Nur ein Spiel - Kapitel 25 - Merkwürdiger Edelstein

Autor: Faylen7


Die zwei Streithammel folgten einem moosigen Pfand eines kleinen Laubwaldes irgendwo im Westen. Seit sie die Farm verlassen hatten, herrschte Funkstille zwischen ihnen. Zelda lief vorneweg und Link ein wenig abseits hinterher. Ob sie überhaupt bemerken würde, wenn er einfach stehen blieb und sich auf dem grünen Gras breit machte... sicherlich nicht...
Mit einem dumpfen Geräusch ließ er sich unkompliziert fallen und blickte in den blauen Himmel. Nicht eine Wolke zog vorüber. Er streckte seine Arme aus und tat so, als würde er schlafen...

Zelda allerdings musste wohl Augen am Hinterkopf haben, da sie ebenso stehen blieb und entgegen Links Auffassung sehr wohl bemerkte, dass er ihr nicht mehr folgte. Sie ließ sich auf die Knie sinken, beugte sich über ihn und blickte direkt in sein sündenloses Engelsgesicht.
„Du Schauspieler... ich weiß, dass du nur so tust“, sagte sie in einer süßen Stimme, biss sich aber gleich wieder auf die Lippe, da sie nicht das Recht besaß so zu tun, als wäre zwischen ihnen alles in Butter. Sie hatte sein Vertrauen enttäuscht... wie charakterlos von ihr... Link aber öffnete nicht seine Augen und reagierte mit bloßer Lethargie.

„Link“, sagte sie. „Du Schlafmütze...“ Erneut entgegnete er nichts. Zelda zweifelte jetzt doch ein bisschen an seiner Schauspielerei, da er sich nicht einen Zentimeter bewegte... Vielleicht hatte er letzte Nacht zu wenig Schlaf bekommen? Zelda näherte sich ihm noch ein Stückchen, sodass die Spitzen einiger ihrer honigblonden Haarsträhnen sein Gesicht berührten und sie erkennen konnte, ob seine Augen tatsächlich fest geschlossen waren.
„Link“, flüsterte sie. Selbst wenn er wach war, wieso sollte er mit ihr reden, da er doch das Recht besaß, erbost über ihre Worte zu sein?

Link öffnete seine Augen, blickte sie mit einem Hintergedanken an, den Zelda in seinen Augen nur zu gut kannte und sie wissen ließ: Er hatte irgendeine Frechheit vor.

Er packte sie mit einem Grinsen an den Oberarmen und rollte sich mit ihr einige Meter über das saftige, grüne Gras. Nun lag Zelda mit dem Rücken auf dem Gras, ihre Haare darauf zerstreut und Link betrachtete sich jene himmelblauen Augen, die ihn niemals in die Seele des Menschen dringen ließen, dem sie gehörten. Sein Blick wurde dann wieder ernster. Auch diesen kannte Zelda und sie wusste, was er bedeutete. Noch immer hatte er einen festen Griff an ihren Oberarmen, aber eben nicht zu grob. Er hielt sie fest, ließ sie nicht entkommen, da sie ihm endgültig eine Erklärung schuldig war.
„Zelda...“, sagte er auf eine Art, wie er ihren Namen noch nie gesagt hatte. Es klang wie Musik in Zeldas Ohren. „Du... du musst mir nicht erzählen, was der Grund ist, dass du ab und zu so...“
„...so gemein, ekelhaft und geradezu bösartig und nicht zu ertragen bin. Doch ich schulde dir eine Erklärung und vor allem eine aufrichtige Entschuldigung.“ Sein Griff um ihre Oberarme wurde wieder fester und er lehnte sich nun deutlich zu ihr.

„Hör’ mir zu“, sagte er bestimmend. „Der Grund spielt doch keine Rolle, zumindest im Moment nicht und eine Verzeihung ändert nichts an der Tatsache, dass du irgendwie verändert bist. Ich bitte dich nur um eines... dass du damit aufhörst dich gegenüber mir so launisch zu verhalten und endlich wieder du selbst bist.“ Sie wollte gerade zu einer langen Erklärung anstimmen, aber Link legte einige Fingerspitzen auf ihre Lippen.
„Zelda... ich bin hier in Hyrule, weil ich dir helfen will, nicht um dir im Weg zu sein. Ich bin hier, um dich zu beschützen... ich wollte einfach nur... bei dir sein“, sagte er verlegen und blickte dann weg.
„Bitte... ich ertrage es nicht, wenn du mir derartige Sachen um die Ohren wirfst. Auch wenn ich sonst alle Gemeinheiten wegstecken kann... und, dass ich deine fiesen Worte nicht ertrage, liegt nicht daran, dass ich jetzt spitze Ohren habe...“, ergänzte er leicht aufmunternd.
 
Verzweiflung, Reue und ehrliches Schuldbewusstsein lagen nun in ihren blauen Augen, wie ein Schatten, der sie wegtragen könnte. „Seit wir in Hyrule sind, habe ich nur Fehler gemacht... Ich habe dir weh getan und dein Vertrauen enttäuscht. Es...“ Link vermutete, dass sie versuchte es ihm zu erklären, und stoppte ihre Worte mit einem Kopfschütteln. Er wusste, sie war einfach nicht dazu in der Lage ihm alle Erklärungen zu geben. Was auch immer der Grund für Zeldas Kälte sein mochte, ob nun Angst, Verzweiflung oder Mutlosigkeit ihre Ursachen sein mögen, Link fühlte, dass es ihr schwer fiel mit der Wahrheit herauszurücken.
„Erzähl’ es mir, wenn du so weit bist, okay?“ Sie blickte ihn dankend an.
„Ich warte auf dich...“, sagte Link leise, nun noch verlegener, bis er sich ihr noch ein Stück näherte. Zelda lächelte ihm entgegen. Er erwiderte das sanfte, teilweise verliebte Lächeln. Sie schlossen ihre Augen, ihre Lippen näherten sich langsam...  

