Nur ein Spiel - Kapitel 20 - Der Alptraum beginnt

Autor: Faylen7


„Tuut! Tuut!“ Der Wecker dröhnte mit seinem ächzenden Geräusch an Links Ohren, der noch halb verschlafen die Augen öffnete. Wütend warf er ein Kissen gegen den Radiowecker, der vom Schrank fiel, aber sein nervtötendes Geräusch nicht unterließ. Link machte sich nicht die Mühe aufzustehen und warf noch etwas in Richtung des kläglichen Tones, nämlich den erstbesten Gegenstand, den er ergreifen konnte. Es handelte sich um ein dickes Buch, welches er, übrigens noch mit geschlossenen Augen, auf den Wecker schmetterte. Jetzt gab er kein Geräusch mehr von sich, lediglich ein kurzes Brummen, das erstarb. Zum Nachteil Links verschwand aber auch die Uhranzeige, was unweigerlich bedeuten musste, dass der Wecker endgültig seinen Geist aufgegeben haben musste...

Sich streckend und laut gähnend stand der Held auf und fühlte sich wie gerädert. Aus irgendeinem Grund tat ihm alles weh. Erneut hatte er von jener Festung hoch über den Wolken geträumt, wo Babygeschrei herumdröhnte. Und drei Wesen sprachen Formeln in einer anderen Sprache vor sich hin…

Er stolperte aus dem Zimmer und verschwand im Bad, während aus der Küche Gelächter schallte. Er brauchte eine Ewigkeit in dem Badezimmer und zog sich seine Lieblingsklamotten an. Ein grünes T-Shirt und eine dunkelbraune Hose. Die Farben standen ihm nun mal. Dann trampelte er schlaftrunken in die Küche, wo Zelda, Sara und die anderen am Tisch saßen und frühstückten.
„Na, Link? Gut geschlafen“, fragte Rick mit einem Blick, der Bände sprach.
„Ja... doch. Aber wer zum Kuckuck hat eigentlich den Wecker gestellt?“
„Das war ich“, sagte Sara, was sich Link im Übrigen wohl denken konnte.
„Guten Morgen, Link...“, meinte Zelda verlegen.
„Morgen...“

Link setzte sich auf den einzig freien Platz neben Zelda und füllte seine Schüssel mit Cornflakes. Er nahm die Milch und schüttete hastig zu, dass sie beinahe über den Rand geschwabst wäre.
„Jetzt pass’ doch mal auf, was du tust, Hohlkopf“, sagte Mike, mit einem genervten Gesichtsausdruck. „Wir haben keine Lust, den Tisch wegen dir abzuwischen.“
„Hast du ein Problem, Mike?“
„Ja, allerdings. Du sollst einfach nur mal glotzen, was du tust.“
„Bin ja schon dabei, du Nervensäge.“
„Wer hier ein komischer Vogel und zu allem Überfluss eine Nervensäge ist, steht ja wohl außer Frage.“ Link schlug mit der Faust auf den Tisch.
„Du legst es wohl drauf an, Mi...“
Entgeistert stand der Held auf. Das war doch nicht möglich. Er wollte einen anderen Namen zu Mike sagen, aber eben nicht Mike. Er fuhr sich verwirrt durch die goldblonden Haarsträhnen und murmelte: „Ich gehe ein wenig an die frische Luft, ich brauche wohl ein wenig Sauerstoff...“ Zelda wollte ihm hinterhergehen, aber Link schüttelte mit dem Kopf. Dann verschwand er. Er brauchte einfach einige Minuten zum Nachdenken...

„Sag mal, musstest du das zu ihm sagen, du Trottel“, sagte Sara in einem ziemlich abwertenden Tonfall.
„Hackst du jetzt auch noch auf mir rum? Ich fass’ es nicht. Aber wenn es um deinen Link geht, bist du ja immer die Rachegöttin in Person.“ Mike war nur einen Schritt davon entfernt den armen Helden als Versager darzustellen.
„Link ist eben mein Bruder. Er hat es nicht verdient, dass du so über ihn herfällst.“
Mike verleierte seine Augen und seufzte. Plötzlich begann Zelda zu lachen, ohne ersichtlichen Grund. Aber sie hatte einen guten Grund dazu, einen Grund, der nur in der Vergangenheit zu suchen war. Sie wurde von allen nur verständnislos angeguckt. „Sorry, Leute.“, lachte sie und schüttelte abtuend mit den Händen. 

Es war bereits Nachmittag, als Links Eltern zurückkehrten. Sie wirkten frisch und munter. Der Heroe allerdings war noch immer weg. Vermutlich lag er mit zugekniffenen Augen friedvoll in den Wäldern, träumte in seinem klapprigen Baumhaus, und holte ein wenig Schlaf nach.

Sara, Maron und Zelda bummelten vergnügt durch die Stadt, vorbei am Park, vorbei am Marktplatz, bis sie in einem Modegeschäft angekommen waren und sich alle möglichen Kleidungstücke betrachteten. Auch Zelda gegenüber hatten sich Sara und Maron nicht verändert. Ganz im Gegenteil. Obwohl sie wussten, dass sie eine Prinzessin vor sch hatten, legten sie ein derartig künstliches Verhalten, welches die Königstochter von damals nur zu gut kannte, nicht an den Tag. Keiner nannte sie mit einem Titel, um den sie nie gebeten hatte.

„Weißt du Zelda? Ich muss dir was gestehen“, sagte Maron, während sie sich ein teures schwarzglänzendes Abendkleid an ihren Körper hielt, welches sie sich sowieso nicht leisten konnte. Aber schauen kostete ja nichts...
„Ja, was denn?“
„Wir Mädchen sind wohl alle ein wenig neidisch auf dich.“ Sie zwinkerte ihr zu.
„Wieso?“ Dann hielt Maron Zelda das Kleid hin.
„Zieh’ das Kleid an und ich verrate es dir.“

Zelda schüttelte mit den Schultern und verschwand in der Umkleidekabine. Als sie heraustrat sahen einige weitere Kunden sie verwundert an. Zelda lächelte leicht und schaute dann schüchtern zu Boden.

„Weißt du, was ich meine? Kein Wunder, dass Link sich so schnell in dich verliebt hat. Du hast eben Klasse.“ Zelda stand der Mund offen. Wie kam sie darauf, dass Link...
„Seit der siebten Schulklasse habe ich mich für Link interessiert. Aber er hat mich, genauso wie alle anderen Mädchen, die etwas von ihm wollten, einfach abserviert. Jetzt weiß ich warum...“ Zelda biss sich auf die Lippe.

Maron und Sara grinsten wie zwei verrückte Gaukler auf dem belebten Marktplatz vor den Schlosstoren Hyrules, die von ihren Einrädern fielen und deren bunte Bälle auf ihren Köpfen landeten.
Die Mädchen betrachteten sich weiterhin einige Kleidungsstücke, als erneute, schwarze Wolken am Himmel aufzogen...

Link lag währenddessen wie vermutet in seinem Baumhaus, aber er schlief nicht. Mit wachen Augen schaute er aus dem einzigen Fenster des hölzernen Hauses. Worüber er nachdachte, wusste er nicht, was stumpfsinnig sein mochte. Aber jedes mal, wenn er versuchte zu begreifen, was gerade in seinem Gehirnskasten abging, wusste er es nicht mehr. Er sprang vom Baumhaus und übte einige neue Schwerttechniken wie seine Kaitengiri- Technik, die er immer noch verfeinern wollte. Er trainierte wie in Trance, als er hinter sich mal wieder ein Klatschen hörte. Umdrehen war nicht nötig, er wusste genau, wer hinter ihm stand.

„Ist alles bereit, Mortesk“, fragte eine tiefe, kalte Stimme.
Ein selbstgerechter, monströser Kerl stand in der alten Kirche vor dem Altar und warf mit seinen gelben Augen, in deren Pupillen das Feuer der tiefsten Hölle brodelte, einen genauen Blick auf das schwarze Bild, welches leblos an der Wand hing.
„Ja, mein Herr und Gebieter. Eure Untertanen auf der Welt, dank Zarnas Splittern, haben ein hohes Ausmaß erreicht. Ihr könnt jetzt damit beginnen, die Energie zu entladen, die Energie der Göttin, welche in der alten Welt in euren Verliesen gefangen ist..“
„Sehr gut. Haha... Haha...“ Er stand vor dem Bild und sprach mit seiner eisigen Stimme Wörter einer alten Sprache... mehr einem Hexengeflüster gleich, als wirkliche Worte. Nach einigen Sekunden glühte das Bild, welches vorher noch so schwarz war wie die Nacht, in purpurroten Farben als würde ein Flammenmeer in dem Bild wüten. Ein lebendiges Feuer aus Hass und Missgunst. Ein grelles Rot, welches dennoch auffallend tief wirkte. Dann wich das Rot aus dem Bild heraus und wuchs, wie ein lebendiges Geschöpf zu ungeheurer Größe heran... schleimig lief es über dem Boden gleich einer Pfütze aus Blut, tropfte durch Abflussrohre, verdampfte und sammelte sich in der unschuldigen Luft...

Auf den Straßen von Schicksalshort blieben die Menschen stehen, nicht nur in Schicksalshort, auch in Nachbarstädten, Nachbarländern, auf der ganzen Welt. Die rote Masse aus Widerwärtigkeit und Boshaftigkeit breitete sich ungeheuer schnell aus, wurde unsichtbar und überzog die Straßen.
Ganon hatte diese Brut der Hölle mit der gestohlenen Energie einer gefangenen Göttin erschaffen, doch kein Lebewesen wusste um seine niederträchtigen Pläne.

Außerhalb begann sich erschreckend schnell der graublaue Himmel zu färben, während Zelda erschüttert, wie festgemauert, aus dem Schaufenster des Geschäftes sah. Wo waren überhaupt Sara und Maron, sie konnte sie nirgendwo mehr entdecken. Sie fühlte deutlich etwas Mächtiges an seinem Werk. Ihr rechter Handrücken begann zu schmerzen, so stark, dass sie anfing zu schreien. Einige Leute in dem Geschäft sahen ebenso nach draußen, bis sie sich ihre Hände vor ihre Gesichter schlugen. Zelda stürzte vor Schmerzen auf ihre Knie. ,Nayru... beende diese Qual...’

Der widerwärtige Bastard stand immer noch himmelhoch jauchzend in der Kirche und genoss seinen Triumph. In einigen Stunden hätte er sich diese Welt zu seinem Spielzeug gemacht. In einigen Stunden...

Auf der ganzen Welt war Schreckliches im Gange. In vielen Orten fiel der Strom aus und die Naturkatastrophen, die in den letzten Monaten ohnehin schon zugenommen hatte, erreichten ein gewaltiges Ausmaß. Fernsehsender konnten sich vor Berichten nicht mehr retten. Berichte über hochhaushohe Flutwellen, Berichte von Tornados selbst in den Mittelgebirgen, Erdbeben...
Man mag urteilen, dass Naturkatastrophen auf der ganzen Welt nichts Besonderes waren, aber Tausende von ihnen in wenigen Sekunden entsprachen sicherlich nicht dem Normalzustand. Gefängnistüren standen offen... Konflikte, Kriege auf der ganzen Welt läuteten ein, was unabdingbar war. Menschen verwandelten sich in Dämonen, Tote stiegen von ihren Gräbern wieder auf. Das Chaos...

Der Alptraum begann.

Zelda hörte grässliche, schiefe Schreie. Sie beobachtete angstverzerrt, wie sich Menschen, sogar Kinder vor ihrer Nase, in Bestien aus der alten Zeit verwandelten. Dämonen, egal aus welchem Geschlecht und welcher Generation. Gesindel, welches den Tag verabscheute und der Nacht zu Diensten war. Kreaturen mit bleicher Haut, Monster ohne Herz und Verstand.

Mit Schweiß über der Stirn, kroch sie zitternd in dem Geschäft auf dem Boden herum, verängstigt, nicht wissend, was sie tun sollte. Sie fror und tropfte gleichzeitig vor Angstschweiß. Hastig krabbelte sie unter einen Kleiderständer und hockte sich wie ein Kind darunter zusammen. Nein, bitte nicht, nein...

Inzwischen war es draußen so düster, dass man nicht glauben konnte, irgendwann würde noch einmal Licht über diese Welt ziehen. Die letzten Meldungen auf dem Fernsehen erschienen, bevor selbst die Fernsehstudios dem Erdboden gleich gemacht wurden.

Link blieb geschockt stehen. Er hörte von überall her rufende, kreischende Stimmen. Mit einer unangenehmen Ahnung blickte er in den Himmel und erschauderte, als jener teuflische Farben annahm, die er sich niemals hätte vorstellen können, als malte der Weltuntergang mitsamt den Reitern der Apokalypse das grausame, fliehende Farbenmeer im Himmel an. Eine Palette aus Tod und Pest.
Ohne weiteres sputete der Held zu seinem Baumhaus, wusste, dass die Zeit nun gekommen war, fühlte den Puls des Lebens schwinden, nahm seine Dolche und seine Wurfsterne und sein neues Schwert und rannte hetzend in Richtung Stadt. Er erkannte, dass es nicht nur einfach Stimmen waren, es waren die Rufe von entsetzten Menschen... Er rannte schneller, ohne zu wissen, zu ahnen, dass ihn das Schlimmste erwartete.

Zelda blickte um sich und versuchte durch die seltsame Dunkelheit etwas zu erkennen, aber es war vergeblich. Plötzlich zuckte in dem Geschäft eine Deckenlampe. Ihr Licht flimmerte gehässig auf und ab. Durch den Schein der Lampe konnte sie einen wagemutigen Blick hinaus auf die schwarze Straße werfen, wo etliche Menschen unter Schmerzensschreien die Straße herunterrannten, gefolgt von Bestien, die selbst einst Menschen waren. Dann blickte sie in den Himmel und die alte Angst stieg ihre Venen entlang.

Der Alptraum begann.

Der Himmel wurde immer verräterischer, als ob Ganons glühende Teufelsaugen dort oben warteten, gierten, verschmutzten und jedem Geheimnis, jedem Versteck die Sicherheit heraussaugte. Alles sahen diese bestialischen Augen an, die sie sich nicht erinnern wollte. Alles...
Eine Brut aus Dunkelheit und Blut überdeckte den Rest des angenehmen Himmels. Zelda hielt krampfhaft ihre Ohren zu und versuchte ihre Furcht zu unterdrücken.

Link erreichte Minuten später atemlos die Stadt und fand sie total leer vor sich. Was war hier nur los? Ziellos lief er die Hauptstraße entlang, wo Autos stehen geblieben waren, Haustüren offen standen und alles tot zu sein schien. Dann blickte er wieder in den Himmel und wusste genau, was das zu bedeuten hatte: Ganon hatte die Herrschaft an sich gerissen. Der Himmel wirkte wie geronnenes Blut...
Der Held rannte weiter und fühlte sich mit jeder Sekunde hilfloser. Er rannte schneller, dachte daran, die Schuld zu tragen diesen Schrecken nicht verhindert zu haben, und ereichte das Stadtzentrum. Nun hörte er auch wieder einige Schreie, die mehr und mehr in ein Wimmern übergingen. Er machte sich Sorgen um seine Eltern, Sara, seine Freunde und Zelda.
Ich muss meine Familie und Freunde so schnell wie möglich finden, dachte er.

Zelda saß immer noch zitternd unter dem Kleiderständer, auf dem Pelze hingen. Das konnte sie jetzt erkennen, da das Licht der Deckenlampe flackerte. Sie begann zu winseln und wollte sich selbst ermutigen. ,Hör auf’, sagte sie zu sich selbst. ,Reiß’ dich zusammen.’ Dann hörte sie Geräusche, ein leises Klappern, ein kratzendes Zischen und schließlich ein schlürfendes Geräusch. Irgendetwas war ebenso noch in diesem Geschäft, auch wenn vorhin alle Leute nach draußen geflohen waren. Dann wurde das Zischen lauter...

