Autor: Faylen7
Als Zelda aufwachte war es bereits Mittag. Sie lag immer noch in Links gemütlichem Bett. Was war gestern eigentlich geschehen? Sie glaubte, der Erinnerung so nahe gewesen zu sein, mit jener Melodie, die im Herzen erklang. Aber nichts kehrte wieder- nur ein Bild von ihr, wie sie in den Wäldern wandelte und eine Okarina in der Hand hielt. Sie sah selbst nur ihre Schritte und das Ende eines langen, samtenen Kleides. Dann war dieses Bild wieder weg, und sie wusste nicht einmal mehr genau, wie jener Wald aussah…
Sie kuschelte sich noch ein wenig unter die Decke. Ah, es war so gemütlich hier. Sie liebte diese flauschige Decke und das weiche Kissen, träumte vor sich hin, schwelgte in ihren geheimen Phantasien. Sie murmelte: „Nein, ich stehe nicht auf, Im…“ Mit einem Schlag überlegte sie, was sie denn gerade hatte sagen wollen. Ein Name, ja ein Name, aber von wem? Sie ahnte, dass allmählich doch einige Erinnerungsfetzen zurückkehrten…
Plötzlich stieg ihr ein leckerer Geruch in die Nase und sie stand letztendlich noch auf. Sie quälte sich aus dem Bett heraus und folgte dem Duft. Er kam aus der Küche. War das zu fassen, Link kochte! Als er am Herd stand, summte er, sodass Zelda lachen musste. Lächelnd drehte er seinen Kopf zu ihr und sagte: „Nicht Lachen, das ist wirklich das Einzige, was ich kochen kann, außer Pudding natürlich.“
„Soso, dafür riecht es aber sehr gut.“ Zelda schaute ihm über die Schulter, Spaghetti also!
„Guten Morgen erst einmal…“, sagte Link dann und erhielt erneut ein Lächeln und ebenso eine Morgenbegrüßung.
Zelda schaute bewundernd in den großen Topf für die Nudeln und den kleineren mit der ketchuproten Soße. Sie schnupperte daran und grinste.
Sie war seit gestern wie ausgewechselt. Link war ein wenig beunruhigt, ob mit ihr tatsächlich alles in Ordnung war und blickte sie noch eine Weile durchdringend an. „Kannst du dich seit gestern an irgendetwas erinnern?“
„Nein, ich glaubte zwar zuerst, die Erinnerungen kämen zurück, aber der Anflug erstarb.“
„Na dann.“
Link drehte sich vollständig zu ihr um und meinte: „Wollen wir heute irgendetwas unternehmen. Die Geschäfte sind geöffnet. Also, wenn du Lust und Zeit hast, können wir ja in die Stadt gehen?“
„Ja, sehr gerne.“ Plötzlich klingelte es an der Haustür. „Warte ich öffne sie. Kannst du mal nach der Soße sehen?“ Ehe Zelda ja sagen konnte, war Link schon auf dem Sprint zur Tür.
Zuerst lugte er durch den Türspäher, dann erkannte er die Person dahinter und öffnete. Es war der fünfunddreißigjährige Postbote Karnelius mit dem roten Pulli, auf dessen Vorderseite ein hässliches, kindisches Motiv eines Hasen zu sehen war. Link kannte den Typen deshalb, weil er selbst eine zeitlang hin und wieder Zeitungen, Werbung und anderen Kram austrug um sein Taschengeld aufzubessern.
„Hallo.“, meinte Link.
„Morgen. Die Post ist da.“ Und der Kunde reichte dem verdutzten Link einige Briefe und ein großes Paket. Nach einer Unterschrift, dass Link jenen Karton an sich genommen hatte, verschwand der Typ in Windeseile. Link schaute die Briefe durch und fand einen ohne Absender. Komisch, dachte Link und schüttelte den Briefumschlag kurz, um zu testen, das auch ja nichts verdächtiges dran war.
Ungeduldig öffnete er das Schreiben, und entfaltete ein Blatt Papier, wo eine feine Handschrift einige Sätze geschrieben hatte. Der Brief war an ihn adressiert und eine Warnung stand in den Sätzen. Ein ausdrücklicher Hinweis, dass er von jetzt an sehr, sehr vorsichtig sein sollte. ,Dinge werden geschehen, die mit dem Schicksal deiner Seele zu tun haben.’ Zweimal musste Link diesen Satz durchlesen, um ihn überhaupt ansatzweise zu verstehen.
Er überflog den gesamten Brief ein drittes Mal, vergewisserte sich, dass tatsächlich er gemeint war und blieb in seine Gedanken versunken im unbeleuchteten Korridor des Hauses stehen.
Es war soweit. Jetzt gab es für Link kein Zurück mehr und die Gelegenheit, zu beweisen, was in ihm steckte, zu zeigen, was in ihm schlummerte. Alle Antworten waren nun so nah, dass Link lediglich zugreifen musste. Das Schicksal nahm seinen unbestrittenen Lauf, nun auch in dieser Welt.
Link stellte das große Paket vor Mutters Schlafzimmertür und ahnte, eine teure Vase befand sich wiedereinmal darin. Eine Leidenschaft Meiras, denn jede Vase, die nur ansatzweise zu gebrauchen war, gehörte in ihren Haushalt.
Der Brief landete im Papierkorb und Link tapste wieder in die Küche, wo Zelda mühevoll vor dem Herd stand und ungeschickt versuchte, das übergekochte Wasser aus dem Spaghettitopf wegzuwischen. Sie grinste unschuldig und machte Link schöne Augen, als er das verteilte Salzwasser beäugte.
„Äh…“, sagte sie, „mir ist das Wasser übergekocht… entschuldige.“ Link lachte daraufhin.
„Passiert ist passiert. Deshalb brauchst du dich nicht entschuldigen.“ Er trat näher und wischte mit einem Lappen über das Kochfeld.
„Ich glaube, für den Haushalt bist du einfach nicht geschaffen.“, setzte er hinzu und kramte gleichzeitig zwei dunkelblaue Pastateller aus einem Küchenschrank. Sie setzte sich geistesabwesend auf die Eckbank und stützte den Kopf auf ihren Armen ab, die sie einfach auf den Tisch gelegt hatte. Für einige Sekunden schloss sie ihre Augen und träumte vor sich hin. Da war ein Gedanke… Es stimmte, sie war nie für den Haushalt zuständig gewesen. Derartige Dinge hatte sie nie getan, es war ihr sogar untersagt, sich mit solchen einfachen, niederen Arbeiten abzugeben. Eine heimliche Erinnerung, die das Gefühl des Verlorenen neu entfachte. Sie wusste es, sie verstand…
Links Stimme riss sie aus ihrem Gedankenspaziergang, als er in ihr Ohr flüsterte: „Schläfst du?“ Sie schreckte hoch und stieß fluchend mit seinem Kopf zusammen.
„Das tat weh.“, sagte Link und rieb sich seinen glücklicherweise harten Schädel.
Auch Zelda strich sich über ihren Kopf und suchte nach der Beule. „Du hast gut reden… mein Kopf ist wohl nicht so belastbar.“, murmelte sie. Aber ein Lächeln huschte ihr über das Gesicht, als Link zu lachen begann.
„Soll ich dir mit dem Besteck helfen?“
Er schüttelte den Kopf. „Quark, bleib’ sitzen. Ich decke den Tisch.“ Doch wieder war da dieses Gefühl… sie hatte noch nie einen Tisch gedeckt, zumindest sagte ihr sechster Sinn das. Ihre Augen beobachteten jeden Schritt, den Link tat und sie war so dankbar, dass er hier war, obwohl er ein Fremder war, obwohl sie ihn nur seit zwei Tagen kannte.
Link suchte Besteck, legte es neben die Teller, welche schon auf dem Tisch standen und verschwand dann im Keller. Geschwind kam er wieder, hatte eine Flasche Orangensaft in der Hand und stellte diese zusätzlich auf den Tisch.
Dann streckte er sich und kramte nach zwei Gläsern aus dem obersten Fach des Schrankes. Zelda starrte ihn währenddessen an, musterte seinen schlanken Körper und jede Bewegung, die er machte. Ja, er war unheimlich attraktiv. Aber aus irgendeinem Grund wollte sie das nicht sehen, als ob ihr jemand verboten hätte, ansehnliche Menschen genauer zu betrachten.
Verlegen wanderten ihre Augen in die andere Ecke des Zimmers, auf der Suche nach einer weiteren Beschäftigung, als seinen Körper zu bewundern. Ob er eine Freundin hatte? Sicherlich, dachte sie…
Lächelnd nahm er ihr gegenüber auf einem Stuhl Platz und belud die Teller mit den Spaghettis. „Viel oder wenig Soße?“
„Ruhig etwas mehr.“, entgegnete sie und sah weiter zu, wie er ihr jeden Handgriff abnahm. Gott, es war so vertraut. Diese Situation zwischen ihnen, als ob sie seit Jahren zusammen aßen. Sie blickte lächelnd in seine tiefblauen Augen, die hypnotisieren konnten. Eine reine, dunkle Farbe, nicht verwaschen oder blass und sie mochte diese Farbe, sie stellte sich vor, darin zu versinken.
„Schmeckt’ s denn?“, fragte Link neugierig und stopfte sich eine riesige Portion Nudeln in den Mund. „Echt lecker.“, sagte sie und grinste angesichts seiner unmöglichen Tischmanieren. Aber sie war nicht überrascht, als wüsste sie über seine Fähigkeit die Funktionen von Messer und Gabel in Frage zu stellen, sehr gut Bescheid. Er grinste ebenfalls auf seine hinterhältige, dämliche Art und Weise und wich dann ihrem aufmerksamen Blick aus. Erst jetzt bemerkte sie den silbernen Ohrring in seinem linken Ohrläppchen. Ohne Nachzudenken oder sich selbst bewusst, was sie tat, beugte sie sich über den Tisch und berührte diesen runden silbernen Ring. Link zuckte zurück und sah sie überrascht an. „Was ist?“, meinte er.
„Äh…“, sagte sie verlegen, „… mich hat dein Ohrring interessiert.“
„Ach der…“, und er berührte selbst das Stückchen Silber. „… Sara hat mir dieses Ding zu meinem sechzehnten Geburtstag geschenkt, wahrscheinlich, weil sie keine Ahnung hatte, was ich gebrauchen könnte und… na ja… sie hat darauf bestanden, dass ich dieses Ding trage.“
„Es steht dir…“, sagte Zelda und trank einen Schluck des Saftes.
„Ich weiß…“, bemerkte er noch und leerte seinen Teller.
Zelda stand mit einmal auf. Torkelnd lief sie zum weißumrahmten Küchenfenster und hielt sich an der rauen Fensterbank fest. Tief ausatmend schaute sie hinaus durch das durchsichtige Glas und fühlte ein Ziepen in ihrem Magen, dann ein Trommeln in ihrem Kopf. Die Welt außerhalb veränderte sich für ihre Augen in dem Bruchteil einer Sekunde. Farben verschwanden, Grautöne verschmolzen mit dem Gefühl der Unwirklichkeit vor ihren eigenen Sinnen und die Gewissheit über die schöpferische Fähigkeit, hinter Dinge zu sehen, steigerte die Wahrnehmung für das Unleugbare ins Endlose. Fast schmerzhaft sanken ihre Augenlider nieder und das Brennen in ihrem Kopf erstickte gewaltsam ihre restlichen Sinneseindrücke. Sie wand ihr schattenhaftes Gesichtsfeld vom Fenster ab und suchte nach Link in einem mit schillernden Farben ausgefüllten Raum, den sie nicht mehr als Küche wahrnahm. Er lief auf sie zu und bewegte seine Lippen langsam, als wollte er ihren wirklichen Namen sagen, sie fragen, was los sei, aber sie hörte ihn nicht. Er lief au sie zu und Zelda erschien es, als bräuchte er Stunden für diesen Weg, als beständen Sekunden für sie aus mehreren Stunden. Es knisterte in ihren Gedanken und ruckartig kamen Bilder der weitzurückliegenden Vergangenheit, Bilder voller Leben und doch dem Tode geweiht. Ein stechender Druck hinter ihren Augen und die Bilder wurden zahlreicher, kurz und bedrohlich strömten sie auf ihr Inneres ein, nahmen Energie, raubten Unschuld. Sie wollte schreien, sie wollte weinen und bat diese fremde Macht, sie möge jene Bilder stoppen, möge den Alptraum beenden, in dem sie gefangen war. Laut aufkreischend warf sie sich mit dem Rücken an die Wand, wollte nicht sehen, wollte die Erinnerung als solche nicht akzeptieren. Bilder von Toten, durch erbitterte Schlachten auf grünen Wiesen gestorben. Blut über den grünen Hügeln, Angst in den weitaufgerissenen, glasigen Augen der toten Krieger. Angst vor dem wahren Gesicht des Bösen…
Link war von seinem Platz aufgesprungen und packte Zelda an ihren Oberarmen. Ihre Augen waren leer, ihre Haut eiskalt. Sie zitterte und schrie plötzlich hysterisch auf. „Zelda!“, fauchte er sie an, rüttelte sie vorsichtig und wusste nicht, was hier geschah, beobachtete geschockt, wie Zelda mit einmal anfing zu weinen. Sie redete wirres Zeug, verwechselte die Wortstellung, sagte Wörter, die in seiner Sprache nicht existierten und gab schließlich ihren zitternden Knien nach. Sie wurde ohnmächtig und fiel mit dem Kopf vornüber, direkt an Links Schulter.
Er nahm ihren zierlichen Körper auf seine Arme und trug sie auf die cremefarbene Couch in der gemütlichen, warmen Stube. Er gab ihr leichte Klapse auf die schwachrosa Wangen und sagte energisch ihren Namen, bat sie, ihre Augen wieder zu öffnen. Aber sie rührte sich nicht und blieb weiterhin bewusstlos. Auch als Link ein feuchtes Tuch auf ihre Stirn legte und sie mit der erstbesten Decke zudeckte, reagierte sie nicht. Besorgt blieb Link einige Minuten neben dem Sofa hocken und sah ihr zu. Was tun, fragte er sich…
Aber Link wäre nicht Link, wenn er keine Idee hatte. Wenige Minuten später hüpfte er in sein Zimmer und kam mit seiner weißen Okarina zurück. Sanfte, dumpfe Töne erklangen in dem Raum, lösten den Bann angstvoller Erinnerungen, besänftigten und streichelten die Sinne mit beruhigenden Lauten. Link versank halb in seinem Spiel, schloss die Augen und lehnte sich zurück.
