Autor: Faylen7
Die Zeiger der Uhren in der alten Bibliothek des Königsschlosses bewegten sich auf zwölf Uhr zu, an jenem Abend kurz vor dem gigantischen Fest des Friedens auf das sich jeder Bürger Hyrules freute. Nur Zelda nicht…
Niedergeschlagen trat die Prinzessin in ihrer ärmellosen, weinroten Nachtgewandung und einem einfachen, gefütterten Mantel um den Schultern in die alte Bibliothek herein. Alles war so ruhig, so friedlich, aber bald würde es das nicht mehr sein. Sie war vor weniger als einer Stunde schwitzend aus ihren Träumen aufgewacht und erinnerte sich mit bangem Herzen an einen weiteren Alptraum. Ganon kam darin vor, die drei Schreckensgestalten und eine andere Welt. Was hatte das alles zu bedeuten? Sie umklammerte unbewusst das machtvolle Medaillon, welches lässig um ihren Hals lag.
Mit einer Kerze in der Hand folgte sie einem roten Teppich, der zu einem kleinen Tisch mit Sessel führte. Sie setzte sich, legte das Medaillon vor sich selbst auf den Tisch und starrte es vertieft an. Der Baum in der Mitte des seltenen Stückes trug grüne Blätter und Sterne leuchteten wie kleine Scherben aus einem dunklen Hintergrund hervor. Ja… Scherben… und ein Trümmerhaufen, vollgepackt mir unschönen Erinnerungen. So kam ihr jenes Dasein vor, welches das königliche Blut in ihr mit sich brachte. Scherben…
Sie strich vorsichtig über das verschnörkelte Ziffernblatt der Uhr, besann sich auf Gestern, wo sie noch als kindliche Prinzessin frech auf dem Marktplatz zwischen den Leuten herumgestromert war. Aber diese Zeiten waren vorbei, endgültig vorbei…
Hin und hergerissen zwischen den Gedanken an die näherkommende Gefahr und ihrer baldigen Hochzeit mit jemanden, den sie noch nicht einmal kannte, schloss Zelda ihre Augen und begann zu weinen. Schon wieder war sie so erbärmlich, so kläglich, ganz und gar nicht wie eine zukünftige Königin. Aber hier in der Bibliothek konnte ihr sicherlich niemand deswegen einen Vorwurf machen.
Eine weitere Person erschien in der Bibliothek. Es war Impa. Sicherlich hatte sich die stolze Shiekah mit ihrem sechsten Sinn mal wieder Sorgen um Prinzessin Zelda gemacht und suchte daher das gesamte Schloss nach ihr ab. Sie fand Zelda zutiefst traurig vor und kniete vor ihr nieder. „Prinzessin?“
„Impa?“, sagte Zelda leise und sah auf.
„Ist mit Euch alles in Ordnung?“ Und das junge Mädchen schüttelte nur den Kopf. „Wollt Ihr darüber reden?“
„Nein… eher nicht. Es ist bloß eine dumpfe Angst vor der Zukunft, die ich nicht gewählt habe.“ Damit stand Zelda auf und lief zu einem großen, hohen Fenster mit dunklen Mustern. Trübsinnig starrte sie hinaus auf die Steppe mit der Gewissheit, dass Hyrule nicht ewig bestehen könnte. Sie liebte diese Welt, sie verehrte diese Welt und hatte all’ ihre Kraft in ihre Erhaltung gegeben. Aber nun… nach den Träumen, den Prophezeiungen, den Visionen… wusste sie zunehmend, wie sinnlos der Gedanke eines ewigen Hyrules gewesen war.
„Impa… die Dinge werden sich ändern. Es wird etwas geschehen, dass niemand erklären könnte, verhindern könnte. Ich habe Angst um Hyrule.“
Dann spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. „Habt ihr mit Link schon darüber gesprochen?“ Diese Bemerkung rief Zelda einen noch traurigeren Ausdruck auf das Gesicht. „Ich glaube… die Wege des Helden der Zeit und jener der Prinzessin des Schicksals trennen sich in diesen Stunden.“ Eine stumme Träne rollte an ihrer zartrosa Wange hinab. Und Impa runzelte lediglich ihre Stirn.
„Aber Link ist Euer treuester Freund, Prinzessin.“
„Das hält ihn nicht davon ab, mir fern zu bleiben.“
„Es hat bestimmt einen Grund, dass er sich nicht mehr hat blicken lassen. Warum sollte er Euch fernbleiben?“
„Weil er erkannt hat, wie dumm es ist, eine Prinzessin als Freundin zu haben. Weil er verstanden hat, wie töricht es ist, für Prinzessin Zelda da sein zu wollen.“ Die Lady schlug ihre Hände vor ihr Gesicht und weinte so, dass Impa es endgültig bemerkte.
„Prinzessin?“ Damit umarmte sie die Jugendliche wie eine Mutter und strich ihr über den Kopf. „Er war mir noch nie so fremd wie jetzt… Was ist bloß der Grund, dass er tut, als würden wir uns nicht kennen…“, murmelte sie unter Tränen.
„Weiß er von Eurer baldigen Verlobung?“
„Nein, woher denn?“ Zelda wischte sich einige Tränen aus dem Gesicht und löste sich aus Impas Umarmung.
„Wer weiß… vielleicht versucht er nur, das zu tun, was richtig ist, Zelda. Und hat irgendwie erfahren, dass Ihr heiraten werdet. Vielleicht schmerzt ihn der Gedanke und er will es sich nicht anmerken lassen.“ Und Zelda versuchte standhaft zu wirken.
„Aber warum sollte es ihn interessieren, ob ich nun heirate oder nicht...“ Impa schüttelte mit dem Kopf.
„Ihr wollt es nicht sehen, Prinzessin... oder habt Ihr Angst den Grund in seinen Augen zu sehen?“ Zelda blickte schockiert in Impas Gesicht. „Du willst doch nicht andeuten, dass...“ Doch ihr Kindermädchen von Kindertagen zuckte nur mit ihren Schultern.
„Gibt es einen weiteren Grund, dass es Euch so sehr belastet, wenn Link nicht hier, sondern bei Malon von der Ranch ist?“ Zelda sah erstaunt auf. Was wollte Impa jetzt schon wieder in Erfahrung bringen?
„Wie soll’ ich das jetzt interpretieren?“
„Nun, ich wollte lediglich wissen, ob Ihr nicht möglicherweise, und das ohne Grund, eifersüchtig seid?“
„Ich und eifersüchtig? Auf wen? Auf Malon?“
„Ja, genau.“ Zelda schüttelte den Kopf. „Nein ich glaube, dass man dieses Gefühl nicht so nennen kann.“
„Nein? Wie dann?“ Und beinahe hätte sich Impa ihren großen Mund verbrannt.
„Impa“, sagte Zelda leicht zornig, „Ich denke, das Gespräch sollte hier enden.“
„Wie Ihr meint, Prinzessin.“
„Und danke für dein Verständnis“, sagte Zelda noch. Impa lächelte leicht, nickte und löste sich in einer Rauchwolke auf.
Und wieder verlor sich Zeldas Blick auf der Steppe Hyrules, die von einem hellen Mondschein angestrahlt wurde. Dann kramte sie Bücher heraus, las bis in die Puppen irgendwelchen sinnlosen Kram, bis sie schließlich eine weitere Entdeckung machte.
Sie öffnete ein Buch, das von einem starken Lederband zugeschnürt wurde und blättere darin herum. Jedoch waren alle Seiten leer. Merkwürdig, dachte Zelda und legte ihre Hände auf das alte Papier. Nichts passierte. Sie aktivierte ihr Triforcefragment, auf dass es ihr die Weisheit geben möge, ungeschriebene Schrift zu verstehen. Weiterhin ließ sie ihre Hände auf den alten pergamentfarbenen Seiten liegen und wartete. Nichts geschah.
Sie klappte das Buch erneut zu und erkundete den Titel auf der Vorderseite. Jedoch war dieser aus irgendeinem Grund ausgebrannt. Hatte irgendwer dafür gesorgt, das Wissen, welches in dem Buch stand, geheim zu halten? Konnte es sein, dass es einen Verräter in der Schlossgesellschaft gab?
Sie biss sich unbewusst auf ihre Unterlippe und grübelte weiterhin nach. Erneut schlug sie irgendeine leere Seite auf und konzentrierte sich auf ihre Magie. Ihr rechter Handrücken erwärmte sich, gab ein leichtes, goldenes Leuchten von sich, das über die leeren Buchseiten fiel.
„Erhört mich, Ihr Götter Hyrules“, flüsterte sie und starrte auf die Buchseiten.
In goldenem Licht, welches auf den leeren Buchseiten tanzte, bildete sich zunächst ein feiner Rahmen, dann eine außergewöhnliche Schrift, die jedoch nicht aus Tinte bestand, sondern aus einer metallfarbenen, lilaschimmernden Substanz, die wie Feenblut aussah und sogar ein silbernes Funkeln von sich gab. Nach und nach bildeten sich Worte in Althylianisch und Zelda las mit Bedacht, blätterte weiter und las, bis erste Sonnenstrahlen in die Bibliothek fielen.
Sie schlug die letzte Seite in jenem Buch auf und las erstaunt die letzten Worte: „Und jene Macht, die aus dem Schicksal geboren wurde, scheint selbst nicht mehr zu sein als Zeit, als Telepathie, Kraft und eine Form der Energie, scheint nicht mehr zu sein, als ein Siegel, eine Urne, die böses Blut, bestialische Seelen, für immer verschließen konnte. Die Energie eines Symbols, eines Gegenstandes, der so machtvoll, dass er schon Leben in sich birgt. Und möge denen geholfen werden, die wie niemand sonst, von Macht kosteten, Böses kannten und die Zeit um ihre Existenz betrogen. Möge denen das Medaillon der Mächtigen helfen, die selbstlos, ehrvoll an ein friedvolles Hyrule glauben können.“
Zelda schlug das Buch zu und noch ehe sie es erneut in ihre Hände nehmen konnte, löste es sich in Luft auf, als wäre es nie hier gewesen. Und all das Wissen, welches es verbarg, sollte künftig nur noch einer Person gewidmet sein. Nur die Prinzessin Hyrules wusste, was sonst niemand Wissen nennen konnte.
Kapitel 47: Endgültige Versöhnung
Die alte, brennende Sonne in der hylianischen, saftigen Steppe würde in wenigen Stunden untergehen. Der schwarze, gesunde Hengst ohne Namen trabte gemächlich einen der vielen abgetrampelten Warenwege in der Steppe entlang. Von weitem erkannte Link blinzelnd mit Schlafsand in den Augen, mit Schmerzen seiner beißenden Schnittwunden, ein größeres, erhobenes Gebäude auf einem dunkelgrünen Hügel.
Zelda schlief immer noch in seinem festen Griff, ab und an stöhnend, ab und an zuckend. Und auch Link nickte hin und wieder ein. Doch er wollte wach bleiben, so lange bis er einen geeigneten Schlafplatz gefunden hatte.
Eigentlich war es unter dem Aspekt des Zeitdruckes noch viel zu früh, ein Lager für die Nacht aufzuschlagen, aber der Held hatte Ruhe, Schlaf und vor allem eine Versorgung seiner eigenen Wunden bitter nötig.
Plötzlich fühlte er Bewegung, die von seiner Prinzessin ausging und hörte gleichzeitig ein leichtes, quälendes Aufstöhnen.
Link blickte hoffnungsvoll in ihr von Schmerzen gekennzeichnetes Gesicht und murmelte leise ihren Namen. Sie blinzelte, worauf Link die ledernen Zügel fester umfasste und das Pferd ohne Umschweife stoppte.
„Zelda“, wiederholte er vorsichtig, bemüht sein inneres Gefühlschaos zu beherrschen. ,Wach’ auf, mein Engel...’, sagte der junge Held in seinen Gedanken, wollte doch nur ein Lächeln, ein kleines Grinsen aus ihrem schönen Gesicht, wollte etwas so einfaches...
Langsam hoben sich ihre schweren Augenlider über die glasigen, tränenden Augen, in welchem nur Leid geschrieben stand. Die Charakteristik der himmelblauen Farbe in ihren Augen zeugte von ihren Qualen, dem widerlichen Brennen der Wunde und der belastenden Kraftlosigkeit. Ihre Augen begegneten seinen und erzählten ihm von Angst, Verwirrung und Hilflosigkeit. Zelda blinzelte, geblendet von dem Farbenmeer der roten Abendsonne in der majestätischen uralten Steppe.