Die Zeit schien still zu stehen. Zelda und Link vernahmen weder das Zwitschern der Vögel noch das Rauschen des Windes oder andere Geräusche. Sie waren vollkommen mit sich selbst beschäftigt. Neben den angenehmen Naturklängen, zerstörte plötzlich ein eigentümliches Knacken die Ruhe, eine Art berstender Ton. Link öffnete schnell seine Augen, ließ von ihr ab und ahnte, was geschah. Unglücklicherweise konnte er es nicht mehr verhindern.

Unter Zelda und Link brach mit einem Schlag der Boden auf. Sie hatten beide keinen Halt mehr und stürzten hilflos in die Tiefe, in eine fremde Dunkelheit.

Nach einer Weile öffnete Link desillusioniert seine Augen. Ihm tat alles weh und im ersten Augenblick, war ihm nicht klar, wo in Hyrules Namen er sich eigentlich befand. Noch mit Schwärze vor den Augen versuchte er sich zu erinnern, was geschehen war und weshalb ihm sein Rücken so höllisch weh tat; und genauso seine Brust, sein Magen, überhaupt sein ganzer Oberkörper sich anfühlte, als ob einige Tonnen darauf gelagert waren. Als er seine Sinne ordnete und vor allem herausfinden wollte, was auf ihm lag, stellte er beruhigt fest, das es sich um Zelda handeln musste. Ach ja... er erinnerte sich wieder. Irgendwie hatte sich die Erde aufgetan und sie waren beide in die Tiefe gestürzt. Der Schmerz im Rücken klang allmählich ab und Link stellte erleichtert fest, dass er sich bestimmt nichts gebrochen hatte. Stabile Knochen und seine tägliche Angewohnheit Milch zu trinken haben ihm wohl den Hals gerettet. Links Hände wanderten zu Zeldas Schultern, dann zu ihrer Hüfte. Irgendwie musste er es schaffen, sie von ihm herunterzubefördern, ohne ihr weh zu tun. Hoffentlich war sie okay. Immerhin hatte sie eine schöne, weiche Landung…
 
Wenige Sekunden später lag sie in seinen Armen und Link untersuchte mit einer Öllampe aus seiner magischen Tasche, ob sie äußere Verletzungen hatte.
„Zelda?“ Obwohl er leise gesprochen hatte, schallte seine Stimme in den unterirdischen Gefilden, wo sie sich jetzt befanden, noch weit entfernt. Zelda schien nichts abbekommen zu haben, auch wenn sie ohnmächtig war. Er stellte die Öllampe beiseite und versuchte sie irgendwie aufzuwecken. Er streichelte über ihre Wangen, über ihre Lippen und wiederholte erneut ihren Namen. Sie öffnete unerwartet ihre Augen und lächelte ihm leicht entgegen.
Ein: „Was ist denn passiert?“, entkam ihr und sie richtete sich auf. 
„Wir sind in die Tiefe gestürzt. Ist alles in Ordnung mit dir?“
„Ja, seltsamerweise tut mir gar nichts weh.“ Link verkniff sich ein albernes Lachen und nahm sich wieder seine Öllampe. Ihm war schon klar, dass sie keinerlei Schmerzen haben konnte...

„Und was machen wir jetzt“, meinte Link. „Ich habe keine Ahnung. Auf jeden Fall sollten wir einen Weg hier herausfinden...“ Zelda schaute in Richtung der Sonnenstrahlen, die durch die Öffnung der Höhle fielen. Sie mussten beide einige Meter gefallen sein, denn die Öffnung erschien sehr weit oben und unerreichbar. Hinaufklettern war also keine Option.

Das Licht von Links Öllampe leuchtete umher. Sie befanden sich in einer großen Höhle mit Tropfsteinen, die von der Decke ragten und in allen Farben leuchteten. Zwei kleine, dunkle, dreckige Gänge führten aus der Höhle heraus. „Haben wir doch ein Pech. Wir müssen so schnell wie möglich durch Hyrule reisen und nun passiert uns so was. Ich glaube langsam, das Schicksal hat was gegen uns“, sagte Zelda, deren helle Stimme noch durchdringender in jenem unterirdischen Labyrinth umherschallte. Link legte einen Arm um ihre Schulter. „Kopf hoch. Wir kriegen das schon hin. Vielleicht hat es einen Grund gehabt, dass wir hier gelandet sind?!“
„Du Superoptimist.“
„Ist das mein neuer Spitzname? Ich muss sagen, ich fände Link doch schöner.“
„Okay... dann: Link.“ Sie blickten sich durch den feuerroten Schein der Lampe an.
„Link, ich habe eine Bitte.“
„Und... die wäre?“
„Falls ich wieder... ausfällig werde, kannst du mich dann bremsen?“ Link wollte schon lachen, begriff aber im nächsten Moment angesichts ihrer trübsinnigen Miene, dass sie es wahrhaft ernst meinte. „Versprochen... aber wie ich dich dann bremse, ist mir überlassen, ja“, sagte er mit einem linkischen Hintergedanken.
„Ja.“ In dem Moment fühlte sich Link ihr wieder so nahe, wie schon lange nicht mehr. Er hatte den Eindruck, das dieses hübsche Gesicht ihm gegenüber wieder: ,seine Zelda’ war, jenes Mädchen, das nach ihm gerufen hatte, jenes Wesen, dessen Ruf er gefolgt war.