Er bemerkte nicht das leichte Zucken Zeldas, als sie die sanften Flötentöne vernahm, sah nicht das Blinzeln ihrer Augen und den verwunderten Ausdruck auf dem edlen Gesicht, als sie das Tuch auf ihrer Stirn bemerkte oder die Melodie der Flöte erkannte. Zelda richtete sich auf, wusste nicht, was vor wenigen Minuten passiert war und genoss das Spiel der Okarina. Ein wenig lächelnd ließ sie ihre Beine von der Couch baumeln und strahlte Link entgegen, der so in seiner Melodie gefangen war, dass er immer weiter spielte.
Links Augen öffnete sich und abrupt stoppte er das Musizieren, setzte sich zu Zelda auf das Sofa und blickte sie mit seinem sorgenvollen, ernsten Blick an. Dieser Ausdruck verriet, sagte zuviel und Zelda ahnte, obwohl sie nicht erinnerte.
„Was ist passiert, Link?“, meinte sie, in einer normalen Stimme, mit normalen Worten.
„Du bist in der Küche zusammengebrochen und…“ Sie verzog unverständlich ihr Gesicht, wollte es nicht wahrhaben. „… ich wollte von dir wissen, was passiert ist.“, ergänzte Link.
„Das kann ich dir aber nicht sagen. Verzeih’ aber ich kann es dir nicht sagen, weil ich nicht weiß, was ich tat…“
„Du hast keinen blassen Schimmer?“ Sie zuckte ratlos mit den Schultern und sah in das tiefe Blau seiner Augen.
„Habe ich dir Sorgen bereitet?“, murmelte sie.
„Ja, ich wusste nicht, was ich tun sollte…“
„Du hast Okarina gespielt…“
„Es hat dich aufgeweckt und…“ Gott, er kam sich so belämmert vor, wusste nicht, was er sagen sollte, wollte ihr nicht sagen, wie verstört sie vor wenigen Minuten reagierte, bevor die Bewusstlosigkeit sie überwältigte. Zärtlich nahm er ihre Hände in seine, streichelte die samtene Haut ihrer Handrücken. Sein Blick verlor sich darauf, vielleicht, weil er gerade jetzt nicht aufrichtig in ihre Augen sehen konnte.
„Jage mir bitte nicht noch einmal so einen Schrecken ein, Zelda. Ich hatte… Angst um dich.“, murmelte er vorsichtig, kaum sich selbst begreifend, denn noch nie hatte Link derartige Worte zu irgendjemandem gesagt.
„Um… mich.“, wiederholte sie, begriff den Sinn dieser Worte nur schwerfällig, als gab es niemals jemanden, der Angst um sie und nicht Angst vor ihr verspürte. Vielleicht machte sie gerades das so anders, jene Einbildung, andere könnten Angst vor ihr haben und deshalb vor ihrem doch übernatürlich schönen Erscheinungsbild weglaufen.
„Ist das ein Fehler…“
„Wohl dein größter Fehler…“, murmelte sie und stand auf.
Erneut ein Beweis für dieses trügerische Gesicht, das sie trug. Erneut eine Bestätigung für das unbezweifelbare Gefühl, sie gehörte nicht hierher, sie unterschied sich von den Menschen in vieler Hinsicht, sie brächte Gefahr diesem jungen, liebevollen Menschen neben ihr, dieser anderen, möglicherweise besseren Welt. Die Erkenntnis, etwas stimmte nicht mit ihr- sowohl in ihrer Seele lag dieses Wissen, diese trügerische Weisheit, welche sich nur im ersten Augenblick von der beschmutzten Macht eines Teufels abhob- als auch in ihren Handlungen, Entscheidungen.
„Ich habe Harfe gespielt…“, sagte sie, als eine erste Erinnerung, wollte die Schattenseiten des Gedächtnisses überspielen, vergessen…
„Was, du meinst, du hast früher Harfe gespielt?“
„Ja… wenn ich schlafen gehe, da überkommt mich so ein Gefühl für die Saiten jenes Instrumentes und ich stelle mir vor zu spielen und dann sehe ich mich selbst in einem kleinen runden Raum, wo nur diese Harfe steht. Überall strahlt Licht in jenen Raum, eines Turmes, so nehme ich an, und ich sitze davor und spiele eine Melodie…“
„Das freut mich für dich…“, sagte Link mit seiner beruhigenden, angenehmen Stimme und stand jetzt direkt hinter ihr. Er wollte sie berühren, überlegte aber gleichzeitig, ob er überhaupt das Recht dazu besaß.
„Ich kann nichts für meine Ungewöhnlichkeit, bitte sieh’ mich deswegen nicht mit anderen Augen…“, murmelte sie schwach, stockend und wurde in ihren Worten immer leiser. „Bitte…“, bekräftigte sie und wand ihren Kopf schräg zur Seite. Sie fühlte seine Unsicherheit, seine zunehmende Nervosität, aber auch die ehrliche Anteilnahme. Link lief um sie herum, sah sie tiefgehend an und flüsterte aufheiternd: „Ungewöhnlicher als ich kannst du gar nicht sein, Zelda… Ich werde dich immer mit den gleichen Augen sehen…“
„Du schaffst es immer wieder jemanden zum Lächeln zu bringen…“
„Jep. Eine tolle Gabe, nicht wahr?“
„Besser als jegliche anderen…“
„Oh… heißt das, ich besitze noch mehr umwerfende Gaben?“, meinte er und grinste ein wenig. Er nahm einen Schluck einer Wasserflasche, die neben dem Sofa stand.
„Du hast sie nur noch nicht herausgefunden oder wahrhaben wollen…“, erwiderte sie eine Spur ernster.
„Genauso wie du selbst, Zelda.“
Sie stimmte zu: „Genauso wie ich…“ Und die Erkenntnis rief ihr zu, wie stark die Fäden ihrer beiden Schicksale doch ineinander verwirbelt waren… Er reichte ihr die Flasche und hastig trank sie davon, half ihrer trockenen Zunge.
In dem Augenblick schlich Link um sie herum, musterte ihren schlanken Körper. „Weißt du Zelda, ich bin ja wirklich kein Freund von langen Einkäufen in irgendwelchen Modegeschäften, aber ich denke, du brauchst ein paar Klamotten.“ Sie blickte ihn mit großen Augen an.
„Aber wie soll ich das denn…“ Er unterbrach sie. „Ich leihe dir das Geld, ganz einfach. Auf meinem Sparbuch ist noch so einiges.“ Sie wollte ihm wiedersprechen und meinte: „Und was, wenn ich mir das einfach nicht leisten kann?“
„Dann verkaufen wir deine Tiara, die ist sicherlich ein Vermögen wert und wenn nicht, dann kannst du mir das Geld in Raten zurückgeben. Ich verlange auch keine Zinsen.“, sagte er grinsend. Mit Hilfe von Links überwältigendem Charme war Zelda überzeugt.
„Danke, Link.“
„Es ist okay. Also, wie sieht’s aus? Hast du heute noch Lust irgendwohin zu gehen, wenn nicht, dann verstehe ich das und wir machen es uns hier gemütlich.“ Sie schüttelte mit dem Kopf und nahm sich den Arm, den er ihr anbot. „Also dann, Mademoiselle, könnten wir losgehen.“
Ohne weitere Überlegungen liefen die beiden Jugendlichen in Richtung Stadtzentrum bis sie vor dem riesigen, mehrstöckigen Modegeschäft standen. „Los geht’s“, sagte Link und packte Zelda an der Hand und schleifte sie in das Innere des Gebäudes.
Zelda blickte sich erstaunt um, sah Unmengen von Kleiderständern mit farbenfrohen, sommerlichen Jacken, Tische mit Jeanshosen in allen Varianten und Farben, entdeckte hier und da Kleiderbügel mit modischen Blusen, T-Shirts, Mänteln und anderen Dingen. In langsamen Schritten folgte sie Link, der auf eine Rolltreppe zu steuerte.
Er drehte seinen Kopf zu ihr und sagte: „Ich würde sagen, wir fangen mit der Unterwäsche und dem Schlafanzug an.“ Sie lief nur unsicher hinter ihm her, sich bei der großen Auswahl fragend, wer solche Dinge überhaupt brauchte und ob diese denn tatsächlich in einen Kleiderschrank gehörten.
Sie erreichten das oberste Abteil und schnurstracks wendete sich Link zu der sicherlich hübschen Dame, die hinter der Ladentheke stand. Eine braunhaarige Frau mit einem schicken dunklen Overall. Sie regelte irgendeinen Papierkram und begrüßte Link schließlich auf eine auffallend vertraute Art und Weise und blickte zu Zelda, die sich mehr und mehr beobachtet fühlte.
Viele Leute befanden sich in dem Geschäft und stöberten in den Sachen herum und einige, vor allem Gleichaltrige, bemerkten Zelda im Vorübergehen. Einige schauten höflich weg, andere starrten sie an, als käme sie vom Mars.
Die Dame an der Kasse lief dann mit Link in Zeldas Richtung. Mit einem netten „Hallo.“, begrüßte die Frau das augenscheinlich siebzehnjährige Mädchen, welches Link im Wald gefunden hatte.
„Zelda, darf’ ich vorstellen, das ist meine Tante Lydia, die Mutter meines Cousins. Sie wird dir helfen, passende Sachen zu finden, da ich von Mode leider keinen blassen Schimmer habe.“ Zelda nickte dankend. „Wenn irgendetwas ist, ich bin dort drüben.“ Und er zeigte auf eine rote Couch, die in der Nähe der Ladenkasse stand. „Ist das okay für dich?“ Sie nickte. Wie oft sollte sie ihm denn noch für seine Hilfsbereitschaft danken?
„Ach… ja, noch etwas. Wenn du jemanden brauchst, der die Kleidung an dir beurteilen soll, dann komm’ einfach rüber. Ich warte so lange.“ Link lief langsam zu der Couch und warf ihr noch etwas hinterher: „Nimm’ dir soviel Zeit, wie du brauchst, wir haben doch sowieso nichts vor.“ Mit einem Grinsen machte er es sich, unbeachtet der empörten Gesichter einiger Leute, auf dem Sofa bequem und legte frech seine Straßenschuhe auf die Polsterung.
Mit einem Schmunzeln widmete sich Zelda dann der Frau, die aufmerksam ihre Größe und Figur einschätzte. „Also, Zelda, Link hat mir erzählt, du bräuchtest ein neues Outfit.“ Die Lady hatte eine schöne Stimme, auffallend beruhigend und einfühlsam. Zelda nickte.
„Ich wusste gar nicht, dass mein Neffe Besuch hat.“
„Nun ja.“, fing Zelda an, wollte aber nicht zuviel verraten. „Solange werde ich ihm wohl nicht auf die Nerven fallen, hoffe ich.“
Die Dame mit den rehbraunen Augen sah Zelda durchdringend an: „Ich will dich ja nicht ausfragen, woher du kommst und was du hier machst, aber neugierig wird man ja wohl sein dürfen…“ Zelda lächelte, aber mied die Augen der fremden Dame. „Aber egal, ich würde sagen, wir suchen erst einmal passende Unterbekleidung für dich, dürfte bei deinen perfekten Maßen ja nicht schwer sein…“ Zelda folgte der etwa vierzigjährigen Frau durch die Kleiderständer, Ablageflächen, vorbei an leblosen Schaufensterpuppen. Sie ereichten eine Ecke, in der allerlei Kleidung für drunter, Bade- und Morgenmäntel wie auch Dessous hingen. Zerstreut schaute Zelda von einem Objekt zum anderen und fühlte wieder dieses Unbehagen. So fremd war der Anblick des Modegeschäftes mit seinen Leuten, den ganzen aktuellen Klamotten…
Im Handumdrehen hatte Lydia einige Dessous, drei Nachtgewänder, einen schönen roten Pyjama, einen Stapel Strümpfe und allerlei anderen Kram auf ihren Armen.
„Da drüben sind Umkleidekabinen.“, sagte sie und reichte der überforderten Zelda den Stapel. Seufzend schlenderte das hübsche Mädchen in die Kabine und tat sich vielleicht ein wenig zu schwer bei der Anprobe.
Nach vielen Begutachtungen Lydias und sie klatschte, wann immer Zelda irgendetwas der kompletten Sammlung passte, war dieses Thema vom Tisch. Ein Berg von Kleidung ruhte auf dem Tisch der Ladenkasse und Link, der nur einen kleinen Blick riskierte, wusste, diese Dinge, würden bei seinem Sparbuch Ebbe verursachen… und es war erst der Anfang…
Lydia schien nun in ihrem Element zu sein. Zahlreiche Jacken, Hosen, Pullover und andere Dinge musste Zelda an ihrem modelgleichen Körper vorzeigen, nur um das nächste Modeobjekt anzuprobieren und so verging die Zeit. Über eine Stunde war verstrichen und Link war auf dem Sofa fast eingeschlafen.
Er streckte sich und blickte hinüber zu Zelda, die wieder grinsend einen Stapel T-Shirts in den Händen hatte und damit in einer Umkleide verschwand.
Laut ausatmend lehnte er sich zurück und dachte darüber nach, was er doch alles für Zelda tun würde, obwohl er sie nicht kennen konnte, obwohl sie eine Unbekannte war. Diese Gefühle der Zuneigung… ob diese überhaupt richtig waren. Könnte es ein Fehler sein, sich so sehr auf ein Mädchen einzulassen, dessen Namen Link nicht wirklich kannte?
Dann spürte er plötzlich zwei Hände über seinen Augen. Eine süße Stimme erklang und Link wusste, zu wem sie gehörte: „Wer bin ich?“
„Ach… Zelda, ich erkenne dich auch, wenn du nicht redest.“ Sie löste ihre Hände von seinen Augen und trat vor ihn hin. Leicht scheu murmelte sie: „Ich soll dich fragen, was du von diesem Kleid hältst, meinte deine Tante.“
Link starrte sie geschockt an. Das wunderschöne Geschöpf vor ihm trug ein knappes, schwachrosa Kleid, welches eng anlag und ihren graziösen Körper betonte. Zelda schaute mit roten Wangen an die Decke und wartete auf eine Reaktion Links. Aber er war sprachlos und schien gefangen zu sein in ihrem Anblick. Zwei geflochtene Träger hielten das teure Sommerkleid und waren die einzigsten Verzierungen daran. Ansonsten war es in Natürlichkeit belassen. Und wenn der richtige Mensch es trug, wirkte es genauso: natürlich und doch perfekt.
„Ähm… das ist…“, brachte Link hervor und stand ungeschickt auf. „du… du solltest es nehmen, wenn… wenn du magst.“, stotterte er vor sich hin und versuchte nicht den Eindruck zu erwecken, sie anzustarren. Aber Zelda lächelte, drehte sich um und hastete wieder zu Lydia.