Ihr trat der Schweiß über die Stirn. Aber sie würde sich keinen Zentimeter bewegen, egal, was das für ein Monster war... Um sich von ihrer Angst zu lösen, sich zu beherrschen, vergrub sie ihre Fingernägel in der Haut ihrer Arme und schloss die Augen. Bitte nicht, flehte sie.

Einige Minuten der Stille vergingen. Zelda atmete tief aus und hoffte, dass das Biest wieder verschwunden war. Vorsichtig bewegte sie sich ein Stückchen und blickte leicht durch einen der Pelze hindurch. Doch nichts war da.
Sie atmete wieder tief aus und lehnte sich zurück. Dann war da erneut ein Klappern... klapp... klapp... wie das Schlagen von Metall gegen Metall. Zisch... und das Geräusch war wieder da. Sie bewegte sich ein Stück nach vorne und erkannte einen menschengroßen, mageren Schatten an einer hinteren Ecke des Ladengeschäftes...

Link folgte weiterhin der Straße, dann sah er einige Dutzende Leute ihm entgegenkommen. Gerade wollte er ihnen etwas entgegen rufen, aber sie beachteten ihn nicht und rannten verzweifelte um ihr Leben. Er hatte ein Schwert in der Hand, aber es kümmerte keinen. Der Held schnappte einige Wortfetzen auf. „Das ist das Ende der Welt! Gott stehe uns bei.“ Link kämpfte sich durch die Massen und war der einzige, der in Richtung Einkaufsstraße lief. Er dachte an Zelda. ,Wo bist du nur’, murmelte eine Stimme in seinem Kopf. ,Wo bist du nur?’ Er kniff seine Augen zusammen und hetzte die Straße hinab.

Währenddessen befanden sich Naranda und Impa in der Polizeistation von Schicksalshort. Sie hatten sich zusammen mit anderen Leuten dort verbarrikadiert. Einige Anwesende, die noch bei Sinnen waren und noch nicht auf dem Fußboden hockten und vor Verzweiflung auf und ab wippten oder ganz und gar ohnmächtig waren, telefonierten eifrig, um noch Meldungen und Anweisungen zu erhalten. Impa und Naranda saßen vor einem Laptop und surften eifrig im Internet. Irgendetwas sinnvolles musste man einfach tun.
„Du sagtest, Zelda wäre bei Link“, meinte Naranda.
„Ja, ich glaube, dort ist sie in guten Händen. Wir haben wichtigeres zu tun“, sagte Impa.
„Sicher, aber was? Was können wir schon tun?“
Naranda stand auf und verschränkte die Arme. „Ich hätte niemals gedacht, das es soweit kommt...“
„Das hat niemand von uns...“

Impa las derweil noch einige letzte Meldungen aus dem Internet. Entsetzt schüttelte sie mit dem Kopf. Was zuviel war, war zuviel. Das Böse hatte damals schon Unmengen von Unheil angerichtet, aber was er diesmal aus der Welt machte, übertraf jegliche Erwartungen...
Gerade wollte sie weiterlesen, als das Internet den Geist aufgab.

„Wir können nicht länger untätig herumsitzen, Naranda. Ich würde vorschlagen wir kontaktieren die anderen.“
„Ja, aber wie denn? Das Telefon ist tot.“
„Telepathisch. Ich hoffe, wir können das noch.“ Damit schnappte Impa sich ihre Handtasche und Jacke, kramte ihre Autoschlüssel heraus und lief zum Ausgang. Naranda folgte ihr.

Link kam auf dem leergefegten Marktplatz an. Alles war so düster... als ob die Dunkelheit den Tag für immer verbannt hätte. Wie spät war es eigentlich? Ein Blick auf seine Armbanduhr... vier Uhr nachmittags... Er war die ganze Zeit gerannt und benötigte eine kleine Verschnaufpause. Nirgendwo war ein Mensch zusehen, nirgendwo eine Taube, die sonst immer so zahlreich auf dem Marktplatz herumturtelten. Der Himmel gab ein unnatürliches rötliches Glühen von sich, welches alles in ein dunkles rotes Licht tauchte: das Pflastergestein, die Häuser, das Wasser des Brunnens auf dem Marktplatz. Verzweifelt setzte sich Link an den Rand des Brunnens und schöpfte ein wenig Wasser. Was passierte hier nur? Sicherlich war Ganon für dieses Elend verantwortlich. Großer Gott, was soll ich nur tun, fragte er sich.
Er konnte ihn nicht besiegen... er konnte es einfach nicht...

Erneut zweifelte er an sich und seinen Fähigkeiten. Er könnte sofort in die alte Kathedrale laufen. Er könnte Ganondorf sofort gegenübertreten... aber er würde ihn nicht besiegen, nicht mit seinen jetzigen Möglichkeiten, er würde kläglich versagen. Das wurde ihm jetzt bewusst.  Er brauchte Kraft, mehr Kraft, mehr Mut... plötzlich hörte er unmenschliche Stimmen, ähnlich derer von irgendwelchen Altraumkreaturen, von Untieren. Magere Gestalten, schlürfend, beißend, bewegten sich wacklig aus den Gassen auf den Marktplatz zu....

Naranda und Impa fuhren inzwischen auf der leeren Hauptstraße in Richtung Innenstadt. Sie planten, sich in Impas Villa zu verstecken und von dort aus die anderen telepathisch zu kontaktieren.
„Ich hoffe nur, dein Plan funktioniert. Wir haben schließlich keine Ahnung, ob wir noch über Telepathie, Telekinese, Hellsehen und andere Dinge verfügen.“
„Uns bleibt keine andere Wahl. Ich halte es für unklug aus der Stadt in andere Städte zu flüchten. Für Ganon ist es sicherlich ein gefundenes Fressen, wenn die letzten Menschen auf einem Haufen versammelt sind.“
„Ja, du magst Recht haben. Aber ich verstehe den Grund nicht. Kann er jetzt überhaupt keinen Menschen mehr gebrauchen? Wozu will er die Welt noch besitzen, wenn es hier keine Menschen mehr gibt? Das will mir nicht in den Kopf.“
„Vielleicht...“, meinte Impa sarkastisch, „... hat er genug von den Vorzügen der Menschen und will aus dieser eine Welt der Alptraumkreaturen machen.“
Impa stoppte plötzlich den Wagen. In der Ferne sahen sie einen jungen Menschen, der von einigen Moblins verfolgt wurde.
„Naranda, siehst du das?“
„Ja, aber das ist doch Sara?“

Sara rannte panisch in Richtung des Autos, was wohl ihre einzige Hoffnung darstellte. Sie hatte einige Schnittwunden an ihren Armen und Tränen im Gesicht. Sie rief um Hilfe. Dann stürzte sie. Impa hetzte aus dem Auto und hatte inzwischen ein Kurzschwert in ihrer Hand. Wo sie das plötzlich aufgetrieben hatte, wird wohl ewig ihr Geheimnis bleiben. So schnell ihre Beine sie tragen konnten, rannte sie auf die Schwester von Link zu.

„Sara, steh’ auf!“ Impas tiefe Stimme schallte durch die Luft. Aber die Jugendliche rührte sich nicht. Entsetzt blickte sie zu den Moblins, die sie schmierig anstarrten, wie eine erste Mahlzeit. Sie atmete hastig und schaute mehr und mehr verstört drein. Als der erste Moblin zum Schlag ausholen wollte, trat Impa in den Kampf ein. Innerhalb von Sekunden hatte sie den Moblin überwältigt. Sie zerrte Sara grob auf ihre Beine und schleifte sie in Richtung Wagen. Naranda saß inzwischen am Steuer und fuhr los, als Impa noch nicht einmal die Wagentür geschlossen hatte. Sara saß erstarrt und geschockt auf dem Rücksitz und schaute aus dem Fenster.

„Sara? Bist du okay“, meinte Ines. Aber sie reagierte nicht. Dann liefen Tränen über Saras Wangen. Sie sorgte sich um ihren Bruder und ihre Eltern... was passierte nur auf der Welt. Sie verstand nichts mehr. Alles hatte sich innerhalb von Sekunden verändert. Untiere wie in Fantasiegeschichten hausten in einem Zeitalter, in dem man Magie und Dämonen für blanken Unsinn hielt. Science- Fiktion- Spiele schienen nun Realität zu sein...

Zisch... Zisch... die Gestalt in dem kleinen Geschäft kam immer noch näher. Das Licht in dem Modegeschäft flackerte immer noch hin und her. Zelda überblickte ihre Lage. Zitternd wand sie ihren Kopf hin und her, auf der Suche nach einem Gegenstand, der als Waffe dienen könnte. Überall lagen Kleiderbügel, nein... die würden ihr nicht helfen. In einer weitern Ecke des Geschäftes stand ein Ständer mit Regenschirmen. Aber bis dorthin würde sie es keinesfalls schaffen... ein Regenschirm mit Spitze wäre vielleicht noch ein wenig hilfreich, um zumindest fliehen zu können.

Das Ungetüm in dem Laden stieß plötzlich einige Kleiderständer um. Es musste aus irgendeinem Grund wissen, dass sich in dem Laden noch jemand befand. Zeldas Gedanken schweiften ab. Wäre sie doch niemals in dieses Geschäft gegangen... wäre sie lieber bei Links Eltern geblieben... vielleicht wäre sie jetzt in seiner Gegenwart. Sie hatte Angst sich wieder alleine zurecht finden zu müssen, wie damals in den langen sieben Jahren während des grausamen Zeitkriegs, in denen sie auf Links Rückkehr wartete. Sie kam sich zunehmend erbärmlich vor. ,Du bist kein Feigling...’, sagte sie zu sich selbst. Sie wollte sich nicht länger verkriechen und vor der Realität verstecken. Und dennoch, sie hatte einfach nur Angst... ,Link...’, flehte sie in ihren Gedanken, sprach den Namen des Helden der Zeit immer wieder unbewusst in ihrer Gedankenwelt. ,Link... finde mich...’

Sie lugte vorsichtig aus dem Kleiderständer hervor und erkannte den Rücken eines riesigen Ungetüms. Es hatte grüne, schleimige Haut, die in dem Licht leicht schimmerte. An seinem Hals, wie auch an den Beinen und Armen befanden sich schwere, mit Stacheln versehene Eisenringe. Es trug ein Schild und ein gezacktes Schwert in der Hand. Zelda erkannte das Geschöpf nun als riesige mutierte Echse: ein Echsodorus.

Link sah um sich und erkannte zu spät seine missliche Lage. Er war von den Kreaturen bereits kreisförmig umzingelt. Seltsamerweise blieben die Wesen stehen. Die Wesen waren mager, trugen keinerlei Kleidung und hatten Haut, die schon hundert Jahre alt sein musste. Spärliche Gesichter ohne jedwede Hautfalten gafften ihn an, als wollten sie ihm aussaugen. Link blickte angewidert weg und überlegte, wie er sich aus seiner Lage befreien sollte. Dann begannen sie zu schreien, ihre zischenden Stimmen saugten ihm die Kraft aus dem Körper. Link stürzte auf seine Knie und hielt sich krampfhaft die Ohren zu. „Hört auf, ihr Viecher. Hört auf“, brüllte Link.

Und immer noch schrieen sie und wollten das Leben aus seinem Körper mit ihren Stimmen absorbieren. Ihre abscheulichen Laute drangen hinein in seinen Kopf und fühlten sich an wie kleine Nadeln, die in seinen Ohren wühlten. Fester und stärker umkrallte der Heroe das Heft seines Schwertes. Mit einer Verzweiflungstat sprang er auf, brüllte nun ebenso, um die widerlichen Geräusche zu übertönen und wirbelte das Schwert herum. Wie ein Wahnsinniger zerschnitt er die Leiber der Zombiekreaturen. Nach wenigen Sekunden lagen die Geschöpfe am Boden, aber ihre Körper lösten sich nicht auf. Link ergriff die Gelegenheit und rannte weiter. Er lief hastend in die Einkaufstraße, die sonst immer sehr belebt gewesen war.

Sie kamen an Impas Einfahrt an und leuchteten mit den Scheinwerfern die Gegend ab.
„Es scheint hier rein zu sein...“, sagte Naranda. „Los beeilen wir uns!“ Sie fuhren den Hügel hinauf, sprangen aus dem Wagen, hetzten ins Haus und verriegelten die Türen und Fenster. „Sara. Geht es dir gut“, meinte Impa, nun zum zweiten Mal. Links kleine Schwester hatte sich inzwischen von einem ersten Schock erholt und starrte ungläubig in Ines Augen. „Ja, ich bin in Ordnung...“
„Gut. Trinken wir erst mal einen Tee. (Der wahrscheinlich unpassendste Satz im ganzen Kapitel...)“, sagte sie.
„Es wird Zeit, dass wir dir einiges erklären. Es gibt etwas, was du unbedingt wissen musst. Es geht um dich, Sara.“ Sie nickte zur Verwunderung von Impa und schien zu verstehen.
„Wir brauchen deine Hilfe.“
„Ich ebenso eure...“, sagte sie leise und verschwand mit Impa und Naranda in der Küche. 
 
Das Monster im Modegeschäft drehte sie ruckartig um. Schockiert wich Zelda zurück, stieß an den Kleiderständer, worauf dieser sich geräuschvoll bewegte. Der Echsodorus hatte die Bewegung gesehen. Seine schlitzförmigen Pupillen weiteten sich und sein Schwanz wirbelte herum und warf einen weiteren Kleiderständer um. Erneut gab er seine kratzigen, abscheulichen Laute von sich. Zisch... Zisch...

Zelda betete, dass er nicht in ihre Richtung lief. Erstaunlicherweise blieb das Wesen stehen. Vermutlich wartete es auf eine weitere Bewegung um dann schnell, mit einem Sprung, sich gnadenlos auf seine Beute zu stürzen. Sie spürte nun wieder deutlich einen Schmerz auf ihrem rechten Handrücken, es brannte höllisch, so stark, als ob ein Dolch sich ständig in ihre Hand graben würde. Zelda wusste nicht, auf was sie hören sollte- auf den Schmerz oder auf ihre Angst vor der Höllenkreatur. Sie blickte wieder zu dem Behältnis mit den vielen, farbigen Regenschirmen. War sie schnell genug? Würde sie es schaffen, oder würde die Höllenbestie sie, noch ehe sie zum Sprung ansetzte zerfleischt haben? Sie entschied sich abzuwarten...

Nun bewegte sich das Stück Abschaum doch noch in ihre Richtung. Sein Schwert ließ es bedrohlich auf dem Boden schleifen, sodass Zelda unweigerlich der Schweiß über die Stirn trat. Die Kreaturen besaßen zwar keinerlei Verstand, aber peinigen konnten sie ihre Opfer- eines der einzigsten Dinge, über die sie Bescheid wussten. Zeldas rechte Hand zitterte immer stärker. Der Schmerz brannte immer deutlicher...
Ihre linke Hand wanderte zu einem weichen Pelz, der ihre Sicht versperrte. Vorsichtig zog sie ihn zur Seite und erkannte mit Entsetzen, wie nah das Ungetüm ihr schon war. Aber noch hatte es sie nicht gesehen.