Ihrer Intuition und vor allem ihrer Nase folgend, gingen sie gemeinsam einen der beiden Gänge entlang. Von der Decke tropfte unaufhörlich Wasser und in der tiefen Dunkelheit wurde es immer kühler. Allmählich fragten sich die beiden spitzohrigen Gestalten, ob der Weg noch den richtigen darstellte. Sie hatten mit der Zeit den Eindruck, dass jener Weg immer tiefer in das unbekannte Labyrinth führte.
Sie gelangten in ein weiteres hohes Gewölbe, wo überall an den Wänden Fackeln angebracht waren. Link entzündete diese mit dem Feuer seiner Öllampe, worauf der ganze Raum in hellen Farben erleuchtete. Nichts bewegte sich, außer den heiteren Schattenspielen an den klitschigen Wänden.
„Link“, sagte Zelda, ein wenig aufgebracht.
„Was ist?“

Er drehte ich zu ihr und stellte überrascht fest, dass mal wieder irgendetwas merkwürdiges im Gange war. Mit der Zeit konnte ihn echt nichts mehr überraschen. Das Medaillon, oder die seltsame Uhr besser gesagt, welche Zelda um ihren Hals trug, gab ein rötliches Glühen von sich. Sie nahm es in ihre Hand und öffnete es. Aber außer dem Glühen hatte sich auf dem Ziffernblatt nichts verändert. „Was glaubst du, hat das zu bedeuten“, meinte Zelda und sah dann die Ratlosigkeit in Links Blick. Zelda umfasste das Medaillon ein wenig fester und fühlte nun deutlich, dass es irgendwie auf etwas reagierte, es pulsierte, als ob es lebte. Sie lief einige Schritte in dem unterirdischen Gewölbe umher und stellte fest, dass es an manchen Stellen stärker und an anderen schwächer glühte, fast vibrierte.

„Zelda, würdest du mir die Uhr mal bitte geben?“
„Ja, klar doch.“ Sie öffnete den Verschluss und reichte es ihm. Zuerst hatte man den Eindruck, er würde genau das gleiche, was Zelda getan hatte wiederholen, nämlich in der Höhle auf und ab wandern um dort auszuprobieren, wo es am stärksten pulsierte.
„Hat es denn in der Vergangenheit schon mal so reagiert“, fragte Link, ohne Nachzudenken.
„Nein... aber das lag wohl eher daran, dass ich nicht häufig aus dem Schloss herausgekommen bin...“, sagte sie trübsinnig. „Schloss Hyrule ist zwar wunderschön und hütet viele Schätze, aber in meinen Augen ist es für eine Königsfamilie nichts anderes als ein Zwinger, stets darauf bedacht, das königliche Blut von der Außenwelt fern zu halten...“
Link starrte sie geschockt an. Von der Seite hatte er das Schloss noch nie betrachtet. Die Tatsache, dass Zelda so redete, gab ihm allen Grund zur Besorgnis... Sie musste sehr einsam gewesen sein, hinter den Schlossmauern, ohne Freunde, ohne die Möglichkeit das Leben zu genießen. Sie blickte auf den Boden und war mit ihren Gedanken mal wieder jenseits dieser Welt.
„Zelda?“ Seine Stimme rief sie zurück in diesen Teil der Wirklichkeit.
„Schon gut“, erwiderte sie. Wie immer wollte sie nicht darüber reden...

Link trug weiterhin das Medaillon spazieren, während sich Zelda ebenso genau in dem kalten Raum umsah. Nach einiger Zeit blieb Link stehen und hatte den Ort ausfindig gemacht, an dem das Medaillon am stärksten leuchtete- Link stand genau in der Mitte des Raumes und schaute sich um, mal nach oben, mal nach unten. Er hüpfte zur Seite und schabte mit seinen Turnschuhen auf dem Boden herum. Er war dabei eine tolle Entdeckung zu machen.

„Zelda! Hey, Zelda, ich glaube, ich habe etwas gefunden“, rief er, erfüllt von Vorfreude und Tatendrang. Sie lief zu ihm herüber und bestaunte die Stelle, an welcher eine kleine Vertiefung in das graue Gestein eingelassen war: eine runde Einkerbung, in die das Medaillon perfekt passen würde. Ohne Umschweife legte Link das Medaillon in die dafür vorgesehene Rille. Im ersten Moment geschah nichts Weltbewegendes, nur, dass der Staub rundherum aufgewirbelt wurde und die Hylianer erkennen konnten, dass es sich bei dem Boden um eine Art Zeichen mit seltsamen Schriftzeichen handeln musste, wobei die kleine Einkerbung für das Medaillon in der Mitte lag. Zelda aber hatte dieses Zeichen schon mal irgendwo gesehen, wenn sie sich doch nur erinnern könnte... 
„Toll…“, meinte Link spöttisch. „Wäre ja aufregend gewesen, wenn sich etwas getan hätte.“ Einige Sekunden vergingen. Link und Zelda standen wie zwei ahnungslose Trottel in dem unterirdischen Raum. Sie blickten sich mutlos um und gaben schließlich auf. Wenn nichts passierte- passierte eben nichts… Link kniete nieder und wollte das Medaillon aus der Vertiefung herausnehmen. Nur leider steckte es fest. Vielleicht passierte ja doch noch was…

Tatsächlich. Ein Wunder! Geduld macht sich eben bezahlt. Etwas geschah. Das Medaillon glühte stärker und häufiger in der Minute in jenem roten Licht. Das Licht breitete sich aus und lief wie flüssiges Metall die verschiedenen Einkerbungen des Siegels entlang, bis das ganze Zeichen auf dem Boden in roten Farben flimmerte. Interessiert betrachteten die beiden spitzohrigen Gestalten das Schauspiel. Das Medaillon löste sich aus der Einkerbung und schwebte wie verzaubert nach oben, bis es einfach in der Luft stehen blieb. Daraufhin schwebte es aus heiterem Himmel zu Zelda und legte sich wie ein lebendiges Wesen um ihren Hals. Aus der Vertiefung wuchs ein drahtiges Gestell mit geringem Durchmesser nach oben und stand etwa in Kopfhöhe zu Link und Zelda still. Link war von soviel Zauberkunst und geisterhaftem Geschehen begeistert. Was es wohl noch so alles in Hyrule zu entdecken gab?

Er lief einen Schritt auf das merkwürdige Gestell zu und entdeckte einen kleinen Kasten darin. Vorsichtig zog er daran, worauf er den Inhalt dieser verstaubten Schublade betrachten konnte. Wie viele tausend Jahre war diese Anrichtung eigentlich alt?

