Autor: Faylen7
Es war fast Mitternacht, als ein achtzehnjähriger Jugendlicher unauffällig die Kathedrale von Schicksalshort betrat. Er fühlte sich betrogen, betrogen von Zelda, obwohl er ihr nichts bedeutete. Er begehrte sie und irgendwann, so dachte er, würde sie schon Gefallen an ihm finden. Er müsste nur ihren Helden ausschalten, ja, er musste Link töten, dann hätte sie niemanden mehr, den sie lieben könnte und der Weg war frei für ihn. In seinen finsteren Gedanken versunken, trat Preston zu seinem Herrn und Meister, verbeugte sich kurz und blickte aus seinem verschlagenen Gesicht hervor.
„Mein Herr, ich bringe schlechte Neuigkeiten. Das Elixier wurde von Lanmolas verspeist.“ Ganondorf stand von seinem Thron auf und ging in Richtung des Altars. Es kümmerte ihn im Moment nicht wirklich, was aus dem Elixier wurde.
„Preston, vielleicht findest du es dann merkwürdig, dass Lanmolas vernichtet wurde. Wie und von wem, ist mir jedoch ein Rätsel.“ Der Jugendliche sah erschrocken auf, woher wusste sein Meister davon?
„Ich selbst habe diese Geschöpfe gerufen und ich weiß, wann es mit ihnen zu ende geht. Also, du Schwächling, hast du mir etwas mitzuteilen.“
„Nein, mein Lord.“ Ganons Augen blitzten auf, geradeso als besäße er selbst Prestons verräterische Zunge...
„Geh’ zum nächsten heiligen Grund und besorge das Elixier des Wassers. Für dich wäre es sehr ratsam, wenn du nicht schon wieder scheiterst, sonst bin ich nicht mehr so freundlich und überlasse dich den Kreaturen da draußen.“ Dann lachte Ganondorf auf seine abscheuliche, bestialische Art und setzte sich wieder auf den Thron. Der Jugendliche ging aus der Kathedrale hinaus, grinste angesichts dem Geheimnis, welches er selbst behütete... das Geheimnis, dass Link und Zelda auf seine Vernichtung zu arbeiteten...
Prestons Pläne schienen so rätselhaft wie er selbst zu sein.
Als Prestons außer Reichweite war, tauchte Mortesk einmal wieder in der Kathedrale auf und teilte seinem Lord mit, dass sie auf der Spur seiner geliebten Gottheit waren. Gerade als Mortesk aber wieder ins alte Reich Hyrule zurückkehren wollte, hielt Ganondorf ihn zurück.
„Warte, Mortesk. Ich habe noch einen Auftrag für dich. Verfolge Preston und finde heraus, was er im Schilde führt. Mir scheint, als verbirgt er etwas.“
„Ja, mein Meister, wie Ihr befehlt.“
„Wenn er sich als Verräter preisgibt, mach’ nicht kurzen Prozess, sondern lass’ ihn leiden und jammern. Er wird es bereuen, mich hintergangen zu haben.“
Damit verschwand Mortesk mit einem ekelhaft zufriedenen Feixen.
Die beiden Hylianer erholten sich von dem Stress in der Wüste und zogen bei Anbruch des nächsten Tages weiter. Nur schwerlich bewegten sie sich unter der glühenden Wüstensonne vorwärts und hatten schon wieder die Schnauze voll von Sand, Sand und noch mal Sand. Hinsichtlich der Einöde in der Wüste, konnten sie Ganondorfs Groll dagegen teilweise verstehen. Kein Wunder, dass er lieber blühende Wiesen, stolze Berge, reine Flüsse und Seen besitzen wollte. Diese Dinge konnte man wenigstens kaputt machen. Die Wüste war ja schon halb tot, da machten Verbrechen wohl keinen Spaß mehr...
Gegen Mittag kamen sie an einer Festung der Gerudos vorbei, die am Rande der Wüste lag. Allmählich wurden auch die Flaschen mit Wasser knapp, da sie in der Wüste klarerweise mehr verbrauchten als sonst. Sie stiefelten somit in die Festung, auf der Suche nach einem Brunnen oder ähnlichem. In der Nähe eines kleinen Ritualsplatzes, wo die Gerudo ihre Festspiele abhielten, fanden sie auch einen Brunnen. Sie füllten gerade ihre Flaschen auf, als sie aus der Gerudofestung Schreie vernahmen. Schrille Schmerzschreie schallten nach draußen und man hatte den Eindruck, dass jemand sehr, sehr leiden musste. Aber die markerschütternde Stimme klang nicht wie die von einem Menschen...