„Link... wo?“, brachte sie stockend hervor. Ihre Stimme schwach, benommen und zittrig. Doch der Kämpfer antwortete zunächst nicht, zu glücklich, dass er wieder in ihre saphirgleichen Augen sehen durfte und bedeckte ihre rechte Wange mit seiner Handinnenfläche, schaute zaghaft in ihre Augen.
„Pst. Rede nicht soviel“, sagte er, bemüht die Lähmung überhaupt etwas zu sagen zu umgehen, und deutete auf das Gebäude. „Es wäre günstig, wenn wir uns dort ausruhen und ich erkläre dir alles, was passiert ist.“ Sie nickte sachte und lehnte sich mit geschlossenen Augen an ihn.
Wenig später galoppierte Namenlos über eine kleine robuste Zugbrücke hinein in einen Gebäudekomplex, welcher schon seit Jahrzehnten unbenutzt war, zentral ein verlassenes Gotteshaus, in Gedenken an die Taten von Din, Nayru und Farore.
Link stieg vorsichtig vom Pferd und half seiner kraftlosen Begleiterin ebenfalls auf den festen Kiesboden inmitten eines kleinen mit unbepflanzten Beeten überwucherten Innenhofes.
Zugänge zu einem muffelnden Stall, einem alten Brunnen, zwei weiteren kleineren Gebäuden und zum Gotteshaus befanden sich darin. Sanft hielt er sie an ihren Armen, hatte Angst vor jeder kleinen Bewegung, die sie tat, Angst, sie könnte zusammenbrechen... Er wollte etwas sagen, um der Sorge Ausdruck zu verleihen, die in seinen Adern steckte. Aber er brachte kein vernünftiges Wort hervor und schaute zweifelnd zu Boden.
„Lass’ uns zu der Kapelle gehen...“, seufzte Zelda und lief begleitet von Schmerzen und Schweißausbrüchen zu dem Eingang, aber die Kraft dazu hatte sie noch nicht. Ehe sie wehrlos in sich zusammensackte, fing Link sie auf. Er gab ihr ein besorgtes Lächeln und nahm sie auf seine Arme. Zelda ließ es über sich ergehen, senkte ihren stechenden Kopf auf seine starke Schulter und krallte sich um seinen Oberkörper fest.
Schließlich hatte der Held in einem kleinen Hinterzimmer mit einem zerwühlten Bett, einem mit Geschirr und altem Brot bedeckten Tisch, einer offenen Truhe und einem mit Büchern gestapelten Schreibtisch am Ende der Kapelle einige Decken ausgebreitet und eine einfache Suppe vorbereitet. Ein einzelnes etwas größeres Fenster, das nach Westen zeigte, bescherte den beiden einen letzten Blick zu der untergehenden Sonne, die sogar das kleine Zimmerchen in rote Farben tauchte.
Zelda saß kalten Schweiß schwitzend auf einer kratzenden Decke, sah um sich und versuchte ihm die Schmerzen, welche sie durchzustehen hatte, nicht zu zeigen. Ununterbrochen perlte sich der Schweiß auf ihrer Stirn, und doch fror sie. Sie zog die dicke Decke näher zu sich und fühlte doch immer nur die Kälte. Bei Din, sie zitterte am ganzen Leib.
Sie wollte stark sein, sie wollte kämpfen. Aber so oft reichte der alleinige Willen für dauerhafte Taten nicht aus...
Sie hatte schwankend eine Schale mit Suppe in der Hand und noch kein weiteres Wort verloren. Nicht einen winzigen Bissen bekam sie herunter. Erst jetzt bemerkte sie den grünen, dicken Pullover, den sie trug, erkannte die Müdigkeit in Links tiefblauen Augen, entdeckte seine Prellungen, Schnittwunden und sonstigen Verletzungen.
„Link...“, sagte sie und spürte schmerzvoll, wie anstrengend es war, einfach nur seinen Namen zu sagen. „Was...“, sie atmete tief ein, als der plötzliche Schmerz ihr ins Mark fuhr. „Was... ist passiert...“, flüsterte sie.
Doch Link gab nicht sofort eine Antwort. Er rutschte näher und legte eine warme Hand auf ihre glühende Stirn. Sie traute sich nicht ihn direkt anzusehen.
„Hast du starke Schmerzen?“ Sie wollte mit dem Kopf schütteln, aber Link hatte sie schon lange durchschaut. Kraftlos ließ sich die junge Prinzessin auf die Decke sinken und wich seinem Blick wieder aus. Link legte daraufhin langsam eine weitere Decke über sie, hatte den quälenden Wunsch sie zu wärmen, ihr die Schmerzen abzunehmen, auch wenn er wusste, dass sie seine Aufopferung nicht zu lassen würde. Er beugte sich über sie, streichelte über ihre Stirn, worauf sie schwach blinzelte.
„Ich...“, murmelte er währenddessen, schüttelte aber mit dem Kopf, fand keine Worte, die jetzt richtig wären. Sie schloss die Augen, als eine glasige Träne ihre Wange hinabtropfte...
Einige Minuten vergingen und Zelda richtete sich seufzend wieder auf. Es war unangenehm zu liegen. Das elende Brennen der Wunde war eher zu ertragen, wenn sie sich aufrichtete. Ein weinerlicher, herzzerreißender Laut entkam ihrer Kehle, als sie ihren Oberkörper in eine aufrechte Position brachte und diesen auf ihre Arme stemmte.
Ihre Arme wackelten, zitterten unkontrollierbar aufgrund des schwächenden Blutverlustes und des enormen Müdigkeitsgefühl. Sie fühlte sich kläglich und hatte das Gefühl, ihre Wunde wollte sie aufsaugen. Ziepender, dumpfer Schmerz, ständig, marternd. Sie schaute auf ihre Schale mit der Suppe, die sie vorhin neben sich gestellt hatte, aber sie hatte einfach keinen Hunger, als ob Steine in ihrem Magen liegen würden.
Link kramte eine Flasche mit silbrigschimmerndem Wasser heraus und reichte Zelda eine Tasse davon. „Trink’ es. Das ist Heilwasser aus der Quelle irgendwo in den Kokiriwäldern.“ Sie versuchte die Tasse anzuheben, aber ihre Arme fühlten sich an wie Blei. Link reagierte schnell und fürsorglich, nahm ihr die Tasse ab, setzte diese an ihren Mund und legte seine andere Hand als Stütze an ihren Hinterkopf. Seine Prinzessin trank mühsam und würgte einige Schlücke ihre Kehle hinunter.
„D-Danke...“, murmelte Zelda.
Und Link begann leise und trübsinnig zu erzählen: „Nachdem dich... der Pfeil traf, habe ich erneut einen Blackout durchlebt, ich weiß nicht, was genau passiert ist, Zelda.“
„Und... Mortesk?“, hauchte sie heisern und hustete daraufhin. Es tat weh, husten zu müssen.
„Ich nehme an, ich habe ihn getötet. Navi hat mir geholfen, diese Quelle zu finden, sonst...“ Eine Träne lief seine aufgeriebene Wange hinab und Zelda bemerkte diese. Doch aus irgendeinem Grund, den sie selbst nicht verstand, wollte sie nicht glauben, dass diese kleine Träne ihr gewidmet war.
„Ich habe... deine Wunde verbinden müssen und dir dann... den Pullover angezogen... verzeih’, aber ich musste deine Kleidung wegwerfen. Die blaue Bluse war total kaputt...“ Sie nickte bloß. Was war eine derartige Bluse schon wert im Vergleich zu Zeldas Leben?
„Dann bin ich zur Weisenstätte aufgebrochen und habe das grüne Elixier beschafft.“ Ihr schmerzverzerrtes, grämliches Gesicht erhellte sich für wenige Augenblicke, als sie seine Worte hörte und es beruhigte sie ein wenig.
„Deine Wunden?“, sagte sie schwach, als sie sich an eine Wand lehnte.
„Das... ein Killerinsekt hat mich angegriffen. Dann habe ich einen riskanten Kampf durchgestanden und die Bestie umgebracht.“ Link suchte ihren Blick, aber sie schaute ihn nicht an, sondern versank wieder in ihrem Meer der Trübsinnigkeit. Dann lief eine Träne ihre Wange hinab und sie winselte leicht vor Schmerzen. Die Wunde brannte höllisch und ihr leises Weinen half ihr ein wenig darüber hinweg. Und jeder, der schon mal richtig höllische Schmerzen hatte, kann bestätigen, dass in solchen Momenten Weinen tatsächlich hilft…
Nur für Link wurde es zunehmend schwerer, Zelda weinen zu hören. Sein Herz tat ihm weh, als er es hörte.
„Ich wünschte, ich könnte dir deine Schmerzen abnehmen, Zelda“, sagte er und kniff seine Augen zusammen, als er sie so schwach an der Wand gelehnt ansah. Es tat ihm weh, sie so zu sehen, erst recht jetzt, da er mit jeder Minute, die verging mehr für sie fühlte. Diese starken Empfindungen. Diese gewaltigen Gefühle...
Link sprang auf und ballte verzweifelt seine Hände zu Fäusten. „Sag’ mir bitte, wie ich dir helfen kann.“ Aber Zelda schüttelte nur kurz, so gut es ging, mit dem hübschen Kopf und schloss die Augen. Link verließ daraufhin nachdenklich das Zimmer.
Er lief zu dem Brunnen, beschaffte sich Wasser aus einem der Holzeimer mit Stahlverkleidung und begann sich endlich um seine eigenen Wunden zu kümmern. Er entledigte sich seiner Tunika, nahm sich einen Lappen und reinigte seine Wunden von dem Gift der hässlichen Spinne, welches den Göttinnen sei dank nur halb so gefährlich war wie vermutet. Über die schlimmsten Wunden legte er einige Pflaster, besonders über jene auf seinem Brustkorb, ansonsten beließ er es dabei, seine Verletzungen von der hylianischen Luft heilen zu lassen. Er schöpfte ein weiteres Mal Wasser und trug den Eimer hinein in die kleine Kapelle.
„Zelda?“ Sie hatte ihm den Rücken zugewendet und blickte durch das Fenster hinaus auf die Steppe. Die Sonne versank mit einem letzten Emporlodern hinter den westlichen Hügeln. Ein kühler Mantel legte sich über das Land und erste Sterne entfachten ihr Glühen.
Zelda reagierte nicht auf ihn, registrierte seine Anwesenheit lediglich, aber tat, als wäre er nicht hier, um ihm nicht zu zeigen, wie kläglich sie sich fühlte.
Link stellte den Eimer ab und sagte: „Hier ist Wasser aus dem Brunnen... wenn du vielleicht die Kraft findest... und Wasser benötigst, dann... also, ich gehe noch mal hinaus...“ Damit verschwand er. Warum nur war die Situation und das Chaos zwischen ihnen nun noch komplizierter als vorher?
Zelda setzte sich vorsichtig vor den Eimer, entledigte sich zaghaft und langsam des Pullovers und begann ihre Haut mit dem kühlen Wasser zu befeuchten. Ja, es tat gut...
Link lief einige Runden um das Anwesen, erinnerte sich an die Geschehnisse der letzten Stunden und fühlte mehr und mehr Angst um seine Prinzessin in sich aufsteigen. Warum verhielt sie sich jetzt noch abweisender ihm gegenüber? Lag es an ihren Schmerzen?
Der junge Held erspähte in der zunehmenden Dunkelheit einen kleinen Holzweg über einen plätschernden Bach. Mit langsamen Schritten folgte er dem Weg und dachte weiterhin nach. Irrsinnig, gerade jetzt, da Zelda bei Bewusstsein war, brachte er es nicht fertig bei ihr zu bleiben, obwohl er sich nach ihrer Nähe sehnte. War es in der Vergangenheit schon so schwierig mit Zelda zurechtzukommen, war es damals so kompliziert sich mit ihr zu unterhalten? Nein... sicherlich nicht.