Er kramte ohne mit der Wimper zu zucken in der Schublade herum und holte einen kleinen roten Stein daraus hervor. Er reichte Zelda das kleine Steinchen, worauf sie sagte: „Weißt du, was das ist?“
„Nein, woher denn? Kennst du diese Gesteinsart?“
„Allerdings. Ist dir Gossipgestein ein Begriff?“
„Irgendwo habe ich das Wort schon mal gehört.“
„Hierbei handelt es sich um sogenanntes Rotes Gossipgestein aus Hyrule. Es verleiht seiner Geschichte nach telekinetische Fähigkeiten.“
„Und was machen wir damit, Zelda?“
„Weiß nicht. Aber irgendeinen Nutzen wird es schon haben…“ Sie lächelte in sich hinein und packte das Steinchen in einen kleinen zusätzlichen Beutel. Irgendwo in ihren Erinnerungen lag die Antwort auf das Rätsel versteckt, denn dieser Stein und einige andere hatten eine große Bedeutung. Nur blöderweise wusste Zelda das Geheimnis nicht mehr, ein Geheimnis, das mit den mystischen Kräften des Medaillons zu tun hatte.

Dann vernahm Link ein Geräusch, was ihm nicht sonderlich geheuer war. Es hörte sich an, wie das Drehen an irgendwelchen Rädern, vielleicht die Uhr des Schicksals, die bald abgelaufen sein würde, vielleicht auch nur Einbildung. Zelda jedoch hörte nichts. Sie beschlossen sich nicht länger hier aufzuhalten, wer wusste schon, welche Gefahren hier hausten… Sie folgten einen weiteren Gang, der immer schmaler und enger wurde, bis sie nur noch krabbeln konnten. Immerhin wurde die Luft wärmer, was ihnen sagte, dass sie vermutlich einem Ausgang sehr nah waren.

Sie erreichten einen hohen Schacht, aus dem eine schmale, aus Eisen bestehende Wendeltreppe ohne Geländer hinaus führte. Sehr stabil und einladend sahen die Treppe und deren schmale Stufen ja nicht aus, aber besser als die unterirdische Dunkelheit waren sie allemal.
„Lady’ s First“, sagte Link und schob sie in Richtung der Treppenstufen. Zelda entgegnete nur mit einem Kopfschütteln und tastete sich vorsichtig voran. Weit oben drangen einzelne Lichtstrahlen in den Schacht hinein. Erneut hörte Link ein seltsames Geräusch, was ihn zur Eile drängte. Auch Zelda hatte es vernommen und hastete die Treppe hinauf. Sie lief immer schneller und beachtete keineswegs, dass es sich hier um eine gefährliche Treppe handelte, die jeden Moment aus ihren Nähten brechen konnte.
„Zelda, sei vorsichtig“, rief Link ihr zu, der bedenklich auf das rutschige, mit irgendwelchen Schimmelpilzen bewachsene Material der Treppenstufen schaute. Zelda befolgte seine Warnung und tastete sich ein wenig langsamer voran, bis Link wieder direkt hinter ihr lief.

Nach einer Weile hatten sie die Hälfte des Weges geschafft. Doch dann wendete sich überraschend das Blatt. Zelda wurde leichtsinnig und lief wieder zügiger. Erneut ein bedrohliches Geräusch aus der Tiefe, die beide keines Blickes würdigen wollten, denn irgendetwas lauerte nun dort unten. Das Geräusch kam näher und Zelda verlor die Geduld. Schnell setzte sie einen Fuß vor den anderen. Wieder ein Geräusch, nun näher als zuvor. Dann geschah es. Zelda rutschte schreiend ab und verlor das Gleichgewicht. Sie hatte keinen Halt mehr und war dabei in die unendlich scheinende Tiefe zu stürzen. Todesmutig warf sich Link halb über die Kante, krallte sich gerade so den rechten Arm von Zelda und hing wohl am seidenen Faden.
„Ich hab’ dich“, war das einzigste, das er sagte und versuchte sie irgendwie hochzuziehen. Dieses Vorhaben gestaltete sich aber schwieriger, als angenommen. Zelda blickte flehend nach oben. Ihre Fingerspitzen krallten sich in die Haut an Links Oberarm. Bemüht den daraus resultierenden kleinen Schmerz zu unterdrücken, blickte Link Zelda an. Angst lag in ihren Augen, während Link versuchte sie nach oben zu befördern. Obwohl Zelda ein fast federleichtes Gewicht hatte, kam sie ihm jetzt unheimlich schwer vor.
„Link, bitte, lass’ mich nicht los“, schluchzte sie. Nun stiegen ihr Tränen in die Augen.
„Hör auf, so was zu denken“, sagte er. Inzwischen tat ihm sein linker Arm höllisch weh. Aber er würde sie niemals fallen lassen- eher selbst mit ihr in die Tiefe stürzen.

Während er immer noch direkt in Zeldas Augen sah und sie in seine, hatte er eine Idee. Er klemmte seine Füße in die Ritzen zwischen den Treppenstufen, hoffend, dass er nicht wegrutschen würde. Jetzt hatte er auch die andere Hand frei.
„Zelda. Nimm’ auch meine andere Hand.“ Ohne Zögern umfasste sie seine andere Hand ebenso.
„Versuch’ dich mit deinen Beinen an der Wand nach oben zu stoßen“,  sagte er laut und anordnend. Ihre Füße berührten die feuchte Wand und sie versuchte sich nach oben zu bewegen. Mit einem lauten Schrei rutschte sie weg.
„Probier’ es noch mal. Mach’ schon“, fauchte er fast. Sein linker Arm brannte nun in dem Schultergelenk, aber er hielt sie immer noch fest. Niemals würde er loslassen. Sie versuchte erneut Halt an der glatten, vermoderten Wand zu finden und stemmte ihr Gewicht nach oben. Links rechte Hand ließ ihren Arm los und griff nach dem Stoff ihrer Weste am Rücken, dann nach ihren Gürtel. Hoffend, dass dieser nicht reißen würde, zerrte er Zelda nach oben. Wenige Zentimeter und sie war in Sicherheit.