Link kam sich hirnlos vor, als würde jeglicher Verstand aussetzen, wenn Zelda auf diese Weise auf ihn wirkte. Warum? Warum hatte sie eigentlich diese verwirrende Wirkung auf ihn? Er war doch sonst nicht nervös, wenn er ein Mädchen ihres Alters ansah…
So in seine Gedanken versunken, bemerkte Link nicht, dass er beobachtet wurde. Zwei unechte, blaue Augen hatten ihn im Visier und lachten leise auf, als Link sich wieder auf dem Sofa breit machte. Er schloss seine Augen und gerade da setzte sich jemand zu ihm auf die Sitzgelegenheit.
„Lovely Hero.“, surrte jemand neben ihm. In dem Augenblick standen Link alle Haare zu Berge. Nicht die, flehte er, bitte nicht die schon wieder. Eine Stimme, die noch unechter war, als der Rest ihres Erscheinungsbildes, verriet die nervige Person. Ilona war ihr Name. Ilona.
Link hüpfte vom Sofa und murrte verärgert: „Was willst du?“ Ilona stand ebenso auf und sagte berauschend: „Warum bist du denn gleich so unfreundlich? Ich wollte bloß Hallo sagen, lovely Hero.“
„Lass den Quatsch!“, sagte Link und etwas Neues, Gefährliches ging von seinen Worten aus. Aber Ilona verstand nicht, was Link damit meinte und sagte in ihrer quietschend hohen Stimme: „Ich, deine Prinzessin, frage dich, ob du nicht Lust hättest, mit mir ins Kino zu gehen oder durch den Park zu laufen. Bitte Link.“ Und ihre Worte endeten in einem für manchen Trottel verführerischem Klang.
„Du bist lediglich ein billiges Flittchen ohne königliches Blut und ich sage, ich habe keinen Bock auf deine Anwesenheit.“ Eine Schnute ziehend, tastete Ilona auf ihren blaugefärbten Kontaktlinsen herum und hoffte, sich verhört zu haben. „Warum denn nicht?“
„Weil ich erstens in Begleitung bin und zweitens deine falsche Zunge nicht ertrage.“ Sie ging auf ihn zu und hauchte ihm ins Gesichts. „Bitte Link.“
„Nein. Und Basta.“ Er lief, seine Geduld allmählich am Ende, an Ilona vorbei und suchte nach Zelda in dem Modegeschäft, spürte aber, dass Ilona ihm auf Tritt und Schritt folgte.
Zelda stand an der Kasse und beobachtete Links Tante, die mühevoll die Preisschilder der an die Hundert Kleidungsstücke abzupfte.
Frohen Herzens und äußerst vergnügt fand Link seine wahre Prinzessin und war schneller bei ihr als es ihm lieb war.
„Das macht so einiges…“, sagte Zelda. „Ich fühle mich schrecklich bei dem Gedanken, dass du das alles bezahlen willst…“
„Ich würde mich schrecklich fühlen, wenn du keine anderen Klamotten hättest, als die von Sara, Zelda.“, erwiderte er und bezahlte den ganzen Kram mit Vergnügen.
„Danke für die Hilfe, Lydia.“, meinte Link.
„Gern geschehen. Im Übrigen hat es mir Spaß gemacht, Zeldas Outfit zu gestalten.“, sagte sie lächelnd. „Aber eines hätte mich doch noch interessiert.“
„Und das wäre?“, meinte Link und schaute ab und an nach der neugierigen Nervensäge Ilona, die sich ungeschickt an die Ladenkasse heranpirschte.
„Woher kennt ihr euch beide? Als deine Tante sollte ich vielleicht wissen, könnte ich doch wissen,“ korrigierte sie sich, „mit wem du deine Zeit verbringst, oder?“ Genauso wie ihre Schwester Meira Bravery interpretierte sie die Situation zu ihrem Vergnügen...
„Ich glaube, das erzähle ich dir ein anderes Mal... Da fällt mir ein, ich habe noch etwas vergessen, wartest du ne Sekunde, Zelda?“
„Natürlich, oder hast du Angst, ich könnte verschwinden?“ Bei diesen Worten überlegte Link zweimal und fand diese nicht so spaßhaft, wie sie von Seiten Zeldas gemeint waren. Sein Blick wanderte zu der Ecke, in welcher vorhin Ilona schaulustig dem Geschehen mehr als genug Aufmerksamkeit schenkte. Aber das aufgetakelte Mädchen schien aufgegeben zu haben. Link entdeckte sie nicht mehr und erledigte sein Vorhaben. Vergnügt ließ er sich von der Rolltreppe ins Erdgeschoss transportieren, während Zelda an der Ladenkasse auf ihn wartete.
Aber Ilona hatte die Szene weiterhin beobachtet, nur aus einer anderen Perspektive und verzog immer mehr ihr Gesicht. Sie fragte sich, wer dieses Mädchen neben Link war und warum er mit ihr redete. Er bezahlte sogar die Sachen. Langsam wurde sie eifersüchtig und grübelte nach, was sie tun könnte…
Sie schlich zu den Beiden an die Ladenkasse und sah Link dieses fremde Mädchen anlächeln. Er packte sie sogar an ihrer Hand. Ilona schlich näher, verbarg ihr gekünsteltes, lächerliches Erscheinungsbild hinter Kleiderständern und hörte die beiden lachen und sich unterhalten.
Link verschwand dann aus ihrem Gesichtsfeld, die Gelegenheit, dachte sie.
Auch Lydia wurde von einer weiteren Kundin abgepasst. Somit stand das unbekannte Mädchen allein, fast unsicher an der Ladenkasse. Jetzt oder nie, redete sich Ilona ein.
In dem Augenblick ergriff sie die Chance und hetzte zu dem fremden Mädchen hinüber.
Angewidert schaute Ilona in Zeldas hübsches Gesicht und hatte noch mehr Grund eifersüchtig zu werden.
Zelda begrüßte das magere Mädchen ihr gegenüber mit einem kühlen: „Hallo.“ Sie wagte einen Blick hinter die Tarnung Ilonas, die ihr wahres Gesicht verschleiern sollte. Ein abstoßender Mensch, ohne Ideale und Wahrheit im Herzen. Bilder einer zerstörten Familie, mit zermürbenden Gesprächen über das, was nicht richtig war. Und doch waren da Wünsche, tief verborgen, abgedeckt von Kälte und dem Bedürfnis andere für das eigene Elend büßen zu lassen.
„Hallo.“, sagte Ilona unecht, fast erfreut, dass Zelda ihr ins Antlitz blickte.
„Was hast du mit Link zu tun?“ Eine abfällig klingende Frage aus ihrem Mund verriet Zelda noch mehr über einen unsympathischen Charakter hinter den in Wirklichkeit hellen, trüben Augen, wo Licht von Nebel abgelöst wurde. Und noch etwas fiel Zelda sofort auf, die seltsam hohe Stimme, wenn Ilona sprach.
„Wohl mehr, als er und ich verstehen könnten.“, erwiderte Zelda mit einem standhaften Blick in Ilonas Abscheu zeigendes Gesicht.
„Lass’ ihn in Ruhe. Er gehört dir nicht.“, sagte Ilona, da sie wohl kein vernünftiges Gespräch mit Zelda anfangen konnte und wollte.
„Es ist seine Entscheidung, von wem er in Ruhe gelassen werden will und außerdem gehört er niemanden, nur sich selbst.“ Ilona glotzte trotzig an die Decke und suchte nach Worten. Sie sah sich im Geschäft um und hatte dann eine Idee. Die besten Waffen, um diese Person loszuwerden, waren Mittel der Eifersucht.
„Er ist mein Freund.“, sagte sie laut und freute sich wohl schon über ihren vermeintlichen Triumph. Aber Zelda ließ sich mit keiner Silbe beeindrucken, sah hinter dem Gesicht viele Lügen und die eine Lüge, dass Ilona sich nicht einmal Selbst vertrauen konnte.
„Link ist auch mir ein Freund.“
„Aber du bedeutest ihm nichts.“
„Es genügt mir ihn zu kennen... und es genügt ihm mich zu kennen. .“, sagte Zelda sicher und blickte verträumt zu der Rolltreppe, darauf wartend, dass Link wieder auftauchte.
„Du eingebildetes Stück Dreck, Link gehört zu mir.“, betonte sie und warf Zelda jetzt schon Schimpfwörter an den Kopf.
Zelda drehte ihren Kopf mit einem überlegenen Blick zu Ilona um und in dem Augenblick wich Ilona zurück, sah Empörung und doch Ruhe in den Augen der Dame ihr gegenüber.
„Fordere nicht schlafende Wölfe heraus. Deine Wortwahl wird nur dir selbst schaden.“ Und Zelda starrte beinahe in den Ausdruck auf Ilonas Gesicht, welcher sich langsam von hochmütig zu respektvoll änderte. Eine Schweißperle glänzte an Ilonas Stirn, so als hätte sie nun mehr als nur Respekt vor Zelda.
„Geh.“, ordnete Zelda an und Ilona schlich mit einem lauten: „Du spinnst doch.“, in Richtung Rolltreppe.
Zelda wartete über zehn Minuten auf Link, als ihr die Sache allmählich nervtötend vorkam. Ihre Lage überblickend lief sie zur Rolltreppe und schaute von dort oben aus hinunter ins Erdgeschoss, aber Link schien nirgendwo zu sein. Was trieb er denn nur die ganze Zeit? Wo bei den Göttern war er abgeblieben?
Aber unberufen erschien dann doch eine Gestalt in der Menge, die ein waldgrünes T-Shirt trug und Zelda zuwinkte. Sie winkte zurück, verstand nicht, warum sie sich so freute ihn zu sehen und lehnte sich ein wenig an das Geländer der Rolltreppe und sah Link auf der anderen Treppe nach oben fahren. Er hatte irgendeine Kleinigkeit in seiner Hand und dieses unverblümte Grinsen im Gesicht, an das sich Zelda sofort gewöhnt hatte. Die Zeit schien still zustehen und Link war fast bei ihr.
Plötzlich ein schmerzhafter Stoß in Zeldas Rücken und sie verlor das Gleichgewicht. Schreiend drehte sie sich um und sah für einen kurzen Moment etwas erschreckend Finsteres in zwei unechten blauen Augen. Haltlos stürzte Zelda ohne die Möglichkeit sich aufzufangen die Treppe neben Link hinab. Mit Grauen erfüllt sah er zu, sprang geistesgegenwärtig über das Geländer und packte Zelda gerade so am Arm, verhinderte, dass sie die gesamte Rolltreppe hinabstürzte. Seufzend und mit wackligen Beinen kamen die beiden am Fuß der Treppe an, blickten sich erschrocken an.
„Alles okay?“, murmelte Link, entsetzt, welche Angst er in diesem nichtigen Moment verspürte. Zelda nickte und wich seinem Blick aus. Doch so wirklich okay war nichts. Jemand hatte gerade versucht, sie umzubringen. Jemand wollte ihren Tod, so wie sie es schon seit ihrem Aufwachen in Links Elternhaus wusste. Und Zelda wusste im Moment auch wer...
„Bleib’ hier.“, veranlasste Link und rannte mit einigen schnellen Schritten die Treppe hinauf. Auch er hatte gesehen, wer mit Zelda an der Treppe stand. Er hatte gesehen, wer Zelda das Leben stehlen wollte. Gefangen in unbeschreiblicher Wut und dieser Angst, Zelda könnte etwas zustoßen, hetzte er in der Halle umher und fand Ilona neben der Ladenkasse stehend.
Kopfschüttelnd trat Link an sie heran und schimpfte: „Was hast du getan, Ilona? Warum?“
„Was denn?“, sagte sie und blickte Link betörend an.
„Das weißt du genau. Spiel hier nicht das Unschuldslamm.“
In dem Moment kam Zelda entgegen Links beschützenden Anweisungen angelaufen und legte eine Hand auf seine Schulter.
„Was bildest du dir eigentlich ein? Du wärst beinahe zur Mörderin geworden?!“ Lautstark dröhnte Links Stimme in dem Geschäft umher. Grob packte er Ilona an ihrem Unterarm.
„Ich habe nichts Unrechtes getan.“, wetterte sie.
„Du hättest Zelda beinahe umgebracht.“
„Ach Zelda heißt die...“ und Ilona zeigte mit ihrem Zeigefinger auf das hübsche Gesicht neben dem Oberstufenschüler mit dem grünen Cape. Zelda nickte nur.
„Ich könnte dich anzeigen, du Biest.“, giftete Link und verstand nicht diese überwältigende Wut in seinem Inneren.
„Link, es ist doch nichts geschehen. Bitte beruhige dich...“, murmelte Zelda und legte auch noch ihre andere Hand auf seine zweite Schulter. „Bitte. Das ist es nicht wert.“
Link entspannte sich unter ihren Händen und kopfschüttelnd ließ er Ilonas Arm los. Langsam drehte er sich zu Zelda um und kühlte seinen Ärger ab, indem er in Zeldas sanfte Augen blickte. Ilona lief einige Schritte weiter und sah dann noch einmal zurück, sah diese verträumten Blicke in zwei Gesichtern und hetzte dann, erbost über ihre eigene Dummheit hinaus.
„Ich gebe dir wohl mehr als nur einen Grund auf mich aufzupassen, wie?“, sagte Zelda aufmunternd. Links Lippen bewegten sich zu einem geruhsamen Lächeln.
„Sehr viele Gründe womöglich...“ Er nahm zwei der großen Beutel, in welcher Zeldas neue Klamotten gepackt waren, in jeweils eine Hand.
„Ich hatte plötzlich... soviel Angst um dich...“, gab er zu und bereute seine Worte im nächsten Augenblick.
„Das...“ Er schüttelte mit dem Kopf. Besser, sie sagte nichts dazu. Und vieles, was ihren Lippen jetzt entkommen würde, wäre vielleicht unpassend und nicht richtig.
„Sie wird dafür Büße tun, ohne dass sie es will, Link.“
„Das hoffe ich...“, sagte er. Zelda nahm zwei weitere große Taschen und die Ereignisse des Tages langsam ignorierend liefen die Jugendlichen mit den vielen Beuteln in ihren Händen zurück zu Links Elternhaus in der Straße der Erinnerung.
Es war spät abends, als Link den Tisch in dem Wohnzimmer abräumte. Das war vielleicht ein Tag, dachte er. Nach dem Vorfall mit Ilona in dem Modegeschäft, hatten die zwei Jugendlichen noch ausführlich darüber diskutiert, grübelten über das Wenn und Aber der ganzen Situation. Sie beruhigten sich gegenseitig mit dem Gedanken, dass nichts Schlimmes geschehen war und schnell wurde das Thema unwichtig. Als er die Spülmaschine in der Küche in Gang setzte und das Licht ausschaltete, hüpfte Link vergnügt die Treppen ins nächste Stockwerk hinauf, zielstrebig auf das Gästezimmer zusteuernd.