Der junge Kämpfer folgte weiterhin seinem Weg, und stand letztlich auf einer riesigen Wiese, die einen unbeschreiblichen Blick über die in dunklen Farben gemalte Steppe ermöglichte. Ruhe. Frieden. Besinnlichkeit. Doch die Stille war trügerisch, wie der milde sich nähernde Wind, der nur wenig von der Erbarmungslosigkeit eines anrückenden Sturmes preisgab. Link erblickte im Osten viele kleine Erhebungen und zahlreiche Bäume. Sicherlich befand sich dort irgendwo der Eingang zu Zoras Reich.
Um sich ein wenig abzulenken, kramte er Hyrules Karte heraus und studierte diese genau. Nicht weit von Zoras Reich befand sich eine Markierung einer großen Ortschaft und Link konnte die Schriftzeichen auf der Karte nun lesen... Kakariko... ja, neben Zoras Reich war dieser Punkt ein Zielort. Link ließ sich aufs Gras sinken und starrte einige Minuten mit besorgtem Blick hinaus auf die weite Steppenlandschaft.
Ganon saß gerade an einer langen Tafel inmitten der Kathedrale Schicksalshorts, wo zahlreiche Speisen aufgereiht waren. Rohes Fleisch. Blutige Steaks. Wein, der selbst an Blut erinnerte. Und er allein saß an dem Tisch, aß und trank mit bloßen Händen und füllte seinen Magen mit Nahrung einer Welt, für die ihn das Verständnis fehlte.
Gerade floss roter Trank seine Kehle hinab, als eine Schar Moblins mitsamt der Schattengötter in die Kathedrale stapften. Ihre Rüstungen klapperten mit jedem Schritt und zerstörten die unnahbare Stille in der alten Kathedrale. Ein dicker Moblin mit giftgrünen Augen und auffälliger, grauer Haut in seinem halbverdeckten, narbenreichen Gesicht zerrte einen Gefangenen an einem Seil gewaltsam hinter sich her. „Wir haben Beute, mein Lord.“
Der Schrecken der Finsternis stand auf und war plötzlich direkt vor dem Moblin um dessen Gefangenen zu mustern. Ruckartig schlug der Moblin das Seil nach vorne, ließ es wie eine Peitsche auf dem Boden aufschlagen. Eine Kinderstimme wurde hörbar; und ein heller Schrei hallte in der Halle umher. Der Fürst des Schreckens zog seine blauen, fast schwarzen Lippen nach oben und packte das Kind an dem blonden Schopf. Innerlich befriedigt begann Ganon zu lachen, als er in ein Paar verängstigte blaue Augen sah, die aus einem bleichen Gesicht hervorleuchteten.
Blut tropfte von den Mundwinkeln des Wesens und Angst stand in dem Kindergesicht geschrieben. „Und ich habe dich doch gefunden, du Narr. Hat man vergessen dir beizubringen, das Böse nicht zu unterschätzen?“ Ganons Stimme dröhnte dann durch die Kathedrale und mit seiner Faust schlug er dem kleinen Wesen direkt in das Gesicht.
Das Kind wurde bewusstlos und landete krachend an der Wand, wo er hängen blieb, da Ganons Magie es so wollte. Gehässig trat Ganon näher und besah sich den Bengel, der sich plötzlich nicht mehr in Luft auflösen konnte. Er hatte eine riesige Wunde an seiner rechten Seite. Das schien wohl sein Verhängnis gewesen zu sein, denn dadurch gelang den Moblins erst seine Festnahme...
Dann fiel der Dolch, welcher fatal dem Masterschwert aus Ganons Erinnerungen ähnelte, in seinen Blickwinkel und seine schmierigen Pfoten griffen danach. Er fluchte, denn allein am Griff verbrannte er sich die Hand. Na gut, dachte er, soll’ er dieses Spielzeug doch behalten...
Ganon packte den bewusstlosen Grünschnabel am Kragen und warf ihn in den nächstbesten Kerker. Dieser Junge würde nichts mehr zu lachen haben, wenn er aufwachte, und, was für Ganons Mordtrieb noch besser war, würde er dieses Gefängnis nicht mehr verlassen können. Erst recht nicht mit dieser Wunde, wo immer er sie auch herhatte.
„Genauso wie ich diesen Link töte, wird ein anderer Link sterben“, sagte der Meister der Dunkelheit und lachte erneut fast krankhaft über seinen vermeintlichen Erfolg.
Leise öffnete Link die schmale Tür zu dem gemütlichen Hinterzimmer. Er schloss jene gerade und drehte den rostigen Schlüssel herum, der in dem alten, abgenutzten Schlüsselloch steckte, als er einen genaueren Blick in das Zimmer warf. Einige Kerzen erhellten das Kämmerchen und Feuer flackerte in dem Kamin. Seine Prinzessin beachtete ihn nicht, wohl deshalb, weil sie ihn noch gar nicht bemerkt hatte. Wie eine Göttin saß sie halb nackt, ohne den grünen Pullover mit einem Badetuch um die Hüfte geschlungen auf einer Decke vor der Wärmequelle und kämmte sich mit einer Bürste anmutig die goldenen Haare.
Sie hatte Link den Rücken zugewendet und seine Anwesenheit weiterhin nicht wahrgenommen. Die blonden Strähnen bedeckten ihren gesamten Rücken, sogar den riesigen Verband nahmen ihre Haare vollständig ein. Der gewandte Kämpfer starrte sie wie hypnotisiert an, malte ein Bild aus der Vergangenheit in seine Gedanken und fragte sich wie es wohl jetzt sein würde, dieses seidene Haar zu berühren.
Für einen Moment schien er wie verzaubert und alles in seinem Blick verriet die Sehnsucht in seinem Herzen. Er lief wenige Zentimeter in Zeldas Richtung, stoppte aber, als sie die altrosa Bürste ablegte und sich den waldgrünen Pullover nahm. Sie streichelte über den Stoff, führte den Pullover zu ihrem Gesicht und umarmte das Stück Stoff fast.
Es war warm, Links Geruch haftete daran und seine Nähe war durch dieses Kleidungsstück für sie fühlbar. Sie schien in dem Augenblick frei von Schmerzen zu sein, oder vielleicht klang das Brennen der Wunde allmählich ab, denn sie begann leise zu summen. Ein Lächeln umspielte Links Mundwinkel und er selbst blieb unerkannt, beobachtete seine wunderschöne Zelda und war so dankbar, dass man sie ihm nicht weggenommen hatte. Dann beendete sie das sehnsuchttragende Lied und legte eine Hand auf den dicken Verband ihrer klaffenden Wunde. Sie stöhnte leise auf und wirkte in dem Moment noch zerbrechlicher für Link.
„Zelda...“ flüsterte Link, der sich endlich aus seiner Verzauberung löste.
Sie drehte ihren Kopf zu ihm, ein wenig entsetzt darüber, wie er so unbemerkt in den Raum gelangen konnte und bedeckte schnell mit einer Decke ihren entblößten Oberkörper. Aber sie schien nicht verärgert zu sein, dass ihr Heroe hier war- ganz im Gegenteil. Seine Anwesenheit beruhigte sie, erfüllte sie mit Sehnsüchten und der Erinnerung an vergessene Verbote.
Links trauriger Blick verweilte in ihrem blassen Gesicht und sachte setzte er sich zu ihr. Doch sie erwiderte seinen Blick nicht, als ob sie sich fürchtete, das in seinen hypnotisierende Augen zu sehen, was sie dennoch seit langem darin sehen wollte, was sie sich wünschte, was sie in ihrem Herzen begehrte.
„Wie... wie fühlst du dich?“ Seine Worte klangen so unwirklich wie er sich selbst in dem Moment fühlte. Seine tiefblauen Augen schweiften hinab zu dem wärmenden Kamin, und Besorgnis lag in jenem schwermütigen Blick.
„Besser... danke...“, sagte sie und umarmte sich selbst ein wenig unter der pelzigen Decke.
„Wirklich?“ Er konnte wohl trotz allem nicht glauben, dass es Zelda den Umständen entsprechend gut ging. Er drehte sich zu ihr, legte eine mit Schnitten übersehene Hand auf ihre schwitzende Stirn um ihre Temperatur zu fühlen. Er bewegte sich auf sie zu, sodass ihre Augen nur wenige Millimeter voneinander entfernt waren und verglich seine eigene Stirn mit ihrer. Zaghaft sah Zelda in das stechende, einzigartige Blau seiner Augen, wollte entrinnen und wusste doch, dass sie für ihr tiefstes Bedürfnis bei keinem Henker um Gnade flehen würde. Dann lächelte Link sanft.
„Du hast kein Fieber mehr, Zelda, und stell’ dir vor, deine Stirn ist sogar kühler als meine“, sagte er aufmunternd und erwartete ein leichtes Lächeln, welches er erhielt. Sie schloss kraftlos die Augen, denn Schlaf schien mächtiger in jenem Moment als jegliche anderen schöpfenden Kräfte, und gähnte vorsichtig.
„Das ist gut... nicht wahr?“, sagte sie spaßhaft und versuchte mit den höllischen Schmerzen und dem hinterhältigen Müdigkeitszustand ein wenig zu grinsen. Sie versuchte es, auch wenn sie nur eine Hälfte ihres Mundes in die Höhe ziehen konnte und auf der anderen Gesichtshälfte ein Auge beißend zusammenkniff.
„Sehr gut...“ Gott, Link war so dankbar dafür, dass sie lebte, so überaus dankbar. Er wusste nicht, was er getan hätte, wenn er sie verloren hätte.
„Wegen unserer Freundschaft...“, begann Link. Und Zelda schaute ihn zweifelnd von der Seite an. Der junge Held nahm daraufhin ihre kühlen, zitternden Hände in seine.
„Ich werde immer... immer dein Freund sein, Zelda“, ergänzte er leise und hielt ihre Hände fest in seinen. „Egal, was geschieht, Zelda, ich verspreche dir, immer... dein Freund zu sein.“ Und der blonden Hylianerin kamen beinahe die Tränen, sie legte eine Hand über ihre Lippen um ein Schluchzen zu unterbinden.
„Wie kannst du das... nach allem, was ich zu dir gesagt habe, was ich dir angetan habe?“
„Nun... das muss wohl daran liegen, dass du etwas Besonderes bist, Zeldaschatz...“
Auf die Bemerkung lächelte sie sanft. „Du sollst mich doch nicht so nennen, Link.“
„Warum? Ist doch süß, oder nicht?“
„Ja zuckersüß, aber...“
„Aber? Meinst du nicht, du hättest einen solchen niedlichen Spitznamen verdient?“
„Als Prinzessin kennt man keine Spitznamen, du Schlauberger.“
„Dann wird es aber Zeit, dass du einen erhältst, meine Prinzessin.“
„Aber nicht Zeldaschatz.“
„Doch.“
„Nein.“
„Doch.“ Und Link betonte das Wort ungeheuer. „Ich finde, du bist ein Schatz und was wäre dann besser als Zeldaschatz...“
Sie schaute ihn durchdringend an: „Meinst du das wirklich?“
„Dass du ein Schatz bist? Jep!“ Auf diese Worte schwieg sie. Noch nie hatte sie an ihren eigenen Wert gedacht und an die Tatsache, dass ihr Leben selber sehr wertvoll und ihm so viel daran gelegen war. Noch nie war ihr in den Sinn gekommen, dass Link sie als genau das ansah: Wertvoll. In der traurigen, mit Prüfungen belastenden Vergangenheit hatte kaum jemand ihre innere Werte beachten können, sicherlich hatte Zelda ihren Wert. Aber eben nur als die hochrangige, kluge und repräsentative Prinzessin von Hyrule. Wer kümmerte sich schon um Zelda, das Mädchen, wie sie wirklich war? Wen interessierte das trübsinnige, traurige Kind, das sie war... Jeder sah eben nur die Prinzessin, die das wichtigste Gut im Königreich von Hyrule darstellte...
Dann geschah es und ein übler Schmerzstich durchfuhr sie. Sie presste ihre trockenen Lippen aneinander und ballte ihre zitternden Fäuste, um diese gemeine Empfindung zu unterdrücken.
„Schmerzen?“
Sie nickte und sagte: „Mmh...“
„Vielleicht nimmst du noch einen Schluck von dem Heilwasser, oder, wenn du auf moderne Medizin ausweichen willst, ich habe einige Schmerztabletten irgendwo in meiner Tasche.“
„Ja... bitte gib mir eine davon“, hauchte sie ausatmend.