Mit einem Seufzen hockte Zelda schließlich neben Link auf den rutschigen Treppenstufen. Sie hielt immer noch seinen Arm umklammert, während Link weiterhin einen Schmerz in seinem Schultergelenk wahrnahm. Zelda saß todesbleich wie ein Häufchen Elend auf der Treppenstufe und starrte schockiert ins Nirgendwo. Sie brachte einfach keinen Ton heraus. Auch Link saß jetzt auf der Treppenstufe, ignorierte die brennende Schulter und murmelte: „Ich hätte dich niemals losgelassen, Zelda. Lieber wäre ich…“ Er stoppte seine Worte, als Tränen über Zeldas Wangen rannen.
„Hey“, sagte er sanft und wischte mit seiner rechten Hand die Tränen unterhalb ihrer Augen weg.
„Es ist okay.“ Link stand auf und half ihr ebenso auf die Beine.
„Lass’ uns langsam weitergehen.“ Sie nickte und schien sich ein bisschen gefangen zu haben. Diesmal lief Link vorneweg, hielt Zeldas Hand fest in seiner rechten und folgte vorsichtig den Treppenstufen. Immer noch brannte seine Schulter und irgendwie schien der Schmerz sich über seinen Arm auszubreiten. Das merkwürdige Geräusch aus der Tiefe aber verschwand.

Nach einigen Minuten erreichten sie festen Boden unter den Füßen. Sie befanden sich immer noch in jenem kleinen Laubwald und ließen sich tief ausatmend auf das herrlich grüne Gras fallen. Zelda hatte seit dem Vorfall nichts gesagt und Link studierte seinen Arm. Sie sah ihm an, dass er starke Schmerzen haben musste…
Link versuchte seinen linken Arm in die Höhe zu heben, musste aber schmerzhaft erkennen, dass dies nicht möglich war. Es brannte, schmerzte noch mehr als zuvor. Er umklammerte mit seinem anderen Arm seine linke Schulter. „Verflucht“, stöhnte er vor sich hin und machte dann seine Augen zu. Zelda setzte sich hinter ihn und begutachtete ohne ein Wort seinen linken Arm. Sogleich stellte sie fest, was falsch war und sagte leise: „Dein Arm ist ausgekugelt…“

„So ein Mist“, brachte er schmerzverzerrt hervor. „Leg’ dich ausgestreckt auf den Boden. Ich helfe dir…“, flüsterte sie. Sie umkrallte mit beiden Händen seinen linken Arm. Ein lauter Schrei aus Links Kehle zeriss die Ruhe in den Wäldern, die zwitschernden Vögel flogen aus den Laubdächern und das Zirpen der Grashüpfer stoppte.

Nach einer halben Stunde lag Link immer noch ausgestreckt auf dem Boden, während Zelda still, zusammengekauert neben ihm in den Himmel starrte. Sie realisierte soeben erst, was Link vor wenigen Minuten für sie getan hatte. Einmal mehr hatte er ihr das Leben gerettet… Wie sollte sie ihm dafür nur jemals danken? Es waren nun unzählige Male, die er sie vor dem Tod bewahren konnte. Sie wünschte, sie könnte nur einmal irgendetwas Gleichwertiges für ihn tun. Aber warum nur tat er das- sowohl heute, als auch damals? Warum nur opferte er sich so für sie auf?

„Zelda…“, sagte Link, als er endlich wieder seine Augen öffnete. Sie blickte ihn an und wusste nicht, was sie sagen sollte. Wie sollte sie beginnen? Ihm schon wieder Danke sagen, da er ihr Leben bewahrte? Ein einfaches, blödsinniges Danke, dass ihm doch nichts geben konnte? Sie schwieg, blickte durchdringend in seine Augen. Diesen Blick hatte er noch nie gesehen- er war erfüllt von Wärme, Fürsorge und Verlustangst. Ein Blick, der tausend Worte überflüssig machten. Ein ehrlicher, unbeschreiblicher Blick und Link erkannte darin nun noch etwas anderes… War es Liebe? Dann ließ sie sich neben ihn auf die Wiese fallen, drehte sich zu ihm und suchte seine Umarmung.
„Verzeih’ mir…“, sagte sie leise.
„Zelda?“ Er wusste nicht, wofür sie sich entschuldigte, hatte aber auch nicht den Drang es wissen zu wollen.
„Ich brauche dich“, platzte es aus ihr hervor und Link hatte das Gefühl zu träumen. Hörte er richtig?
„Bitte verlass mich nicht. Ich schaffe diese Reise nicht ohne dich…“

Dieser Augenblick war einer der wertvollsten und seltensten, welche Link erleben durfte. Die Momente, in denen Zelda sich überwand Gefühle zu zeigen, waren kostbar und rar. Er würde dieses Stück vom Glück in seinem Herzen aufbewahren. Link richtete sich auf, blickte sie aufmunternd an und setzte sich ihre gegenüber. „Zelda… ich würde das Gleiche noch einmal tun, egal, was passiert… auch ich schaffe diese Reise nicht ohne dich.“ Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und blickte sie lange an. Er konnte einfach nicht anders und versuchte in ihre Seele zu sehen, bevor Zelda wieder dicht machen würde.
„Hast du noch Schmerzen in deinem Arm?“
„Es geht so.“
„Ich möchte dir aufrichtig danken… nicht nur für heute, sondern für die vielen Male, da du mir jetzt schon das Leben gerettet hast. Danke, mein Held“, murmelte sie und sah dann beschämt zur Seite. „Wenn es etwas gibt, das ich für dich tun kann, um dir zu danken, lass’ es mich bitte wissen.“
„Dein Lächeln ist mir Dank genug“, murmelte er und sprang dann auf. Manchmal verraten Worte doch zuviel…