Ohne Vorwarnung zertrümmerte es die glasige, robuste Schaufensterscheibe mit seinem gewichtigen Echsenschwanz. Zelda stieß einen panischen Angstschrei aus: ihr Fehler... denn nun wusste das Geschöpf endgültig um ihre Anwesenheit. Es setzte zum Sprung an und landete vor dem Kleiderständer. Zelda krabbelte unbemerkt hinter dem Kleiderständer hervor und versteckte sich schnell hinter der Ladenkasse. Das Monster schnupperte inzwischen den Geruch von Angst in der Luft, erfreute sich an jenem Geruch, schöpfte Mordtrieb und Wahnsinn daraus. Es zerschmetterte den Kleiderständer mit einem kraftvollen Hieb. Sein Zischen wurde wütender und häufiger, da es wohl annahm sich auf dem Siegeszug zu befinden. Zelda befand sich ein Stückchen näher an den Regenschirmen, wenn sie sich bemühte, würde sie es sicherlich schaffen. Hastig blickte sie über die Tischkante, um sich zu vergewissern, wie viel Abstand sie zu dem Vieh noch hatte. Sie ballte ihre verkrampften Hände zu Fäusten, rappelte sich auf und rannte zu der letzten Möglichkeit sich zu verteidigen. Jetzt hatte das Ungetüm sie im Visier. Zelda hetzte auf die Regenschirme zu, ergriff den Stiel eines Regenschirmes, aber...

Was war das? Sie ließen sich aus dem Behältnis nicht herausziehen. Sie steckten fest!
Vom Donner gerührt rüttelte sie an den Regenschirmen. Der Echsodorus hüpfte ungeheuer schnell zu ihr und noch ehe er sie erreicht hatte, spürte Zelda die Wucht seines flinken Schwanzes, welcher sie an eine Wand in dem Geschäft schleuderte. Zelda schrie heftig auf, hoffend, dass jemand sie hören würde. Aber sie wusste, da war niemand. Sie blickte auf und sah die Kreatur vor sich. Es setzte bereits zu seinem finalen Schlag an.

Plötzlich zuckte es zusammen und ließ das Schwert in seiner Hand fallen. Zelda erblickte die Spitze eines anderen Schwertes, welches durch das Herz der Bestie gestoßen wurde. Der Echsodorus löste sich in Asche auf und sie sah eine warmherzige, vertraute Gestalt vor sich stehen. Zelda atmete tief aus, Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie jemanden vor sich sah, mit dem sie niemals gerechnet hatte. Er selbst schnappte nach Luft und musste wohl die ganze Strecke ohne Pause gerannt sein. Er reichte ihr die Hand. Zelda sah ihn immer noch ungläubig an. Träumte sie? War sie wirklich gerettet worden? Anstatt ihm ihre Hand zu geben, schloss sie die Augen und neigte ihren Kopf zur Seite.

„Zelda?“ Er kniete nieder, legte sein Schwert ab und nahm ihr Gesicht in beide Hände.
„Ich weiß, ich bin spät...“, murmelte er. Er wusste immer, wie er sie aufheitern konnte. Sie öffnete die Augen, brachte aber dennoch keinen Ton raus.
„Wir müssen sofort weg von hier. Kannst du aufstehen?“ Sie nickte lediglich. Der Schmerz auf ihrer Hand flaute allmählich ab. Tapfer nahm er sein Schwert wieder in die linke, stand auf und reichte ihr wieder die andere. Sie nahm sie und stand ebenso auf ihren Beinen. „Schnell, wir haben keine...“ Er hatte keine Zeit seinen Satz zu beenden. Zelda hatte ihre Arme um seinen Hals gelegt und drückte ihn an sich.
Sie murmelte: „Danke, Link.“
„Gern geschehen“, murmelte er und erwiderte kurz die begrüßende Umarmung. „Aber dank mir lieber nachher. Komm’!“

Er nahm sie an der Hand und rannte mit ihr aus dem zertrümmerten Ladengeschäft. Sie liefen in höchster Eile die Straße entlang. Hinter sich hörten sie inzwischen Stimmen, die von irgendwelchen todestriebverseuchten Kreaturen stammen mussten.
Link blieb überraschenderweise stehen.
„Link, was ist? Du willst dich ihnen doch nicht etwa stellen. Es sind zu viele“, sagte Zelda verzweifelt, unter heftigen Atemzügen. „Nein, ich habe eine andere Idee.“ Er schleifte seine Prinzessin zu einem Auto, welches zwar ein eingeschlagenes Fenster hatte, wo aber noch ein Zündschlüssel steckte. Er setzte sich ans Steuer. „Los, Zelda. Steig’ ein!“ Nur unwillig stieg sie ein und hackte nach: „Aber du kannst doch gar nicht fahren!“
„Das werden wir sehen.“
„Tu das nicht, Link.“
„Sag mir nicht, was ich zu tun habe“, meinte er ein wenig lauter. Allmählich verlor er die Geduld. Aus dieser ganzen Situation sah er keinen Ausweg mehr. Zelda schwieg plötzlich und blickte aus dem Fenster zu ihrer rechten Seite. Hoffend zündete Link den Motor und hatte Glück. Der Tank war noch halb voll. Er fuhr langsam los und fuhr auf die offene Straße.

Als Zelda immer noch nichts sagte, entschuldigte er sich: „Sorry... ich wollte dich nicht anschreien.“
„Schon gut. Ich habe wohl einfach nur die Nerven verloren“, sagte sie leise und schaute ihn an. „Ich wohl auch.“

Sie entfernten sich allmählich vom Stadtzentrum und steuerten das Auto ziellos irgendwelche Straßen entlang, um so weit wie möglich Abstand von den Bestien zu gewinnen. An einer Kreuzung hielt Link den Wagen an. Er brauchte einfach nur ein paar Minuten Ruhe, außerdem konnte man von hier einen guten Blick auf die Umgebung werfen. Er lehnte sich zurück und machte kurz die Augen zu.
„Ich bin froh, dass ich dich gefunden habe, Zelda, und dass dir nichts passiert ist.“
„Kann ich dir jetzt danken“, sagte sie leise und versuchte sich aus ihrem Schockzustand zu lösen. Sie begriff jetzt erst, dass sie wirklich in Sicherheit war. Er öffnete seine tiefblauen Augen einen Spalt und blickte sie mit einem aufmunternden Lächeln an. Sie erwiderte sein Lächeln, welches Hoffnung und Vertrauen aussendete.

„Wie hast du mich denn überhaupt gefunden?“
„Ich habe dich schreien hören.“ Eine Pause entstand. Link startete den Motor wieder und sie fuhren weiter.
„Ich wusste gar nicht, dass du fahren kannst.“
„Ich auch nicht“, sagte er prompt und schenkte ihr ein Lächeln.
„Wir sollten in Richtung Impas Villa fahren“, sagte Zelda nach einer Weile. „Ich habe so ein Gefühl, dass es die beste Lösung ist.“
„Okay. Du weißt aber nicht zufälligerweise, was eigentlich auf der Welt los ist, oder?“
„Nein, aber Ganondorf ist wohl oder übel dafür verantwortlich. Das ist anscheinend seine Vorstellung von Weltuntergang. Wir müssen sehr vorsichtig sein.“
„Ja, das ist richtig. Schnall’ dich an. Ich fahr’ ein wenig schneller.“ Damit sauste der Wagen schleunigst in Richtung des Grundstückes von Impa.

 

Link fuhr leise in die Einfahrt zu Ines Grundstück hinein, auch die Scheinwerfer des Autos stellte er ab. Es sollte schließlich kein Höllengeschöpf wissen, dass sich hier Menschen aufhielten. Sie parkten das Auto direkt vor der Haustür und schlichen zum Eingang. Zelda umgriff mit zitternder Hand den Türgriff, aber sie war abgeschlossen.
„Was jetzt“, fragte sie.
„Ich schlage vor, du versuchst dich erst mal ein wenig zu beruhigen“, meinte Link, der ihre zitternde Hand bemerkt hatte. „Und dann, versuchen wir es mit dem Hintereingang. Was hältst du davon?“
Sie nickte stumm. Blöderweise war auch die Hintertür abgeschlossen. Link klopfte aufgeregt an die Tür, aber es brachte nichts.

Dann fiel ihm die Regenabflussrinne auf.
„Bist du schon mal irgendwo eingebrochen, Zelda?“ Ein Grinsen formte sich auf seinem Gesicht, als sein Blick an der Rinne auf und ab lief.
„Was? Nein, natürlich nicht.“
„Dann ist das heute die perfekte Gelegenheit es auszuprobieren“, meinte Link und zeigte mit seinem linken Arm auf ein großes Balkonfenster im dritten Stock.
„Die Regenrinne sieht stabil aus, wird uns schon aushalten. Also komm’! Du gehst zuerst.“
Zelda war dabei mit dem Kopf zu schütteln, als ihr strahlender und manchmal zu überdrehter Held sie unter ihren Armen packte und die verblüffte Prinzessin entgegen ihres Willens der Regenrinne entgegenhievte. Zelda umgriff die Abflussrinne und begann zu klettern. Die Situation wurde immer bizarrer. Wann brach man schon in sein eigenes Haus ein? Link folgte ihr mit einem Sprung und innerhalb von Sekunden standen sie beide auf dem sicheren Boden des Balkons.

Mit einem Seufzen blickte Zelda über das Geländer. „Sei froh, dass du so viel Glück hast. Wenn wir gefallen wären, hätte die Landung mehr gebracht, als nur einen Beinbruch...“
„Wer wagt, gewinnt“, war Links unverblümte Antwort, auf eine Frage, die er von Seiten Zeldas sowieso schon erwartet hatte. „Aber sieh’ es doch mal positiv. Wären wir gefallen, würde ich als erster auf dem Boden landen und du hättest eine weiche Polsterung auf der du aufkommst.“

Link wusste angesichts ihres aufgebrachten Kopfschüttelns, dass er wieder einmal das letzte Wort behielt. Er versuchte die gläserne Balkontür zu öffnen. Auch die war verschlossen. Was tut man in einer aussichtslosen, verzweifelnden, beklagenswerten, jämmerlichen Situation wie dieser? Bedienungsanleitung: Man nehme einen harten Gegenstand und zerschlage die Fensterscheibe. Hat man keinen Gegenstand, nehme man den Fuß oder den Ellebogen. Ist das Glas zu stabil, Zelda fragen, sie könnte ihre magischen Kräfte nutzen. Ist das Glas dennoch zu robust, weiß selbst die beste Bedienungsanleitung nicht mehr weiter...

Link befolgte die Anleitung und zerschlug mit dem Ellebogen die Scheibe. Sie traten in den Raum ein, kramten eine Taschenlampe hervor und schlichen im Haus hin und her. Hoffentlich war jemand da...

Sie folgten einem dunklen Korridor ins Erdgeschoss und funkelten mit Taschenlampen die Wände ab. „Zelda...“, flüsterte Link. „Wart’ mal.“
„Was ist?“ Sie blieben beide stehen.
„Warum hast du bei diesem Monster in dem Geschäft eigentlich deine Kräfte nicht benutzt“, sagte Link leise. Er vermutete, dass die Angst Zelda wohl vollkommen gelähmt hatte. Sie seufzte und lief langsam weiter.
„Es lag nicht daran, dass ich nur Angst vor dem Geschöpf hatte... ich konnte einfach nicht mehr klar denken, weil meine rechte Hand so stark gebrannt hat, als würde jemand mir sie abreißen wollen...“
Das überraschte Link ein wenig. Er erinnerte sich an den Vorfall in Irland, als er mit Sian auf der Suche nach Kevin war...
„Ähm, Zelda... ich hatte manchmal genau dasselbe Problem.“
„Mmh... Komisch. Aber dieser trügerische Schmerz könnte uns in gefährliche Situationen bringen.“
„Das ist mir klar, Zelda.“

Damit durchquerten sie den großen Saal und folgten den Stufen in den riesigen Keller. Impas Villa hatte immerhin einen Keller, der mehr einem unterirdischen Labyrinth glich. In den verschiedenen Kellerräumen war einfach alles zu finden, eine riesige Vorratskammer, einige weitere Zimmer, mit Stühlen, Tischen, sogar Betten... Man könnte es auch anders formulieren: Ines Schattener hatte, seit sie die Erinnerungen an ihre Vergangenheit als Shiekah wiedererlangte, sich auf einen Ernstfall vorbereitet und in den Kellerräumen eine zweite Wohnung eingerichtet. Hier würde kein Monster Zugriff haben können.
Die Auserwählten liefen weiter, bis sie schließlich vor einer dicken, riesigen Stahltür stehen blieben. Zelda suchte die Wände ab. „Bis vor kurzem war diese Tür noch nicht...“
Link klopfte wie ein Wahnsinniger an der Tür und fing dann an zu rufen: „Ines. Hey, Ines. Wir sind es. Mach’ die Tür auf!“

Zelda ließ sich trübsinnig auf eine Treppenstufe sinken. „Sie wird uns nicht hören, selbst, wenn sie sich tatsächlich dahinter versteckt hat“, meinte sie misslaunig und griff sich an ihre Stirn. Sie hatte nun Kopfschmerzen und brauchte unbedingt ein wenig Schlaf... wie spät war es eigentlich? Vermutlich weit nach 20 Uhr. Die ganze Situation schien so ausweglos. Was sollten sie tun, wenn sie sich in diesem Haus versteckten? Darauf warten, dass Ganon sie früher oder später fand? Darauf warten, dass die ganze Welt einem Feuermeer ähnelte? Auf das Ende warten? Wo war die Hoffnung, an die man immer geglaubt hat, wo waren die Lichter der Hoffnung, die das Böse in seine Schranken weisen würden?

Link setzte sich neben sie und lehnte sich an die kalte Wand. „Zelda?“
„Mmh?“
„Hör zu. Ich kann dir vielleicht nicht versprechen, dass alles auf dieser Welt wird, wie es davor gewesen ist. Nein, diese Illusionen kann ich dir nicht geben und ich weiß ebenso nicht, ob ich tatsächlich in der Lage bin, mich Ganondorf zu stellen. Besiegen werde ich ihn nicht können, aber...“
Sie blickte zu ihm auf.
„... aber. Solange es noch einen Funken Hoffnung gibt, sollten wir nicht aufgeben, solange wir noch hier sind, gibt es vielleicht doch noch eine Chance, einen Weg, auch wenn dieser sehr schmal ist. Wir dürfen nicht aufgeben... okay?“

Seine Worte klangen so ermutigend, gesprochen von jemandem, der wohl nie eine Neiderlage hinnehmen würde. Sie lächelte ihn leicht an.

In dem Augenblick wurde die schwere Stahltür mühsam und mit einem Lärmen verschoben und Dar Gordon trat heraus.
„Nanu, Zelda? Link?“ Der Heroe hätte nicht geglaubt, dass er einmal so glücklich gewesen wäre das Gesicht von Dar Gordon, dem Arzt, der keine Gnade kennt, zu sehen.
„Kommt’ schnell. Ich werde das Tor gleich wieder schließen“, sagte er.
„Danke Dar“, sagte Zelda, der Freudentränen im Gesicht standen.

Sie folgten dem Arzt durch einen ewiglangen Flur in einen großen Aufenthaltsraum. Überall standen Regale mit irgendwelchem Krimskrams. In der Mitte fußte ein riesiger runder Tisch mit vielen Stühlen. Ines, Sara und Naranda saßen an dem Tisch.
Links kleine Schwester hatte ihren Kopf traurig auf ihre Arme gelegt und schluchzte leise.
Die Jugendlichen traten mit einem leichten, beruhigenden Lächeln in den Raum ein... Es tat gut, einige andere Menschen zu sehen.