„Gerne.“ Link wühlte dann in seinen Sachen herum und suchte eine halbe Ewigkeit nach dem Schmerzmittel. Zelda beobachtete jede seiner Bewegung, so beruhigt, dass er bei ihr war, so zufrieden, das man jenes Gefühl schon Glück nennen konnte. Seine grüne Tunika sah ziemlich mitgenommen aus und das nur nach so wenigen Kämpfen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er keine Mütze mehr trug und sein blondes Haar im Moment wild und ungestüm war. Aber die einzelnen Strähnen, die so unbefangen in seine dunklen Augen fielen, wirkten mehr als anziehend auf sie.
Nach einer Weile fand er das Schmerzmittel und reichte Zelda die Schachtel.
„Link?“, sagte sie und überwand für einen Moment die Schwelle ihrer Gefühle für ihn. „Möchtest du meine Bürste haben?“
„Äh... Ja, warum nicht?“
„Dein Haar sieht nämlich sehr zerzaust aus...“
Er kämmte sich ohne viel Drumherum die Haare und setzte sich wieder zu seiner Prinzessin des Schicksals vor den Kamin. Auch er nahm sich eine dicke Decke. Zusammen beobachteten sie die Flammen, die munter in dem kleinen Backsteinkamin herumtanzten, wie kleine Kobolde, auf der Suche nach verwöhnenden Streichmöglichkeiten.
„Ich wollte mich bei dir entschuldigen, Zelda...“, fing Link an. „...du weißt, wegen der Tatsache, dass ich die Telepathiesteine verwendet habe... ich hätte das nicht tun sollen. Irgendwann hättest du es mir bestimmt erzählt, ich hätte dir auf jeden Fall vertrauen müssen.“
„Und wann?“, sagte sie lauter. „Wann glaubst du, hätte ich es dir erzählt?“
Er zuckte mit den Schultern und meinte leise: „Dann, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen wäre.“
„Wenn es zu spät gewesen wäre...“, flüsterte sie und kniff ihre mit Schatten belegten Augen zusammen. „Ich hätte geschwiegen...“
„Aber Zelda? Warum?“
Sie unternahm erst gar nicht den Versuch sich schon wieder zu rechtfertigen und kämpfte mit ihren Gefühlen ihm gegenüber. Sie konnte es sich nicht eingestehen, sie konnte ihm nicht sagen, was er ihr bedeutete... sie brachte es nicht über die Lippen. Nicht einmal den Anfang eines Geständnisses, etwas, was sie schon seit Jahrhunderten mit sich herumtrug. Aus Angst vor Abweisung. Aus Angst verlassen zu werden.
Link packte sie sanft an den schmalen, herabhängenden Schultern und drang mit seinen Augen in ihre gehütete Gedankenwelt vor. Sie wollte flüchten, vor ihm und ihren Gefühlen, doch er war nicht bereit sie kampflos gehen zu lassen.
Er war nicht derselbe Link, den sie in der Vergangenheit überzeugte, sieben Jahre in der Zeit zurückzugehen. Er war nicht mehr der Link, der ihr damals ohne Widerworte die Okarina der Zeit zurückgegeben hatte. Er würde sie nicht mehr weglaufen lassen.
„Bitte...“, hauchte er. Sie konnte ihn einfach nicht ansehen und sagte leise: „Ich habe seit Ganon die Herrschaft an sich gerissen hat... jede Nacht... davon geträumt... immer und immer wieder...“ Ihre Augen wurden gläsern und das erste Mal verstand Link, wie weh es ihr tat, jene Bilder zu sehen. Sie legte eine Hand auf ihr stark pochendes Herz und ließ ihren ängstlichen, wässrigen Blick schweifen, als ob ihre bitteren Gedanken nicht enden wollten, um die Worte, die sie sagen wollte, erst gar nicht zu erschaffen.
„... es hat...“ Sie fasste sich mit einer Hand an ihr Haupt, als ob sie sich nicht mehr halten konnte, während Link ihr Verhalten studierte und es ihm immer mehr zusetzte, dass sie sich so quälte.
„... jede Nach hat es mehr weh getan, dich dort liegen zusehen...“, sagte sie leise, mit den Tränen kämpfend, „... und ich konnte es dir nicht sagen, um dir deine Hoffnung nicht zu nehmen... verzeih’ mir bitte... Ich wollte das nicht.“
„Ich weiß...“, sagte ihr Held. Er nahm ihr blasses Gesicht in beide seiner Hände und murmelte ruhig und vertrauensuchend: „Das ist jetzt nicht mehr wichtig, denn es wird nicht dazukommen.“
„Aber meine Prophezeiungen...“
„Sch...“, begann Link und legte einen Zeigefinger auf ihre schwachrosa Lippen. „Selbst der Weiseste irrt sich einmal.“
„Link, aber dein Nachkomme, er erzählte mir, er wird nicht existieren.“ Und Zeldas Blick wurde immer mutloser.
„Warum sollte das an mir liegen? Wie kommst du darauf, dass er wirklich ein Nachfahre von mir ist?“ Zelda verstummte.
„Gibt es noch etwas, dass du mir erzählen möchtest?“ Sie antwortete nicht, sondern erwiderte ehrlich seinen Blick, dann legte sie zaghaft ihre Hände auf seine rissigen vom Kampf gezeichneten, die noch immer auf ihren seidenen Wangen ruhten.
„Ich... hatte eine Vision... in der Nacht, bevor Mortesk uns angegriffen hatte...“ Link war im Begriff seine Arme um sie zu legen, wollte sie wärmen, bei ihr sein, sie beschützen, aber sie lehnte sich zurück, als wäre es ein Fehler sie zu berühren. Ein Fehler, sowohl heute, als auch damals...
„Ich hörte die Melodie meiner Spieluhr und es war, als wäre das Kind hier gewesen und machte mir Vorwürfe, dass es wegen mir nicht existieren würde... verstehst du... wegen mir...“
„Es war eine Vision oder Halluzination, wie du schon selbst sagtest... mach’ dir deswegen keine Gedanken... hm? Hattest du noch mehr Visionen?“ Sie schüttelte mit dem Kopf und log ihn schon wieder an. Sollte sie ihm etwa sagen, sie wäre in ihrem riesigen, weichen Himmelbett aufgewacht und nicht einmal überrascht, dass er sich direkt neben ihr befunden hatte und sie zu allem Überfluss mit zärtlichen Küssen überschüttet hatte? Nein, bei Farores göttlichem Mut, aber das brachte sie nicht über ihre Lippen...
„Es ist okay, Zelda... vielleicht brauchen wir ein anderes Gesprächsthema.“
„Und worüber willst du reden, Link?“, sagte sie und spürte wieder einmal die tiefe Wunde. Hastig atmete sie ein und aus, presste ihre Hände auf die Wunde und kniff die Augen kurz zu. „Die Zeit läuft uns davon, ich kann einfach an nichts anderes als diese Mission denken, ich kann nicht einen erheiternden Gedanken mehr...“ Sie brach ab, als sie die Sorge in seinen Augen sah. Er gab sich Mühe, sie abzulenken und ihr über die Ängste hinwegzuhelfen, aber sie schaffte es nicht loszulassen...
„Es ist nicht einfach... zu verdrängen“, meinte sie nach einer Weile.
„Es ist nicht einfach... zu vergessen“, stimmte er zu. „Und noch weniger einfach... sich etwas einzugestehen, Zelda.“ Sie nickte, wissend, was er damit meinte.
„Ich würde gerne nach deiner Wunde sehen. Meinst du, du kannst es dir eingestehen, dass du meine Hilfe brauchst und, dass ich dir gerne helfen würde... weil... du mir wichtig bist?“ Sie drehte ihm den Rücken zu und ließ die Decke langsam von ihrem zarten Oberkörper gleiten.
„Bitte“, murmelte sie.
Link war neben ihrem plötzlichen Sinneswandel erstaunt über die Offenheit, die Zelda an den Tag legte. Gab es einen anderen Grund, weshalb sie sich plötzlich traute, Link mehr Vertrauen zu schenken als bisher? Gab es eine Ursache, dass sie sich mehr denn je in seine Nähe wagte? Ein Grund, der über die Folgen ihrer Wunde weit hinausging?
Er setzte sich direkt hinter sie, beachtete ihre daraus resultierende, steife Anspannung nicht, ignorierte ihr Zittern, als er ihre goldenen Strähnen sanft zu Seite strich, um Zugang zu dem Verband zu haben.
„Hast du nicht eine Spange oder einen Zopfhalter für deine langen Haare, Zeldaschatz? Die sind nämlich trotz ihrer unglaublichen Schönheit ein wenig im Weg, wenn ich die Wunde anschauen will.“ Unglaubliche Schönheit, dachte Zelda. Hatte Link das gerade wirklich gesagt? Oder träumte sie vielleicht?
„In... in meiner Geldbörse, in welcher ich die Steine hingepackt habe, ist eine Spange.“ Link machte sich nicht die Mühe aufzustehen und blieb eng hinter ihr sitzen, vielleicht ein wenig zu nah, kramte nach besagtem Objekt, fand es und war erstaunt, wie kostbar diese Spange aussah. Ein reichlich mit unterschiedlichen, bunten Edelsteinen besetztes Schmuckstück, mit Gravur und anderweitigen Verzierungen.
„Diese Spange... sie war ein Geschenk von...“
„Ja?“
„...von meinem möglichen Zukünftigen...“ Link ließ vor Schreck die Spange aus seiner Hand fallen. Meinte sie das ernst? Hatte Zelda damals jemanden geliebt? Geschockt rührte sich Link nicht mehr und machte auch sonst keinen Mucks.
„Ich wurde nach langem hin und her jemandem versprochen, Link. Es war mehr ein Bündnis zwischen zwei königlichen Familien...“, sagte sie dann, „Ich habe ihn nie geliebt... Es kam nebenbei auch nie dazu, weil... damals alles verblasst ist, noch bevor meine Heirat stattfand.“
„Du hast ihn nicht geliebt? Wer war er?“ Link versuchte sich keinen Hauch Eifersucht anmerken zu lassen, wollte sich beherrschen, sie nicht auszufragen und atmete bei dem Gedanken, ein anderer würde Zelda berühren, würde sie festhalten, würde sie küssen und verführen, scharf ein. Er strich mit der Eifersüchtelei kämpfend ihr Haar zärtlich über ihre Schultern, sodass er jede goldene Strähne in der Spange festhalten konnte. Eine Gänsehaut überkam sie, als seine Hände unabsichtlich ihre Haut berührten. Sie reckte ihren Kopf nach hinten und seufzte leicht angesichts des fröstelnden Kribbelns jener Empfindung.
„Alles okay?“
„Ja... es tut nur manchmal ein wenig weh.“
„Die Wunde... oder die Vergangenheit?“ Sie drehte ihren hübschen Kopf nach hinten und erhielt den aussagekräftigsten Blick, den sie suchte.
„Die Wahrheit...“
Link war nun dabei den Verband zu entfernen und tat dies unheimlich umsichtig. Zelda erzählte währenddessen: „Er stammte von hohem Haus und die Wahl meines Vaters fiel auf ihn, da er uns als einzigster keine übertriebenen, falschen Komplimente unterbreitete und weil seine Augen sagten, dass er ein rechtschaffenes Herz in sich trug. Aber ich musste die Entscheidung zum Wohle Hyrules treffen... nicht zum Wohle meiner Selbst und das war wohl auch der Grund, weshalb ich ihn nie hätte lieben können.“
„Das hättest du nicht tun müssen, Zelda. Weißt du, was ich glaube?“
„Was?“
„Viele Menschen erzählen von ihrer großen Liebe. Sie verlieben sich, weil sie annehmen, sie müssten es, um nicht alleine zu sein, oder um ihr Gesicht zu wahren, weil es sich eben einfach nicht gehört, dass man ein Leben lang alleine ist. Aber Liebe kennt keine Zeit, Zelda. Das ist es wohl, was viele Leute vergessen.“
„Liebe kennt keine Zeit... wie meinst du das?“
„Ich meine, entweder man trifft die wahre Liebe oder man belügt sich selbst, wenn man annimmt jemanden zu lieben, nur um so zu tun, als ob man im siebten Himmel ist. Ich will sagen, das, wenn es einfach nicht Liebe ist, man erst gar nicht hoffen braucht, dass ein Wunder geschieht... Das ist meiner Meinung nach nicht die wahre Liebe.“ Zelda lächelte nur leicht und entgegnete nichts. Sie verstand jene Worte nur zu gut...