Zelda befand sich gerade in dem Gästezimmer und probierte fleißig Kleidungsstücke an, sie fand Gefallen an den Dingen jener modernen Welt, sie mochte das Neue, was ihr anfänglich so unwirklich vorgekommen war nun auf eine bemerkenswerte Weise. Nur die Nachttischlampe leuchtete und machte das Zimmer noch gemütlicher, als es für sie ohnehin war. Langsam entledigte sie sich der roten Bluse und der Jeans von Sara und des unbequemen Korsetts, welches sie die ganze Zeit anhatte. Kichernd trat sie vor den Spiegel und begutachtete ein schwarzes fesselndes Dessous an ihrer schlanken Figur, war überaus zufrieden mit sich selbst und dachte kurz an die Person, der sie das alles zu verdanken hatte. Ob es nicht doch etwas gab, was sie für ihn tun könnte?
Sie kramte ein veilchenfarbenes Top aus einer Tüte und hielt es sich vor den Oberkörper.
In dem Moment öffnete Link einfach die Tür, rechnete nicht damit, dass Zelda mit sich selbst beschäftigt war und trat gedankenlos in den Raum. Mit einem Quieksen drehte sich Zelda vom Spiegel in seine Richtung, ließ beinahe das schützende Top, mit welchem sie gerade so ihren Oberkörper bedecken konnte, fallen.
Links Mund klappte auf. Wie versteinert sah er sie an, ehe er sich besann, was er hier tat. Stotternd sagte er: „Ich sollte… das nächste Mal klopfen…“ und mit einer täppischen Bewegung drehte er sich um. Schnell zog sich Zelda ihren Pyjama an und setzte sich, noch völlig geschockt, auf die Bettkante. Verdammt, war das peinlich…
Link stand immer noch mit dem Rücken zu ihr und murmelte verlegen: „Ich wollte dich bloß fragen, ob du noch Lust hättest, einen Abendspaziergang zu unternehmen oder vielleicht einen Film aus der Sammlung meines Vaters zuschauen?“
„Gerne. Gibst du mir einige Minuten, dann können wir ruhig noch ein wenig herumlaufen…“ Die Möglichkeit für Zelda ihre neue Kleidung einem Test zu unterziehen. Eine dunkelblaue Stretchjeans, einen langärmligen weißen, aber nicht zu weiten Pullover und eine modische Nickijacke waren ihre erste Wahl.
„Sicher.“, sagte er und ging aus dem Zimmer, ohne noch einmal in ihre Richtung zu sehen, was für seinen gesunden Menschenversrand vielleicht von großem Nutzen wäre.
Im Schein der alten, blutrot untergehenden Abendsonne liefen die beiden am Waldrand entlang. In der Nähe alter Laubgeschöpfe, die tief an geheiligten Orten, Verstecke für die letzten Rätsel der Erde hüteten.
„Machst du das öfters, ich meine, abends noch in der Nähe des Waldes herumlaufen.“
„Jep“, sagte Link und schaute neben Zelda hinein in die tiefe Dunkelheit, die erschreckend geheimnisvoll, Dinge verbergen konnte, die noch nie jemand gesehen hatte.
„Hast du denn keine Angst vor der Dunkelheit der Wälder, wenn du so ganz alleine dort herumwandelst?“
„Nein, ich sage mir einfach, die Tiere in den Wäldern haben mehr Angst vor mir, als ich vor ihnen haben könnte.“ Zeldas Schritte beschleunigten sich, sodass sie einige Meter vor ihm war und ihn beäugen konnte.
„Aber ich rede nicht von den Tieren, Link.“ Sein Blick wurde ernster.
„Dort in der Dunkelheit, meinst du nicht auch, dass es dort Dinge geben könnte, die sie sich zunutze machen könnte.“, sagte sie leise und hoffte, ihre Worte wären nicht zu weit hergeholt.
„Zelda… in unserer Welt gibt es keine Ungeheuer oder Dämonen. In der Schwärze der Nacht liegt absolut nichts, vor dem du dich fürchten müsstest und wenn, wären diese Dinge schon lange entdeckt worden. Diese Jahrhunderte dienen der Wissenschaft, dem Fortschritt. Märchen haben hier auf der Erde keinen großen Stellenwert mehr.“ Langsam liefen sie weiter und hörten ab und an die Laute einer Eule am Waldrand herumkreisen oder ein Rascheln, tief in Finsternis verborgen.
„Link?“, sagte Zelda und blieb erneut stehen. „Du würdest dir aber wünschen, dass es anders wäre, nicht wahr?“ Sie suchte seinen Blick, aber er tapste voran.
„Manchmal schon, aber das ist eben keine Alternative… Realität ist und bleibt Realität. Märchen, Wunder und Dämonen gibt es eben nur in den Träumen.“ Das war sein abschließendes Statement. „Du denn nicht?“, ergänzte er.
„Oh, ich habe das Gefühl, ich bräuchte diese Dinge nicht unbedingt zu vermissen…“ Link machte große Augen, erstaunte über ihre Worte und erwiderte neugierig: „Wie darf’ ich das verstehen?“ Doch Zelda gab ihre Gedanken nicht preis, aus Ungewissheit und teilweise Scham über die Dinge, die sie für selbstverständlich hielt. Und zu dieser Selbstverständlichkeit gehörten nun mal Dämonen mit jeglichem Erscheinungsbild, als auch den Kräften, die sie besaßen.
Sie ereichten eine kleine Kreuzung und entschieden sich für einen Weg, der sie zwar in die Dunkelheit der Wälder steuerte, aber nach nur wenigen Minuten über viele grüne Wiesen führte. Inzwischen war die Sonne endgültig untergegangen und der Schleier der Nacht legte sich über Schicksalshort.
Zelda spähte ab und an in die Dunkelheit, fühlte sich nicht unbedingt sehr behaglich bei dem Gedanken, dass dort in den alten Wäldern mehr lauern könnte, als einfach nur ein paar wilde Tiere.
„Wenn es dich beruhigt, ich habe eine Taschenlampe dabei.“, sagte Link, der Zeldas Unbehagen fast fühlen konnte.
„So allmählich finde ich die Idee bescheuert diesen Waldspaziergang zu machen…“, murmelte sie.
„Tut mir leid, Zelda. Vielleicht hast du Recht…“, entgegnete er gedämpft. „Aber ich bin ja da und ich übernehme jegliche Verantwortung, sollte sich vor uns ein raffgieriger Dämon mit einer riesigen Axt und schweren Rüstung auftürmen.“ Zelda stupste ihn mit ihren Ellenbogen an den Arm. „Beschrei’ es nicht noch...“, sagte sie leise. Aber Link schien diese Warnung nicht ernst zu nehmen und lachte ein wenig zu laut auf.
„Sei doch leiser, Link.“, meinte Zelda und kam sich immer hilfloser in seiner Gesellschaft vor. Fehlte ihm vielleicht irgendein Gen, welches für Angstempfindungen zuständig war? Oder arbeitete ein Teil seines Kortex verkehrt?
„Ach Zelda…“, sagte er und legte kurz einen Arm um ihre Schulter. „Nimm’s doch nicht so schwer. Du wirst sehen, es gibt hier nichts, vor dem man Angst haben muss.“ Sie wollte ihm wirklich glauben, aber bei seinem merkwürdigen Abenteuersinn, war das eine unlösbare Aufgabe…
Sie folgten weiter dem Weg, welcher in der Dunkelheit nur noch schwer zu erkennen war. Link holte seine kleine Taschenlampe aus der Hosentasche, als ihm einfiel, dass er blöderweise, die leeren Batterien nicht gewechselt hatte…
Plötzlich ein eigensinniges Rascheln aus dem Unterholz und Zelda machte einen großen Satz vorwärts, begleitet von mehr Unbehagen als zuvor. Ungewollt krallten sich ihre Finger in Links Hand fest. Er sagte nichts, und ließ ihre Hand dort, wo sie war: in seiner. In gewisser Hinsicht, war dieses Gefühl für ihn sogar sehr angenehm…
„Können wir vielleicht ein wenig schneller laufen?“
„Wenn es dich beruhigt…“, sagte er.
Es dauerte nicht lange und die beiden traten aus der Finsternis des Waldes hinaus. Zelda atmete tief ein und aus, als sie die grünen Wiesen entdeckte, von denen Link vorhin gesprochen hatte. Einen abgetrampelten Weg entlang laufend, löste sich Zeldas Unbehagen in Luft auf. Der Mond strahlte am Himmel und warf sein kühles Licht besinnlich über die weiten Wiesen. Zelda blieb stehen, nahm mehr von diesem Bild auf und schaute lächelnd über die weite Landschaft. Ihr Blick wanderte zu einem Tal, welches umgeben von einem schützenden Ring aus Bergen, eingehüllt in Nebel, von dem Mondlicht abgeschirmt wurde. Sie breitete ihre Arme aus und genoss die unendliche Natürlichkeit, die rufende Freiheit und spürte in sich den Wunsch nach einer Herausforderung.
Sie drehte sich lächelnd zu Link um, der ebenso einen schwachen fröhlichen Ausdruck auf dem Gesicht hatte. „Ich dachte mir, du würdest diesen Ort lieben, Zelda.“, meinte er und trat noch einen Schritt näher zu ihr heran.
„Hast du mich deshalb durch diese unerträgliche Dunkelheit geschleppt?“, sagte sie erheitert.
„Jep.“
„Ich muss sagen, es hat sich durchaus gelohnt.“ Und ihr verträumter Blick verlor sich an dem dunklen Nachthimmel, wo Sterne wie kleine Funken glitzerten.
„Danke, Link. Du ahnst nicht, wie viel mir ein solches Bild bedeutet.“, flüsterte sie. Link sah ein wunderbares Funkeln in ihren Augen, ein Licht, welches vielleicht den Schatten darüber ein wenig verblassen lassen könnte. Nach einigen Minuten, in denen sie sich stillschweigend anstarrten, gingen sie weiter, bis sie schließlich wieder an einem Waldrand entlang tapsten.
Zelda suchte erneut Links Hand, was er himmlisch fand, und blickte ehrfürchtig über die in Dunkelheit gehaltene Welt.
„Link.“
„Mmh?“
„Du bist wunderbar, weißt du das?“
„Jep, vor allem, weil du das jetzt zum zehnten Mal sagst.“
Sie lachte leise auf: „Ja, ich weiß, aber dir kann man das nicht oft genug sagen.“
Auch Link gab ein fröhliches Lachen von sich. „Seitdem du da bist, da…“, fing er an und lächelte ihr entgegen. Auch, wenn sie in dieser Nacht nicht viel von seinem Gesichtsausdruck sehen konnte. „… es geht mir besser.“
„Ich weiß…“, sagte sie überlegen und folgte wieder dem Weg.
Von weiten sahen sie die ersten Lichter der Stadt Schicksalshort. Schweigsam liefen sie nebeneinander, erfreuten sich an der frischen Luft und den Geräuschen der Tiere in der Nacht.
Schließlich brach Zelda die Stille zwischen ihnen mit einem lauten Gähnen.
„Schon müde?“
„Ja, so ein Spaziergang macht eben schläfrig…“
„Wir sind ja bald daheim. Siehst du dort hinten den großen Komplex?“ Und Links Zeigefinger wanderte zu einem unbeleuchteten Ort ein wenig entfernt von den ersten Lichtern. „Das ist unser Friedhof. Wenn wir dort lang laufen, sind wir schneller in der Straße der Erinnerung, als wenn wir erst nach Osten laufen und dann durch die ganze Stadt watscheln.“
„Ein Friedhof?“, sagte Zelda, bemüht die daraus resultierende Furcht zu unterdrücken.
„Was machst du mit mir? So was wie Schocktherapie?“, meinte sie spaßhaft.
„Nun ja, du musst dich wohl an Schocks gewöhnen, wenn du in meiner Gegenwart bist.“ Und Link dachte an so einige seltsame Geschehnisse der letzten Wochen, die vielleicht ein anderer nicht so gut weggesteckt hätte wie er…
„Dass du so gefährlich bist, hätte ich nicht vermutet…“
„Es gibt vieles an mir, was niemand vermuten würde…“
„Vielleicht macht dich das zum Anziehungspunkt in der Umgebung.“ , murmelte sie und blickte entschieden weg.
„Zu einem gefährlichen Anziehungspunkt, nicht wahr, Zelda?“, nuschelte er gedämpft in ihr Ohr, sich der Tatsache bewusst, wie viel Spaß es ihm machte, sich bei Zelda auf Glatteis zu begeben…
„Also gut, du hast mich überzeugt. Gehen wir am Friedhof vorbei. Aber, du musst mir versprechen, dass wir dort nicht verweilen werden.“ Link grinste und sagte nichts dazu, als wollte er nicht auf dieses Versprechen eingehen.
Der Mond verschwand gebändigt hinter dichten Wolken, die das letzte Licht über den Wiesen in Schwärze verwandelten. Sie näherten sich mit jedem Schritt mehr dem alten Friedhof Schicksalshorts, der von einem hohen Eisenzaun umgeben war. Viele hohe Laubbäume standen in dem Inneren von der Außenwelt abgeschnittenem Komplex und eine alte Friedhofshalle, wo immer noch Beerdigungen stattfanden. Der Weg führte nah an der hohen Umzäunung vorbei und manche erzählten sich, dass, wenn sie hier entlang wandelten, die Stimmen der Toten flüsterten, als sollte sie jemand aus ihren Gefängnis befreien.
Link nahm nun bewusst Zeldas Hand in seine, denn selbst jemand wie er, hatte an Orten des Todes immer noch Ehrfurcht.
Plötzlich hielt Zelda an und zeigte mit ihrer freien Hand auf das Innere des Friedhofs. Ein Licht drang von dort innen heraus. „Was mag das sein?“, nuschelte sie einem überraschten Link zu, der das Licht ebenso bemerkte. Es war dem Licht einer Fackel sehr ähnlich, sah nicht aus wie ein kleines Licht einer Kerze oder einer Taschenlampe.
„Keine Ahnung, aber ich werde es herausfinden.“ Zeldas Augen weiteten sich. Tickte er jetzt völlig aus? Abrupt ließ er Zeldas Hand los und marschierte auf die Umwallung zu und kletterte daran hinauf. „Rühr’ dich nicht vom Fleck, ich bin gleich wieder da.“ Mit einem zweifelnden Nicken lehnte sich Zelda an die Mauer und blickte nervös von einer Ecke in die andere, während Link der Sache auf den Grund ging.
Langsam schlich er zwischen alten Bäumen in die Nähe des kleinen Feuers, schaute ab und an zurück und konnte Zelda in der Dunkelheit nicht mehr ausmachen. Einerseits wollte er herausfinden, was dort im Gange war, andererseits wollte er Zelda nicht alleine lassen… Aber was sollte schon passieren, redete er sich ein. Seine Schritte wurden schneller, das merkwürdige Licht kam näher.