„Hey, Schwesterchen? Bekomme ich denn gar keine Begrüßung“, sagte Link.
In dem Augenblick hüpfte Sara von ihrem Platz und blickte den Helden schockiert an. Sie konnte wohl nicht fassen, dass er tatsächlich hier stand. Sie rannte auf ihn zu, fiel in seine Umarmung und weinte: „Link. Es ist so schrecklich... Ich weiß nicht, wo die anderen sind...“
Er versuchte sie zu trösten und sagte einfühlsam: „Es ist okay. Wir finden eine Lösung, versprochen.“ Auch Ines war aufgesprungen und fiel beinahe über Zelda her. „Den Göttinnen sei Dank, dass dir nichts passiert ist, Zelda...“ Sie drückte die wehrlose Prinzessin an sich, dass ihr beinahe die Luft wegblieb. Impa hatte wohl schon immer einen zu festen Griff. Auch Naranda begrüßte die beiden, bis sie sich schließlich an den Tisch setzten und die ganze Geschichte erzählten, was bis jetzt vorgefallen war...

Eine Stunde war verstrichen. Zelda und Link hatten sich etwas Frisches angezogen und etwas gegessen. Naranda und Sara schliefen in einem weiteren kleinen Nachbarraum. Schlaf tat gut in einer Situation wie dieser. Auch die anmutige, junge Dame sah unheimlich müde aus...

Sie setzte sich vor den Kamin und legte sich eine Decke um. In der Hand hatte sie eine Tasse heißen Tee. Sie starrte mit einem Ausdruck des Selbstzweifels hinein in das kleine Meer aus Feuer. Wie schnell doch das letzte halbe Jahr vorüber gegangen war und wie schnell sie sich an das Leben in dieser Welt gewöhnt hatte. Trotzdem, je mehr sie über die Geschehnisse der letzten Zeit nachdachte um so mehr kamen Zweifel auf. War dies denn tatsächlich die Wirklichkeit? Die Vergangenheit und Hyrule- war nichts dergleichen jemals geschehen? Wenn Hyrule doch wirklich ist, so wie sie es immer annahm, hätte sie in dieser Welt nicht verhindern müssen, dass Ganondorf sich in diesem Maße ausbreitete und seine schmierigen Klauen über diese Welt legte?

Sie hatte immer noch Kopfschmerzen, ihre Augen waren ein wenig blutunterlaufen, aber sie wollte nicht schlafen. Sie wollte etwas tun! Sie wollte den Menschen auf dieser Welt helfen! War dies denn nicht ihre Pflicht?
Plötzlich setzte sich Link neben sie und sagte: „Ich war kurz mit Impa die Lage checken. Die Stadt ist so leer, als wäre niemand mehr hier. Ich glaube, die nächsten Tage sind wir hier sicher.“ Dann gähnte er.
„Müde“, murmelte Zelda, ohne ihre Augen von dem kleinen Feuer abzuwenden.
„Du denn nicht?“
„Nein, ich muss unbedingt wach bleiben. Wir können nicht ewig untätig hier herumsitzen.“

In dem Augenblick packte Link sie an den Schultern. „Du kleine Lügnerin. Du bist so müde wie noch nie in deinem Leben. Mag sein, dass wir uns einen Plan überlegen müssen, aber dein Körper braucht Schlaf, sonst kannst du keinen klaren Gedanken mehr fassen, meine Liebe.“
Sie blickte weg.
„Zelda...“ Sie hörte einen warnenden Unterton in seiner Stimme. „Du brauchst Schlaf, und basta!“
„Es ist nur, dass ich mir einbilde, ich hätte es verhindern können... diesen ganzen Alptraum.“
„Ja, Recht hast du“, sagte er. Hatte sie sich verhört? Würde Link ihr jetzt Vorwürfe machen?
„Ich meine, du hast Recht, dass du dir das alles nur einbildest.“ Mit diesen Worten packte er die perplexe Zelda und nahm sie auf seine starken Arme.
„Was soll das denn“, schnaubte sie zappelnd und wollte sich aus ihrer Lage befreien. „Was fällt dir ein“, fauchte sie nun noch lauter, sodass sich Dar umdrehte, der ebenfalls im Raum saß, mit einem Blick, der mehr aussagte, als er es beabsichtigt hatte. „Lasst euch von mir nicht stören“, meinte er gewitzt.

Link trug sie in ein weiteres, kleines Zimmer und platzierte sie auf einer Couch. „So und jetzt machst du endlich mal deine Augen zu!“ Er lächelte sie leicht an und wollte dann aus dem Raum gehen. „Ähm, Link? Bist du denn nicht müde?“
„Doch... hundemüde.“
„Die Couch ist groß genug... oder?“
Demnach überlegte er es sich anders und setzte sich zu Zelda auf die Couch. Er ließ sich mit einem Gähnen einfach neben seine Prinzessin auf den Rücken fallen und schloss die Augen.

„Kann ich ein Stückchen von der Decke haben?“, murmelte Link, aber Zelda antwortete nicht mehr und schlief schon tief und fest. Link nahm sich einfach einen Zipfel der Decke, kuschelte sich an seine Zelda heran und legte sein Kinn an ihren Hinterkopf.

Nach einer Weile öffnete Zelda ihre blauen Augen wieder und erkannte nichts als Dunkelheit vor ihren Sinnen. Dunkelheit, tiefe, schwarze Nacht, die keinen Schimmer Natürlichkeit besaß. Sie wirbelte herum, dann rannte sie irgendwohin, suchend nach einem Funken Licht, nur um zuerkennen, wo sie sich befand. In dem Augenblick nahm sie noch etwas anderes war... ein kühler Wind wehte um ihre Ohren, ein Wind, der mit jeder Minute stärker und eisiger zu werden schien. Regentropfen fielen kalt und herzlos von dem schwarzen Himmel. Zelda blieb stehen und blickte mit wachen Augen durch die tiefe, tiefe Dunkelheit. Aus der Ferne drangen Geräusche- die Stimmen von Menschen...

Blitze zuckten über den düsteren Himmel, Blitze, die von den Göttern in Blut getränkt sein mussten, denn ihr rotes, kurzes Glühen am Himmel wirkte bestialisch und gefährlich...
Die Stimmen kamen näher und Zelda hörte angesichts dem vertrauten Klang der Stimmen, dass es jene von Link, Sara, Impa und den anderen sein mussten... Aber ihre Laute waren verzweifelt und innerhalb von Sekunden wandelten sich ihre Laute in laute, verzerrte Angstschreie...
Zelda rannte, hetzte in Richtung der Stimmen und erkannte endlich den Ort, an welchem sie sich befand. Sie rannte auf einer Wiese, einer riesigen Wiese in Richtung eines Hügels. Zwei Gestalten befanden sich auf dem Hügel, eine riesige und eine etwas kleinere. In dem Augenblick hallte ein markerschütternder Schrei durch die Luft... und die kleinere Gestalt auf dem Hügel brach zusammen und stürzte den Hügel hinab, landete leblos vor Zeldas Füßen.

Sie kniete nieder und erkannte den Menschen, der tot, mit einer riesigen, blutsickernden Stichwunde in der Brust, vor ihr lag. Tränen rannen ihre rosa Wangen hinab, als sie ihn in ihre Arme nahm und jämmerlich schluchzte... Ihr Herz schien in dem Moment stehen zu bleiben, als sie feststellte, dass er keinen Atemzug mehr von sich gab...
Sie rüttelte ihn an seinen Schultern, gab ihm eine Ohrfeige, schrie ihn an... doch seine tiefblauen Augen würden sich nicht mehr öffnen.

Zelda blickte mit Tränen in den Augen umher und erkannte die am Boden liegenden Körper von Impa, Dar, Naranda und anderen Leuten, die ihr nahe standen. Auf dem Hügel erhob sich eine riesige Kreatur, die zu lachen begann. Sein wahnsinniges, krankes Gelächter schallte über das Land. Zelda murmelte irgendetwas und wusste, dies würde das Ende aller Tage sein. Am Himmel zogen die Wolken vorüber und gaben einen glühenden, roten Vollmond preis. Zelda jedoch blieb wie gelähmt vor dem kalten Körper eines Menschen sitzen, der ihr alles bedeutete. Aber sein Licht würde nicht mehr leuchten.

Die Legende von Hyrule starb mit Links Tod...

Zelda schreckte schweißgebadet aus dem Schlaf hoch und fühlte erkaltete Tränen auf ihren Wangen. Sie sprang auf, stürzte aber zugleich wieder auf den Boden und bekam aus irgendeinem Grund keine Luft. Sie atmete heftig ein und aus und erinnerte sich mit bangem Herzen an den Traum... eine Prophezeiung... kein Zweifel.

In dem Zimmer war es ebenso dunkel wie in ihrem Traum und Link schlief immer noch auf der Couch. Sie griff sich mit zitternder, kalter Hand an ihre Stirn und rief sich die Einzelheiten aus ihrem Traum wieder in das Gedächtnis. Qualvolle Bilder liefen vor ihrem inneren Auge ab. Nein, dachte sie. Sie ballte ihre Fäuste und stand wieder auf. Auf diese Art und Weise durfte es nicht enden.
Sie setzte sich auf die Couch und blickte durch die Düsternis in Links Gesicht, als die Tränen wieder kamen. Aber sie wollte ihn nicht wecken, sie wollte ihm von diesem Traum nichts erzählen.

In dem Augenblick erhellte ein weißes, aber angenehmes Licht den Raum und ein kleiner, etwa fünfjähriger Junge stand der verdutzten hylianischen Prinzessin gegenüber. Zelda glaubte, sie träumte noch, wollte sich schon kneifen, als der Junge sie leicht, wenn auch ein wenig vorwitzig anblickte. Seine stechenden, blauen Kinderaugen hatten etwas äußerst charmantes. Er trug grüne Kleidung, in etwa ein Kostüm, welches bei den Kokiri sicherlich beliebt sein würde. Hellblondes Haar hing ihm ins Gesicht. Sein ganzes Erscheinungsbild, das unverblümte Grinsen, erinnerte sie unweigerlich an Link.
„Was willst du hier und wer zum Kuckuck bist du eigentlich“, sagte Zelda.
„Pst. Sei doch leiser. Oder willst du den Helden neben dir aufwecken“, sagte eine helle Kinderstimme zu ihr. „Nein, nicht unbedingt.“ Zelda stand auf und kniete vor dem kleinen Kerl nieder.
„Sag’ schon, wer bist du, kleiner Junge?“

Er verschränkte seine Arme, zog eine dämliche Schnute und blickte Zelda trotzig an. „Ich hasse es, wenn du mich: , kleiner Junge’ nennst. So klein bin ich gar nicht!“ Auch Zelda rang sich nun zu einem Lächeln und setzte sich erneut auf die Couch, wenn auch sehr leise, sodass Link es nicht mitbekam.
„Du bist nicht bösartig und hast auch sonst keinen Hintergedanken- das sagt mir deine reine Aura. Trotzdem hätte ich gerne gewusst, wer du bist und was du von mir willst. Komm’, setz dich.“ Und Zelda klopfte mit ihrer Hand auf einen Platz auf der Couch neben ihr. Er tat, wie geheißen und schwang auf der Couch frech seine Beine hin und her.

Nach einer Weile der Stille sagte Zelda: „Sag’ mal, kleiner Mann, du erscheinst mir so vertraut. Wer bist du und wo kommst du her?“ Diese Anrede war wohl in seinen Augen schon besser…
„Ich besitze noch keine Existenz... Ich gehöre in die Zukunft, die gleichzeitig Vergangenheit ist. Und ich kann dir nicht sagen, wo ich her komme, denn das weiß ich selbst nicht einmal.“

Ein äußerst interessanter Kerl war er in den Augen Zeldas schon, interessant und merkwürdig. Er besaß etwas sehr eigensinniges und dennoch erschien er Zelda von Grund auf liebenswürdig.
„Also, was führt dich zu mir?“ Das freche Grinsen auf seinem Kindergesicht verschwand und wirkte nun ein wenig verbittert, wenn nicht gar traurig.
„Du hast schlecht geträumt, Prinzessin von Hyrule... nicht wahr?“
Zelda schien es die Stimme zunehmen, als die Bilder von Links Tod wieder in ihr Bewusstsein drangen. Ein leises: „Mmh“ machte dem Jungen deutlich, dass er Recht hatte.

In dem Augenblick drehte sich Link im Schlaf um und murmelte irgendetwas unverständliches vor sich hin. Zelda drehte sich trübsinnig zu ihren Helden und flüsterte mit besorgter Stimme: „Ich hab’ schreckliche Angst um ihn.“ Dann kniff sie ihre Augen zusammen. Wieder vergingen einige Minuten. Zelda beruhigte sich ein wenig und wiederholte ihre Worte von vorhin wieder: „Also, noch einmal: Was führt dich zu mir, kleiner Mann?“
„Vertraust du mir und glaubst du einem Kind, was es zu sagen hat?“
„Ja, ich denke, ich kann dir vertrauen.“
„Gut. Denn ich habe einen Plan, wie ihr Ganondorf ausschalten könntet, auch wenn jeder falsche Schritt zum Scheitern der Mission führen könnte.“ Zeldas Augen weiteten sich. Was hatte dieser Knirps gesagt? Er hatte einen Plan? Unmöglich... Sie blickte ihn einige Sekunden erschrocken an. Woher wusste dieses Kind, was es zu tun galt?

Er zog erneut seine Schnute von vorhin und seine frechen Augen spazierten in Richtung Zimmerdecke. Seine Augäpfel wanderten hin und her, drehten sich von rechts nach links, geradeso, als forderte er etwas gegen die Herausgabe des Plans.
„Okay. Ich verstehe schon... was willst du für den Plan?“
„Ich will Existenz!“ Zelda blickte dem Bengel direkt ins kleine, rundliche Gesicht.
„Und wie soll ich dir dabei helfen?“
„Versprich mir bitte, dass du irgendwann an mich denken wirst... dann, wenn du wieder in Hyrule bist.“
„Wenn ich wieder in Hyrule bin? Wie soll das funktionieren? Hyrule ist kein Teil der Wirklichkeit mehr, wie soll ich jemals wieder in Hyrule sein“, meinte Zelda fast hysterisch.
„Das wird sich zeigen. Aber jetzt muss Ganondorf erst einmal ausgeschaltet werden.“

In dem Augenblick gab Link ein komisches Geräusch von sich und drehte sich schon wieder um. Er zog die flauschige Decke zu sich heran und seufzte im Schlaf.
„Na gut. Ich verspreche es dir. Sollte ich jemals wieder in Hyrule meine Augen aufschlagen, werde ich an dich denken, versprochen.“
„Also: Dann höre gut zu, denn ich erzähle den Plan nur einmal. Mehr Zeit bleibt mir nicht.“
Zelda nickte.
„Zuerst müssen du und Link dafür Sorgen, dass alle Weisen versammelt sind. Ist dies getan, werdet ihr euch darauf konzentrieren einen Riss in der Realität zu erzeugen. Ihr müsst das neue und alte Hyrule wieder zum Leben erwecken, zumindest nur für kurze Zeit. Dafür werden die Kräfte der Weisen ausreichen. Links Aufgabe wird es sein, nach Hyrule aufzubrechen und Gefäße mit den Elixieren der alten Weisen aus einigen Tempeln und anderen Labyrinthen zu beschaffen, die die Macht haben die Kräfte der Weisen zu vervielfachen. Das Schicksal wird euch zeigen, wo die Gefäße zu finden sein werden. “ Bis dahin konnte Zelda folgen, aber...