Link entfernte die letzte Schicht des festen Verbandes vorsichtig, und hörte sofort ein schmerzliches Fluchen aus ihrem blassen Mund.
„Ruhig...“, murmelte er, gab ihr einen unbemerkten Kuss an den blonden Hinterkopf und schaute sich die Wunde genau an. Sie schillerte immer noch silbern und war geöffnet, aber innerlich musste sie irgendwie heilen, sonst würde Zelda nicht so mit ihm reden können und so lange wach bleiben.
„Sieht gut aus, Zeldaschatz“, sagte er beruhigend und kramte nach frischen Verbänden.
„Link, warum tust du das für mich? Das ist wirklich nicht deine Pflicht...“ Leicht verärgert funkelte der Held ihr entgegen, wünschte sich so sehr, sie wäre nicht so abweisend, nicht so bekümmert und ständig auf der erbarmungslosen Suche, drauf und dran, seine Fürsorge abzuweisen.
„Ach Zelda...“, sagte er verträumt. „Mein kleiner Dummkopf. Ich weiß selbst, dass es nicht meine Pflicht ist. Ich tue das, weil du mir viel bedeutest und das weißt du, Zelda... hör’ doch mal auf... dein Herz... anstatt auf deine Weisheit, hm?“ Und Link gab ihr ein aufmunterndes Lächeln und einen sanften Stups an ihre Stirn. Sie erwiderte seinen Blick und lächelte ebenso, auch wenn die Wunde an ihrer Kraft nagte.
Er legte ihr vorsichtig die straffenden Verbände um und die Königstochter ließ es sich gefallen. Ein himmlisches Gefühl, fast halluzinierend. Sie atmete genießend ein, wollte mehr davon, wünschte sich seine vertrauten Hände überall. Seinen Atem an ihrem Ohr. Sein Herz neben ihrem. Sein Mund...
Verflixt, Prinzessin, mahnte sie sich, läufst du noch rund, sagte Zelda als sie aus ihren Gedanken flüchtete, da sie beinahe zugelassen hätte, was sie stets ignoriert hatte. Es war ein Fehler, sagte sie. Nicht richtig... niemals richtig...
Nach vielen Minuten hatte der junge Mann den frischen Verband um Zeldas Bauch gewickelt, aber ihm war noch nicht danach zumute, sie jetzt sich selbst zu überlassen. Er blieb stur, wo er war: verführerisch direkt hinter ihr.
„Sag’ mir... wieso Zelda?“, flüsterte er in ihr spitzes Elfenohr. Sein warmer, feuchter Atem kitzelte es und sie fühlte sich wie gefangen in einem weitentfernten, herrlichen Orbit.
Er legte seine angenehmen Hände sanft auf ihre angespannten Schultern und begann sie zu massieren. Aber sie antwortete ihm nicht und schwieg.
„Warum hast du... diese Schmerzen auf dich genommen? Du hättest den Pfeil sein Ziel erreichen lassen können.“ Sie gab nach und entspannte sich. Ihre Schultern hingen nun schlapp herunter, auch ihr Körpergewicht konnte sie nicht mehr halten und sie ließ sich in seine beruhigende, warme Umarmung fallen.
„Du hast mir das Leben gerettet, Zelda... ich konnte mich noch nicht dafür bedanken. Danke, mein kleiner Schutzengel.“ Sie drehte sich sachte um und lächelte so gut wie es mit den Schmerzen ging.
„Dennoch...“, ergänzte er, „... tu’ das nie wieder. Setz’ dich nie mehr einer derartigen Gefahr aus. Und tu’ nichts, was über deine Kräfte geht, Zelda. Gott, ich wäre aus Angst um dich beinahe gestorben...“ Distanz suchend wich Zelda ein wenig weiter nach vorne, konnte einfach nicht anders, als Link erneut auszuweichen.
„Zelda... bitte sag’ mir warum“, meinte er leise und hatte nicht die Einsicht oder Akzeptanz seine Prinzessin weglaufen zu lassen. Erneut umarmte er sie einschmeichelnd und zog sie eher ungewollt an sich, vergrub seinen verliebten Kopf auf ihrer anziehenden Schulter, während Zeldas Puls ungebändigt in die Höhe schoss.
„Sag’ es bitte...“, murmelte der junge Kämpfer leise, hauchte seinen warmen Atem an ihren Hals und wollte doch nur eine aufrichtige Antwort.
„Ich kann nicht...“, entgegnete sie kühl, und wich wieder nach vorne.
Link tat nichts anderes als enttäuscht zu seufzen.
„Ist es wegen mir?“, meinte er und blickte betreten zu Boden. Sie kniff die Augen zusammen und wusste doch... es war nur wegen ihm. Sie tat es aus Sehnsucht, aus Liebe... Und doch verbat ihr die Vergangenheit, vielleicht auch die grausame Verkettung ihres Schicksal, es endlich rauszulassen, ihrem Liebsten alles zu beichten.
„Zelda... bitte...“, murmelte Link und konnte einfach nicht anders. Jegliche Beherrschung verabschiedete sich und er küsste sie sanft an ihr rechtes Ohrläppchen. Von sich selbst erschrocken fuhr er zurück und bedeckte seine Lippen mit einer Hand. Doch Zelda schien jenen Kuss nur als einen kühlen, angenehmen Luftzug wahrgenommen zu haben. Oder sie wollte es nicht als ein Annähern interpretieren...
„War es aus Pflichtgefühl? Aus Angst? Aus... Liebe?“
Zeldas Augen standen starr, sie fühlte sich ertappt und unsicher... aus Liebe... Er hatte genau das gesagt, was sie nicht konnte. Seine Worte hatten ihre Wurzeln tief in der Wahrheit begraben. Liebe... Sie biss sich auf ihre Lippe und wusste nicht, welche Ausrede in dem Augenblick ausreichen würde.
Aufgeregt spannte Zelda ihre Arme in die Breite, wollte das Wort Liebe nicht als Wahrheit erkennen und log laut und eindringlich: „Ich wollte mich doch nur einmal bei dir revanchieren. So oft hast du mein Leben vor dem sicheren Tod bewahrt und du hast nie etwas dafür verlangt...“
„Das stimmt nicht ganz.“ Sie richtete sich endgültig auf und griff nach der Wasserflasche. Einige Kerzen waren heruntergebrannt und das Feuer des Kamins bedarf an Kohlen.
Link hüpfte auf die Beine und schürte das Feuer, worauf es zu neuer Stärke erwachte. „Das stimmt nicht ganz?“, sagte Zelda auffordernd, als sie sich den dicken, grünen Pullover überstreifte.
„Ja, nicht ganz.“ Aber Link würde seine Gedanken hier nicht preisgeben... noch nicht.
„Was anderes... du magst den Pullover?“
„Ja, er ist schön warm.“
„Du kannst ihn ruhig behalten, Zeldaschatz.“ Sie gab ihm einen spielerisch giftigen Blick. Etwas glitzerte in ihren Augen, als würde ein kleines Licht durch den Schatten über ihren Augen durchschimmern.
„Außerdem...“, sagte sie nach einer Weile. „...kannst nur du diese Mission zuende bringen. Nur du bist in der Lage Ganon aufzuhalten... deshalb musste ich etwas tun, Link.“ Doch die Seele des Helden wusste um etwas anderes. Sie wusste um die Wahrheit und kannte den Grund für Zeldas Selbstlosigkeit... Und jenes aufopferungsvolles Verhalten entsprang fern abseits jeglicher Revanche.
„Schon gut... vielleicht haken wir dieses Kapitel in unserem Leben ab. Was meinst du?“ Sie nickte erleichtert. „Und beginnen stattdessen ein neues?“, entgegnete sie.
„Ja, ein neues Kapitel für Zelda, die wunderschöne, fesselnde, weise Prinzessin Hyrules und ihren atemberaubenden, charmanten, unverschämten Helden Link. Was hältst du von dem Titel: Wenn der Blitz einschlägt, trifft er uns nicht.“ Zelda schmunzelte leicht und erneut hatte Link es geschafft, ihr ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern.
„So ist’s gut...“, sagte er und lachte ebenfalls ein wenig.
Und damit traf sie wirklich der Blitz nicht. Außerhalb wurde Donner hörbar, und ein Blitz zuckte den dunklen Himmel entlang. „Ups... so genau habe ich das eigentlich nicht genommen“, meinte Link, mächtig verwundert, und lachte dann wieder. Er schaute seine Prinzessin gefühlvoll an, die seinen Blick erwiderte.
„Ich... ähm...“, begann er, „... muss mich noch für mein Verhalten entschuldigen, Zelda.“
„Welches?“ Er setzte sich zu ihr und legte wieder eine wärmende Decke über ihre schlappen Schultern. Dann starrte er in das flackernde Feuer, bedacht die weise Zelda, die neben ihm saß, nicht anzusehen. Denn nun war es an ihm, einige Peinlichkeiten aus der Welt zu schaffen.
„Ich habe dich unfair behandelt, als wir gegeneinander gekämpft haben, weißt du noch? Du bist nicht schwach...“
„Kein Problem... ich habe noch mehr Fehler gemacht als du. Denn in letzter Instanz war ich diejenige, die mit den Streitereien angefangen hat...“ Sie schaute trübsinnig hinaus aus dem rauen Fenster. Einzelne Regentropfen klatschten an die milchigraue Scheibe.
Streitereien, nur weil sie sich gegen seine Gefühle betäuben musste.
Streitereien, nur weil sie Angst hatte, er könnte nichts von dem erwidern, was sie doch fühlte.
Streitereien, weil sie Angst hatte, ihn zu verlieren- teuflische Angst.
„Und ich habe dich angeschrieen, da ich irgendwie die Nerven verloren habe. Versprechen wir uns, dass wir uns nicht mehr anschreien?“ Sie nickte, auch wenn Kummer in ihren schönen blauen Augen verborgen war.
„Link... ich wollte dir niemals weh tun...“, flüsterte sie, während sich in ihrem Inneren der Schutzwall gegen seine starken Gefühle erneut errichten wollte. Er nahm ihre Hände in seine, sah sie mit traurigen Augen an und nickte leicht. „Ich dachte manchmal, du wolltest mich gar nicht dabei haben und siehst mich nur als dummen Trottel.“
„Aber Link... das...“ Er schüttelte mit dem Kopf und sah traurig zur Seite. Seine Hände lösten sich von ihren.
„Manchmal dachte ich, du empfindest etwas... ich meine... etwas besonderes für mich... und im nächsten Augenblick hast du dicht gemacht, hast mir Dinge um den Kopf geworfen, die ich lieber nicht gehört hätte und bist mir immer fremder geworden. Ich wusste nicht, ob du noch das Mädchen warst, das ich damals in den Wäldern fand, das nach mir gerufen hatte und...“ Der junge Held stand auf und drehte ihr den Rücken zu und murmelte leise: „Ist es wahr, Zelda? Hat man dich nie an Liebe teilhaben lassen... hast du niemals erfahren, was Liebe ist?“
Zelda krallte sich zitternd mit ihren Händen in der grauen Decke fest und unterdrückte das Gefühl, einfach nur vor Link und seinen Worten davonzulaufen. Sie kniff die Augen zu und versuchte zu verdrängen.
„Zelda... ist es wahr? Glaubst du, du hättest es nicht verdient geliebt zu werden? Hast du deswegen mit mir gestritten, weil du vor mir und meinen Gefühlen für dich weggelaufen bist?“
Und schon wieder liefen Tränen über ihre Wangen, die sie abtun würde, wie die Gefühle in ihrem Inneren. Schnell wischte sie sich diese weg und versuchte zu lächeln.
„Ich möchte nicht mehr mit dir streiten...“, sagte sie und presste ihre trockenen Lippen aneinander, da sie immer noch mit den Tränen kämpfte. Sie atmete tief aus, stand wankend auf und lief zu dem kleinen, trüben Fenster.