Der junge Mann mit dem grünen Basecape versteckte sich hinter einer dickstämmigen Eiche und schaute mit seinen Augen knapp neben der Rinde vorbei, entdeckte eine niedergebeugte Gestalt umzingelt von Gräbern. Jene Gestalt hatte tatsächlich eine Fackel in der Hand und murmelte etwas vor sich hin, eine Art Fluchen…
Die rätselhafte Person stellte die brennende Fackel direkt neben sich ab und setzte sich auf das tote Gras hier auf dem Friedhof. Link schlich unbemerkt noch ein Stück näher und betrachtete sich jene Gestalt genauer. Es war ein Mann, sah in etwa so aus wie ein Mönch, denn er trug eine dunkelbraune Kutte und hatte eine Halbglatze, umgeben von ein paar letzten grauen Haaren. Link kannte den Typen nicht, hatte die Gestalt auch sonst noch nirgendwo gesehen und ein mulmiges Gefühl beschlich ihn. Der Kerl wirkte aus irgendeinem Grund nicht so harmlos, wie das Erscheinungsbild eines Mönches sein sollte. Nein, etwas Bedrohliches ging von ihm aus, etwas, was Link dennoch sehr vertraut erschien. Erschreckend vertraut.
Die Gestalt grub in der Erde herum, als suchte sich nach etwas, oder als schaufelte sie sich ihr eigenes Grab.
„Dem törichten… immer dem törichten Drokon…“, entkam es der Person in einer übernatürlich kratzigen Stimme, wie das Reiben zweier Schiefertafeln aneinander.
„Diene dem Meister…“, schleimte er vor sich hin, und schlug dann mit der Faust auf den wehrlosen Erdboden ein.
„Böser Lord… immer strafst du den armen Drokon, der nichts schafft, der doch dem Herrn immer treu, so treu, bemüht treu zu sein.“
Link hörte gespannt zu, konnte das verrückte Faseln dieses Kerls nicht verstehen. Aber irgendetwas ließ Link nicht los, als müsste er jenen Worten lauschen, um seiner selbst Willen… um Zeldas willen.
„Hoho… der Lord wusste, der Lord hasste, der Lord mordete…“ Dann fing die Gestalt krankhaft an zu lachen und schnalzte mit den Fingern. „Und der böse Lord… straft immer den armen Drokon…“, wimmerte die Gestalt nun. Aber Mitleid konnte Link nicht empfinden. Vielleicht Abscheu, oder Antipathie, aber niemals Mitleid oder etwas Ähnliches.
Mit einem Schlag legten sich zwei Hände über Links Mund. Das Herz in seiner Brust blieb fast stehen und mit Schock in den Augen drehte er sich um. Eine bekannte Gestalt befand sich vor ihm. Ja, Link kannte dieses Typen. Es war Josh, einer der Zwillinge aus der Oberstufe. Er führte seinen Zeigefinger zu seinen Lippen und Link verstand. Josh hatte wohl zufälligerweise ebenso auf dem Friedhof herumgelungert- mit der Betonung auf zufälligerweise…
Plötzlich ein Knacken von Joshs Schuhwerk und die merkwürdige Person zischte: „Wer stört die Stunde des Meisters? Wer stört den armen Drokon, wenn er doch der Stunde des Meisters dienen muss?“ Drokon stand auf und ein Glühen kam aus seinen kleinen Augenschlitzen. Er sah genau in die Richtung, wo Link und Josh standen und hämmerte mit seiner unechten, quietschenden Stimme: „Der Lord tötet, wer ihm im Weg steht! Der Lord mordet… haha.“ Seine Worte endeten in einen kranken Gelächter und mit knackenden Gelenken lief er auf Link und Josh zu.
Josh wurde die Situation zu gefährlich, er wich zurück und brüllte Link entgegen: „Lauf!“ Geschwind hasteten die zwei Jugendlichen auf die Umzäunung zu, kletterte so schnell wie noch nie in ihrem Leben daran hinauf und sprangen fieberhaft auf die andere Seite. Link schaute zurück und suchte nach dem Schurken auf dem Friedhof, blieb furchtlos stehen und nutzte eine weitere seiner Ungewöhnlichkeiten, die eine oder andere Personen spüren zu können, um den Typen in der Dunkelheit ausfindig zu machen. Aber er sah nichts, fühlte nichts. Nach einer Weile lief er dorthin, wo Zelda sein musste und fand sie genau an der selben Stelle, wo er sie zurückgelassen hatte. Zwei weitere Personen standen neben ihr, und einer davon musste Josh sein, so weit Link das einschätzen konnte. Sie lief nervös hin und her und sagte laut: „Und wo ist Link?“
„Weiß nicht.“, entgegnete Josh. „Er ist einfach stehen geblieben.“ Vermutlich hatte Josh ihr die unheimliche Geschichte sofort unter die hübsche Nase gerieben. Link trat in der Dunkelheit näher und hörte Verzweiflung aus Zeldas Stimme. Dann rief sie nach ihm, aber Josh packte sie gleich am Arm. „Bist du verrückt? Wenn uns der Kerl hört, sind wir bestimmt fällig.“
„Das ist nicht möglich. Der Mönch ist wie vom Erdboden verschluckt.“, sagte Link und trat aus der Dunkelheit zu den drei Leuten heran. Zelda trat vor ihn und gab ihm eine kleine, aber wirkungsvolle Schellte. Entgeistert sah Link in ihr besorgtes Gesicht. „Zelda?“
„Weißt du, was ich mir für Sorgen gemacht habe. Tu’ das nicht noch einmal!“, fauchte sie. Sie mied seinen Blick und sah trübsinnig hinaus auf die weiten Wiesen.
„Sorry.“, entgegnete er, und sah langsam ein, wie unvernünftig er gehandelt hatte.
„Josh hat dir schon alles erzählt, nehme ich an.“, meinte Link dann und betrachtete die andere Person neben Zelda. Nickend bestätigte sie seine Vermutung.
„Hendrik ist aufgetaucht, kurz nachdem du darüber klettern musstest.“ Daraufhin mischte sich der zweite Zwilling in das Gespräch. „Link, wir haben vor etwa einer Woche hier auf dem Friedhof Brandspuren bemerkt und sind dann abends hier umher geschlichen, weil irgendetwas verdächtig war. Von unserem Wohnhaus haben wir Lichter gesehen und dann sahen wir diesen Kerl, der jeden Abend hier vor sich hin flucht.“ Ja, richtig, Link wusste, dass jenes Wohnhaus am Rande der Stadt eine gute Sicht zu den Vorgängen auf dem Friedhof gewährte.
„Jeden Abend?“
„Genau.“, stimmte Josh zu. „Und heute haben wir Zelda und dich in die Nähe des Friedhofs laufen sehen, da wollten wir euch warnen. Zelda kennen wir ja schon.“
Link erinnerte sich, dass Zelda ihm erzählt hatte, wie nett die beiden ihr beim Einkaufen geholfen hatten…
„Wir wussten ja nicht, dass Zelda bei dir wohnt. Seit wann hast du denn diesen netten Gast bei dir?“
„Noch nicht lange.“, sagte Link ehrlich.
„Du hast es echt gut.“, erwiderte Josh mit einem Wink. „So einen netten Gast hätte ich auch gerne.“ Oh ja, Zelda hatte wieder mal eine atemberaubende Wirkung auf die Menschen in ihrer Umgebung…
„Diese Friedhofssache ist echt unheimlich…“, meinte Hendrik schließlich. „Seitdem kann ich kein Auge mehr zu tun, und muss ständig darüber nachdenken.“
„Dann frage ich mich“, meinte Link mit seinem überdrehten Mut, „warum ihr jedes Mal abhaut. Stellt den Kunden doch einfach mal zur Rede.“
Josh trat näher an Link heran und sagte; „Verrückt bist du, kannst dich dem Kerl bei seinen Ritualen ja gleich anschließen, du hast ja keine Ahnung, was der schon alles gesagt und getan hat…“ Link verzog sein Gesicht und konnte nicht begreifen, warum die beiden ein solches Geheimnis daraus machten.
„Wenn wir dir das erzählen, glaubst du uns kein Wort mehr.“
„Wie auch immer, wie spät ist es eigentlich?“, fragte Link. Zelda klammerte sich an Links Arm und gähnte.
„Schon zwölf.“, antwortete Hendrik. „Vielleicht sollten wir zurück in die Stadt gehen…“
Die Jungendlichen nickten nur zustimmend.
„Und was machen wir mit diesem Spinner?“, meinte Zelda.
„Auf jeden Fall nicht die Polizei rufen…“, sagte Hendrik. „Der Kunde hat nämlich vor denen nichts zu befürchten…“
Mit diesem mysteriösen Worten verschwanden die Zwillinge in entgegengesetzter Richtung von Link und Zelda. Und auch die beiden Auserwählten liefen nach Hause, bis sie schließlich ein Uhr morgens vor Links Haustür standen.
Link befand sich gerade in seinem Zimmer, trug bereits eine knielange, dunkelgrüne Schlafanzughose und schaute einmal wieder nach seiner Wunde. Sachte nahm er den Verband ab und überprüfte die merkwürdige Verletzung. Endlich hatte sich ein gewöhnlicher Grind über den Schrammen gebildet. Seufzend tupfte er mit seinen Fingerspitzen über die Blessuren und schloss seine Augen bei dem kurzen Schmereffekt.
In dem Moment trat Zelda in ihrem roten Pyjama in sein dunkles Zimmer, wo lediglich die Lavalampe seines Nachttisches brannte. Ihr langes golden schimmerndes Haar hatte sie zu einem Zopf verbunden und über ihre rechte Schulter gelegt.
„Hey“, murmelte sie und ihr Blick schweifte hinab zu seinem Bauch. Sie trat zu ihm und fragte: „Wie geht es dir?“
„Äh… gut.“, sagte er aufrichtig.
„Möchtest du, dass ich dir einen frischen Verband umlege?“
„Das wäre lieb.“, entgegnete er und ließ sich auf die Bettkante sinken. Zelda setzte sich hinter ihn und begann mit der Prozedur.
„Ist das in Ordnung?“
„Mmh.“, flüsterte er sanft. „Danke.“
„Wegen vorhin…“, begann Zelda, „Entschuldige die Ohrfeige.“
„Ich denke, ich habe sie verdient.“, sagte Link und drehte seinen Kopf mit einem Grinsen in ihre Richtung.
„Ich war wirklich besorgt, Link.“
„Du glaubst, was Josh und Hendrik erzählt haben, nicht wahr? Ich auch, Zelda. Die beiden hätten gar keinen Grund uns anzulügen.“
„Ja, Hendrik erzählte mir, der Mönch selbst nennt sich Drokon und hätte magische Kräfte…“
Zelda hatte den Verband vollständig um Links Bauch gelegt und stand auf. Zufrieden und mit einem heiteren Gähnen ließ sie sich in den Sessel neben Links Schreibtisch sinken und streckte ihre Arme in die Luft. Erst jetzt sah sie Links leicht fassungslosen Ausdruck in dem ansehnlichen Gesicht. „Magische Kräfte… und das sagst du so einfach?“ Zelda zuckte ratlos die Schultern. Wieder eine Selbstverständlichkeit in ihren Augen… Warum sollten Menschen nicht irgendwelche besonderen Fähigkeiten besitzen?
„Meine Güte, Zelda…“ Link war mit einem Sprung bei ihr, kniete nieder und legte seine Hände auf ihre Knie. „In dieser Welt ist es sehr unwahrscheinlich, dass jemand derartige Begabungen besitzt und diese auch noch einsetzt.“
„Ach so…“, meinte sie und rieb sich den Schlafsand aus den Augen. „Und was tun wir jetzt, nachdem wir wissen, welche mysteriösen Dinge dieser Kerl auf dem Friedhof veranstaltet?“
„Weiß nicht, aber vielleicht bringt die Zeit Antworten, Zelda.“
„Mmh vielleicht.“
Und die Zeit würde Antworten bringen, auch wenn diese dann noch mehr Fragen aufwarfen…
Plötzlich schoss ein Geistesblitz durch Links Kopf und er kramte in einer Schublade nach einem Gegenstand. Er hielt Zelda ein paar silberne, einfache, aber hübsche Ohrringel unter die Nase. Verdutzt beäugte sie ihn und dann die Ringel.
„Was ist damit?“
„Für dich.“, sagte Link und lief ein bisschen rot an. „Heute in dem Modegeschäft, also… weißt du, ich wollte dir einfach etwas schenken.“, redete er sich unsicher heraus. Sie nahm die Ohrringel in ihre rechte Hand und strahlte fast vor Freude.
„Ich habe gesehen, dass du… Löcher in deinen Ohren hast, aber nichts darin trägst und deswegen…“
„Das ist ja süß von dir.“, meinte sie und warf sich ihm ohne Nachzudenken um den Hals. Die Berührung an sich dauerte nicht lange, und doch schien sie Link etwas erzählen zu wollen… Erinnerung an Sehnsucht und gestorbene Wünsche…
„Aber das kann ich doch nicht annehmen, du hast schon viel zuviel für mich getan.“, murmelte sie und löste sich verlegen aus der Umarmung.
„Keine Sorge, die waren sogar billiger als eine Packung von meinem Lieblingseis.“ Sie nickte vielsagend und hatte in Nullkommanichts das kleine Schmuckstück in den Ohrläppchen.
„So gefällst du mir besser, als ohnehin schon. Apropos Eis, hast du Appetit auf welches?“
„Willst du jetzt noch Eis essen, es ist doch schon um zwei Link.“, sagte sie, als sie nachdenklich auf das Ziffernblatt seines Videorecorders schaute.
„Jep. Ich habe immer Lust auf Eis, egal wie früh oder wie spät.“
„Na gut, aber nicht zuviel, ja?“ Damit hüpfte Link aus dem Raum, kehrte mit einer vollen Ladung Eis zurück und so verbrachten sie die halbe Nacht mit Gesprächen, schauten die Wiederholung eines Horrorfilms an, den nur Zelda gruselig fand, bis sie mit einem gähnenden Gute- Nacht- Wunsch sein Zimmer verließ.
Am Dienstag Vormittag klingelte es überraschend an der Haustür. Link öffnete.
„Hallo Rick. Gibt’s was Neues.“
„Du Trottel, hast du etwa vergessen, dass heute Dienstag ist.“
„Rückmeldung an den, der mich Trottel nennt, nein, hab’ ich nicht. Ist an dem Tag irgendetwas Besonderes?“
„Oh Mann, du hast wohl das Training vergessen.“ Link griff sich an den Kopf und schüttelte dann. „Sorry, hab’ ich wirklich.“ Dienstags stand immer Bogenschießen auf dem Plan. Seitdem aber Zelda da war, hatte er zugegebenermaßen nur noch sie im Kopf.