Sie liefen weiter, folgten schweigend dem alten Waldweg, sahen die Sonne sinken, beobachteten den Mond, der langsam aufging. Es war spät abends, als sie aus dem Wald heraustraten und erneut die Steppe vor ihren Augen erblickten. Der zweite Tag in Hyrule war zu ende und ein stressiger Tag obendrein. Zelda deutete auf eine Art Wachturm inmitten der Steppe, wo sie heute ihr Lager aufschlagen konnten. Verträumt liefen sie nebeneinander. Im Moment gab es nichts zu sagen, und dennoch lag beiden soviel auf dem Herzen. Link ging es inzwischen wieder gut genug, um mit seinem Schwert kämpfen zu können. Nur gut, dass es nichts Schlimmeres als ein ausgekugelter Arm war…

Wenig später standen sie vor einem Wachturm inmitten der Steppe. Sie kletterten beide eine Holzleiter nach oben und erklommen ein kleines rundes Zimmer, wo nichts weiter stand als ein großes Fernrohr, einige Speere an die Wände gelehnt waren; und die zwei Hylianer einige Fässer mit hylianischem Gebräu in einer Ecke gestapelt vorfanden. Link entfachte das Feuer seiner Öllampe und stellte diese in die Mitte des Raumes. Zelda kramte einige Decken heraus, als Link seine Arme nach oben streckte und herzlich gähnte.
„Mann, bin ich müde“, murmelte er.
„Ich ebenfalls“ meinte Zelda leise. „Aber vorher wäre eine Mahlzeit nicht schlecht. Was möchtest du essen?“ Dieser Satz klang so selbstverständlich, aber hier in Hyrule, in einem einfachen Wachturm, wo nicht einmal eine Stelle zum Kochen vorzufinden war, in einem Land, wo es keine Supermärkte gab… klang dieser Satz einfach nur ungewiss.
„Was haben wir denn?“ Sie hatten allerlei Kram mitgenommen. Link entschied sich schließlich für einige Scheiben Brot mit irgendwelcher Beilage. Solange man dieses noch essen konnte, sollte man sich wohl am Geschmack erfreuen. Nach dem Essen packten Link und Zelda den Krimskrams wieder in die magischen Taschen, da sie morgen so früh wie möglich aufbrechen wollten.

Link blies das Licht der Öllampe aus, da er auf Nummer sicher gehen wollte, falls sich irgendwo Ableger Ganons herumtreiben sollten. Er krabbelte unter seine Decke und blickte in die Düsternis des Raumes. War das tatsächlich real, fragte er sich. Diese Abenteuer mit Zelda- geschahen diese wirklich? Er war jetzt schon zwei lange Tage in Hyrule unterwegs und immer noch waren da diese Zweifel. Die Skepsis, ob vielleicht alles nur ein lächerlicher, aber grandioser Traum war, die Ungewissheit, was morgen sein würde und die Kenntnis, sich irgendwann einem bösartigen Teufel namens Ganondorf stellen zu müssen. Und die unleugbaren Gedanken an eine Vergangenheit, die er nicht kannte…

Auch Zelda machte es sich gemütlich. „Gut Nacht, Link“, murmelte sie und driftete in ihre Traumwelt. Zelda fand wohl in Hyrule sehr schnell Schlaf. Zumindest dachte Link das. Er stand wieder auf und lief zu dem Fernrohr, um einen Blick dadurch zuwerfen. Als kleiner Junge hatte er sich immer eines gewünscht. Ihm kamen einige frühe Kindheitserinnerungen in den Sinn. Dinge, die er noch niemanden erzählt hatte, die sich hauptsächlich um seine Monate in einem Kinderheim drehten. Wie froh er doch damals als Knirps gewesen war, als man ihm mitteilte, er würde das Heim verlassen können. Keine schöne Zeit und keine erfreulichen Erinnerungen… schlagartig machte er sich Sorgen um seine Eltern. Wo waren sie nur- seit dem Vorfall in der Realität keine Spur von ihnen. Er schaute durch das Fernrohr und betrachtete sich die hylianische Steppe bei Nacht. Er drehte das Fernrohr ein Stück und blickte nun in den sagenhaften Nachthimmel mit seinen leuchtenden Sternen. Ganz in seine Gedanken versunken, bemerkte er nicht, das jemand hinter ihm stand.

Sie legte eine Hand auf seine Schulter. „Darf ich dir etwas zeigen?“ Link wurde von ihr so erschreckt, dass er beinahe aus seinen Latschen gekippt wäre. Schnell drehte sich er sich um und wollte sich ihr lachendes Gesicht ansehen, aber Zelda lachte keineswegs. Sie sah durch das Fernrohr und stellte eine bestimmte Position ein.
„Sieh’ durch“, sagte sie fordernd, worauf Link diesem Appell nachging. Er blickte hindurch und erkannte ein großes Sternbild mit drei Gestalten. Also gab es in Hyrule doch Sternbilder, wie in der Wirklichkeit auch.
„Man nennt es das Sternbild der Göttinnen“, flüsterte sie in sein Ohr, so nah, dass Link ihren Atem an seinem spitzen Ohr fühlen konnte, so nah, dass Link sich zunehmend nervös fühlte.
„Das ist ein sehr schönes Sternbild…“, sagte er, bemüht seine Nervosität zu verbergen.
„Ja, wunderschön.“
„Allerdings. Ähm… wahrhaft schön. Findest du nicht auch?“
„Sagenhaft… schön…“ Verdammt, diese Unterhaltung hatten sie schon mal irgendwann. Nicht nur Links Wangen glühten rötlich in der tiefen Dunkelheit, nein, auch Zelda war wieder so verlegen, dass sie sich umdrehen musste. Ohne ein Wort krabbelten sie beide unter ihre Decken, bestrebt, dass sich ihre Blicke in der Dunkelheit ja nicht kreuzten und sie so tun konnten, als wäre nichts. Absolut nichts. Rein gar nichts...