Es ging einfach nicht, da war dieser Druck in ihrem Inneren, dieses Gefühl der Traurigkeit, diese Hoffnungslosigkeit und das Nagen des Schmerzes unter ihrer Brust. Und einmal mehr weinte sie vor sich hin. Sie lehnte sich mit dem Kopf an die Fensterscheibe, als ob die Kälte des Glases ihr helfen würde, ihre innere Kälte, ihre Schutzmauer gegen jeden, der versuchte zu ihr durchzudringen, zu aktivieren.
„Ich... wollte das nicht... ich wollte dir nicht weh tun...“, schluchzte sie und war im Begriff sich umzudrehen. Sie schämte sich nun für ihren kleinen Tränenausbruch gegenüber Link, ausgerechnet gegenüber einem hylianischen Herzen, welches immer ihre Stärke bewundert hatte. Hastig wollte die blonde Hylianerin aus dem Kämmerchen verschwinden.
Sie war die einstige Prinzessin Hyrules und es war ihr untersagt zu weinen. Es war nicht gestattet, anderen so die eigenen Gefühle zu offenbaren, sich so gehen zu lassen.
Aber Link hatte aus irgendeinem Grund die Tür verschlossen und auch das goldene Schlüsselchen war verschwunden. Dann fühlte sie seine Aura direkt hinter ihr.
Er zog sie an den Handgelenken sanft zu sich heran und schaute in ihre gläsernen, blauen Augen. Er wollte sie umarmen, so fest und wunscherfüllt wie noch nie, aber sie kämpfte dagegen an. Sie wich zurück, klopfte mit ihren Fäusten auf seine Brust und schrie: „Hör’ auf mir nahe zu sein. Wegen mir wirst du sterben...“ Aber Link ließ es über sich ergehen. Er schloss seine Augen und berührte Zelda fest, aber nicht zu grob an den Schultern.
„Ich bringe denen den Tod, die ich liebe... lass’ mich“, fauchte sie, während Tränen ihre Wangen hinabtropften. Sie schlug mit ihren Fäusten auf ihn ein, wehrte sich gegen seine Nähe, wehrte sich gegen ihre Gefühle.
„Wegen mir... es war immer nur meine Schuld...“, brüllte sie und gab ihm eine Ohrfeige, als er sie umarmen wollte.
„Hör’ auf. Ich bedeute deinen Tod. Ich habe es nicht verdient... geliebt zu werden...“, weinte sie. Und Link schwieg, ertrug ihre Schläge, aber eines würde er nicht tun: Sie jetzt alleine lassen.
Link machte einen weiteren Schritt, sodass Zelda mit dem Rücken an der bröselnden Putzwand lehnte und er direkt vor ihr stand. Sie wimmerte vor sich hin und hatte keine Kraft mehr gegen ihn zu kämpfen. Und es geschah in dem Augenblick, dass in Zeldas Innerem endlich der Faden riss. Sie fiel schluchzend in seine Umklammerung, krallte sich in dem grünen Leinenstoff seiner Tunika fest und weinte. Link umschloss ihren zarten Körper mit seinen starken Armen, drückte sie an sich, streichelte über ihre Haut, durch ihr seidiges Haar und ließ sie weinen.
„Du hast es mehr als jemand sonst verdient... geliebt zu werden, Zelda...“, sagte Link leise in ihr Ohr flüsternd. „Es gibt so viele, die dich lieben, Zelda“, murmelte er. Sekundenlang standen sie beide einfach nur da, fest umschlungen, erfüllt mit Angst und stiller Hoffnung, der andere würde verstehen...
Liebevoll nahm er die wehrlose Hylianerin auf seine Arme und trug sie zu dem wärmespendenden Kamin. Sie sah ihn nicht an und neigte währenddessen ihren Kopf zur Seite. Es war so schwer und gleichzeitig erstrebenswert seinen Worten zu glauben... Er legte sie langsam auf eine Decke und beugte sich über sie, wollte sehen, ob sich der finstere Schatten über ihren Augen verändert hatte. Und für die Spur eines nichtigen Augenblicks behielt Link diese Hoffnung bei. Allmählich verschwand der kalte Schatten über dem saphirgleichen Blau von Zeldas wunderschönen Augen.
Würde sie es jetzt zulassen... oder würde sie ihn erneut wegstoßen und ihre Gefühle ihm gegenüber leugnen?
Link blickte sie durch die Tränen an, wischte mit seinem Zeigefinger die warmen Tränen auf ihren Wangen weg und überschüttete sie mit gemächlichen, innigen Berührungen, so voller Sehnsucht und Fürsorge. Er setzte sich aufrecht und zog Zelda einmal mehr zu sich heran, fühlte ihre heißen Atemzüge an seinem Hals, als sie ihren Kopf zögerlich an seine Schulter lehnte. Er konnte deutlich ihr Herz in der Brust schlagen hören, hörte die Stimmer der Sehnsucht, die Stimme der Liebe in ihrem Herzen, geboren aus dem Wunsch, ihm endlich zu sagen, was schon lange in ihrem Seelengleichgewicht nicht mehr stimmte.
Die blonde Hylianerin erwiderte die Umarmung und legte ihre kalten Hände neben ihr weinerliches Gesicht auf seine stählerne Brust und schloss die Augen. Sie weinte leise, ohne einen Laut fielen ihre Tränen über rosa Wangen hinab, und benetzten den grünen Stoff der Tunika ihres Helden. Links tiefblaue Augen wanderten zu dem munteren Feuer im Kamin und beobachteten die unsichtbare Wärme, welche über den Flammen emporstieg.
„Zelda... ich...“, fing er an, stoppte seine Worte aber und küsste stattdessen ihre Stirn.
Sie schaute daraufhin auf und suchte seinen Blick. Sie sah traurig durch ihre Tränen hindurch und in dem Augenblick bemerkte Link erneut, wie der Schatten zurückwich. Er durfte jetzt nicht aufhören, ihr zu sagen, was war und was ist... Jetzt oder nie ergab sich die Möglichkeit ihr die Schuldgefühle, die Angst und die Ableger der Einsamkeit in ihrer Seele zu nehmen. Er musste ihr es jetzt sagen.
Einzelne große Tropfen fielen von ihren Augen und ihr Blick wandelte sich nun fast vollständig. Er legte eine Hand an ihren Hinterkopf, streichelte sanft durch das seidene Haar und fing eine der Tränen auf. Seine Worte erklangen mit viel Liebe und Hingabe und doch flüsternd: „Es gibt niemanden, der mir so viel bedeutet wie du, Zelda... meine Zelda... Ich bin einer derjenigen, die dich lieben...“
Und das war alles, was noch gesagt werden musste.
Und plötzlich zerbrach der kalte Schatten über dem Blau ihrer Augen wie eine kristallene Barriere und Zeldas Augen wandelten sich vollständig, vielleicht für immer. Sie krallte sich an ihm fest und schloss zaghaft die Augen.
Einige Minuten vergingen. Die Prinzessin lag ruhend, beinahe schlafend in ihres Helden Armen. Es war eines der ersten Male, dass sie eine so lange, innige Zärtlichkeit von seiner Seite zu ließ, sich nicht dagegen sträubte, wie in so vielen Momenten vorher.
Ihre Atemzüge waren tief und gleichmäßig und nur um ihre Atmung zu spüren, die Link in jenem Moment so ungeheuer wertvoll erschien, beugte er sich weiter über sie, hielt ein spitzes Ohr an ihren schönen, vollen Mund und lauschte dem leisen Luftholen. Wie eine kleine Melodie waren ihre Atemzüge für ihn, sanft und beruhigend.
Die Tränen auf ihren Wangen verblassten langsam und in dem für Link wunderbaren Moment drückte sich seine Prinzessin noch ein wenig enger und näher an seinen Körper, bis ihre Fingerspitzen beinahe verspielt über den grünen Stoff seiner Tunika wanderten, bis hin zu seinem Kragen.
„Zelda?“, flüsterte er, nicht sicher, ob sie vielleicht schlief. „Möchtest du ein wenig schlafen?“, ergänzte er leise.
Sie öffnete schwach ihren Mund und murmelte fast unwirklich: „Nein...“
Auch ihre Augen öffneten sich einen Spalt und blickten mit den letzten Tränen zu dem flackernden Feuer im Kamin. So lebendig. So tanzend. Vergnügt spielte das Feuer mit unbekannten Mächten.
Die dunklen Augen des Helden begegneten ihren, die nur halb geöffnet waren und vielleicht war es Aufregung oder Überraschung. Link wusste nicht wieso, aber fast hypnotisiert und starrend blickte er in das reine, schöne Blau ihrer Augen. Er zog ihr Gesicht sachte zu ihm und schaute beruhigt, mit beinahe irrsinniger Freude in die sanften Augen seiner Prinzessin.
„Der Schatten ist verschwunden. Er ist fort...“, sagte der Hylianer euphorisch und lächelte.
„Was?“, murmelte sie leise und rang mit dem Wunsch, dass Link sie noch ein wenig länger festhielt.
Ihr Held jedoch erwiderte sanft ihren Blick und sagte: „Der Schatten in deinen Augen hat sich endlich zurückgezogen...“
„Ein Schatten?“, murmelte sie zaghaft und wischte sich die warmen Tränen aus dem Gesicht.
„Ja... als ich dir begegnet bin, ist mir dieser Schatten erstmalig aufgefallen... aber jetzt ist er fort. Ich habe ihn besiegt... dieser Fluch wird dir nicht mehr weht tun, Zelda.“ Sie vergoss die letzten Tränen in seiner Umarmung, als er liebevoll eine Decke um sie legte.
Und Link sollte Recht behalten, es war wirklich ein Fluch, der an Zeldas Herz nagte, schon lange, viel zu lange... Ein Fluch, der seit dem Anbeginn ihres Lebens auf ihr lastete. Viele Momente, wie die Begegnung mit Ganondorf, einsame Stunden, oder die Pflichten und Zwänge des Schlosslebens hatten gerade diesen Schatten über ihren Augen genährt. Ein Fluch, den Link jetzt besiegt hatte. Ein grausamer Fluch einer alleingelassenen Prinzessin, die sich nicht geliebt fühlen konnte...
Link ließ sich seitlich auf den Boden sinken und blickte Zelda noch eine Weile an, die aufrecht saß und in die Flammen schaute. Sie drehte sich zu ihm um und lächelte das erste Mal seit ihrer Verletzung auf ehrlicher Weise. Doch es hatte sich gewandelt, dieses Stückchen Freude, welches ihr Gesicht verriet. Es erhellte sein Herz, sie auf diese Art und Weise lächeln zu sehen. Link hob eine Hand und legte diese über ihre rechte Hand, die fast auf ihrem Herzen ruhte. „Es gibt da noch ein Verhalten, wofür ich mich bei dir entschuldigen muss...“, sagte Link und schaute wie von Sinnen in diese unbeschreiblichen Augen, die nun so klar waren, so rein wie das Blau des Himmels, ohne Schatten, ohne Kälte.
Was war das? Saß nun eine völlig neue Zelda vor ihm? Was war diese neue, packende, umwerfende Seite seiner Prinzessin?
Sie beugte sich über ihn und strahlte ihn neugierig an.
„Du weißt, was ich meine, oder?“
„Nein.“
„Nein?“ Link blickte verlegen an Zeldas rechtem spitzen Ohr hinauf an die Decke und überlegte. Er versuchte sich abzulenken und grübelte nach passenden Worten für die seltsame bräunliche Farbe an der Wand.
„Link?“
„Äh... vielleicht ist das auch gar nicht mehr so wichtig, wenn du dich ohnehin nicht daran entsinnen kannst.“ Insgeheim hoffte er, Zelda hätte seine Aktion nach dem gigantischen Feuersturm nur für einen bösen Traum gehalten.
„Ach... komm’ schon, erzähl mir’, was du meinst.“
„Nein, lieber nicht.“
„Bitte.“
„Glaubst du, meine Liebe, nur weil du eine Prinzessin bist und dazu natürlich die wunderbarste, dass ich dir keine Bitte abschlagen kann“, meine Link vorwitzig, aber nicht giftig oder verärgert, sondern eher spielerisch und er hoffte Zelda würde an seinem Späßchen teilnehmen. Sie grinste zufrieden und zwickte ihn mit den Fingern ihrer rechten Hand in die Nase. Angesichts Links perplexen Gesichtsausdruck und dem nachfolgenden Grinsen, lachte auch sie.