„Hör zu Rick, ich habe Besuch, sehr netten Besuch, ja, also wenn du entschuldigst. Ähm… das Training fängt doch erst in zwei Stunden an.“
„Du hast Besuch, wirklich, weiblichen Besuch?“ Links Wangen färbten sich stufenweise zu einem auffälligen Rot.
„Egal.“, sagte Link. „Möchtest du nicht reinkommen?“
„Yup.“, entgegnete Rick und schloss die Tür hinter sich.
Sich wundernd, vor welchem Mädchen Link ausnahmsweise mal nicht geflüchtet war und sogar bei sich zu Hause eingeladen hatte, trat er in den Korridor, zog seine Turnschuhe aus, auch wenn er wusste, dass seine Tante Meira nicht zugegen war. Wie oft hatte er sich wegen seinen, von ihr als teuflisch bezeichneten dreckigen, Turnschuhen Ärger eingehandelt. Also zog er sich brav die Schuhe aus und ging dann in die Wohnstube.
Rick war neugierig, das war schließlich Link, der immerzu irgendwelche Geheimnisse hatte und Rick würde jetzt eines davon herausfinden. Der Fernseher lief und jemand, der seine Beine auf das Sofa gelegt davor saß, schaltete immer wieder zwischen den Sendern hin und her. Rick trat näher, verwundert, wieso er plötzlich so ein leichtes Unbehagen verspürte, ein Gefühl, als würde er den größten Popstar in wenigen Sekunden treffen. Dann blieb er stehen und sah seitlich ein unheimlich wunderschönes Mädchen dort auf der Couch sitzen. Langes blondes Haar, schlanke, atemraubende Figur. Rick verschlug es halb die Sprache.
Der hat wirklich ne Freundin. Ich fass es nicht, dachte er sich. Und was für eine.
Sie drehte ihren Kopf zu ihm und lächelte leicht scheu.
„Hallo.“, sagte sie verzagt. Nur unter Aufbietung allen Mutes brachte Rick ebenso ein Hallo über die Lippen. Wer war sie, dachte er und starrte das edle, makellose Gesicht mit den feinen Zügen, der porzellanartigen Haut und den roten Lippen an, aus dem zwei blaue Augen wie Saphire hervorstrahlten. „Hallo.“, stotterte Rick und kam sich vor, als müsste er sofort eine Verbeugung machen.
Rick trat ein wenig näher, um sich zu vergewissern, dass dieses Mädchen wirklich auf dem beigen Sofa saß und sagte: „Ähm… ich bin Links Cousin Rick. Schön, dich kennen zu lernen.“
Sie stand auf und Rick bewunderte nun noch mehr diese Anmut, welche sie umhüllte. Sie reichte ihm die Hand und sagte mit einem Lächeln. „Man nennt mich Zelda.“ Rick musste sich daraufhin vergewissern, sich nicht verhört zu haben und grinste mit seinen rehbraunen Augen in ihr unschuldiges Gesicht.
„Zelda? Das ist ja der blanke Wahnsinn.“
Sie grinste dann und entgegnete: „Es ist nicht so, wie du annimmst, Rick.“
„Schon okay. Link wird mit die Geschichte bestimmt erzählen.“ Zelda nickte daraufhin.
In dem Augenblick kam Link herein. Er hatte zwei Flaschen Cola unter dem Arm und durchquerte die Stube, bis er mit einem Lächeln neben Zelda stand.
„Also, Rick, ich denke, ich habe dir einige Neuigkeiten zu unterbreiten.“ Die drei Jugendlichen setzten sich an den Glasstisch in der Wohnstube und Link erzählte seinem besten Freund alles, was nötig war. Er erzählte ihm die ganze Geschichte, ebenso, dass sie ihr Gedächtnis verloren hatte und Zelda nicht ihr wirklicher Name war. Aber eine Sache verschwieg er ihm… nämlich die unglaubliche Tatsache, wie ähnlich Zeldas Stimme jener Stimme war, die ihn des öfteren gerufen hatte. Nein, es war nicht nur Ähnlichkeit… es war wirklich ihre Stimme…
„Und was gedenkt ihr beide jetzt zu tun?“
„Abwarten.“, sagte Link.
„Abwarten.“, stimmte Zelda zu und blickte Link mit einem warmen Lächeln an. Er erwiderte diesen Gesichtszug und selbst Rick erkannte die Veränderung in Link. Wie lange war es her, dass er so gelächelt hatte. Sehr lange… Rick freute sich für ihn und dankte diesem fremden Mädchen jetzt schon für ihr Erscheinen.
Zelda hüpfte von ihrem Platz auf und holte aus einer kleinen Bar drei Gläser für die Cola. Vier Augen wanderten ihr hinterher und sie wusste das, spürte Blicke in ihrem Nacken. „Sie ist unheimlich hübsch.“, flüsterte Rick so, dass Zelda es nicht hörte.
„Ja, das ist sie…“, antwortete Link verlegen, konnte diese Tatsache jedoch nicht bestreiten.
„… hast du was mit ihr?“ Link wurde wieder ganz rot im Gesicht.
Er hustete und sagte: „Nein, wie kommst du denn darauf. Sie ist eine Freundin, nicht mehr.“
„Gut. Dann hab ich ja Chancen.“
„Wag’ es dir!“, sagte er lauter und weckte damit Zeldas Interesse. Link ballte unbewusst die Fäuste, spürte das Aufkeimen von ungeheurer Eifersucht wegen diesem Engelsgesicht und sah sie lächelnd an, als sie sich wieder an den Tisch setzte.
„Was soll sich Rick wagen?“
„Ähm… nichts von Bedeutung.“, entgegnete Link und wich ihrem durchdringenden, wissenden Blick aus. Sie grinste und hatte wohl im Gegenzug jetzt seine Gedanken gelesen…
Die Jugendlichen amüsierten sich eine Weile, bis Mittag anbrach und Rick verschwand.
Im Korridor flüsterte er dann Link noch eine Sache zu. „Zelda sie sieht aus wie… die Zelda aus dem Spiel, Link.“ Auch das Mädchen neben Link spitze ihre Ohren.
„Zelda ist eine Spielfigur und sie hier ist ein Mensch!“ Link wurde ungemütlich, so hatte er seinen Freund noch nie angefahren.
„Tut mir leid, Link, hast ja recht, aber…“
Link sah Zelda so an, wie er dieses vertraute Engelsgesicht lange nicht angesehen hatte.
„…Sie hat zuviel Ähnlichkeit mit ihr, nicht wahr?“ Link sah zu Boden.
Zelda meinte ruhig: „Link, es macht mir wirklich nichts aus, okay. Ich trage diesen Namen mit Ehrfurcht, Stolz und Respekt. So, jetzt lass uns essen.“
„Na gut, ich mach’ mich dann aus dem Staub. Link, kommst du dann noch zum Bogenschießen?“
„Ja, das werde ich, wenn…“ Zelda las schon wieder seine Gedanken. „Ich habe nichts dagegen. Ich kann doch mitkommen, oder nicht?“ Link lächelte ihr zu. „Wollen wir doch mal sehen, ob du gute Augen hast, hm?“ Sie nickte. Link begeleitete Rick zur Tür und trat mit ihm einige Meter auf die Straße.
„Sag’ mal, du hast doch sicherlich was mit ihr?“ Rick wiederholte diese Worte bewusst, ahnend, dass mehr dahinter steckte, als Link preisgab. Er wusste, Link verheimlichte etwas Wichtiges, was mit ihr zusammenhing. Dieses Mädchen besaß nicht nur Anmut und Charme, wohl aber etwas viel Mächtigeres…
Link verleierte die Augen und stammelte vor sich hin, trat von einem Fuß auf den anderen.
„Ich brauche sie…“, sagte er und ließ seinen Blick durch das Wohnstubenfenster schweifen. Nachdenklich saß Zelda dort auf einem Hocker und starrte fast traurig in den Fernseher, den sie nur eingeschaltet hatte, um sich von ihren trübsinnigen Gedanken abzulenken.
„Sie sagt mir soviel… ich meine, nicht ihre Worte, sondern die Art und Weise, wie sie mit mir redet, mich ansieht und überhaupt mit mir umgeht. Es ist, als würde ich sie schon ewig kennen.“ Link lehnte sich gegen eine Straßenlampe und verschränkte seine Arme.
„Ich will dir nicht den Mut nehmen, oder deine Urteilskraft bezweifeln, aber irgendetwas stimmt hier nicht mehr. Jetzt da sie hier ist, da… habe ich einfach ein ungutes Gefühl.“
„Ich weiß… aber was soll’ ich denn deiner Meinung nach tun? Soll ich sie fortschicken und mich dann dafür ewig hassen, weil ich mir einbilde, ewig darauf gewartet zu haben, sie zu finden? Soll ich sie aus dem Haus werfen, mit der Begründung, sie bringt Gefahr in diese Stadt?“
„Nein… und doch…“
„Da ist Gefahr…“, sagte Link und lief wieder zur Haustür. Rick nickte nur.
„Und das Lustige ist, Rick, es ist mir egal, solange sie da ist, ist mir alles egal, die Schule, die Träume und von mir aus jedes Höllengeschöpf, das man sich vorstellen kann. Ich werde sie niemals fortschicken, ganz im Gegenteil, ich will, dass sie bleibt und ich…“ Er konnte kaum glauben, was er da sagte, aber jetzt kamen so einige Gefühle an die Oberfläche. „… ich beschütze sie, was immer auch passieren wird.“
Rick verstummte. Link kam entweder wirklich von einem anderen Stern oder er hatte einfach seinen gesamten Verstand verloren. Hatte es ihn denn so erwischt, dachte Rick.
„Rick, es war ihre… Stimme.“, sagte Link leise und drehte seinem Freund den Rücken zu.
„Was?“ Geschockt sah Rick erneut zu Zelda, die wie von Sinnen in der Stube saß.
„Ja… ich weiß es einfach. Es war ihre Stimme. Sie hat nach mir gerufen, Rick und wenn ich sie nicht gehört hätte, nicht gefunden hätte, wäre sie jetzt nicht mehr am Leben.“
Link spürte Ricks Hand auf seiner Schulter. „Schicksal, Link.“, meinte Rick aufmunternd. Und der grünbemützte Jugendliche lachte kurz auf, jedoch nicht aus Spaß oder Freude…
„Ja, Schicksal“, sagte Link und meinte schließlich: „Also, ich…“
„Mach’ dir keinen Kopf. Die Sache klärt sich bestimmt auf und dann wirst du lachen, wie stumpfsinnig die Gedanken sind, die wir uns hier machen. Und jetzt, würde ich sagen, heiterst du das feenhafte Wesen in der Wohnstube ein bisschen auf. Sie zieht so eine traurige Schnute.“ Link grinste. „Ja, du hast Recht. Danke Rick.“
„Nichts zu danken. Bis später.“, sagte der braunhaarige Jugendliche noch und lief dann die Straße hinunter.
Link kam zurück in die Stube des Hauses und fand Zelda noch in der gleichen Position wie vorhin. Sie hockte im Schneidersitz auf dem weißgepolsterten Schemel und starrte ins Nichts. „Zelda…“, murmelte er. Sie sah überrascht auf, verwundert, dass sie tatsächlich auf diesen Namen hörte. „Ist mit dir alles in Ordnung?“, meinte Link zusätzlich. Betrübt schüttelte sie ihren Kopf und suchte mit einem unbeschreiblichen sehnsüchtigen Blick seine Nähe. Er setzte sich vor den Hocker auf einen Sessel.
„Rick… er hat Angst vor mir…“, sagte sie gedämpft und mit zitternder Stimme.
„Hey, das…“, fing Link an.
„Sag’ es nicht. Ich konnte es fühlen, Link. Es ist keine wirkliche Angst, nur so ein Unbehagen, welches ihm sagt, dass er mir fernbleiben sollte…“
Er legte eine Hand auf ihre Schulter und sagte: „Na und? Du hast immer noch mich. Ich habe weder Angst vor dir, noch empfinde ich Abscheu in deiner Nähe und… du bist etwas Einzigartiges, Zelda… Wir werden schon herausfinden, was hier nicht stimmt und dann wird dich Rick auch mit anderen Augen sehen können… ja? Außerdem ist er dabei dieses mulmige Gefühl zu überwinden.“ Sie nickte und lächelte leicht.
„Ich danke dir. Habe ich schon erwähnt, dass du ein Schatz bist, Link?“
„Jep. Aber ich höre das gerne aus deinem Mund.“
„Du meinst, ich könnte das noch einige Male sagen?“
„Du könntest dir zusätzlich etwas ausdenken…“
„So etwas, wie: Du bist der beste Mensch dieser Welt?“
Link grinste: „Jep. Das gefällt mir.“ Er zog sie auf ihre Beine. „Aber jetzt kochen wir uns erst mal was Schönes, hm?“
Sie folgte Link in die Küche. „Wie wäre es mit etwas Gesundem zur Abwechslung?“
„Salat, Kartoffeln und Dinge in dieser Richtung?“
Zelda lächelte. „Ja, an so etwas habe ich gedacht.“
„Gut.“
„Gut.“
Zelda und Link aßen gemütlich zusammen, und machten sich im Anschluss auf den Weg zu der Trainingsarena in Schicksalshort.
Als sie in dem riesigen Gebäude, einer alten Turnhalle, ankamen, strahlte Zelda vor Aufregung. Bogenschießen wollte sie schon immer einmal lernen. Viele Menschen, alte und junge, waren hier und spannten die Bögen. Sie beobachtete jene Menschen mit den heiteren Gesichtern, den fröhlichen Gelächter und den freudigen Zurufen. Einige waren ganz gut, andere wiederum schafften es nicht einmal die Bögen ganz zu spannen, geschweige denn die Zielscheiben zu treffen. Zelda war begeistert, das sah Link ihr an der Nasenspitze an.
Wenig später tauchte Rick auf. „Hallo. Da seid ihr ja. Hol’ doch mal zwei Bögen, Link. Ich werde dieses hübsche Gesicht hier einweihen.“ Link sah Rick mit strengen Augen an und verschwand dann. Rick lächelte Zelda an, trotz des Unbehagens in ihrer Gegenwart, trotz des leichten Angstgefühls.
„Zelda, also, ist wirklich schön, dich kennen zu lernen.“ Zelda freute sich, dass Rick nun doch versuchte, mit ihr ins Gespräch zukommen. Link hatte Recht, irgendwie war Rick jemand, dem man Vertrauen schenken konnte.
„Link hat viel von dir erzählt.“, sagte Rick leise.
„Wie bitte?“ Das war doch gar nicht möglich. Sie kannte ihn doch erst seit wenigen Tagen.