Die Blicke von Zelda und Link kreuzten sich und sie nickten einander zu. Wer immer das auch war, niemand hatte es verdient, so zu leiden. Kurzerhand schlichen sie in die Festung hinein, ihre Schwerter griffbereit. Link vorneweg, dicht gefolgt von Zelda.
Sie folgten dem seltsamen Geschrei, welches mehr und mehr menschliche Spuren erkennen ließ und waren entsetzt. Noch nie hatten die beiden jemanden so schreien, flehen, nach Gnade betteln hören. Was um Himmels Willen ging da bloß vor sich? Sie kamen dem Geschrei näher, während sie durch die langen, dunklen Gänge der Festung schlichen. Link blickte sich neugierig um und wunderte sich, dass in dieser Gerudofestung nirgendwo Fenster zufinden waren. Hasste das Frauenvolk Hyrules etwa das Tageslicht?
Schließlich mussten beide ihre Öllampen herauskramen, da die Dunkelheit sich hier sehr gut einnisten konnte. Link spürte die Gefahr im Nacken. Irgendetwas stimmte hier gewaltig nicht, das sagte ihm sein sechster Sinn. Schnell blickte er nach hinten, um sicher zu gehen, dass Zelda hinter ihm war. Sie blickte mit ihren leuchtenden Augen auf und erkannte die Sorgenfalten auf seiner Stirn. Er packte ohne weiteres ihre Hand in seine, drückte diese fest und zog Zelda nah hinter ihm her. Das seltsame, ungewisse Gefühl schien sich nicht zu verflüchtigen. Ihm war, als befänden sie sich auf der Spur von Gefahr, auf der Spur von dämonischen Ursprung, oder drauf und dran eine gewaltigen Macht zu entdecken.
Die Schmerzschreie kamen näher und neben ihnen erkannten die beiden weitere Stimmen. Mehrere, teilweise kichernde Stimmen, die Spaß haben mussten. Piepsige Stimmen, ähnlich denen von Mäusen...
Link und Zelda schlichen weiter und erreichten einen Raum mit vielen Zellen. Der Raum war hellerleuchtet, soweit die zwei Hylianer dies erkennen konnten. Noch verbargen sie sich geschützt in dem Schatten eines Ganges, bereit so bald wie möglich anzugreifen. Zelda kannte das Gesindel, welches sich vor einer der Zellen herumtrieb. Es waren mindestens ein Dutzend Petiblins, eine Brut Ganons, die aussahen wie übergroße Ratten mit kleinen Dreizacken oder besser Dreizackchen, da sie damit nicht allzu viel Schaden anrichten konnten. Irgendetwas hatten diese kleinen Biester zu feiern und kicherten sich ihre ohnehin piepsigen Stimmen beinahe aus dem Wanst. Dann kamen erneut die Schmerzschreie und Link vermutete, dass diese Biester jemanden in ihrer Gewalt hatten und quälten. Die Hylianer schauten beide um die Ecke und sahen kurz eine Gestalt in einer Zelle liegen. Die Petiblins standen sogar innerhalb der Zelle und nutzten ihre Dreizacke, oder Spieße und stießen sie dem wehrlosen, gefesselten Geschöpf, das am Boden ruhte, immer wieder in den Körper.
Weder Link noch Zelda konnten erkennen, um welches Wesen es sich bei dem Gefangenen handelte, da ein Stück dreckiger, grauer Mantel über ihm lag. Ebenso ahnten sie nicht, dass sie Großes tun würden, wenn sie jenem Wesen helfen würden.
Link sah zu und spürte mehr und mehr Kampfbereitschaft in sich aufsteigen. Er kannte den Grund nicht, aber er würde diesem Geschöpf helfen, er würde etwas tun. Er umfasste den Griff seines Schwertes stärker und stürzte sich mit einem wilden Kampfschrei in die Meute aus Petiblins. Mit vielen kräftigen Hieben beförderte er einige sofort ins Jenseits. Mit einem entschlossenen Blick hetzte er wie der Blitz im Raum umher und die Petiblins lösten sich in Asche auf, noch bevor sie ihr dummes, dreistes Kichern anstimmen konnten. Auch Zelda kämpfte sich durch die Masse an Ungeziefer. Einige der Petiblins begannen zu winseln und hüpften wie Flöhe in dem Raum herum, landeten an den Wänden, trotzten der Schwerkraft und sprangen zur Decke, sodass die Situation immer überblickloser wurde. Der Held wollte keinen entkommen lassen, nahm schleunigst seinen Bogen und spannte einen Pfeil nach dem anderen. Nach einigen Minuten hatten die beiden Hylianer die Szenerie von den kleinen Unholden befreit. Nur einem Einzelnen gelang unglücklicherweise die Flucht.