„Ja, mein Held. Ich weiß, dass du alles für mich tust.“
„Fast alles...“
„Fast alles?“ Und Zelda tat so als finge sie an zu grübeln. „Was genau würdest du nicht für mich tun?“
„Das verrate ich dir nicht, sonst würde es keinen Spaß mehr machen, da ich meinen letzten Trumpf ausgespielt hätte.“
„Hast du den denn nicht schon lange ausgespielt?“ Und Zelda ließ sich einfach auf seinem Körper niedersinken, dann stützte sie sich mit ihren Ellenbogen auf seiner Brust ab. Aber es machte Link nicht das Geringste aus. Ganz im Gegenteil, dieses Verhalten von Zelda war für ihn unbeschreiblich entzückend. Noch nie hatte sie so etwas gemacht, sich eine solche Nähe zu ihrem Helden der Zeit erlaubt. Was passierte nur mit den beiden Auserwählten Hyrules?
„Warum musst du mich nur immer so leicht durchschauen, Zelda?“
„Ich kenne dich eben zu gut, mein kleiner Dummkopf.“, spaßte sie.
„Dummkopf?“
„Ein echt charmanter, ulkiger Dummkopf bist du...“ Link grinste und berührte verspielt Zeldas Nasenspitze mit seinem Zeigefinger. „Ein umwerfender Dummkopf bin ich gerne, Prinzessin, aber nur für dich...“
„Ah... da ist es schon wieder, mein Heroe würde wohl gerne alles für mich sein.“
„Bin ich doch, oder? Ob Bekannter, ob Freund, ob Dummkopf oder Held oder...“ Damit blickte Link nachdenklich in Zeldas Augen und verkniff sich das nächste Wort.
„Oder?“ hakte Zelda nach.
„Alles.“ Und Link grinste. Hatte Zelda etwa ein anderes Wort erwartet? Anscheinend hatte sie das und wollte nicht unbedingt zugeben welches...
„Aber... vielleicht verrate ich dir doch, was ich nicht für dich tun würde.“
„Sag’ an“, meinte sie. Aber seine tiefblauen Augen schienen ihr eine Warnung zu zusenden, dass er es nicht ernst meinte. Er berührte mit seinen Fingerspitzen die weiche, satinartige Haut an ihrer rechten Wange und gab zu: „Es gibt nichts...“
„Was?“ und Zelda pickte ihn mit ihren Fingernägeln in seine rechte Seite.
„Wiederhole!“, sagte sie albern und grinste. Link begann zu lachen und wusste bis dato nicht, dass Zelda so extrem heiter, so gelassen und im wahrsten Sinn des Wortes kindisch sein konnte. Bei der Liebesgöttin Nayru, er brauchte sie, nicht nur als einfache Freundin. Es verlangte ihm so sehr nach ihrer Wärme, nach ihrem Mund...
„Ich gebe mich geschlagen, ich sage es noch einmal, aber nur das eine Mal.“ Link kicherte, als Zelda aufhörte, ihn zu necken und schloss seine Augen.
„Also“ und er bemühte sich ernst zu bleiben. „Ich gebe zu, dass es nichts auf der Erde und nichts in Hyrule gibt, dass ich nicht für dich tun würde. Zufrieden?“
„Noch nicht ganz, mein edelmütiger Dummkopf.“
„Du kleine Hexe.“
„Oh ja, ich kann genauso zaubern wie eine Hexe, du vorwitziger Grünschnabel.“
„Na dann, da bist du eben eine ungezogene Königstochter.“
„Frecher Schönling.“
„Sag’ mal, seit wann legst du eine solche Ausdrucksweise an den Tag?“
„Seit ich verstanden habe, dass ich das darf, mein Linkchen.“ Er war sprachlos. „Das habe ich nur gemacht, um dich mundtot stehen zu lassen, damit du zugibst, für welches Verhalten du dich bei mir entschuldigen willst.“ Sie funkelte ihn eindringlicher an.
Plötzlich kniff sie ihre Augen zusammen und erinnerte sich schmerzhaft an die tiefe Wunde. Sie nahm einen scharfen Atemzug, fühlte das Stechen, das unangenehme Ziepen, seitlich ihrer Brust. „Himmel, tut das weh...“, klagte sie und kniff schmerzverzerrt die Augen zusammen. Link richtete sich schnell mit ihr auf, hielt sie sachte fest und sah sie besorgt an.
Zelda atmete tief aus und versuchte die Zähne zusammenzubeißen.
„Kann’ ich dir denn nicht irgendwie helfen?“ Ihre blauen Augen schimmerten wieder angesichts dieses Satzes.
„Möchtest du einen Teil meiner Kraft?“ Sie lächelte angenehm, aber schlug dieses Angebot aus. „Es ist okay... ich weiß, dass du alles für mich tust. Aber ich möchte, dass du deine eigenen Kräfte schonst, Link.“
„Aber wenn es dir nun helfen könnte. Ich kann sicherlich einen Teil meiner Kraft entbehren, Zelda...“
„Nein, bitte, ich möchte das alleine überstehen.“
Er nickte überrascht und einsichtig. „Vielleicht hast du dich einfach nur ein wenig überanstrengt.“
„Wobei, weil ich mit dir herum gealbert habe?“ Und sie presste stöhnend eine Hand auf die Wunde.
„Zelda... da fällt mir etwas ein, du hast doch noch diese Salbe, die mir bei den Peitschenhieben geholfen hat, oder?“
„Mmh... aber ich würde sie lieber für später aufbewahren.“ Er bewegte sich näher auf sie zu und flüsterte fast. „Weißt du, das würde zu den Dingen gehören, die ich sehr gerne für dich tun würde... ich meine, deine Wunde eincremen.“ Seine sinnlichen Worte, die verführerische Wärme seines Atems an ihrem Ohr lösten ohne Anhalt eine unglaubliche energetisierende Druckwelle in ihrem Körper aus...
„Charmeur, das würde dir wohl so passen, wie?“
„Es könnte meine allerliebste Freizeitaktivität sein, mich um die liebreizende, einzigartige, attraktive Prinzessin Hyrules zu kümmern...“
„Du findest mich... attraktiv?“ Und Zeldas Wangen färbten sich ein wenig röter.
„Du mich wohl nicht?“
„Heiliger Deku, du bringst mich um den Verstand, du...“ Und Link lachte wieder.
„Wie auch immer, meine liebe Zelda, ich denke, fairerweise muss ich dir gestehen, welches Verhalten meinerseits einer Entschuldigung bedarf. Aber vorher...“ Er ließ sich auf seinen Rücken fallen und packte Zelda sanft an den Schultern, sodass sie neben ihm lag. Frech und ungeniert kuschelte der dreiste Held mit ihr.
„Du nimmst dir ganz schön was raus, du angeblicher Held.“ Er drückte seine rechte Wange gegen ihre linke und gab ihr ein schmatzendes Küsschen auf die Wange.
„Jawohl“, summte er.
„Wer weiß, vielleicht hast du den Titel Held gar nicht verdient, besser wäre wohl Lausbub.“
„Jawohl“, liebsäuselte er.
„Link... egal, was ich jetzt tue oder sage, du hast doch sowieso das letzte Wort.“
„Jawohl...“ und der gutmütige Kerl begann hinterhältig zu grinsen. „So ergeht es denen, die sich mit mir anlegen wollen.“
„Ich bin dir wohl doch in gewisser Weise unterlegen.“ Link drehte sich zu ihr und nun beugte er sich leicht, aber verführerisch über sie.
„Wirklich? Dabei dachte ich immer, du bist eine ausgefuchste, stolze, eigenwillige Prinzessin, die sich nicht einmal vom König Hyrules Vorschriften machen lässt.“ Sie schenkte ihm ein gefährliches Lächeln, welches Link beinahe in sehr lebhafte Träume geschickt hätte. Lebhafte Träume, in welchen es nur Zelda und ihn gab.
„Da hast du recht, von meinem Vater habe ich mir nie etwas sagen lassen.“
„Aber von mir?“
„Ja, du warst schließlich genauso durchtrieben wie ich...“
„Du bist schlimm...“, sie nickte und grinste.
„Und du kannst richtig bösartig sein. Hätte ich angesichts deiner unschuldigen Miene niemals gedacht.“
„Tja, auch ein Engelsgesicht kann täuschen, mein lieber Link.“ Zelda hob eine Hand und fuhr damit durch die blonden Strähnen, die in seine tiefblauen Augen fielen.
„Was ist?“, meinte er verblüfft.
„Das war es immer, was mich an dich erinnert hat...“
„Was die blöden Haarsträhnen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, die Art und Weise, wie diese Strähnen über deinen Augen hingen... so ungestüm und natürlich. Genauso wie es deine Art war. Allein daran, bei einem Blick in deine Augen, wusste ich um dein Herz, Link.“
„Ja? Was hast du denn von mir gedacht, als ich dir das erste Mal gegenüberstand?“
Sie richtete sich auf und schaute hinüber zu dem Fenster, wo ab und an kleine Tropfen an der Scheibe hinunterliefen. „Ich sah Lebensfreude, trotz herber Schicksalsschläge, Hoffnung und vor allem Mut... ja, Mut war es, was aus deinen Augen herausstach. Ich kannte dich, so nahm ich an, aus einem früheren Leben. In deinen Augen verbarg sich Wissbegierigkeit, Abenteuerlust, aber auch... Einsamkeit... in gewisser Weise konnte ich mich selbst in deinen Augen sehen. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb ich dir gleich vertraute...“
„Hast du es jemals bereut? Ich meine, mir vertraut zu haben?“
„Nicht für eine Sekunde.“ Und sie sah ihn erneut an, erwiderte ein Lächeln, aber fühlte allmählich die Last ihrer schweren Augenlider. Sie legte beide ihrer Hände auf die schmerzende Wunde und schloss für einen Moment die Augen.
Überrascht fühlte sie eine andere warme Hand, die zusätzlich über ihren lag.
„Weißt du etwas darüber, was die Heilquelle bewirkt hat, Zelda?“
Sie nickte und meinte leise: „Durch die magische Kraft jenes von Feenhänden geweihtem Wasser heilt meine Wunde ein wenig schneller. Und... ich nehme an, dass...“
„Es hatte deine Lunge erwischt...“, murmelte Link, blickte trübsinnig zu Boden und spürte schon wieder die gemeine Taubheit, das beißende Zugeschnürtsein seiner Kehle.
„... und vermutlich eine Rippe beschädigt...“, brachte er leise hervor.
Zelda fühlte seine Besorgnis um ihr Wohlergehen und diese teuflische Angst. Es war das erste Mal, dass sie sich nicht gegen diese Empfindung wehrte. Verträumt nahm sie seine linke Hand in ihre beiden und formte Muster mit ihrem rechten Zeigefinger auf seinen Handrücken.
„Es geht mir gut, Link...“ Er nickte trübsinnig und scheute ihren Blick, aus gewisser Gelähmtheit, sie könnte den weichen Blick in seinen meerblauen Augen sehen.
„Ich glaube, die Verletzung der Lunge wurde geheilt, bevor ich aufwachte... und die Rippe... ich weiß nicht... aber in einigen Wochen bleibt nur noch eine kleine Narbe von der Wunde.“
„Was meinst du, ist dann... in einigen Wochen?“ Sie blickte ihn verständnisvoll an. „Angenommen, wir besiegen Ganondorf... was dann, Zelda? Werden sich unsere Wege wieder trennen?“ Links Gesicht verzog sich bei dem unschönen Gedanken an die Welt von Morgen. Auch Zeldas Gesicht ließ Schmerz erkennen, der aber nicht von ihrer Wunde herrührte.
„Ich...“, aber sie brach ab.
Link zog sie an ihren Handgelenken zu ihm heran und umarmte sie zärtlich, hin und hergerissen, weiter zu gehen, als es diese Umarmung zuließ.
„Ich will mich nie wieder von dir trennen müssen...“, murmelte er leise.
„Ich auch nicht...“, entgegnete sie leise. „Aber vielleicht liegt diese Entscheidung diesmal in unseren Händen und nicht in denen des Schicksals...“
„Ja, vielleicht...“
Außerhalb brauste ein aufgebrachter Wind über die Steppe. Blitz und Donner zogen gewaltsam über das Land.