„Warte mal. Du stellst dir das alles ja unheimlich leicht vor. Erstens: Link hat keine Erinnerungen an Hyrule. Wie soll er sich dort alleine zurechtfinden? Zweitens: Wer garantiert uns, dass wir genügende Kräfte haben, um das alte Land wieder und das auch noch für einen längeren Zeitraum am Leben zu halten? Drittens: Ganondorf hat das Siegel, welches die Weisen einst erschufen, nach Hunderten von Jahren trotzdem brechen können. Welches Siegel soll ihn noch verbannen können? Wo steckt der Sinn dahinter?“
„Ich sagte, ich hätte einen Plan. Ich habe nie behauptet, einen Plan zu haben, der todsicher ist. Außerdem wird Link nicht alleine nach Hyrule gehen, du gehst mit ihm. Glaub’ mir, die Kräfte der vielen Weisen reichen aus. Ganondorf werdet ihr nach dem Bannen auf eine andere Art und Weise erledigen. Aber das werdet ihr selbst herausfinden.“

„Gut. Wo ist der Haken?“
„Um nach Hyrule zu gelangen, benötigt ihr noch drei weitere Gegenstände: Zwei Energien und etwas, was damals in Hyrule einen unermesslichen Wert hatte.“
Ein Geistesblitz schoss durch Zeldas Kopf. Er meinte sicherlich das Medaillon der Mächtigen, aber welche zwei Energien?

„Dann gibt es noch einen zweiten Haken. Ihr habt nicht ewig Zeit. Bis zum nächsten Vollmond müsst ihr die Gefäße gefunden haben, denn dann wird er alle Menschen versklavt haben.“ Zelda erinnerte sich an den roten Vollmond ihres Traumes... das hatte der Mond also zu bedeuten... Sie atmete tief aus. Wie sollte man innerhalb von einigen Wochen durch ganz Hyrule reisen und irgendwelche magischen Fläschchen mit alten Elixieren suchen? Hyrule war schließlich größer als in einem Nintendospiel. Sie war sich extrem unsicher, was die Vorstellungskraft dieses Kindes betraf. Aber hatte sie denn eine Wahl? Gab es denn eine andere Möglichkeit?

„Und es gibt noch einen dritten Haken. Da du Link in Hyrule führen musst, kannst du nicht als siebte Weise fungieren. Ein anderer muss an deine Stellte treten. Aber auf die Persönlichkeit, die deine Aufgabe übernimmt, wirst du in wenigen Stunden treffen.“

„Okay. Kleiner Mann. Ich hoffe, der Plan funktioniert, sonst war’s das mit der Menschheit, mit dem Leben überhaupt, und mit dem letzten Funken Hoffnung...“ Der kleine Kerl leuchtete nun wieder in jenem reinen Licht, wie zu Beginn seines Erscheinens. Er blickte Zelda mit einem kindlichen, aufmunterndem Lächeln an. Doch bevor er verschwand, hüpfte er auf Zeldas Schoß, umarmte sie und gab ihr einen kleinen Schmatz auf die Wange. „Denk’ bitte an mich. Sonst existiere ich nicht...“ Damit verschwand der kleine Kerl und hinterließ eine verwirrte Zelda.

In dem Augenblick setzte sich Link aufrecht. Er gähnte mit einem Wie- spät- ist- es- und- habe- ich- zu- lange- geschlafen- Blick. Zelda drehte sich zu ihm um und sagte: „Ich habe einen Plan. Wir müssen einige Vorbereitungen treffen.“ Link lächelte ihr aufmunternd entgegen, so wie der kleine Knirps von vorhin. Aber Überraschung lag überhaupt nicht in seinem Blick.
„Ich weiß, Zelda“, sagte er.
„Du hast die ganze Zeit zugehört?“
„Jep, aber nicht alles von Anfang an. Nimmst du mir das übel?“ Und er gähnte schon wieder. Sie schüttelte mit dem Kopf. Da sie von seinem Tod träumte, wusste sie nicht, ob sie ihm jemals wieder wegen irgendeiner Kleinigkeit böse sein konnte...  

 

Link und Zelda begaben sich in den großen Aufenthaltsraum, wo es sich Impa und Dar bequem gemacht hatten. Die Prinzessin erklärte ihrer Erziehungsberechtigten jede Einzelheit ihres Planes, unterließ es aber den kleinen Bengel zu erwähnen. Nach einer halben Ewigkeit endete Zelda mit ihrem Vortrag und Ines machte ein Gesicht der Überraschung, das ihr im Grunde genommen nicht stand. Entsetzen passte nun mal nicht zur stolzen Direktorin.

„Gut, Zelda, dann müssen wir so schnell wie möglich alle Weisen verständigen. Fünf von uns sind bereits anwesend, wo die anderen sind, weiß ich nicht... In drei und einer halben Woche ist Vollmond, das wird knapp... Ebenso ist mir ein Rätsel, wer deinen Platz als siebte Weise übernehmen soll.“
„Nun... das weiß ich auch noch nicht, aber es wird jemanden geben.“ Jetzt mischte sich Link in das Gespräch ein, dem einige Dinge noch hochgradig unklar waren.
„Von welchen Sieben Weisen redet ihr eigentlich? Ines ist Impa, soviel habe ich kapiert, aber wer...“

In dem Moment kamen Naranda Leader und Sara Bravery aus einem Nebenraum. Sie sahen beide ziemlich verschlafen aus. Sara begrüßte die anderen mit einem: „Ich hab’ Hunger“, während Naranda nur gähnte. Ines meinte: „Siehst du es denn nicht Link? Von diesen Weisen habe ich gesprochen...
„Naranda, Dar und... Sara.“
Link glotzte dumm aus der Wäsche. „Sara? Du...?“
„Ja, mein Brüderchen. Und ich habe meine Erinnerungen in den letzten Wochen zurückerhalten. Sorry, das ich dir nichts gesagt habe...“ Wow! Link konnte nur große Augen machen.
„Und wer fehlt jetzt noch“, meinte er dann zögerlich.
„Richard und Rutara.“
„Rutara? Na, die darf ja nicht fehlen...“, sagte Link ironisch. „Wie auch immer... Ich werde mich nach ihnen auf die Suche machen. Wir benötigen noch zwei Energien und ich habe so einen Verdacht, was das bedeuten sollte. Wie war gleich noch mal der Zahlencode bei deinem Geheimfach in dem Antiquitätenzentrum, Naranda?“
„Oh ja, 71374576. Die beiden schwarzen Bilder könnten uns tatsächlich weiterhelfen.“

Link nickte lediglich, mit einem entschlossenen Blick in seinen tiefblauen Augen. Er schlug sich wirklich tapfer, obwohl er als einziger keine Erinnerungen an Hyrule hatte.

Der Heroe machte sich bereit, in die Stadt zu gehen, während Zelda Naranda und Sara noch einmal alles erklärte. Er zog sich eine Jacke an, legte sich seine Dolche um und nahm sein Schwert  auf den Rücken. Er würgte noch drei Scheiben Brot herunter, trank etwas und verabschiedete sich kurzerhand mit einem Tschüß von den anderen. Gerade wollte er die schwere Stahltür zur Seite schieben, als sein Engel plötzlich in dem halberleuchteten Korridor stand. Sie sah ihn nicht direkt an, aber machte den Eindruck, noch etwas sagen zu müssen.
Link lief die wenigen Schritte zu ihr und sagte leise: „Mach’ dir keine Sorgen. Ich pass auf mich auf.“
„Warum kann ich nicht mit dir gehen?“ Ganz einfach, er wollte sie nicht dabei haben, nicht in Gefahr bringen...
„Schon gut. Sag’ nichts...“, meinte sie, als er schwieg.

„Sei’ bitte vorsichtig“, sagte sie dann etwas lauter.
„Ich gebe mir Mühe. Wenn ich zu spät wieder hier bin, das heißt länger als fünf Stunden brauche, darfst du dir gerne etwas einfallen lassen um mich dafür zur Rechenschaft zu ziehen..“
„Es ist mir egal, wie lange du brauchst... Hauptsache, du kommst heil zurück“, meinte sie leise und umarmte ihn dann zögerlich, vielleicht ein wenig schüchtern. Link war von soviel Zuneigung ein wenig überrascht, aber genoss es. „Mach keine Dummheiten, solange ich weg bin, ja“, sagte er, löste sich aus ihrer Umarmung und verschwand dann mit einem letzten aufmunternden Lächeln aus den Kellerräumen.

Die blonde, junge Lady kam zurück in den großen Raum, mit einem elenden Gesichtsausdruck. Sie machte sich immer mehr Sorgen, und die Bilder aus ihrem Traum kamen wieder in ihr Bewusstsein.
„Zelda, ist alles in Ordnung“, murmelte Sara, die gerade genüsslich eine Nudelsuppe schlürfte. „Schon gut. Ich möchte nicht darüber reden.“ Sie setzte sich vor den Kamin und seufzte. „Willst du denn nichts essen“, sagte Ines, aber Zelda reagierte nicht darauf.

Die ganze Situation war so frustrierend... Sie konnte nichts tun. Die ganze Menschheit schwebte in Gefahr, nur weil ein verfluchter Dämon aus einer alten Welt einen Weg in die moderne Menschenwelt gefunden hatte, auf der Suche nach Macht, auf der Suche nach Rache, auf der Suche nach ihr. Sie fühlte sich zunehmend für die ganze Situation schuldig. Könnte sie Ganondorf doch nur stoppen. Könnte sie doch nur die Zeit zurückdrehen, viel früher etwas gegen ihn tun, viel früher, seine Pläne vereiteln...
Es hätte nicht soweit kommen müssen... Aber entsprach das der Wahrheit? Hätte sie etwas tun können, in ihrer jetzigen Verfassung, mit ihren geringen Überbleibseln einer Macht, an die keiner Glauben konnte? Sie dachte weiterhin nach und überlegte, wie sie Link am besten unterstützen konnte.

Der Held schlüpfte wie ein Schatten durch die Tür und konnte nichts als den Wind rauschen hören. Die Stadt war leer. Zumindest nahm er das an. Rutara und Raunhold befanden sich bestimmt irgendwo in der Stadt. Hoffentlich fand er sie schnell genug. Er lief zu dem Wagen und entschloss sich wieder damit herumzufahren, war besser als laufen...
Er stieg ein, startete vorsichtig den Motor und vergaß jede Zweifel bei dem, was er jetzt tun würde. Er war entschlossen, alles, was jetzt noch auf ihn wartete durchzustehen. Ich werde es schaffen, sagte er zu sich selbst. Die Welt wird wieder so sein wie zuvor, dann wenn Ganon vernichtet ist, dann wenn die Sonne wieder scheinen wird...

Er fuhr langsam die Einfahrt heraus, unterließ es aber die Scheinwerfer anzustellen. Die Situation erschien ihm fast ein wenig realitätsfremd, da er nicht den Hauch von Angst oder Furcht verspürte. Kein Herzrasen, keine schlotternden Knie, kein Hauch von Skrupel... Seine Mundwinkel zogen sich nach oben und innerlich spürte er, dass er Zelda in wenigen Stunden wieder sehen würde. Er würde zurückkehren...

Nach einer halben Stunde Fahrt kam der tapfere Heroe an dem Antiquitätenzentrum an. Die Stadt war tot. Nirgendwo eine Menschenseele, nirgendwo ein Monster. Inzwischen fragte sich Link doch tatsächlich, wo die ganzen Monster geblieben waren... Eigentlich hatte er mit einem Kampf gerechnet. Er stellte das Auto direkt an der Tür des großen Gebäudes ab, stieg aus und sah noch einmal gedankenverloren um sich. Seine ozeanblauen Augen wanderten zu dem blutroten Himmel, und obwohl es dunkel war, bedeckte ein roter Schimmer alle Gebäude und merkwürdige rötliche Schatten bildeten sich auf der Straße. Er blickte in die tiefe Düsternis des blutenden Himmels und wünschte sich in dem Augenblick nichts sehnlicher, als dass der ganze Kampf gegen Ganondorf schon vorbei wäre. Bedauerlicherweise hatte das Schicksal noch viel vor...

Link kramte seine kleine, hilfreiche Taschenlampe hervor und schlich in das Gebäude hinein.
Er bewegte sich durch den gigantischen Raum im Erdgeschoss mit seinen eigentümlichen Antiquitäten. Tatsächlich erinnerte die Atmosphäre in der Halle mit ihren Bildern, alten Tischen und Stühlen, Ritterstatuen ringsherum an einen Tempel aus der Vorzeit. Link lief aufmerksam durch den Raum und bemühte sich wachende Vasallen Ganons nicht aufzuwecken, falls diese sich irgendwo befanden. Er wollte mit dem Fahrstuhl fahren, hielt die Idee jedoch sofort wieder für äußerst leichtsinnig. Erstens wäre der Fahrstuhl zu laut und zweitens könnte dieser stecken bleiben...

Link suchte in der Dunkelheit mit der Taschenlampe nach dem Treppenaufgang. Er funkelte hier und da, schlich in Richtung des hinteren Endes der von Finsternis eingenommenen Halle, bemüht nirgendwo dran zu stoßen.

Nach einer Weile fand er die Tür zu dem Treppenhaus, öffnete diese vorsichtig wie ein Geheimagent und wartete noch einen Augenblick, bevor er behutsam durch die Tür gehen würde. Link atmete einmal tief ein, zog sicherheitshalber sein Schwert aus der Schwertscheide auf dem Rücken und umklammerte das Heft des Schwertes so fest er konnte. In der anderen Hand hatte er immer noch die Taschenlampe. Er leuchtete in den Treppenaufgang und konnte nichts ungewöhnliches entdecken. Langsam spionierte er in der Dunkelheit umher, versuchte jedes Geräusch zu vermeiden. Er setzte einen Fuß vor den anderen und machte nicht zu große Schritte. Einige Treppenstufen hatte er geschafft. Tap... Tap...

Inzwischen war er im ersten Erdgeschoss angelangt, als er ein merkwürdiges Geräusch vernahm, welches aber nicht sehr nah sein musste. Er bewahrte Ruhigblut und ging weiter. Nun wurde ihm doch ein wenig unheimlich zumute... es war einfach zu leise und jedes Geräusch, das man hörte, würde den Eindruck erwecken von einem Höllengeschöpf zu stammen. Er kam im zweiten Stockwerk an und hatte nun den Eindruck beobachtet zu werden, ließ sich jedoch nicht verunsichern und lief weiter, wenn auch schnelleren Schrittes.

Link kam im dritten Stock an, öffnete vorsichtig die Tür, leuchtete den Gang dahinter ab und trat ein. Wieder hörte er keinen Laut und ging langsam in Richtung des Raumes von Naranda. Auch in diesem Raum schien alles in Ordnung zu sein. Er schloss hinter sich die Tür und atmete erst einmal tief aus. Er blieb einige Sekunden stehen und lehnte sich an eine schwarze Wand. Dieses ,Herumgeschleiche’ machte müde und kostete Kraft. Link funkelte den Raum ab und entdeckte Narandas Geheimversteck.

Er stellte sich davor und sah das kleine Ziffernblatt, als ihm jedoch die Nummer nicht einfiel. Wie war das gleich noch mal? 71354787? 71374589? Nein. Nein... Nein... Link fluchte über sich selbst. Hättest du dir diese verdammte Nummer nicht besser merken können, du Held, du Blödmann...
713747635? Geht auch nicht...
Und er probierte es weiter. Welch Glück, dass er es so lange ausprobieren konnte, wie er wollte.

Dann vernahm er wieder Geräusche. Sie kamen aus einem Nachbarraum... Link spitzte seine Ohren und hörte aufmerksamer zu. Neugierig lehnte er seinen Kopf an die dünne Wand, um noch mehr von den Tönen zu hören. Er erkannte die Geräusche als ein Weinen, dann ein leises Schluchzen. Es handelte sich um eine Mädchenstimme. Unsinn, sagte er zu sich selbst. Das war bestimmt eine Falle. Er bemühte sich das Geräusch zu überhören und gab wieder einen Code ein. 71374567? 71374576... 71374576!!! Es klappte. Juhu. Das Geheimfach öffnete sich fast magisch und Link nahm die beiden Bilder an sich. Er verstaute sie in dem Rucksack auf seinem Rücken, sodass er freie Hände hatte, falls er sein Schwert benötigen würde.