Zelda verstand nur noch Bahnhof. „Du weißt wohl gar nichts davon, oder?“
„Nein, das musst du mir erklären.“ Indes kam Link zurück, mit zwei schönen Bögen in der Hand. „Ähm, ich erzähl’ dir das ein andres Mal.“ Link hielt der verdutzten Zelda einen Bogen unter die Nase.
„Pass genau auf“, sagte Rick. „Wir haben hier einen Profi unter uns!“ Und sein Zeigefinger wanderte zu Link. Er stattdessen lief gemächlich auf die Schießvorrichtung zu, spannte geschmeidig den Bogen, wartete noch ein wenig, und der Pfeil sauste blitzschnell auf die Mitte der Zielscheibe zu. Einige Leute beobachteten Link und waren verblüffter als Zelda es jemals sein konnte. Sie hatte von ihm nichts anderes erwartet.
Link spannte noch einen Pfeil und dieser jagte ungeheuer schnell durch die Luft und spaltete den vorherigen. Link winkte Zelda zu, sie solle es auch einmal probieren. Sie trat neben Link und hielt den Bogen vor sich. Zelda probierte es und war, wie Link fand, unheimlich gut darin. Link setzte sich auf eine Bank und beobachtete einige von den Leuten.
Eines der Gesichter kam ihm irgendwie bekannt vor- es war Maron. Das Mädchen, von welchem Rick so fasziniert war. Sie besaß eine kleinere Gestalt als Zelda, war nicht so perfekt, obwohl sie eine schöne Figur hatte, und anmutig wie sie und Link kannte sie. Es war nicht lange her, da hatte sie Link ihren Prinzen genannt, weil er vor einigen Monaten ihre Katze vom Baum geholt hatte. Seitdem war Link regelrecht vor ihr geflohen… denn jede Begegnung mit ihr endete damit, dass sie ihn doch unbedingt bei sich zu Hause einladen wollte. Dazu hatte Link nun wirklich keine Lust. Sie war ja ganz nett, aber das, was sie von ihm wollte, konnte Link nicht erwidern. Alles, was er jemals für irgendjemanden empfand, gehörte zu seinem großen Geheimnis, von dem lediglich Rick, sein bester Freund, mehr oder weniger durch Zufall, erfahren hatte…
Link wurde plötzlich aus seinen Gedanken gerissen. Sorgsam sah er um sich, erblickte hier und da kichernde Leute, sah so viele, die lachten und sich an ihrem Hobby erfreuten. Aber etwas war da. Irgendetwas stimmte hier nicht, er konnte es spüren.
Etwas Kaltes legte sich auf sein Herz. Er sah auf seine Hände, besonders seine linke Hand zitterte. Sie zitterte so stark, dass er sie mit der anderen Hand festhalten musste. Er fühlte eine boshafte, dunkle Energie zunehmen. Kälte. Nichts als eisige, trockene Kälte. Tiefausatmend hob Link seine Hand, die immer noch zitterte, als würde jemand sie steuern. Link atmete wieder aus und sah Nebelschwaden aus seinem Mund vor ihm aufsteigen. Die Kälte war nicht nur in seinen Gedanken, sondern bereits außerhalb, sammelte sich in der Luft, beherrschte eines der Elemente, nur um sich weitere Elemente Untertan zu machen.
Link stand unsicher auf und blickte um sich. Er sah Rick, der ihm irgendetwas zurief. Doch dafür hatte er keine Zeit. Etwas sagte ihm, es blieb keine Zeit. Als ob die Zeit sich mit der dunklen Energie verbündet hätte, die sich hier herumschlich.
Link griff sich schlagartig an den Kopf. Etwas brannte in seinen Gedanken, ein unheimlicher Druck legte sich auf seinen Kopf. Da war Schmerz. Bilder aus seinen Träumen zerrten an seinem Willen, erschienen, ohne das Link es wollte. Alpträume. Kreaturen der Dunkelheit, Blitze, Donner, Blut und pechschwarze Nacht ohne Lichtpunkte. Es tat höllisch weh. Dieser Druck in seinem Kopf.
Dann bildete er sich ein, eine widerliche Stimme spräche zu ihm. Kälte. Ein Zischen. Worte, gesprochen mit genauso viel Kälte wie sie jetzt in dem Raum zunahm.
„Diesmal wirst du sie nicht beschützen.“
Link erschauderte. Noch einmal sah er um sich, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken, unterdrückte und bekämpfte jene Stimme in seinen Gedanken, mit der er doch verbunden war, ebenso wie mit Zeldas Stimme.
In langsamen Schritten lief er auf Zelda zu. Wieder blickte er umher. Aber da war nichts. „Diesmal wirst du sie nicht beschützen…“ Erneut dieses widerwärtige Murmeln einer tiefen, grausamen Stimme, die zu einer noch grausameren Gestalt gehörte.
Link näherte sich Zelda, wusste nun, die Gefahr ging nicht von ihr aus, sondern von jemanden, der auf der Suche nach ihr war.
Er blickte wieder um sich. Da sah er etwas, was er nicht glauben konnte. Es war mehr als entsetzlich.
Maron spannte den Bogen und zielte genau auf Zelda. Für Link gab es jetzt nur noch ihn, Zelda und den Pfeil. Die Welt um ihn herum versank, wie die Sonne am Abendhimmel. Sein Schrei schallte durch den Raum: „Zelda, lauf’ weg. Zelda!“ Einige Personen drehten ihre Köpfe zu der Stimme, die jene Worte erschuf. Aber Link reagierte nicht auf sie, nur Zeldas Wohlbefinden war jetzt noch wichtig. Erneut ein Schrei aus Links Kehle und auch Zelda schaute sich zu ihm um.
Link rannte so schnell ihn seine Beine tragen konnten, sah den Pfeil, sah wie er mit hoher Geschwindigkeit auf Zelda zuschoss. In Millisekunden wandelte sich Zeldas Blick und sie sah mit Entsetzen zu, wie der Pfeil mörderisch auf sie zuraste.
Link sprang und riss Zelda zu Boden. Der Pfeil sauste über ihre Köpfe hinweg. Schützend lag Link über ihr und hörte nur sein eigenes aufgeregtes Atmen. Er lächelte sie kurz an und richtete sich auf.
Einige hatten dem Geschehen fassungslos zugesehen, begriffen nicht und blickten angsterfüllt zu Maron. Das Mädchen mit den braunen Haaren spannte erneut einen Pfeil und schien nicht mehr bei Sinnen zu sein. „Maron, komm’ zu dir.“, rief Link und stellte sich schützend vor Zelda. Doch sie begann nur abartig zu kichern und spannte weiterhin den Bogen mit Mordgier, Hass und hinterhältiger Feindseligkeit. Sie lachte und ließ den Pfeil los. Das Geschoss raste direkt auf Link zu, verfehlte nur knapp sein rechtes Ohr und landete in einer Wand. Plötzlich ging der Pfeil in Flammen auf.
In dem Augenblick begriffen einige Leute, wie ernst die Situation war. Kinder hasteten mit ihren Eltern aus der Halle. Schüler ließen alles stehen und liegen und rannten aus dem hohen Eingangstor.
Feuer brach in der Halle aus, von dem niemand wusste, wo es her kam... Kleine Flammen tanzten in den Ecken des Gebäudes und Marons Gelächter schallte in dem Raum umher.
Ein wildes Angstgeschrei zeriss die Luft und fast jeder rannte in Windeseile aus der Halle.
Nur Link und Zelda würden nicht weglaufen. Denn das, was dabei war zu geschehen, passierte ihretwegen. Aus Rache und Blutdurst.
Link ergriff den Bogen, den er selbst benutzt hatte, nahm Zelda an der Hand und schleifte sie hinter sich her. Er zerrte sie hinter eine Bar. Vorsichtig blickte Link über die Tischkante. Rick war der Letzte, der hinaus lief.
Maron hatte den Verstand verloren, was war bloß in sie gefahren? Links Frage wurde schnell beantwortet, als die glühenden Augen Marons seine kreuzten.
„Link, mein Gott, was…“ Zelda stand unter Schock. Ihre Augen standen starr und zitternd lehnte sie an der Theke. Rauchwolken tanzten nun im Raum umher.
„Verdammt!“, Link keuchte. „Was sollen wir nur tun, ich kann sie doch nicht umbringen.“ Link schaute auf den Bogen in seinen Händen und dann in Zeldas verängstigtes Gesicht.
„Kommt raus, ihr Narren.“ Marons Stimme klang unheimlich tief. War sie besessen?
„Wir müssen irgendwie hier rauskommen, das heißt, du musst hier unbedingt herauskommen.“ Zelda wollte nicht glauben, was er da sagte.
„Ich will, dass du zum Ausgang rennst, wenn ich sage jetzt, okay?“ Zelda schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht. Nicht ohne dich.“ Link kniff seine Augen zusammen und fuhr sie an: „Das hast du jetzt nicht zu entscheiden. Du verschwindest hier, sagte ich!“ Dann setzte er leise hinzu. „Ich will nicht, dass dir irgendetwas zustößt.“ Zelda stiegen Tränen in die Augen. „Also. Wenn ich sage, Jetzt!“
Link sprang auf und sah, wie Maron, oder der Dämon, der sie beherrschte mit einer einfachen Handbewegung einige Tische umwarf. Das war nicht mehr Maron. Das war ein Monster! Als das Wesen Link im Visier hatte, nahm es den Bogen und spannte. Doch Link war schneller „Jetzt“, rief er und feuerte einen Pfeil ab, sodass der Bogen in der Hand des Mädchens weggeschossen wurde. Link sah, wie Zelda in Richtung Ausgang rannte und verschwand. Sie war sicher. Eine schwere Last fiel von ihm ab.
„So, jetzt zu dir! Maron, hörst du mich?“ Er appellierte an den Menschen, der sie doch war, an ihr Herz. „Maron!“
„Maron, ist nicht mehr hier, kleine Made.“
„Wer bist du?“ Link ließ sich nicht einschüchtern.
„Du hast mir mein Schicksal genommen und weißt nicht, wen du vor dir hast.“ Wenn Link nicht so entsetzt gewesen wäre, über das, was dieses Etwas von sich gab, hätte er angefangen zu lachen. „Du sagst, ich hätte dir dein Schicksal genommen. So jämmerlich, wie du aussiehst, kann ich kaum glauben, dass du jemals eins hattest.“ Die Gestalt bekam drohende Augen und brüllte. „Was, du wagst es, mich zu beleidigen, meine Bestimmung in Frage zu stellen.“ Link starrte gelassen in die nun schwarzen Augen dieses Ungetüms, welches Marons Körper benutzte. „Wenn dem so wäre, würdest du nicht andere deine Rachegelüste für dich ausführen lassen.“ Link verstand selbst nicht einmal, was er da sagte.
„Du unverschämter, kleiner Dummkopf. Du weißt ja nicht, wer dir gegenübersteht und du ahnst nichts von dem, was du einmal gewesen bist.“
„So, aber du Scheusal, weißt das ja… dann weißt du auch, dass ich dich zur Strecke bringe.“
Die Kreatur lachte hämisch, grausam, dass jenes Lachen Link lähmte wie Ketten, die man um seinen ganzen Körper gelegt hatte. Die Dunkelheit in dem Raum nahm zu und aus Marons Körper schlüpfte ein riesiger, kalter Schatten. Plötzlich zielte er mit einer Art Energieball auf Link, der nicht so schnell ausweichen konnte und schützend seine Hände vor sein Gesicht hielt. Er schrie auf, fühlte den Aufprall von feuerartigen Wurfgeschossen und Wunden zierten nun seine Hände. Der Schatten allerdings kroch die Wände entlang und verschwand dann unter der Türschwelle.
„Ich werde euch irgendwann beide finden und solange quälen, bis ihr vor Verzweiflung und Angst lieber sterben würdet. Das war erst der Anfang…“ Das Böse verschwand aus der großen Halle. Marons Körper lag wehrlos auf dem Boden, wie ein Stück Bekleidung, das man weggeworfen hatte. Jetzt erst begriff Link langsam, dass dieses Etwas für alles Übel verantwortlich sein musste, welches auf ihn herabgefallen war. Erschöpft ließ er sich auf den Boden sinken...
Link kam mit der bewusstlosen Maron auf seinen Armen aus der Halle und sah einige Leute um das Gebäude stehen. Polizeiwagen kamen herangefahren, sogar die Feuerwehr wurde allarmiert. Link sah Zelda, die sich mit Rick unterhielt. Sie weinte. Sie blickte zu Link, der nun so blass aussah wie eine Leiche und rannte auf ihn zu. Sie wollte ihm um den Hals fallen. Doch Link war unfähig jetzt irgendetwas zu fühlen. Er wies sie ab, sagte kein Wort, nicht einmal, als Zelda entgeistert auf seine blutenden Hände starrte. Einige Polizisten und Feuerwehrleute rannten in das Gebäude. Auch das Feuer wurde gelöscht. Link war mit seinen Nerven total am Ende, er hatte so die Schnauze voll, von irgendwelchen unsinnigen, schmerzenden Erfahrungen… es war genug.
Maron wachte einfach nicht auf und wurde ins Krankenhaus geschafft. Rick begleitete sie und sagte nicht ein Wort zu Link oder seinem Gast.
Die Befragung auf dem Polizeirevier brachte nichts, denn Link war im Moment nicht ansprechbar. Mit hängenden Gesichtern traten Link und Zelda aus dem Gebäude des Präsidiums hinaus. In Link herrschte ein reinstes Gefühlschaos mit hinterhältiger Verwirrtheit gemischt. So durcheinander, wie er sich im Augenblick fühlte, so hatte er noch nie empfunden, nicht bei dem Rufen jener Stimme, nicht bei dem Erscheinen des merkwürdigen Kerls in der unbeleuchteten Gasse und auch nicht, als irgendetwas ihm diese Wunden zufügte…
„Link. Komm’ lass uns heim gehen.“ Zelda schleifte ihn hinter sich her. Er sagte die ganze Zeit kein Wort, auch nicht, als sie endlich in das Haus eintraten. Link war gar nicht mehr bei Sinnen. Als Zelda mit einem Verbandskasten ins Wohnzimmer trat, starrte er nur in ihre himmelblauen Augen. Zelda konnte diesen Blick nicht definieren. Link machte keine Anstalten, dass ihm irgendetwas weh tat, nicht einmal die aufgeschürften Hände. Selbst als sie niederkniete und seine Hände verband, reagierte Link nicht so wie sie ihn kennen gelernt hatte. Sein Zustand schien eine Art Trance oder Wachschlaf zu sein. „Link, so sag doch was.“ Aber er sah sie nur an, gerade so, als wäre er nicht hier und auch nicht an einem anderen Ort. „Link…“ Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Was war da drin nur geschehen? Link sah aus, als hätte er dem Tod ins Antlitz geblickt. „Link.“, Zeldas Stimme wurde lauter und stimmgewaltiger als sonst. Aber Link tat so, als hörte er sie nicht… Zelda schien so verzweifelt, dass sie keine andere Lösung hatte, als… Sie stand auf, ballte ihre Faust und gab Link dann eine gewaltige Ohrfeige. Link zuckte zur Seite und rieb dann mit einer Hand die Stelle, auf der Zeldas Handabdruck zu sehen war. Link schloss die Augen und redete endlich wieder mit ihr: „Zelda, verzeih’ mir.“
„Was?“
„Ich habe dich in schreckliches Elend gestürzt.“
„Du… Du hast mir das Leben gerettet. Ich danke dir.“
„Es wird weitergehen…“
„Link, ich verstehe nicht…“
„Etwas wartet da draußen nur darauf uns fertig zu machen, unser Leben zu zerstören, er wird uns finden…“
„Wer?“
„Ich weiß es nicht.“ Zelda blickte in Links Augen, die nun wieder ganz normal schienen. Ja, langsam kam seine Kraft und der Mut, der in seinen Augen verborgen lag, zurück. Sie setzte sich neben ihn und er erzählte ihr alles, was in der Halle vorgefallen war.
