Stute fiel in Trab und auf einen weiteren Wink hin näherte sie sich gemächlich der Mitte. „Das hast du gut gemacht, Epona“, sagte Link und streichelte ihr über die Nüstern. In der Tat machte sie sehr gute Fortschritte. Mittlerweile hörte sie auf eine Menge Befehle und registrierte und verstand fast alle Zeichen, die Link ihr gab. Den anderen Pferden der Farm war sie schon weit voraus. Links ganze Aufmerksamkeit galt dieser Stute. Auf ihrem Rücken hatte er halb Hyrule durchquert und sie hatte ihm mehr als einmal ihren Wert bewiesen. Ohne sie hätte er es wohl nicht geschafft.

Epona wieherte und schüttelte den großen Kopf. Link kannte das Pferd mittlerweile so gut, dass er mühelos erkennen konnte, wenn sie nervös war. Sofort wurde auch Link nervös. Nicht schon wieder, dachte er. Weit und breit befand sich nichts, was das Tier erschreckt haben könnte und so wusste er, was jetzt kommen würde. Schon spürte er das ziehen in den Fingerspitzen und am Handrücken, das sich rasch ausbreitete. Es fühlte sich an wie kalter Regen auf der Haut. Sein Blick trübte sich, das Atmen wurde schwer. Gleichzeitig war ihm, als lege sich ein unbarmherziger, schwarzer Schatten um ihn, der seine Sinne erstickte und ihn frösteln lies. Die seltsame Schwäche lies ihn in die  Knie gehen und Epona legte die Ohren an, wieherte erneut. Hätte Link nicht gegenwärtig mit seiner Atemnot kämpfen müssen, hätte er bemerkt, wie sich ihre Muskeln anspannten. Sie begann zu stampfen und tänzeln, als wäre sie bereit, jederzeit mit einem Sprung auf und davon zulaufen.

So plötzlich wie das Gefühl gekommen war, verschwand es auch wieder. Er konnte das kühle Gras unter seiner Hand wieder fühlen, mit der er sich abstützte. Über ihm stand Epona, die ihn verwirrt aus ihren braunen Augen beobachtete. Das war nun schon das vierte Mal diese Woche, dachte Link. Was war nur los mit ihm? Schnelle Schritte näherten sich hinter ihm. „Link!“, rief Malon sorgenvoll. „Link! Geht es dir gut?“ Schnell stand er auf. „Alles in Ordung“, log er und versuchte ein einigermaßen glaubwürdiges Lächeln zustande zu bringen. Es misslang wohl etwas, denn sie durchschaute ihn sofort. „Es ist nicht alles in Ordnung“, sagte sie vorwurfsvoll und stemmte die Hände in die Hüften. Just in diesem Moment hielt es Epona für angebracht, Link schmerzhaft in den Arm zu zwicken – er deutete es als Strafe, berichtigte sich jedoch nicht, sondern gab ihr einen freundschaftlichen Klaps auf die Nase.

Malon grinste belustigt und klopfte der Stute den Hals. „Du bist auf meiner Seite, nicht wahr?“, fragte sie das Pferd. „Dein Herrchen ist ein übler Schwindler.“ Besonders das Wort „übel“ betonte sie, während sie sich lässig an Eponas Flanke lehnte und Link schief ansah.
„Ihr beide verbündet euch schon wieder gegen mich?“, meinte er. „Heimvorteil!“, bemerkte Malon. Epona war früher ihr Pferd gewesen, bis ein Junge aufgetaucht war und vorgeschlagen hatte, man könnte doch um das Tier wetten. Er hatte gewonnen und war seitdem oft hier um mit dem Pferd zu trainieren. Das war jetzt ungefähr sieben Jahre her. Selbst wenn man Epona zwingen würde, würde sie ihren Besitzer nicht mehr verlassen, genauso wenig wie das Mädchen, das sie gefüttert und gestreichelt hatte. Solange Epona zufrieden war, sollte es auch Malon recht sein.

 „Schon gut, schon gut!“, gab Link schließlich klein bei. Scheinbar reichte ihr diese Antwort als Entschuldigung. „Fein“, sagte sie. „Es wird schon dunkel und wir machen das Tor bald zu. Mein Vater hat gesagt, du kannst hier schlafen, wenn du willst. Ich muss jetzt Kühe melken und dann gibt es im Haus noch etwas zu richten, Basil hilft mir dabei. Wir werden uns heute also nicht mehr sehen.“ Nachdem sie sich noch gute Nacht gewünscht hatten, lief sie geschäftig davon und lies ihn wieder alleine auf der Koppel. Epona blies Link herausfordernd ins Haar und trottete ihm hinterher Richtung Stall. Über den Vorfall von Vorhin machte sich Link keine Gedanken mehr - immerhin ging es ihm gut; dachte er zumindest damals noch.