Dann hörte er das Weinen wieder. Allmählich kamen ihm Zweifel, ob dieses klägliche Weinen vielleicht doch keine Falle war, sondern von einem Menschen kam, der Hilfe benötigte... Link schüttelte mit dem Kopf. Er konnte einfach nicht anders. Wenn es sich tatsächlich um einen Menschen handelte, dann müsste er ihm einfach helfen. Sein gutes Herz zwang ihn dazu nach zu sehen. Er lief leise in den Flur und dann in den Nebenraum. Wiederrum half ihm das kleine Licht seiner Taschenlampe und er leuchtete umher. Es handelte sich um eine kleine Abstellkammer und jemand saß zusammengekauert auf dem Fußboden.

Link wollte gerade etwas sagen, als die Person unter Tränen mit zitternder Stimme schluchzte: „Du dummes Monster, bleib’ weg von mir...“ Link kannte diesen Menschen. Nun wusste er... das war keine Falle.
„Maron? Bist du das?“
„Wer... Bist du es? Link?“
Sie sah auf, glotzte Link schockiert an, hätte sich vor Freude am liebsten um seinen Hals geworfen, unterließ es aber und weinte.

„Mein Gott, Link... Ich bitte dich... Nimm’ mich mit.“
Link rang sich zu einem Lächeln. „Also, wirklich! Denkst du, ich lasse dich hier allein? Aber was anderes, bist du okay?“
„Ja... ich habe mich hier versteckt... die ganze Zeit.“ Ihre Stimmer zitterte immer noch. Link zerrte sie auf ihre Beine, wies sie an, dicht hinter ihm zu laufen und sobald etwas nicht stimmte, ihm Bescheid zu geben.
„Ich hatte solche Angst... was passiert hier nur?“ Dann brach sie wieder in Tränen aus.
„Maron. Ich bitte dich, du musst leise sein, sonst bemerkt uns doch noch ein Monster, ja?“
„I-Ich... versuche... e-es...“
„Gut. Ich erkläre dir später alles, was passiert ist. Und jetzt: Pst!“
Sie machte ihrem Standpunkt mit einem: ,Mmh’ deutlich.

Sie schlichen demnach unauffällig durch den dunklen Korridor, gelangten in den finsteren Treppenaufgang, durch dessen Fenster rötliches Licht schien und liefen so leise wie nur möglich die Treppen hinab. Marons Schritte wurden immer schneller und lauter, was Link zu einem weiteren: „Pst.“ veranlasste, aber es beruhigte Maron nicht.
Aus dem Treppenaufgang ertönten nun weitere Geräusche, die der Heroe nicht definieren konnte und wollte. Irgendetwas wartete hier, das spürte Link nun sehr deutlich. Maron wäre am liebsten zugerannt und hätte laut herumgeschrieen, aber Links Anwesenheit beruhigte sie nun doch noch ein wenig. Das Geräusch erklang erneut und der junge Kämpfer konnte es nun orten. Es kam von oben, vermutlich aus dem fünften Stockwerk und es würde näher kommen...

Link drehte sich halb um und flüsterte: „Wir werden den Rest der Treppe herunterrennen, wenn ich sage jetzt.“
„O-Okay“, sagte sie und ballte ihre Fäuste. Ihr Herz raste so stark, als ob es gleich aus ihrer Brust herauspochen würde.
„Jetzt“, sagte Link, ein wenig lauter und sie stürzten gemeinsam die Treppe hinab, rannten, rannten immer schneller.

Noch ein Stockwerk. Link hörte das Etwas hinter ihnen nun deutlicher und es musste sehr flink sein. Mit einem panischen Angstschrei stürzte Maron. Sofort half Link ihr auf die Beine und zerrte sie den Rest der Treppe mit. Hinter ihnen befanden sich nun giftgrüne Augen irgendeines Ungetüms.

„Schneller“, fauchte Link. Maron stand derweil mehr und mehr unter Schock. Maron war nun mal nicht Zelda, die Verfolgungen wie diese kannte. Zelda war mit Ängsten aufgewachsen, Maron jedoch gehörte in die Welt der Menschen und hatte keine Erfahrungen mit Monstern...
Link schleifte Maron in Richtung Tür, trat diese auf und bevor das Monster durch die Tür schlüpfen konnte, schlug er die Tür mit voller Wucht zu und drehte das Schloss um. Die Kreatur im Treppenhaus warf sich wütend gegen die Tür und Link wusste, lange könnte die Tür nicht standhalten. Sie hetzten in Richtung Ausgang, als sie hörten, wie das Ungetüm die Tür durchstoßen haben musste.
„Schnell! In den Wagen“, brüllte Link. 

Sie schafften es gerade so in den Wagen, als das Ungetüm aus dem Geschäft herausgerannt kam. Link startete den Motor und der Wagen sauste die Straße entlang. Er wollte nicht zurückblicken, um zu erfahren, wie die Bestie aussah. Die Kräfte des Ungetüms zollten genug Respekt, sodass man dessen Aussehen lieber nicht in Augenschein nehmen sollte.
Mehr und mehr entfernten sie sich von dem Geschäft, das Monster folgte ihnen nicht...

Maron blickte hinaus aus dem Fenster. Die Tränen kamen erneut, als sie die schwarze Masse am Himmel erblickte. „Link, der Himmel... “, sagte sie.
„Ich weiß nicht, ob du noch wissen willst, was passiert ist?“
„Nein... bitte erspar’ mir das. Aber wo fahren wir eigentlich hin?“
„Ich muss unbedingt zwei Leute finden. Wenn das getan ist, fahren wir zu der Villa von Ines. Dort bist du sicher.“
„Weißt du, wo Rick ist“, fragte Link schließlich. Selbstverständlich wollte er wissen, wo sich sein bester Freund aufhielt.
„Er ist...“
„Was, Maron?“ Sie seufzte, schluckte dann einmal kräftig und begann zu schluchzen. Link wusste nun, dass etwas nicht stimmte.
„Er ist durchgedreht und dann haben seine Augen geglüht...“, murmelte sie und weinte erneut.

Link sah das Bild seines besten Freundes vor sich und konnte nicht glauben, dass ein Mensch wie Rick plötzlich zu einer Kreatur des Bösen mutieren konnte. Er wollte es nicht glauben. Hass und Wut stauten sich in ihm auf. Ganondorf... du widerliches Stück Abschaum... Link konnte deutlich fühlen, dass sich durch seine Wut eine mysteriöse Kraft in ihm ansammelte. Er hatte öfters dieses Gefühl gehabt, aber nun war es stärker als zuvor. Er würde sich diese Kraft in ihm zunutze machen... Wenn er doch nur Rutara und Richard so schnell wie möglich finden würde...

Sie schwiegen für annähernd eine halbe Stunde. Maron fielen ab und zu die Augen zu, während Link ununterbrochen in alle Richtungen der Straßen schaute. Wie sollte er Rutara und Richard finden und wo sollte er suchen? Allmählich zerbrach er sich den Kopf darüber. Er brauchte einfach nur ein wenig Glück.

„Link? Sag mal, ist Zelda okay?“
„Ja, es geht ihr bestens.“
„Jetzt mal ehrlich: Liebst du sie?“ Link bekam beinahe einen Herzkasper. Er trat auf die Bremse und würgte vor Schreck den Motor ab. Sein Gehirn hatte total abgeschalten und das einzigste Wort, welches er noch hervorbrachte war ein einfaches, stotterndes: „Also...“
Maron lachte das erste Mal seit sie in den Wagen gestiegen war und meinte: „Schon gut. Du brauchst mir nicht zu antworten.“ Das hätte Link auch so nicht geschafft...

Plötzlich wurde die interessante Unterhaltung von merkwürdig klingenden Geräusche unterbrochen. Dutzende Alptraumkreaturen mussten sich nun auf dem Weg in ihre Richtung befinden. Link startete wieder den Motor und fuhr ein wenig schneller, ohne wirklich zu wissen, wohin... Er kam an dem Park vorbei, an einem Einkaufszentrum, sogar an der Schule...
Aber nirgendwo ein Anzeichen von den verbliebenden Weisen. Was, wenn sie gar nicht mehr in der Stadt waren?

Link und Maron fuhren nun zum zweiten Mal die Straßen von Schicksalshort ab. Drei Stunden waren sie unterwegs, aber es brachte nichts. Inzwischen war Maron eingeschlafen. Link ahnte, dass sie seit mehr als zwölf Stunden wach gewesen sein musste und wunderte sich dahingehend nicht. Vielleicht war es besser für sie zu schlafen, denn jedes Erwachen in der Realität würde nur Angst und Zweifel bringen...

Dann hielt Link den Wagen an. Er erkannte auf der Straße jemanden, der sich wackelnd in seine Richtung bewegte- eine einzelne Person, mit schlürfenden Schritten folgte sie dem Weg. Die Person kam näher und näher. Link schaute gespannt durch die widerliche Dunkelheit und erkannte das Aufblitzen gefährlicher roter Augen. Er hatte gehofft, einen weiteren Menschen zu finden, aber leider handelte es sich auch hier um einen Abgesandten Ganons.
Doch mit jeden Schritt, den das Geschöpf machte, erschien es Link vertrauter. Ohne nachzudenken hielt der gewandte Kämpfer den Wagen an und stieg aus. Er hatte eine Vermutung, die sich bestätigte. Entsetzt und ruhig zugleich sah der einstige Held der Zeit auf, hatte Mitleid und leise Furcht in seinem traurigen Blick. Sein bester Freund stand vor ihm- mit einem widerlichen Grinsen auf dem Gesicht. Dann begann er besessen, in unmenschlich hohen Tönen zu kreischen, brach auf die Knie und das braune, zerzauste Haar stand in alle Himmelsrichtungen.

Maron, die bis jetzt ahnungslos im Wagen saß, wachte auf und schaute durch die gebrochene Windschutzscheibe. Sie stürzte aus dem Wagen und rief verzweifelt den Namen ihres Freundes: „Rick!“ Aber er reagierte nicht darauf, sondern lief langsam in die Richtung, wo Link stand.
Ungewissheit stand in ein paar tiefblauen Augen und er wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Er konnte Rick doch nicht so wie andere Kreaturen zuvor umbringen... Er konnte doch seinen besten Freund nicht töten!
„Rick, komm’ zur Besinnung“, rief Link dem gesteuerten Sklaven des Bösen entgegen, aber wiederum lachte Rick nur. Dann hatte er plötzlich ein gezacktes, rostiges Schwert in der Hand und Link sah nur zu, wie er sich damit auf ihn zu bewegte.  
„Rick. Bitte nicht“, sagte Link, völlig gelähmt von dem Anblick, der sich ihm bot. Glaubenslos ließ er das Schwert in seiner Hand fallen. Es ging nicht. Er konnte nicht gegen Rick kämpfen. Er weigerte sich.

„Na, du Held, bist wohl unfähig, dich mir entgegenzustellen... haha...“, sagte Rick mit kalter, ausdrucksloser Stimme und hielt Link das Schwert vor dessen Kehle. In Links Augen stand nun noch etwas anderes: Mitleid...
„Du sollst gegen mich kämpfen und nicht so tun, als ob du ein Feigling wärst, Held“, sagte er und spuckte einmal auf die Klinge, die neben Link auf dem Boden lag.
„Nimm’ verdammt noch mal dein Schwert und kämpfe, du Flasche!“
Aber Link reagierte nicht auf seine wahnwitzigen Ideen. Dann blitzten die rehbraunen Augen in Ricks Gesicht erneut glühend auf.

Maron stand nur daneben und konnte nicht glauben, was geschah. Sie schluchzte und stürzte auf ihre aufgeschürften Knie.
„Rick, bitte komm zu dir“, flehte sie, aber er ignorierte sie immer noch. Sie stand wieder auf und lief die wenigen Schritte auf ihn zu.
Er blickte sie kurz an und sagte: „Komm’ nicht näher!“ Aber Maron bewegte sich auf wackligen Beinen weiterhin auf ihn zu. Sie hatte nun Tränen im Gesicht.
„Maron, bleib’ weg. Er wird dich töten. Er ist nicht mehr Rick“, sagte der gewandte Kämpfer und krallte sich erneut sein Schwert.
„Das will ich nicht glauben. Rick, ich bin es, Maron, erkennst du mich denn nicht?“
Rick zuckte zurück und rief: „Bleib, wo du bist, oder ich schneide dir die Kehle durch.“ Aber sie lief weiterhin auf ihn zu.

Link wusste nicht, ob Maron mit Mut und Entschlossenheit handelte oder einfach nur leichtsinnig und verstört war. Sie war nun keine fünf Meter mehr von ihm entfernt, als Rick sich auf sie stürzte und ihr das Schwert an die Kehle hielt.
„Haha... Wie dumm doch die Menschen sind. Nur gut, das ich keiner mehr bin“, dröhnte Rick und erfreute sich wohl an Marons verängstigtem Gesicht. Maron liefen heiße Tränen die Wangen hinab. Zu entsetzt war der Anblick Ricks, der ihr das Schwert an die Kehle setzte.
„Weißt du was, Maron, ich hasse dich“, sagte das Ungetüm und wollte gerade zum Todesschlag ausholen.

Link mischte sich ein und sagte: „Lass sie gehen und ich kämpfe gegen dich.“ Er umkrallte fest das Heft seines Schwertes, obgleich er doch unsicher war, ob er diesen Kampf so wie die anderen zuvor, einfach so durchstehen konnte...
Rick lachte erneut, ließ jedoch nicht von Maron ab. In seinen Augen stand Wahnsinn und die Lust zu töten. In dem Augenblick wusste der Held, dass er Maron nicht verschonen wollte.

Mit einer heftigen Sturzattacke trat Link in den Kampf ein. Er stürzte sich auf das Geschöpf, welches irgendwann einmal Rick gewesen war, und brachte ihn zu Fall. Maron ergriff die Gelegenheit und rannte schnell zurück in den Wagen.

Zwei Gegner standen sich nun gegenüber, von denen einer die Szenerie nicht lebend verlassen würde. Link bemühte sich seine letzten Zweifel herunterzuschlucken, aber trotzdem... Er kannte Rick nun schon sein ganzes Leben und er war alles in allem sein bester Freund seit den Sandkastentagen. Und nicht, weil er zufälligerweise sein Cousin war, verstand er sich so gut mit ihm, nein, Rick war schon immer etwas Besonderes gewesen. Dass er jetzt einer von Ganons Vasallen war, verstand Link so wenig, wie die Tatsache, dass er nun gegen ihn kämpfen sollte. Rick griff an und schlug auf Link ein, der dessen Schläge mit dem seinem Schwert abwehrte.
Link blockte jede Attacke, war aber nicht dazu in der Lage, ebenso eine Attacke zu starten.

„Du bist schlecht, Held. So wirst du meinen Meister nicht schlagen können.“
Link schwieg und konzentrierte sich auf das Schwert seines Gegners, er schwang sein Schwert gelassen, bemüht, Rick in keiner Weise Schaden zuzufügen. Aber ewig würde er nicht kämpfen können, die Zeit war nicht gegeben und im Hintergrund tummelten sich gewiss weitere Höllengeschöpfe.

Link kämpfte nur mit halber Kraft- ja, in gewisser Weise war er Rick überlegen... aber das half ihm nichts. Allmählich müsste er sich etwas einfallen lassen. Sie duellierten sich weiterhin. Die Klingen klirrten mit einem schrillen Summen aneinander...