Die Aufmerksamkeit von Link und Zelda fiel schließlich auf die merkwürdige Kreatur in der Zelle. Sie hatte keinen Laut mehr von sich gegeben und auch sonst sich nicht mehr bewegt. Sie lag nun wie ein stumpfer, lebloser Gegenstand in der Gefängniszelle. Die jungen Elfen traten ein und knieten beide nieder. Doch das Wesen rührte sich nicht. Link fragte sich bereits, ob es denn noch lebte, oder ob es an seinen Schmerzen verendet war. Um sicher zugehen zupfte der Heroe vorsichtig an der Kapuze des Geschöpfes, sodass man einen Blick in das Gesicht werfen konnte. Er hatte die Kapuze gerade so zur Seite geschoben, als das Geschöpf ein unerträgliches Licht von sich gab und alles in der Gefängniszelle in weißem, aber grellen Licht versank. Link und Zelda wichen zurück und kniffen schnell ihre Augen zu. Dann hörten sie ein Zischen, dann einige Worte, die nicht einmal Zelda verstand. Als sie ihre Augen öffneten, saß das Wesen zusammengehockt auf dem Boden. Ein goldenes Dreieck verzierte die Stirn, die Augen waren blutunterlaufen, Falten deuteten auf ein hohes Alter des Geschöpfes hin. Dieses Geschöpf war dem aus der Zitadelle der Zeit sehr ähnlich, auch es hatte schiefe Proportionen und eine gewaltige Energie ging von dem Wesen aus.
Es reckte Zelda einen Arm entgegen, worauf sie sich dem Geschöpf näherte. Es begann zu reden und anhand der Stimme würde man es für eine ältere Frau halten. Zelda hörte aufmerksam zu, während Link nur wie ein Trottel in der Ecke stand und nur so tun konnte, als ob. Es redete wohl Althylianisch, oder irgend so etwas...
Dann legte es eine alte runzlige Hand auf Zeldas Stirn und allmählich fragte sich Link, ob es richtig wäre nicht einzuschreiten. Wer weiß, was dieses Vieh mit seiner Zelda anstellte? Aber nichts desto trotz vertraute die blonde Schönheit dem Geschöpf wie keinem anderen. Sie schloss ihre Augen und war für einige Augenblicke auf einem ihrer visionären Trips. Da wollte Link nun wirklich nicht stören... Das Wesen stand ungeschickt auf und redete auf einmal auch in Links Sprache. Die alte Dame, oder was auch immer, reichte ihm die Hand. Sie zitterte und litt, soweit man es in ihren Augen sehen konnte, auch wenn man bei einem Blick in ihre Augen nur Nebel erkennen konnte. Er nahm die Hand und fühlte sich, als ob man ihm eine grenzenlose Energie zuführen würde. Geschockt wich er einige Zentimeter zurück.
„Ich danke dir, Held. Dass du trotz allem noch für uns kämpfst, zeigt mir, wie rein dein Herz doch ist.“ Ihre Stimme klang seltsam, fast wie das Rauschen von Wasser, wie das Säuseln des Windes. Wer oder was war dieses etwas?
„Man hat mir meine Kräfte gestohlen, doch sehen kann ich noch. Kummer betrübt dein Herz, deine Seele.“ Ihr Blick fiel zu Zelda, die nur nachdenklich zu Boden sah. „Ja, Kummer. Schmerz... Misstrauen und Angst...“ Sie wendete sich dann wieder Link zu und holte ein kleines blaues Täschchen hervor und reichte es Link. Dann flüsterte sie ihm zu: „Ihr werdet nicht bereuen, mir geholfen zuhaben. Nutze die Steine, um in ihr Herz zusehen. Dann erhältst du die Antworten, nach denen du suchst. Antworten für eine Zukunft, die es nicht gibt...“
Das Wesen lief aus der Zelle hinaus und erstrahlte in reinem, hellen Licht, bis es verschwunden war.
Die zwei Hylianer standen erstaunt und teilweise bedrückt in dem Raum, nichts ließ vermuten, dass gerade ein sehr machtvolles Wesen hier gewesen war. Als wäre diese Gottheit nie hier gewesen.
„Was ist das... ich fühle mich irgendwie wahnsinnig traurig, obwohl ich den Grund nicht kenne“, sagte Link. Zelda musste es ähnlich ergehen, da sie ein Taschentuch herauskramte und damit über ihre Augen wischte. Diese Gefühle des Mitleids, der Trauer, die eigentlich keinen Ursprung hatten, ließen vermuten wie ernst die Sache war und das jenes Geschöpf, so ungewöhnlich es auch erschien, Spuren in den Herzen der beiden Hylianer hinterließ. Als ob es ihnen die Fähigkeit geschenkt hätte, traurig zu sein...