Am frühen Morgen brachen Link und Zelda auf. Seit dem Angriff der Monster bei Nacht auf der Farm liefen sie abseits der Wege, häufig in der Nähe einzelner Bäume, um sich bei der geringsten Gefahr zu verstecken. Ganon durfte keine Notiz davon nehmen, dass sie in Hyrule auf seine Vernichtung zuarbeiteten. Außerdem wusste er immer noch nicht, dass Zelda quicklebendig war. Link blieb stehen, nahm den Kompass zur Hand und studierte, soweit er darauf überhaupt etwas kapierte, die riesige Karte des hylianischen Königreiches. Sie waren auf direktem Weg nach Südwesten und auf der Karte waren dort Berge aufgezeichnet, aber so weit seine Augen blicken konnten, entdeckte Link nur grüne Hügel, Flüsse und einzelne Bäume.
„Bist du schon wieder so ungeduldig?“ Fragend sah Zelda ihn an.
„Es ist nur, dass ich niemals gedacht hätte, das die Steppe so gigantisch ist. Ich meine, wir sind schon wieder Stunden unterwegs und ich kann immer noch keinen Gerudo Canyon erkennen“, sagte Link erklärend.
„Ja, ich wünschte wir hätten zwei Pferde...“, meinte sie seufzend. Link erwiderte das Seufzen, packte Karte und Kompass wieder in die Tasche und warf erneut einen Blick nach Südwesten. Der Himmel war dort grau und wolkenverhangen. Sie mussten wohl mit Regen rechnen. Zu blöd, an Regenschirme hatte wohl niemand gedacht...

Gegen Mittag machten beide Rast in der Nähe einiger Felsen, die ebenso Schutz boten. Noch regnete es nicht. Somit konnte man ruhig ein kleines Lagerfeuer entfachen, um etwas Warmes zu sich zunehmen. Zelda machte sich erneut Gedanken um den kleinen Jungen, der ihr irgendwie leid tat. Link bemerkte ihre grübelnde Miene und kannte diese wohl schon zu gut. Er ahnte, woran sie dachte.
„Zelda, es ist der kleine Kerl mit dem unschuldigen Blick, nicht wahr?“
„Ja, genau. Er hatte zwar von mir verlangt, ich solle an ihn denken, was ich nicht verstanden habe, aber nun denke ich immerzu an ihn. Und das ohne, dass ich wirklich an ihn denken will. Er ist immerzu in meinen Gedanken, als ob er die ganze Zeit hier ist. Vielleicht hat er mehr mit uns zu tun, als wir annehmen.“
„Meinst du, er gehört in eine Art Zukunft?“ Links rechte Augenbraue zog sich nach oben.
„Möglicherweise. Ich habe das Gefühl, er ist eine, nun ja, Reinkarnation, ein Nachfahre oder ähnliches von dir.“
„Wieso das denn?“ Link fand diesen Gedanken nicht besonders toll.
„Weil er eine große Ähnlichkeit mit dir hat.“ Also, das bestritt er.

„Finde ich nicht. Zugegeben, er trägt zwar grüne Klamotten und hat blonde Haare und er wirkte ziemlich frech und er, ja, er hatte ein dämliches Grinsen, und er benimmt sich wie ich mich benehme, aber...“ Link musste feststellen, dass er keine Unterschiede fand. Irgendwie erschreckend, dass dieser kleine Kauz ihm so ähnlich war.
„Sieh’ es wie du willst, aber immer, wenn er mir begegnet, denke ich auch an dich“, sagte Zelda endlich. Dann setzte sie einen eher trübsinnigen Blick auf. Wenn Link etwas mit dem Jungen zu tun hatte und es stimmte, dass er nicht existieren wird, deckte sich seine Geschichte mit ihrem Traum, in dem Link den Tod fand. Warum hatte sie nicht früher daran gedacht? Es tat weh, dass sich ihre Prophezeiung auf diese Weise bestätigte...
„Zelda? Was verschweigst du mir“, sagte Link und setzte sich ihr gegenüber. Er nahm ihre Hände in seine und streichelte diese. Er blickte sie an, als ob er ihr dringend etwas Wichtiges zu sagen hätte...

„Ich weiß, dass die ganze Situation nicht leicht für dich ist, Zelda. Und du trägst irgendwelche Geheimnisse mit dir herum... du weißt, dass du mit mir darüber reden kannst.“ Sie zog ihre Hände weg, obwohl sie das Gefühl mochte und stand auf. Sie ballte ihre Fäuste und sagte gedämpft: „Link, ich...“
Nach einer Weile setzte sie hinzu: „Er sagte, er würde nicht existieren... obwohl ich ihm versprochen habe, an ihn zu denken. Es sollte für ihn einen Weg darstellen, Existenz zu finden. Und nun, verblasst sein Bild in meinen Erinnerungen, genauso wie Hyrule damals einfach verblasst ist.“ Link stand auf, stand direkt hinter ihr, aber brachte es nicht fertig sie zu berühren.
„Zelda, wenn ich dir irgendwie helfen kann…“
Sie unterbrach ihn. „Das kannst du nicht“, sagte sie schroff.
„Aber ich kann es versuchen. Außerdem, ist das meine Entscheidung.“ Sie drehte sich um und sah den ernsten Blick in seinen tiefblauen Augen.
„Gerade das… macht mir Angst. Du triffst immer deine Entscheidungen, egal in welche Situationen sie dich bringen, nur um jemandem wie mir zu helfen. Was passiert, solltest du einmal eine falsche Entscheidung treffen? Selbst du bist nicht unfehlbar… Link, du…“ Sie hielt inne, ging auf ihn zu und flüsterte direkt in sein Ohr: „Riskier’ nicht zu viel.“ Sie setzte sich wieder und beendete ihre Mahlzeit. Link schüttelte mit dem Kopf. Wovon redete sie überhaupt?