Kalter, fröstelnder Regen hämmerte inzwischen auf die Straße, aber die Kontrahenten kümmerte der Regen nicht. In dem roten, düsteren Licht, das den Himmel gelegentlich erleuchtete, wirkte der Regen wie Blut, dass auf der Straße entlang strömte- wie Blut in den Venen eines Menschen.

Rick kämpfte wie besessen und Link verlor langsam die Nerven. Er wollte, das der Kampf zuende ist, sein Herz rief danach- aber es war kein Ende in Sicht. Er kämpfte mit Zweifeln, kämpfte mit Angst, so wie noch nie in seinem Leben. Langsamer und schwächer kamen die Attacken von Links Seite, je mehr sich die Fesseln der Angst um seinen Körper legten.

Rick holte kräftig aus. Link blockte und wurde durch die Kraft der Attacke nach hinten geworfen. Er landete auf der klatschnassen Fahrbahn und blickte zu Rick, der mit einem schmierigen Grinsen vor ihm stand. Jetzt hatte Link keine Wahl mehr...

Rick setzte ihm das Schwert langsam und schneidend an die Kehle.

„Ich wollte dich leiden sehen, aber nun wirst du wohl kurz und schmerzlos sterben, Held.“
Link sah mitleidig in das Gesicht seines besten Freundes. Rick lachte, jauchzte über seinen Triumph. Er hatte den Helden Hyrules geschlagen...
Link blickte todesbleich weg, schien wie verwandelt, und sah Maron im Wagen sitzen. Entsetzen stand in ihren Augen.
Seine Gedanken wanderten zu den Ereignissen der letzten Wochen, zu seinen Freunden, zu seiner Familie...
Wenn er jetzt versagte, wer sollte dann noch gegen Ganondorf kämpfen? Wer sollte die Welt retten? Und das erste Mal seit langem wurde ihm die Verantwortung, die auf seinen jugendlichen Schultern lastete, bewusst.

Er war derjenige, der das Böse stoppen müsste.
Er war derjenige, der kämpfen müsste.
Er durfte nicht versagen, nicht aufgeben.

Zeldas Stimme erklang in seinen Gedanken und er wusste, sie war stets bei ihm, egal wo er sich befand, welchen Kampf er überstehen müsste und welche Schmerzen er ertragen würde...
Er hatte keine Wahl mehr.

Rick stand immer noch vor ihm, mit einem siegessicheren Ausdruck auf der Fresse, die mehr und mehr unmenschlich erschien. Link blickte noch einmal zu Maron, nickte und in dem Augenblick wusste das Mädchen im halbzertrümmerten Wagen, was der Schwertfechtende jetzt tun müsste... dass er keinen anderen Ausweg sah. Rick ließ das dreckige Schwert bedrohlich an der Schlagader an Links Kehle entlang laufen, während Links rechte Hand an seine Wade wanderte. Der Heroe schloss verzweifelt seine Augen, als eine Träne an seiner Wange entlang lief...

Keine Zweifel mehr, kein Ausweg.

Ein Dolch blitzte auf, der sich tief in der Brust von Rick vergrub. Rick brach zusammen und röchelte leise. Link kniete zu ihm und drehte seinen sterbenden Körper zu ihm um. Ricks Augen verwandelten sich und nahmen nun wieder das helle, angenehme Braun an, das sie immer besaßen. Maron stürmte aus dem Wagen und brach auf ihre Knie.

„Es... tut... mir so... leid. Verzeih’ mir... Link, mein... Freund...“, seufzte Rick. Blut tropfte von seinen Mundwinkeln. Link brachte keinen Ton hervor und nickte nur, mit Tränen in den Augen. Ricks rechte Hand wanderte zu Marons Wange, ein letztes Mal. Er versuchte zu lächeln und sah sie an. „Maron...“, war sein letztes Wort, dann sank sein Kopf leblos zur Seite. Maron schrie laut auf und weinte bittere Tränen.

Link blickte weg und ballte die Fäuste. Er ertrug Ricks Anblick nicht mehr und drehte sich um. Wie wild geworden schlug er mit seinen Fäusten auf den Erdboden ein, immer und immer wieder... Nur ein Wort kam ihn in den Sinn, ein Gefühl, eine Tat: Rache. Ganon, sagte er zu sich selbst, dafür zahlst du...
Maron saß bei Rick, hielt seine rechte Hand in ihrer und murmelte Worte, die sie noch nie zu ihm gesagt hatte. Im Hintergrund hörte man nun deutlicher Stimmen, widerliche, kalte Stimmen von Moblins und anderen Dämonen. Undeutliche Schatten in der Ferne waren nun sichtbar...

Maron verabschiedete sich mit einem Kuss auf Ricks kalte Lippen. Sie packten Ricks toten Körper in den Kofferraum. Sie konnten ihn nicht einfach hier liegen lassen. Dann stiegen sie beide schweigend in das Auto, noch immer mit Tränen in den Augen, wie gesteuert von fremden Mächten, traumatisiert und unwirklich, und fuhren weiter.
Der Heroe fuhr wie in Trance die Straße hinunter, während Maron mit Tränen in den Augen eingeschlafen war. Immer wieder schallte ein einfaches ,Warum’ in seinen Gedanken umher.

Warum?
Warum musste Rick sterben?
Warum musste das passieren?

Link stoppte den Wagen und stürzte seinen Kopf in seine Arme. Es war genug. Er wollte nicht mehr. Wozu das alles? Nichts wird wieder so sein, wie zuvor, das Leben würde nie wieder so sein wie zuvor. Ohne Rick kam ihn alles so sinnlos vor, so leer...

Er verschnaufte einige Minuten, inzwischen war ihm alles egal... Ich wünschte, es wäre nie etwas geschehen, sagte er zu sich. Ich wünschte, ich wäre Ganon nie begegnet. Aber würde das nicht auch bedeuten, dass er Zelda niemals hätte finden dürfen? Er hätte Zelda niemals kennen gelernt. Wollte er selbst das für eine heilere Welt aufgeben? War es ihm Wert? Ohne Zelda wären einige Dinge nie passiert. Vielleicht würde er auch jetzt noch ein gewöhnliches Alltagsleben führen. Link konnte nicht abstreiten, dass sie für viele Dinge den Grund darstellte... Er sah sie in seinen Gedanken genau vor sich. Dann zerbrach ihr Bild, wie Ricks Leben.

Der gewandte Kämpfer stieg aus, mit dem Schwert in der Hand, und blickte in den finsteren Himmel. Regentropfen bedeckten sein grünes Basecape. Wie wild geworden schwang er seine Hiebwaffe, schrie aus Leibeskräften den Namen seines Freundes in die Luft und reagierte sich ab. Er stach die Klinge wütend in den Erdboden und ein lautes, verzweifeltes: ,Nein!’ zerriss die Stille. Link hätte niemals geahnt, dass soviel Hass in ihm steckte, Hass auf Ganon, Hass auf sein eigenes Schicksal. Ganon würde dafür teuer büßen müssen...

Er setzte sich neben den Wagen und lehnte sich gegen die Autotür. Es war alles so ungerecht... Dann blickte er auf seine eigenen Hände. Das unsichtbare Blut an ihnen würde sich nie wieder abwaschen lassen.

 

Einzelne Regentropfen fielen noch vom rauchig flammendroten Himmel, als irgendwo in der Nähe von Schicksalshort ein weiteres Auto angefahren kam. Zwei Personen saßen in dem Wagen. Der eine steuerte, während der andere aufmerksam eine Karte von Schicksalshort studierte. „Jetzt links und anschließend rechts“, sagte der Beifahrer, und lugte dann vorsichtig hinaus in die Dunkelheit. „Wenn alles glatt läuft, müssten wir in zwei Stunden an unserem Zielpunkt sein.“
„Ja, ich hoffe, wir kommen nicht zu spät.“ Der Beifahrer beäugte die Gestalt am Steuer.
„Denkst du wirklich, das Schicksal gewährt uns dieses Stück Hoffung nicht?“
„Ich weiß nicht recht, ob ich noch an das Schicksal glauben kann...“, sagte der ältere Mann am Steuer und trat aufs Gas.

Link saß immer noch auf dem Boden, direkt neben dem Wagen. Inzwischen war er total durchgeweicht, aber es beeindruckte ihn nicht im Geringsten. Er hatte seine Augen geschlossen und riss sich sein grünes Basecape herunter. Denkwürdig lag das Stück Kopfbekleidung in seinen Händen. Er öffnete seine Augen und schien irgendwie nicht bei Sinnen zu sein. Er drehte das grüne Cape in seinen Händen hin und her und betrachtete es sich von jeder Seite. Er verfiel mehr und mehr seinen Erinnerungen...

Plötzlich schallte eine Stimme durch die Luft- ein erster Lichtpunkt an jenem Tag. Eine tiefe, männliche Stimme, die Link nur zu gut kannte. Er stand auf und blickte durch die Dunkelheit in Richtung der Stimme. Ein Paar alte Füße bewegten sich in seine Richtung und Link blinzelte leicht verstört drein.
„Link. Schnell in den Wagen. Sie kommen!“, rief die Person, aber Link war jetzt unfähig den Wagen zu steuern.
Die Gestalt kam näher und ahnte, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste. Richard Raunhold, der Schulpsychologe, stand vor dem Jugendlichen und blickte mit seinem analytischen Instinkt in Links trauriges Gesicht.
„Soll ich fahren“, war sein erster Satz, als er endlich außer Puste Link beäugte. Richard war nun mal ein alter Mann und hatte keine Kondition mehr in seinem alten Körper.

Link nickte nur, anstatt irgendetwas zu sagen. Sicherlich, er war erleichtert und beruhigt den ersten Weisen gefunden zu haben, aber an dem schrecklichen Ereignis vor weinigen Minuten konnte selbst ein Weiser oder ein Psychologe nichts ändern... Rick war tot. Sein bester Freund war tot...

Link setzte sich auf die Rückbank und stellte Raunhold keinerlei Fragen, ebenso wenig machte er sich einen Gedanken um den Aufenthalt Rutaras. Es war ihm alles so egal...

Nach einer Weile meinte Raunhold ruhig: „Ich denke, es hat keinen Sinn noch länger nach Rutara zusuchen. Wir sollte zu Ines fahren, okay?“
Ein schwächliches: „Ja“ erklang von hinten. Link wunderte sich, woher Raunhold etwas von dem Plan wissen konnte.
„Ich weiß zwar nicht, was geschehen ist, aber... Link. Dir bleibt jetzt nichts anderes übrig, als stark zu sein. Mag sein, dass meine Worte absurd klingen, mag sein, dass ich nicht in deiner Haut stecke, aber egal, was es ist, das Leben geht weiter...“
„Rick ist tot... Ich musste ihn töten...“, murmelte Link, überrascht, wie schnell ihm diese Worte abhanden kamen. Dann schaute er aus dem Fenster.
Raunhold drehte sich halb um: „Kopf hoch. Es gab immer Hoffnung, und es gibt sie noch. Das hatte Zelda uns eingetrichtert und vielleicht siehst du Rick eines Tages wieder. Und... vielleicht solltest du mit dem Geschehen über Zelda reden, wenn wir bei der Villa sind.“
„Ähm... Sagen Sie, woher wissen Sie eigentlich etwas über den Plan?“
„Ines hat mir alles telepathisch mitgeteilt. Wir waren selbst alle überrascht, dass wir diese Fähigkeit noch hatten. Ein Funken Hoffnung, nicht wahr.“
„Das heißt, Rutara ist ebenso verständigt worden?“
„Ja, möglicherweise ist sie bereits auf dem Weg in die Villa.“
„Gut“, sagte Link und schaute wieder hinaus in den Regen.

Es war nun fünf Stunden her, seit der Heroe aufgebrochen war, als das Auto, von den Händen Richards gesteuert, in die düstere Einfahrt hereinfuhr. Link weckte Maron, die gähnte, und der Tränen in die Augen stiegen, als sie bei Sinnen war und die schrecklichen Ereignisse sie wieder einholten. „Jemand muss Rick begraben... Wir können ihn doch nicht im Wagen lassen... Rick hat... Rick...“, Raunhold half ihr aus dem Wagen, und führte die geschockte Maron in das Haus. Ines empfing sie an der Haustür, ließ sie beide eintreten und wartete, dass Link zum Eingang lief. Er stand vor dem Kofferraum wie ein Häufchen Elend, bis Ines die Initiative ergriff und ihn ins Haus schleifte.

Wenig später befanden sie sich alle im Aufenthaltsraum, alle außer Link, der in einem Nebenzimmer gedankenversunken ins Nichts starrte. Raunhold erzählte ihnen, was vorgefallen war, alles, was er wusste. Maron, die sich wieder so gut es ging gefangen hatte, ergänzte, was er nicht wissen konnte. Zelda und Dar standen mit einem Schlag auf.
„Ich werde mal nach Link sehen...“, sagte Zelda leise, auch wenn sie nicht wusste, wie sie ihm jetzt helfen konnte. Aber es kam auf einen Versuch an.

Dar entschloss sich Rick in der Nähe des Hauses zu begraben. Das mochte makaber klingen, aber sein toter Körper konnte nicht ewig in dem Kofferraum liegen. Raunhold half ihm kurzerhand dabei. Sie verschwanden.

Ein Wagen befand sich gerade an dem Ortseingang Schicksalshorts und stellte seine Scheinwerfer ab. „Es dauert nicht mehr lange. Vielleicht eine halbe Stunde. Dann sind wir da“, sagte der Beifahrer.
„Ja, genau. Ich freue mich, Zelda zu sehen, auch wenn ich sie gerne unter anderen Umständen getroffen hätte“, sagte der Fahrer.
„Mir geht es noch viel schlimmer. Ich frage mich, was sie tut, wenn sie mein Gesicht sieht. Und ich frage mich, was Link tut, wenn er uns schon wieder sieht.“
Der Fahrer lachte. „Na ja, ich hoffe doch, dass er sich freuen wird.“
„Ja, ich auch.“

Plötzlich fuhren sie an jemandem vorbei- es war eine Person in einem blauen Regenmantel auf einem Fahrrad. Der Fahrer sah bestürzt hinaus und wunderte sich, dass es allen Anschein nach noch Menschen in dieser Stadt gab. Er hielt verdutzt den Wagen an. Der junge Kerl auf dem Beifahrersitz kurbelte die Glasscheibe herunter und meinte: „Brauchen Sie eine Mitfahrgelegenheit?“ Er erkannte die Person auf dem Fahrrad als eine Studentin, die vor nicht allzu langer Zeit ihr Abitur in Schicksalshort gemacht haben musste. Sie stieg von dem Fahrrad, bedankte sich und öffnete die Wagentür.
„Auch wieder mit von der Partie, Rutara von Wasserstein? Oder sollte ich dich mit deinem wahren Namen ansprechen?“ Sie wunderte sich nicht und meinte zynisch: „Genauso wie Ihr? Nicht wahr?“
Der Fahrer lachte und meinte: „Scheint so. Unser Bestimmungsort ist das Haus von Ines. Ist dies auch dein Ziel?“
„Allerdings“, sagte sie kühl.
Dann fuhr der Wagen, bei dem es sich um einen teuren Schlitten handelte, in Richtung Stadtzentrum.

Zelda klopfte an die Tür in das Nebenzimmer und fragte leise: „Darf ich reinkommen?“ Es antwortete ihr niemand. Sie öffnete leise die Tür, und stellte fest, dass Link fast kein Licht in dem Raum eingeschaltet hatte. Zelda wartete einige Sekunden, kam sich mittlerweile unsicher vor und sah Link, der sich mit seinem Rücken an die wärmende Heizung gelehnt hatte. Diesmal war es ihre Aufgabe ihn zu trösten und wieder Mut zu machen, so wie er es viele Male für sie getan hatte. Die junge Schönheit atmete einmal tief ein und wusste nicht wirklich, was sie sagen sollte. Die Stille in dem Raum wurde immer unangenehmer und trügerischer.