Zelda wischte sich ihre restlichen Tränen weg und meinte: „Sie hat mir vorhin gezeigt, was Ganondorf getan hat, nachdem das Siegel in Hyrule nicht mehr hielt, nachdem alles verblasst ist.“ Sie setzte sich auf den Boden und lehnte sich an die kalte Steinmauer. Link folgte ihrem Beispiel und hörte aufmerksam zu.
„Ganondorf hat mit seiner dunklen Macht, die ständig gewachsen ist, es geschafft, die Götter Hyrules zu... zu verbannen. Sie haben sich ihm in den Weg gestellt, als eine letzte Hürde, sich in einer neuen Welt, deiner Welt, breit zumachen. Sie haben... versagt. Sie verloren den Kampf gegen Ganondorf.“ Zelda blickte zu ihm, aber Link starrte nur leer in den Raum. Ganon hatte die Götter geschlagen? Wie zum Teufel sollte er ihn dann besiegen können?
„Ich habe gesehen, was er mit ihnen gemacht hat, wie er sie entstellt und gefoltert hat.“ Sie lehnte ihren Kopf auf ihre Arme und setzte leise hinzu: „Er hat ihnen alles genommen, was sie geliebt haben, sogar ihre Freiheit. Deshalb sehen diese Wesen wie Untiere aus, deshalb besitzen sie krumme Beine, schiefe Proportionen und überall diese Wunden... Sie hat mir alles gezeigt, was er ihnen angetan hat, Link. Es war... schrecklich...“
Er kniete nieder und legte seine Hände einfühlsam auf ihre Arme. „Zelda... bitte denk’ jetzt nicht mehr an diese Bilder... sie belasten dich nur unnötig.“ Er zerrte sie auf ihre Beine. „Wenn der Kampf naht, Zelda, werden wir ihm beweisen, dass er nicht einfach so grausam mit den Geschöpfen Hyrules umspringen kann. Er wird dafür zahlen, das verspreche ich dir. Doch im Moment bringt es nichts, hier sinnlos herumzusitzen. Wir sollten uns auf den Weg machen.“ Er drehte sich um und lief auf eine Tür zu.
„Link... fürchtest du dich vor diesem Kampf?“
Er blieb wie angewurzelt im Raum stehen und hatte ihr den Rücken zugewendet. „Wenn selbst die Götter ihn nicht besiegen konnten, Zelda. Welche Chance, welche Hoffnung bleibt mir dann noch? Mit meinen jetzigen Fähigkeiten werde ich...“
„Hör’ auf“, fauchte sie, „Sag’ mir das nicht, bitte... bitte sag’ es nicht.“ Er drehte sich um und schaute ohne Zweifel, mit einem milden Blick in ihre Augen, doch er stoppte seine Worte nicht. „Ich werde versagen, Zelda, ich werde den Kampf nicht... überstehen...“ Sie ging auf ihn zu und wollte ihm eine Ohrfeige geben, aber er hielt sie davon ab und hielt ihre Hand fest.
„Nein, das wirst du“, platzte es aus ihr hervor. „Hör’ auf so zu reden, Link. Du...“ Sie brach ab und Tränen liefen ihre Wangen hinab.
„Es ist okay, Zelda“, murmelte er und nahm sie in seine Arme. „Ich sagte... mit meinen jetzigen Fähigkeiten. Vielleicht...“ Sie legte ihre Fingerspitzen auf seine Lippen. „Wie du sagtest, lass’ uns nicht mehr daran denken und weiterziehen.“ Sie lösten sich voneinander und machten sich auf den Weg.
Ganon hatte selbst alte Götter in das Elend geschickt, in das Verderben getrieben und sie zu seinen Sklaven gemacht. Welche Möglichkeiten einen Kampf gegen ihn zu überleben, blieb Link dann noch? Wie nur sollte er ihn besiegen, erst Recht ohne das Wissen, wie er früher gegen ihn gekämpft hatte. Es war nicht zu ändern, es war unumgänglich... Es war nicht zu ignorieren... dieser winzige Funken Hoffnung würde vielleicht nicht ausreichen...
Ein piepsiges Geschöpf hüpfte in der Kathedrale von Schicksalshort umher. Es kicherte und trat vor seinen Meister. „Hihih... er ist in Hyrule... hihih.“ Nur ein Satz und Ganondorf wusste, was zu tun war. Er stand auf, lachte heimtückisch in sich hinein und hob seine Arme in die Höhe. Link war in Hyrule... die Frage schien nur, wie lange noch.