Inzwischen schien die Sonne nicht mehr und ein grauer, großer Wolkenschleier lag über dem blauen Himmel. Die Steppe nahm einfach kein Ende... doch dann…

Link erblickte endlich ein Gebirge in der Ferne und deutete darauf. Zelda machte ihren Standpunkt mit einem einfachen Nicken deutlich. Zielstrebig liefen sie zu dem Gerudo- Canyon, mit schnelleren Schritten. Die Sonne war nun gänzlich von dunklen Wolken bedeckt und einzelne Regentropfen fielen. Link kramte eine schwarze Jacke hervor, zog diese schnell an und Zelda warf sich ihren Mantel um. Je näher sie allerdings der Heimat der Gerudos kamen, umso gefährlicher und stürmischer wurde das Wetter, geradeso, als wollte jemand verhindern, dass sie in die Wüste gelangten. Sie stapften weiterhin vorwärts. Sie hinterließen Fußspuren im Matsch. Ihre Schritte wurden schwerer. Blitze zuckten über das Land und Donner grollte in der Ferne. Während Link das Wetter verfluchte, entdeckte Zelda vor dem nahen Gebirge noch etwas anderes: Etwas Bedrohliches, eine Behinderung, die sie nicht passieren konnten.

Auch Link erkannte jetzt jene Blockade und musste zweimal hinsehen, da normale Naturgesetze außer Kraft gesetzt waren. Es regnete in Strömen, regnete, als würden alle Götter Hyrules Tränen vergießen, und dennoch stoppte der Regen die näherkommende Bedrohung nicht. Vor den Bergen brodelte ein Band aus unnatürlichem Feuer vor sich hin, Feuer so weit das Auge reichte zog sich von Westen nach Osten. Es würde eine Passierung der Schlucht im Canyon nicht möglich machen.
„Was ist das“, sagte Link frustriert.
„Feuer...“
„Verdammt, Zelda, das weiß ich auch. Ich meine, wieso der Regen es nicht löscht?“ Zelda kannte die Antwort... Es konnte sich nur um eines von Ganons undurchdringbaren, unlöschbaren Höllenfeuern handeln. Der gewaltige Regen ließ so etwas schon vermuten.
Trübsinnig starrte sie in Richtung des Feuers und seufzte: „Ganon weiß wohl schon, dass wir hier sind...“ Die Kreaturen auf der Farm hatten ihre Mission erfüllt. Sie beobachteten das Band noch eine Weile. Was jetzt? Sie standen gerade erst am Anfang ihres Auftrages und schon gab es solche Schwierigkeiten und Hindernisse...
Wenn Ganon tatsächlich wusste, dass sie hier waren, könnten sie kein Auge mehr zu tun und überhaupt... was, wenn er für weitere Barrieren sorgte? In dem Fall wäre die Mission innerhalb von drei Wochen, und die Zeit war ohnehin schon knapp, niemals zu schaffen?

„Zelda? Können wir den Canyon nicht irgendwie umgehen?“ Sie grübelte eine Weile sorgsam nach. Das müsste doch gehen, sagte sie sich, erfreut, dass Link sie auf diese Idee gebracht hatte.
„Wir könnten nach Westen ausweichen. Dahinter liegt totes Land und dort werden wir keine Dörfer finden. Ebenso nur kahle Bäume und trockenes Gras... Aber wir könnten uns auf diesem Weg, über einige weitere Gebirge, der Stätte in der Wüste, sozusagen von der anderen Seite nähern.“
„Na, das ist doch was“, meinte Link aufheiternd. „Ja, zu schade nur, das wir hierdurch wertvolle Zeit verlieren.“
„Ach, Zelda. Sag’ bloß, du dachtest, dass sich der Plan einfach so durchführen lässt?“

Sie atmete laut aus. „Eigentlich nicht. Egal, lass uns in Richtung Nordwesten gehen.“ Sie drehte sich um und lief vorneweg.
„Jep, ich folge dir doch gerne überall hin, auch mit verbundenen Augen.“ Link konnte nicht anders und war in Stimmung, sie ein wenig zu provozieren.
„Ich verbinde dir gleich deine Augen und lass’ dich hier zurück, du Witzbold.“

Mit seiner charmanten Art hätte Zelda ihn in der Vergangenheit als Hofnarr gut gebrauchen können. Sie war im Moment zwar nicht zu Scherzen aufgelegt, aber gegen einen aufmunternden Gedanken aus der Vergangenheit war ja nichts einzuwenden. Sie hätte Link damals, vor etlichen Jahren, beinahe überzeugen können, bei den jährlichen Schauspielen auf Hyrules Markplatz teilzunehmen. Frohe Erinnerungen erheiterten ihren Geist, bei dem Anblick Links in einem lächerlichen grünen Karnevalskostüm, dass er nur angezogen hatte, da sie ihn darum gebeten hatte. Sie erinnerte sich... das waren lustige Momente...  Es war auch in jener Zeit, als Link ihr das wertvolle Medaillon geschenkt hatte... 
Als Zelda ihn in dem Outfit aber ausgelacht hatte und ihren Lachanfall nicht stoppen konnte, war Link wütend abgerauscht und hatte sich viele Tage nicht gemeldet... Wie auch immer. Das war lang vorbei, vergessen, vergangen. Zelda gestand sich in dem Moment ein, dass sie, auch wenn die einstige Prinzessin Hyrules in der Vergangenheit viel durchgemacht hatte, sich dennoch nach jenen Zeiten sehnte.

„Sag’ mal, Zelda, woran denkst du? Du hast so ein Glitzern in deinen Augen“, sagte Link, der seine Jacke ablegte und diese wie einen Wischmob ausrang.
„Nur an einen Bruchteil eines Tages, der nicht existiert...“, war die Antwort, die Link nicht wissen wollte... Wenn sie in Rätseln sprach, und ja, die Göttinnen haben Zelda selig, dann sprach sie eben in ihrer eigenen, merkwürdigen, uneinleuchtenden Sprache...