„Wünschst du, dass ich gehe“, sagte sie einfühlsam. Wieder sprach sie gegen eine Mauer. „Ich möchte, dass du weißt, dass ich für dich da bin... ja?“ Erneut keine Antwort. Schlief Link etwa? Zelda war dabei sich umzudrehen und wollte gerade aus dem Raum verschwinden, als er aufstand, ohne ein Wort in ihre Richtung lief und sie fest an sich zog. Sie erwiderte die Umarmung und fühlte Links stumme Tränen an ihrem Hals, als er sein Kinn auf ihre Schulter legte. Zeldas Hände wanderten und streichelten über seinen Rücken. Sein T-Shirt war total durchgeweicht und sie fühlte deutlich, dass er zitterte. Ihre rechte Hand wanderte zu seinem Haaransatz, auch sein Haar war klatschnass. Er sagte kein Wort. Er brachte keines hervor...

Zelda unterbrach die Umarmung und führte ihn zu der kleinen Couch, wo vor wenigen Stunden der kleine Kerl erschienen war. Er setzte sich. Sie setzte sich neben ihn, nun ein wenig aufgewühlter und nervöser, als vorhin. Sie setzte sich dann im Schneidersitz gegenüber ihres Helden und versuchte ihn durch die Dunkelheit anzublicken, in seine Seele zu sehen, in sein Herz... Es war nicht nötig, dass er etwas sagte. Sein Schweigen sagte ihr mehr, als Worte es hätten tun können und sie wusste, er brauchte sie jetzt mehr als jemals zuvor.

Zelda stützte sich nach vorne, sodass sie ihm so nah war, wie zuvor und griff mühsam von ihrer Position aus an den Schalter der Heizung. Sie drehte den Schalter auf die höchste Stufe, hörte das Wasser in der Heizung plätschern, der einzigste Laut in dem Zimmer. Dann lehnte sie sich wieder zurück, nicht sicher, ob sie etwas sagen sollte, oder ob es das beste wäre ihn jetzt alleine zu lassen. Zelda vergaß den Gedanken, so schnell er aufgekommen war, näherte sich ihm und nahm ihm das nasse Basecape ab. Link ließ es einfach geschehen und ließ seine Prinzessin vollkommen die Kontrolle übernehmen. Sie stand auf und lief in kurzen, langsamen Schritten  in die andere Ecke des Zimmers, wo eine dicke Decke lag. Sie nahm die Decke, berührte deren weichen Stoff und ging dann wieder zu Link. Sie stand vor ihm, während er zu ihr aufblickte und ein merkwürdiger Blick in seinen Augen lag. Irgendwie unwirklich, irgendwie melancholisch.

Ihre Hände wanderten zu seinem grünen, feuchten T-Shirt, das sie ihm mit einem Ruck einfach über den Kopf streifte. Sie legte die Decke um ihn und setzte sich wieder. Mit einer fast zärtlichen Bewegung legte sie ihre Arme sanft um seinen halb durchgefrorenen Körper und lehnte ihre Stirn gegen seine, die ganze Zeit in seine tiefblauen Augen blickend, wissend, dass sie ihm nur durch ihre Anwesenheit wirklich helfen konnte. In dem Moment zitterte auch sie ein wenig, da sie nicht erwartet hatte, dass Links Haut so nass und kalt war. Inzwischen getraute sie sich nicht mehr irgendetwas zu sagen, denn so nah, wie sie einander im Augenblick waren, so nah, waren sie einander noch nie.

Ein Beobachter würde die beiden sicherlich für Liebende halten, aber so romantisch war die Situation bei Weitem nicht. Link brauchte einfach ein bisschen Wärme und diese erwartete er zu jenem Zeitpunkt von niemandem anderen als seiner Zelda.

Nach einer Weile drückte Zelda ihn auf die Couch, umarmte ihn fortwährend und schenkte ihm ihre Wärme. Sie fuhr liebevoll über sein Gesicht, bis ihre rechte Hand zu seinem Haar wanderte. Schließlich krabbelte sie zu ihm unter die Decke, kuschelte sich an ihn und streichelte erneut über sein Gesicht. Das Gefühl auf diese Art und Weise bei ihm zu sein, war das schönste, was Zelda bis jetzt in ihrem Leben erfahren hatte. Einfach nur bei ihm sein, nichts denken, vergessen, was bisher war und nur seine Anwesenheit fühlen und ihn trösten, erschien ihr das größte Glücksgefühl, nach das ein Mensch wie sie in einem Leben streben konnte.

Sie umarmte ihn noch ein wenig fester, inniger, und näherte sich ihm so, dass sein Kopf unter ihrem, nur knapp über ihrer Brust ruhte. Sie erwartete nichts von ihm, und er erwartete nicht mehr von ihr, als nur eine Schulter, an der er ohne Worte sein Leid anklagen konnte. Zelda hob leicht den Kopf und versuchte zu erkennen, ob Link schlief. Er drückte sie als Reaktion fester an sich und zuckte kurz mit seinen hellbraunen Augenbrauen. Zelda küsste ihn langsam mit viel Empfinden auf seine Stirn und genoss das Gefühl ihrer Lippen auf seiner Haut.
Sie schenkte ihm in diesem Augenblick noch mehr als Wärme und Trost, mehr als eine liebevolle Berührung... Sie schenkte ihm einen Teil ihres Herzens, einen Teil ihrer Liebe...

Die anderen brüteten noch einmal im Aufenthaltsraum über den schier unmöglichen Plan nach. Ob er funktionieren würde? Gab es denn keine Alternative?
„Wo bleibt Rutara nur so lange?“, fragte Naranda schließlich mit einem unüberhörbaren Seufzen. „Wenn sie nicht bald auftaucht, dann ist die Zeit um und Ganon findet uns...“
„Ja, es wird langsam Zeit, dass sie erscheint...“, sagte Dar. „Außerdem hoffe ich, Link erholt sich so schnell es geht von seinem Schock, sonst haben wir alle ein Problem.“
„So einfach ist das nicht... Rick war immerhin sein bester Freund“, meinte Richard. „Er wird es niemals ganz verkraften.“ Sie blickten alle nach diesen Worten schweigend auf die runde Tischplatte und auf ihre Kaffeetassen. Plötzlich hörten sie ein Poltern aus den oberen Stockwerken des Hauses. Irgendwer musste sich dort herumtreiben. Dann waren da schon wieder Geräusche...
„Was jetzt“, wisperte Sara.
„Ich werde nachsehen“, sagte Ines und schnappte sich ihr Kurzschwert. Naranda nahm ebenso ein Schwert aus einer Schublade und folgte ihr. Sie schlichen leise ins Erdgeschoss und leuchteten mit ihren Taschenlampen umher. Nach einer Weile blieben Ines und Naranda stehen. Sie blickten sich durch die Dunkelheit um und zuckten ratlos mit den Schultern, da sie allen Anschein nach, niemanden fanden. Aber woher kamen dann die Geräusche?

Sie durchquerten die große Empfangshalle. Ines warf einen Blick auf die Eingangstür und stellte mit Entsetzen fest, dass diese aufgebrochen wurde. Die Situation wurde gefährlicher, als sie es beide annahmen. Sie tasteten sich vorsichtig an die Tür zu ihrer rechten heran, welche offen stand. Hinter jener Tür lag das Arbeitszimmer von der Direktorin. Sie schlichen in den Raum und versuchten durch die Dunkelheit etwas zu erkennen. Unerwartet stürzte sich jemand auf Ines. Sie konterte die Attacke mit ihrer Shiekahtechnik und musste feststellen, dass, wer immer sie auch angegriffen hatte, über dieselbe Technik verfügte. Sie sprang einige Meter nach hinten und rief in die Dunkelheit: „Wer bist du? Gib dich zu erkennen!“

Das Gesicht eines jungen Mannes mit blonden Haaren und roten Augen stand vor ihr.
„Hallo Impa“, sagte eine weitere Gestalt, die sich aus der Dunkelheit preisgab.
„Ihr? Leon Johnson? Seid Ihr es wirklich?“
„Ja, Impa. Und nun, nimm’ deine Waffe herunter. Du auch, Naranda...“, sagte der ältere Herr. In dem Augenblick gab sich auch Rutara preis, die sich bisher zurückgehalten hatte.
„Ich bin froh, euch beide zu sehen“, sagte die Studentin zu Ines und Naranda.
„Gut, dass du da bist. Wir haben schon auf dich gewartet.“
„Ja, ich schlage vor, ihr erzählt uns dreien erst einmal genau den Plan und was eigentlich passiert ist...“ Demnach folgten die drei Personen Naranda und Ines, die schnurstracks in Richtung der Kellerräume liefen.

Nach einer fast ewigwährenden Begrüßungszeremonie in dem Aufenthaltsraum, erklärte der Rest der Meute den neuen Ankömmlingen die Situation und den erdachten Plan. Leon würde an Zeldas Stelle die Funktion des siebten Weisen einnehmen, er war schließlich Zeldas Vorgänger, während Sian für den Schutz der Weisen sorgte.

Einige Zeit später kam Link in den Raum. Er bemühte sich nicht länger über die schrecklichen Ereignisse der letzten Stunden nachzudenken und begrüßte Sian und Leon freundschaftlich. „Zelda ist eingeschlafen. Aber wenn du sie unbedingt sehen möchtest, Leon, kannst du sie doch aufwecken...“, sagte Link, der dennoch ein Gesicht wie zehn Tage Regenwetter machte. Er wollte stark sein. Das wurde immerhin von ihm erwartet. Er wollte nicht als Schwächling dastehen. Aber trotzdem... je länger er wach war, umso häufiger überkamen ihn nun Zweifel, Vorwürfe und das Gefühl an allem Schuld zu sein.
„Lass mal gut sein, ich möchte sie wirklich nicht wecken...“, sagte der ältere Herr. Link blickte weg und setzte sich vor den Kamin. Er brütete weiterhin über die Dinge der letzten Stunden nach.

Sara legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Hey, Brüderchen...“, murmelte sie.
„Hey...“, meinte Link nachdenklich und kniff seine Augen wieder zusammen.  
„Link?“
„Ja, was ist?“
„Also, jetzt hör mir mal zu.“ Er blickte sie an, nicht sicher, was er jetzt von ihr hören würde.
„Du bist ein Waschlappen, wenn du hier verzweifelst“, sagte sie, äußerst energisch.
„Willst du dir das von dem Bösen gefallen lassen? Genau das will er doch, genau das will Ganondorf! Er will, dass du in der Ecke sitzt und vor dich hinbrütest. Willst du ihm diesen Gefallen tun?“ Link setzte eine sehr ernste Miene auf.
„Du weißt doch wer du bist und zum Teufel mit der Verantwortung auf deinen Schultern. Reiß’ dich zusammen und stell’ dich dem Bösen, wie du es bis jetzt immer getan hast. Wo ist der Mut und die Zuversicht meines Bruders geblieben?“ Link blickte sie an und lächelte das erste Mal, seit dem Vorfall, zwar nur ein wenig, aber immerhin... Er nickte, bis seine kleine Schwester ebenfalls lächelte und stand auf. „Danke, Sara.“
„Und nun müssen wir unsere restlichen Vorbereitungen treffen. Wirst du kämpfen?“
„Jep, das werde ich!“ Link sprang auf. Zum Henker mit Ganon. Er würde für all’ seine Verbrechen bezahlen. Er würde leiden für seine abscheulichen, niederträchtigen Machenschaften und für die Dinge, die er dieser Welt angetan hatte. Ganon würde für Rick bitter zahlen...

„Link“, murmelte Zelda, noch im Halbschlaf. Sie setzte sich aufrecht und blinzelte durch die Dunkelheit. „Link“, sagt sie erneut. Sie hatte wieder schlecht geträumt und nun geriet sie ein wenig in Panik, da er nicht hier war. Sie gähnte, stand auf und streckte sich, betätigte den Lichtschalter und stellte fest, dass sich Links grünes T-Shirt und sein Basecape nicht mehr im Raum befanden. Er war sicherlich schon aufgestanden. Ob Rutara schon da war? Wie spät war es eigentlich? Sie lief schnellen Schrittes aus dem Raum und hörte von Weiten schon vertraute und fremde Stimmen, die eifrig diskutierten. Auch Links Stimme erkannte sie. Zelda stand mit zerzaustem Haar in der Tür zu dem großen Aufenthaltsraum. Als der Heroe in ihre Richtung blickte, tat dies auch der Rest der Gesellschaft und innerhalb von Bruchteilen von Sekunden schwieg jeder Anwesende. Zeldas blaue Augen wanderten zu dem Erscheinungsbild Leon Johnsons. Sie konnte es einfach nicht glauben. Sein Gesicht, seine grauen Haare und der rote Mantel. Dieser Mensch- er war tatsächlich die Wiedergeburt ihres Vaters- des Königs von Hyrule.

Sie starrte lange Momente in sein väterliches Lächeln, nicht sicher, was sie tun sollte... Leon stand auf und hetzte auf sie zu. Er nahm ihr Gesicht in beide seiner Hände und murmelte: „Meine Kleine, ich hatte ganz vergessen, wie wunderschön du doch warst... meine Tochter...“ Er nahm sie in eine herzliche Umarmung, während Zelda es immer noch nicht glauben konnte und nur schockiert drein sah. Eine Träne rollte über ihre schwachrosa Wange- ja, sie hatte ihren Vater vermisst- selbstverständlich hatte sie das...

„Ich bin glücklich, dass du da bist“, sagte sie.
„Und ich bin glücklich darüber, deine Stimme zu hören...“ Er musterte sie nun noch eindringlicher. „Du siehst wirklich gut aus, mein Schatz. Wie hast du es nur geschafft, all’ die Jahrhunderte deine Schönheit zuwahren?“
„Du bist noch der gleiche Sülzkopf wie damals, Vater, überschüttest deine Tochter mit Komplimenten wie eh und je, weil du so stolz auf sie bist.“
„Ja, du hast Recht. Ich sollte meine Zunge hüten.“ Sie lächelten sich eine Weile an, bis Zeldas Blick auf die Gestalt von Sian fiel.

Sian erwiderte ihren Blick. Einige Momente später standen sich die beiden gegenüber und sahen sich nur an. Auf den ersten Blick könnte man sie für Zwillinge halten- dieselbe Größe- ähnliche Gesichtszüge- gleiche schlanke Gestalt.
„Wie ist das nur möglich? Du bist eigentlich ich“, sagte Zelda.
„Verrückt oder?“
„Ja, echt abgefahren...“ Sians rote Augen wanderten an die Decke.
„Also... respektierst du mich?“
Zelda hätte ihm am liebsten einen Klaps gegeben. Sicherlich respektierte sie ihn.
„Ich würde sagen, wir sind so etwas wie Bruder und Schwester. Was meinst du dazu?“
Sian nickte, erfreut, dass Zelda ihn nicht einfach als einen Schatten ansah, der nur existierte, da er von ihrer wahren Person abgespalten wurde.   
„Es ist schön dich kennen zu lernen, Sian...“
„Ganz meinerseits...“

Zelda wand sich dann den anderen zu, mit mehr als einem entschlossenen Blick auf dem edlen Gesicht. „Gut, damit sind alle Vorbereitungen getroffen. Es ist soweit.“ Allerdings, die Zeit war gekommen. Der Kampf gegen Ganondorf rückte näher und näher. Der Weg nach Hyrule würde geöffnet werden und das größte Abenteuer sollte erst noch beginnen.