„Wir müssen sehr vorsichtig sein“, sagte Link und rieb sich immer noch die Wange. „Du hast einen ganz schönen Schlag drauf, weißt du das?“ Anstatt darüber zu lachen, lächelte sie und bewegte sich auf ihn zu. Sie lehnte ihre Stirn gegen seine und sah ihm fest in seine Augen. „Sag’, hat mein Lebensretter mir nicht irgendwelche Dinge verschwiegen?“ Link konnte sich nicht herauswinden. Es gab vieles, was er ihr noch nicht erzählt hatte- einerseits um sie zu schützen- andererseits, weil er einige Dinge noch niemanden erzählt hatte. „Ja, das habe ich.“ Da Zeldas Augen so nah waren, hatte es keinen Zweck weiterhin irgendetwas verheimlichen zu wollen. „Rick erzählte mir, du…“
„Rick?“
„Du hättest von mir geträumt, lange, bevor wir uns überhaupt begegnet sind…“
Link wies sie ab, stand auf und lief ans Fenster. „Nun… Es war vor zwei, drei Jahren. Unser Kurs machte gerade Exkursion. Ich musste mir mit Rick ein Zimmer teilen. Damals hatte er mir auch von einem Spiel erzählt, das ich unbedingt spielen müsse, weil… der Held in der Legende genauso heißt wie ich. Ich sah mir Illustrationen an und wollte nicht wahrhaben, dass jene Figur so aussieht wie… ich. Und ich sah mir Bilder der Prinzessin an, von der ich mir irgendwie einbildete, ich hätte sie schon einmal gesehen. Ich wollte das Alles nicht verstehen und ignorierte es. In der Nacht in jener Jugendherberge wachte Rick in der Nacht auf, da ich im Traum redete… Am nächsten Morgen hat er mich dann diesbezüglich zur Rede gestellt. Ich erzählte ihm alles, restlos alles. Dass ich fast jede Nacht mit einem Schwert in der Hand durch irgendwelche Tempel krieche, auf der Suche nach irgendetwas Wichtigem. Ich sagte ihm, welche Monster ich getötet hatte, welche Dämonen sich mir in den Weg stellten, die ich alle… mit diesen Händen… kaltblütig und grausam… hingerichtet hatte.“ Link lief dann nervös in dem Raum auf und ab, kniff seine Augen zusammen und fluchte leise vor sich hin. Warum hatte er ihr diese ganze Geschichte jetzt erzählt, obwohl er sich einst schwor, diese Sache niemandem mitzuteilen, es sei denn es wäre…
Zelda beobachtete ihn nur und wusste nicht, wie sie ihm sagen sollte, was er in ihr erweckte. Es erschien ihr unbeschreiblich. Die Art und Weise, wie sie sich von ihm angezogen fühlte. Die Art und Weise, wie er sie ansah… diese tiefblauen Augen. Kannte sie ihn vielleicht doch in ihrem wahren Leben?
„Ich erzählte ihm, dass ich den Eindruck hatte, eine Stimme rief nach mir und das ich mir einbildete, verrückt zu werden. Nur dadurch verschwand diese Stimme nicht. Eine Mädchenstimme- zuerst im Traum, dann in der Realität. Und dann bist du aufgetaucht... und... ich fand...“ Er suchte ihren Blick, erkannte Zweifel und Furcht darin. „... ich fand die Stimme, die mich rief in deiner...“
Stille. Was sollte jetzt auch gesagt werden, nun, da Worte weh tun konnten. Zelda ließ sich auf das Sofa sinken und stützte entsetzt ihren Kopf in ihre Hände. Sie sah auf, begegnete seinen Blick, und las noch mehr Unsicherheit darin, als sie bisher verspürte. Link lief langsam auf sie zu, so trügerisch waren seine Schritte, als könnte er sofort in entgegengesetzter Richtung laufen. Er kniete vor ihr nieder und murmelte, während er versuchte ihrem Blick standzuhalten, forderte Ehrlichkeit und Vertrauen. „Ich wollte… dich damit nicht verletzen, Zelda“, begann er und rechtfertigte, was er ihr offenbarte mit dem Wunsch, ihr niemals zu schaden.
„Du hast mich nicht verletzt, nur… verunsichert, Link.“
„Manchmal… hatte ich das Gefühl, ich wäre das Monster, das…“ Sie legte ihren rechten Zeigefinger auf seine Lippen. Er sah sie an, erst überrascht, dann verträumt.
„Du bist kein Monster… Du bist…“ und sie ahnte nicht, welche Folgen es haben könnte, würde sie hier ihre Gedanken preisgeben und ihm davon erzählen, was er auf seine Weise für sie war. Ein wunderbarer, fürsorglicher Freund. Der beste Freund, den man nur haben konnte. Und dennoch… aus welchem Grund sollte sie ihm verschweigen, was sie dachte. Murmelnd gab sie preis: „Du bist der liebste und selbstloseste Mensch, der mir jemals begegnet ist und, den ich kenne… Link.“ Sie lächelte scheu, stand auf, kam sich nun ziemlich dumm vor und drehte sich weg. Sie legte ein wenig schockiert über sich eine Hand auf ihre, für sie wohl gefährlich- offenbarende Klappe.
Die Art und Weise, wie sie seinen Namen sagte, erinnerte ihn erneut an jene Stimme... es war ihre Stimme. Wie konnte das sein? Ihre Stimme hatte nach ihm gerufen... ihre Stimme...
Link begriff nicht, was hier dabei war zu passieren. Zelda, wenn dies tatsächlich ihr Name war, vertraute ihm und er vertraute ihr… Wie konnte das sein? Immerhin kannten sie einander nicht. Diese ganze Gefühlswallung in ihm, die Gedanken, die er hatte, wenn sie in der Nähe war… noch nie war ihm so etwas in der Gegenwart eines Menschen passiert. In ihm schlummerte dieser stille Wunsch, sie festzuhalten, damit sie nicht mehr weglief. Aber warum? Warum vernebelte sie seine Sinne in dem Maße? Seine tiefblauen Augen waren wie gefesselt von ihr, und ließen sie nicht aus dem Blickwinkel. Sie verstand ihn… und als ob es das erste Mal wäre, dass Link wirklich von jemandem verstanden worden war, gehrte in ihm der Wunsch, ihr dafür zu danken, dass sie zuhörte, dass sie ihn beruhigen konnte und in sein jugendliches, aber mit Sorgen belastetes Herz gesehen hatte. Er wollte ihr irgendwie dafür danken, mehr als nur mit Worten…
Tief einatmend und sich selbst ein wenig Mut fassend, lief Link zu ihr und legte sanft seine Hände auf ihre Schultern. Nur mühsam und unter Aufbietung alles erdenkbaren Selbstvertauens, sagte Link: „Danke, du weißt nicht, wie sehr du mir geholfen hast. Danke, Zelda…“ Sie drehte sich um und lächelte verlegen. Link erwiderte das Lächeln, versuchte seine zunehmende Aufgeregtheit zu überspielen, das Gefühl der Anspannung zu verdrängen und seinen schneller rasenden Puls zu überhören. Sie machte ihn zappelig, unzurechnungsfähig, ließ ihn zu einem gehirnlosen Trottel werden und brachte ihn dazu, das Unmögliche zu tun. Was zum Henker tat sie und wie im Namen des Himmels brachte sie seine gesamte Existenz so zum Wanken?
Zelda flüsterte dann: „Du hast mir noch etwas verschwiegen, nicht wahr… etwas, dass nur dich betrifft.“
„Ja, weißt du es etwa?“
„Mmh… ich fühlte es.“ Link war verblüfft, sie kannte ihn und schien sogar seine tiefsten Geheimnisse zu kennen. Link wurde adoptiert. Seine Eltern starben als er noch ein Baby war in den Flammen eines Hauses. Man hatte von Brandstiftung gesprochen und Link hatte sich geschworen, die Schuldigen zu finden. Und Zelda hatte es irgendwie herausgefunden, ob sie nicht vielleicht doch seine Gedanken lesen konnte, oder an Orte seiner Seele gelangt war, von denen Link nicht einmal wusste, dass sie existierten.
„Du sag mal, diese Frau, die wir am See getroffen haben, glaubst du, sie weiß irgendetwas über diese dunkle Energie?“
„Du meinst Naranda Leader?“
„Ja, genau. Sie hat solche seltsamen Bemerkungen gemacht, als du das Kind gerettet hast.“
„Stimmt! Ich denke, wir werden ihr Morgen einen Besuch abstatten, was hältst du davon?“ Link grinste und Zelda, überglücklich, dass es ihm wieder besser ging, strahlte ihn an: „Okay, wir werden sie morgen mal aufsuchen!“
„Und heute? Was wollen wir heute noch machen? Es ist zwar schon fünf Uhr, aber der Abend ist noch lang.“
„Wenn ich ehrlich bin…“, sagte sie und machte es sich auf dem Sofa so richtig gemütlich. „… dann würde ich viel lieber faulenzen.“ Sie legte ihre Beine hoch und ließ ihren Kopf auf einer Lehne niedersinken. Nach solch einem Tag war Faulenzen die beste Medizin.
„Klingt gut. Ich schließ’ mich dir an.“, entgegnete er und setzte sich auf den freien Platz des Sofas, der noch übrig war. Auch Link streckte alle viere von sich, genoss die Ruhe, genoss Zeldas Anwesenheit. Sie hatte ihre Augen geschlossen. Wollte sie jetzt etwa schlafen und ihre Ruhe haben? Wie langweilig, dachte Link. Selbst nach einem solchen, schrecklichen Tag, ließ er sich seine Laune nicht verderben. Die schrecklichen Erlebnisse des Tages versanken langsam in den Gebilden der Erinnerung.
Link hatte eine Idee… Zeldas zarte Füße waren in unmittelbare Reichweite. Er kroch auf dem Sofa ein wenig näher an sie heran und ließ seine Fingerspitzen spielerisch über die empfindlichen Stellen ihrer Fußballen wandern. Zelda kreischte auf und lachte dann.
„Bist du kitzlig, Zelda?“, sagte er. Aber sie antwortete nicht sofort, sondern kicherte weiter. Sie wusste, vor seiner niederträchtigen Gemeinheit konnte sie nicht entkommen.
Sie zog ihre Füße weg und richtete sich ebenso auf. Aber Link stoppte seine Späße nicht. Grinsend bewegte er sich auf sie zu und kitzelte sie unter ihren Armen. Zelda lachte weiter, vergnügte sich in gegenseitigen Kitzelattacken und im Gegenzug ärgert sie jetzt Link. Hinterhältig zwickte sie ihn in seine rechte Seite und hörte eine Art Fluchen aus seinem Mund, das sich gleich wieder in munteres, erfreutes Lachen wandelte.
Inzwischen lagen sie auf der Couch nebeneinander, Zelda rechts von Link, und ärgerten sich gegenseitig, kniffen sich, lachten und genossen die Nähe des anderen.
Nach vielen Minuten, was eine Ewigkeit schien, hörte Link auf, die neben ihn befindliche, kichernde Zelda noch mehr in ihre ausweglose Situation zu bringen und stoppte seine kleinen Gemeinheiten. Leicht über sie gebeugt, blickte er in jenes kristallfarbene Blau ihrer Augen und meinte: „Gibst du auf?“ Sie schüttelte mit dem Kopf und lächelte so wunderbar wie noch nie. Link piekte sie frech in ihre wohlgestaltete Nase und ließ seine linke Hand sanft an ihrer Wange, bis hin zu ihrem rechten Oberarm hinabwandern. Ein wenig fester umfasste er ihn und murmelte: „Und jetzt?“ Sie wendete ihren Kopf zweimal von links nach rechts und schmunzelte. Daraufhin packte Link auch ihrem anderen Arm und hielt ihn fest. „Aber jetzt musst du aufgeben, Zelda.“, sagte er grinsend. Sie konnte sich zwar nicht mehr rühren, doch wieder lachte sie nur.
Sie begann herumzuzappeln und quietschte, als Link sie wieder unter ihren Armen kraulte. Sie zappelte solange, bis sie mit Link auf dem Fußboden landete.
„Ich gebe auf.“, hauchte sie mit ihrer herrlich süßen Stimme unter ihren Lachkrämpfen und drehte sich zu Link um, der neben ihr mit dem Gesicht auf dem Teppich lag und nichts mehr sagte.
„Link?“ Sie richtete sich auf und legte es drauf an. Sie zwickte und piekte ihn nun an seinem gesamten Oberkörper. Kreischend bewegte er diesen aufrecht und drückte Zelda sachte gegen das unterste Couchteil und saß direkt vor ihr, sah in ihr makelloses Gesicht und fühlte soviel, allein durch einen Blick in ein ausdrucksvolles Gesicht, ein Lächeln, welches ihm soviel sagte. Ein angenehmes Gefühl durchströmte ihm, etwas, was er noch nie empfunden hatte und ohne jegliche Vernunft legte er seine starken Arme um sie und zog sie an sich. Perplex standen Zeldas Augen weit offen. Ein wenig fassungslos rührte sie sich nicht mehr und ließ die Umarmung einfach über sich ergehen. Was geschah hier? Wieso passierte das?
So vertraut. So angenehm… fast erinnernd…
Link löste sich von ihr und stand abrupt auf. Ein leises „Entschuldige“ aus seinem Mund änderte jedoch die Situation nicht, machte nicht rückgängig, was er sich gerade eben erlaubt hatte. Noch einmal sagte er: „Entschuldige…“ und ging schnell, ohne zurückzublicken aus der Wohnstube hinaus.