„Den Göttinnen sei Dank, dass wir nicht draußen schlafen müssen, Link“, sagte Zelda und löste sich nach vielen Minuten aus seiner schützenden, warmen Fesselung.
„Mmh... ja“, meinte er und ärgerte sich ein wenig, dass die wundervolle Umarmung schon wieder vorbei war.
Schweigend schaute der gewandte Schwertfechter nach den restlichen Kerzen, die ihr Licht noch nicht verloren hatten. Und einiges an ihm fiel Zelda nun ins Auge. Durch die harten Kämpfe, welche er gefochten hatte, war sein ganzes Erscheinungsbild eine Spur gefährlicher, kriegerischer geworden. Links Statur hatte sich gewandelt. Er war stärker, muskulöser geworden, auch wenn er zu Zeldas Zufriedenheit nicht wie ein übertriebener Muskelprotz aussah, aber ihr Held der Zeit wirkte reifer, erfahrener und irgendwie erwachsener. Sie beobachtete jede seiner Bewegungen, spürte den Wunsch, einfach nur eine Hand auf die warme Haut seiner starken Brust zu legen, mit einer Hand durch sein wildes Haar zu streicheln und vieles mehr.
Ein wenig geschockt über ihre Gedanken blickte Zelda höflich zu Boden, erinnerte sich an ihre gepflegten Manieren und pustete einen Luftstrom an den Ansatz ihres Haares. Link blickte in ihre Richtung und lächelte leicht. Sie erwiderte diese kleine aussagekräftige Bewegung und es schien eine Art Willkommensgeschenk darzustellen, das ihn einlud, ihr ein wenig länger nah sein.
Er setzte sich zu ihr und erhielt eine weitere Aufmerksamkeit. Zelda wand sich zu ihm und küsste ihn langsam, mit viel Gefühl auf seine rechte Wange.
„Das war ein Dankeschön...“
„Das war der Auftakt zu dem Thema von vorhin“, sagte er und erhielt einen interessierten Blick von seiner Prinzessin.
„Und wenn du erfährst, worüber ich mit dir reden möchte, dann hättest du mir diesen Kuss jetzt sicherlich nicht gegeben...“, sagte er leicht trübsinnig. „Es geht um... das Verhalten, wofür ich mich entschuldigen möchte. Ich weiß, dass es keinerlei Rechtfertigung verdient und ich kann nur sagen, dass es mir leid tut...“
„Nun rück’ endlich mit der Sprache raus. Ich weiß immer noch nicht worüber...“ Dann allerdings traf Zelda der Blitz. Er meinte doch nicht seine flegelhaften Versuche sie zu...
„Weißt du noch, was nach dem Feuertornado in der Steppe passiert ist, ich meine, was ich mir herausgenommen habe?“, stammelte er. Und Zelda erinnerte sich an die Szene, als Link ihr einen Kuss aufgezwungen hatte. Aber so wütend, wie sie dachte, war sie ihm deswegen nicht. Wegen eines Kusses konnte sie ihm einfach nicht böse sein. Außerdem war sie zu dem Zeitpunkt nicht aufrichtig zu Link gewesen und hatte ihm auf jede erdenkliche unzumutbare Weise weh getan. Doch vielleicht konnte sie ihn deswegen ein wenig... ärgern... und auf die Palme bringen...
„Ich weiß immer noch nicht, worauf du hinaus willst“, sagte sie, kicherte in sich hinein und erfreute sich an Links aufgeregten Verhalten. Wenn er nervös war, erschien er Zelda wohl zu goldig.
„Ähm... ich meine...“ Und Zelda lachte. Link sah sie nur verstört an.
„Sorry, Link, aber du bist nur schon wieder so zappelig, dass ich lachen muss...“ Aber der junge Mann lachte keineswegs, sondern schaute erneut nachdenklich zu Boden. Machte es ihm so zu schaffen? Nur wegen einem Kuss?
Sie hatten einander schon einmal geküsst. In der Vergangenheit... und dann in einem langen, beinahe wirklichen Traum. Doch zu jenen Zeitpunkten hatte Zelda eben nicht abgeblockt, sie hatte es unheimlich genossen wie in keinem anderen Moment ihres Lebens.
Sie würde es nicht zugeben, aber Link war noch nicht einmal schlecht darin, dachte sie. Sie hatte diese Momente ihrer Lippen auf seinen einfach geliebt. Er war ein wirklich zärtlicher und inniger Liebender...
Er lief zu dem kleinen, abgerundeten, undichten Fenster. Unbewusst ballte er seine Fäuste.
Auch Zelda stand nun auf und lief langsam zu ihm hinüber. Sie legte eine Hand auf seine Schulter und lehnte sich zufrieden an seinen Rücken. Link war geschockt und sein Herz in der Brust blieb ihm vor Hitze und Aufregung stehen.
„Sag’ es“, flüsterte Zelda mit ihrer herrlich süßen Stimme, die seine Sinne vernebeln konnte.
„Zelda? Was...“, stotterte er. Heiliges Triforce, der arme Kerl hat’s aber auch schwer...
„Es tut mir leid...“, brachte er dann hervor und blieb wie gelähmt vor der Fensterscheibe stehen.
„Was tut dir leid?“, hakte Zelda nach und ließ nicht locker. Sie wollte, dass er die Worte jetzt sagte. Komm’ schon, mein armer Held, du warst doch vorhin nicht so verlegen, mir zusagen, wie viel ich dir bedeute, also warum bist du jetzt so durcheinander, dachte sie.
„Link... sag’ mir noch einmal, was ich dir bedeute...“ Er drehte sich um und sah sie an: „Du bist meine beste Freundin, meine Seelenverwandte... und ich empfinde mehr für dich als jemanden sonst.“
„Genau. Und was ist jetzt dein Problem?“
„Ach... das ist bestimmt nicht mehr so wichtig.“ Link wollte Zelda irgendwie zur Seite schieben und dann zur anderen Seite des Raumes laufen. Aber sie blieb unvermittelt vor ihm stehen und grinste. „Was lachst du denn jetzt, Zelda? Du weißt wahrscheinlich doch, was ich sagen will, oder?“ Sie schüttelte den Kopf und zwickte in statt einer ehrlichen Antwort in seine Seite. Link fluchte angesichts jener spitzen Fingernägeln und rieb sich die Haut, wo Zelda ihn kniff. Dann hüpfte sie einige Meter von ihm weg. Aber Link nahm die Herausforderung an und rannte in dem ohnehin kleinen Raum hinter ihr her. Zelda wich kreischend aus, suchte Schutz hinter dem Tisch und warf eine darauf befindliche Schüssel um.
Klirr. Klirr. Und endlich benahmen sich die Zwei wieder wie normale Hylianer. Schweigend räumten sie die Scherben auf. Schweigend sahen sie sich ab und zu an.
Versunken in der leuchtenden Augenfarbe Zeldas, griff Link unbeholfen in den Scherbenhaufen und kreischte in der nächsten Sekunde laut auf. „Shit, jetzt hab’ ich’s geschafft“, jammerte er und untersuchte seinen Daumen. Seitlich hatte sich eine etwas größere Scherbe in seine Haut hineingegraben. Gerade wollte er den Splitter herausziehen, als Zelda ihn davon abhielt.
„Darf’ ich?“ Er nickte überrascht und war noch überraschter, als Zelda seinen Daumen langsam zu ihrem Mund führte, um den Splitter aus der kleinen Wunde zu lösen. Schrecklichangenehmes Kribbeln raste seine Blutadern entlang, als Zelda die kleine Wunde mit ihren süßen Lippen berührte. Dann kramte sie nach einem Taschentuch und spuckte den Splitter aus ihrem Mund. „Ist dir eigentlich klar, wie wahnsinnig du mich machst... mit deinen Handlungen und deinen unabsehbaren Reaktionen“, meinte er und sah verlegen weg.
Zelda grinste und setzte sich dann wieder auf die Decke. Sie bereute die kleine Spaßaktion nun, da ihre Wunde heftiger brannte. Sie lehnte sich an eine Wand und schloss die Augen. Dann spürte sie Links Hände, welche durch ihr goldenschillerndes Haar streichelten. Sie schlug schnell die kristallblauen Augen auf und sah ihn direkt vor ihr sitzen.
„Zelda... ich...“ Und beinahe hätte er ihr gesagt, dass seine Gefühle ihr gegenüber viel weiter gingen als es jene zwischen Geschwistern und Freunden waren.
„Du meinst den Kuss, nicht wahr?“, fragte sie ihn sanft. Er schaute erst entsetzt, nickte aber dann reumütig. „Ich war so unverfroren...“
Zu Links Verwunderung lächelte sie.
„Vergeben und vergessen... ich weiß, warum du das getan hast.“
„Ach ja?“
„Ja, um mich zu bremsen, davor zu bremsen, schon wieder mit dir zu streiten und es hat seine Wirkung erzielt...“
„Du bist nicht böse?“ Sie schüttelte mit dem Kopf. Ihre Wunde machte sich fast bösartig bemerkbar und sie fühlte einen starken Erschöpfungszustand zunehmen.
„Da bin ich aber beruhigt.“ Und Link atmete erleichtert aus. „Vielleicht sollten wir jetzt einschlafen, mein Engel.“
„Ja, da stimme ich dir zu... danke Link, wegen vorhin. Du ahnst nicht, wie sehr du mir geholfen hast. Danke, mein Held.“
„Gern geschehen... Aber es wird noch eine Weile dauern, bis die Wunde verheilt ist...“
„Aber wir haben ja noch Heilwasser. Schön, dass du welches mitgenommen hast.“
„Diese Wunde meinte ich nicht, Zelda.“ Ein tiefer Blick und sie versank halb in seinen ozeanfarbenen Augen. Sie nickte: „Ich verstehe, was du meinst.“
„Bist du eigentlich müde?“, sagte Link besorgt.
„Ich kann mich schon gar nicht mehr wach halten... Siehst du mir das an?“
„Nein, ich bin ganz weg von dem Blau deiner Augen, da... kann ich...“ Er schaute verlegen weg und ergänzte, „... da kann ich nicht auf deine Müdigkeit achten.“
„Soso...“
„Genauso und nicht anders. Und was ist mit deiner Verletzung?“
„Ich nehme an, das Schmerzmittel aus der modernen Welt wirkt, Link, mein Schatz.“ Und diesmal war sich Link sicher, sich nicht verhört zu haben.
„Wenn ich dein Schatz bin, willst du dann... vielleicht ein wenig länger... meine Nähe?“
Zeldas Mund klappte auf und sie errötete ein bisschen, aber der Gedanke war wunderbar. Sie nickte schüchtern. Link nahm sie liebevoll auf seine Arme und trug sie ohne Verlegenheit zu dem kleinen, zerwühlten Bettchen. „Ich habe auch keinen Hintergedanken...“, ergänzte er keck. Zelda gab nur ein undeutliches, aber amüsiertes Schnauben von sich, worauf Link nur breiter grinsen konnte.
Sie kuschelten sich unter eine gemeinsame Decke. Link küsste erneut Zeldas Stirn, worauf sie sich fester an ihn heranklammerte und mit ihren Fingerspitzen über die zerrissene grüne Tunika seiner Brust streichelte.
Was hatte Link nur getan? Sie fühlte sich plötzlich so befreit, so zufrieden und das, obwohl sie eine tiefe Wunde besaß. Als hätte er einen Fluch von ihr genommen, wie er schon selbst sagte, als hätte er sie mit den einzigen Worten erlöst, die Zelda noch nie in ihrem Leben von irgendjemandem gehört hatte.
Es war so leicht... in dieser Minute bei ihm zu sein, in diesem Augenblick in sein charmantes, wohlgeformtes Gesicht zu sehen. Und wieder gestand Zelda sich ein, was sie wirklich für ihn fühlte. Es war nicht einfach nur die Zuneigung zwischen Freunden oder Seelenverwandten... es war weitaus mehr. „Mein Link...“, murmelte sie sehnsuchtsvoll. Sie legte ihren Kopf an seine feste Schulter und schloss die Augen, träumte von ihrem einzigartigen Helden, der sich doch so nah bei ihr befand.
Link und Zelda verbrachten die Nacht in der Wärme des anderen.