Autor: Nayleen
Alle Erinnerungen verlieren sich im Strom der Zeit, so wie Tränen im Regen
Die Kamera geht an.
BIYUUNG.
Ins Bild kommt eine idyllische Sommerwiese; Blumen, die im Wind schaukeln, ein rauschender Bach entlang einer Reihe von Weiden, sanfte Hügeln, die sich bis in den Horizont schwingen. Die Linse schwenkt aus und mit einem ziirrrrr wird das Bild ausgezoomt. Die grüne Wiese ist jetzt ein kleiner Fleck inmitten einer malerischen Landschaft, die wie aus einem Bilderbuch entsprungen ist. Man hört nach wie vor das Summen und Zirpen von Insekten, aber wahrscheinlich ist es eine eingespielte Schleifenvertonung, denn in diesem Moment spielt eine sanfte Melodie in das Geschehen ein und kündigt den Titel in verschnörkelten Druckbuchstaben an:
DAS VERLORENE KÖNIGREICH
Die Kamera fährt jetzt wie im Flug durch das Land; ein reißender Bach in einer Donner durchtosten Schlucht, ein dichter, wehender Wald mit dunklem, undurchdringbaren Unterholz, ein zerklüfteter Gebirgszug mit gezackten Felsformationen, ein in der Mittagssonne schillernder See, der flach ausgebreitet in einer Senke liegt, wie ein silbernes Seidentuch. Und Ruinen einer Stadt, der Hauptstadt anscheinend, denn hier hält die Kamera kurz inne, bevor sie mit einem erneuten Sirren wieder anzoomt und durch die zerfallenen Gassen schwenkt. Die Musik wird wilder, drohender, die Reise nimmt an Fahrt auf, rast um die Ecken, weicht Felsbrocken aus, schwenkt über Mauerreste und Torbögen – bis das Bild plötzlich auf einem weiten Gelände stehen bleibt; der Platz ist mit Unkraut überwuchert, aber er muss einst gepflastert gewesen sein, denn breite, flache Treppen führen hoch zu dem Portal einer Zitadelle.
Eine samtene Stimme ertönt, passt sich mit ihren weichen Klängen der melancholischen Musik an. „Vor Jahrtausenden muss hier einmal ein reiches Königreich existiert haben. Ein Königreich voller Wunder und Magie; ein Königreich jenseits unserer Vorstellungskraft…
Aber mag hier passiert sein? Was ist hier geschehen, dass hier keine Menschenseele weilt, obzwar hier Spuren einer solchen Rasse vorgefunden sind? Es sieht wie eine Massenflucht aus, aber vor welcher drohenden Naturgewalt ist diese Rasse wohl geflüchtet? Vor Monaten fand man diesen Landstrich jenseits den Pforten unserer Welt, jenseits eines Portals, in eine andere Dimension führend… Aber was ist hier passiert?“.
Das Bild steigt die Treppen zur Zitadelle empor und geht durch das mächtige Eichenportal. Zu sehen ist jetzt der Innenraum. Die Halle ist hoch und weit schallend, man hört die Tritte des Kameramanns. An den Wänden schälen sich schmale Fenster aus dem Stein und lassen verblassendes Tageslicht in den Raum, sodass die zerstörte Anlage wie aus einem unwirklichen Traum erscheint.
Der Steinaltar, der die Mitte des Heiligtums einnimmt, ist zerschlagen, der Boden übersäht von bunten Kristallsplittern, die sich funkelnd zu dem herein gewehten Laub und dem Jahrtausend alten Staub gesellt haben. Ein Stück Boden ist mit Absperrbänden sondiert; auf diesen Steinfliesen wurden Proben von den zersplitterten Edelsteinen genommen.
„Zu sehen ist hier der Mittelpunkt dieser neu entdeckten Welt. Er ist das Zentrum, das heilige Relikt des Reiches und wurde von der Herscherfamilie mit dem Leben beschützt.“.
Die Kamera fährt langsam an den Wänden entlang, wo die Spuren von eingemeißelten Wandbildern zu erkennen sind. Sie stellen Bilder von Krieg und Tod, von Edelrittern in glänzenden Rüstungen und ihren Gegenspielern, Fratzen schneidender Unwesen, dar. Ein Zeichen ist in allen Ikonen wieder zu finden: Drei Dreiecke, die übereinander gestapelt ein weiteres bilden.
Das Bild fährt an dieses Zeichen heran und es fängt an zu glühen – eine Computeranimation, um das Gesprochene zu veranschaulichen.
„Das Triforce, eine Macht aus drei gleichwertigen Teilen, die zusammen gesetzt die größte Kraft des Königreichs entwickeln, so der Glaube der Ureinwohner. Archäologen haben nach präzisen Ausgrabungen ganze, erstaunlicherweise gut erhaltene, Bibliotheken über dieses Phänomen zu Tage gebracht. Über drei Göttinnen, die diese Welt erschufen, und nach ihrem Werk ihre Kraft bei den Menschen zurückließen, um ihnen mit dieser Kraft den richtigen Weg zu weisen. Din, die Göttin der Kraft; Nayru, die der Weiheit und Farore die des Muts – das Triforce spiegelte ihre Macht wider und wurde zum Begehr der Menschheit; denn die Zusammenfügung der Fragmente würde eines jeden seinen Wunsch erfüllen…“.
Das Bild wendet sich von dem Zeichen der Götter und wendet sich weiter zu dem mächtigen Steinportal, dass den nächsten Abschnitt von seinem Vorraum abtrennt – doch die Steinflügel sind auseinander gesprengt worden, nachdem sie sich widersetzt haben, den Wissenschaftlern den Zutritt zu gewähren. Jetzt klafft im Stein ein gezacktes Loch, der Stein wurde brutal heraus gerissen und achtlos am Boden liegen gelassen.
Die Kamera wandert durch die entstandene Lücke und der Blick auf das eigentliche Refugium wird sichtbar:
Wieder eine hoch reichende Halle mit verglasten, schmalen Fenstern – die jetzt bunt gekleideten Scheiben lassen das unschuldige Licht tanzen und den verlassenen Raum für einen kurzen Moment wieder aufleben.
In der Mitte der Räumlichkeit ein flaches, mit Stufen ausgelegtes Podest, in der Mitte eine leere Steinscheide.
„Wie einst in der Artussage fanden die Forscher hier ein Schwert in seiner Steinscheide vor. Das Schwert von unbestreitbar heiliger Herkunft wird momentan in der Oxford-Universität für Altertumsforschung näher untersucht. Aber was verbirgt sich hinter der Legende um dieses Schwert? Die Funde berichten von einem Helden in glänzender Rüstung, der das Land einst vor seinem Unheil erlöste. Aber nicht nur hier, nächst der Hauptstadt des Landes, auch anderswo erzählen Steintafeln von dem legendären Retter, vom Helden der Zeit, der das Land in größter Not beistand, nur stammen diese Relikte aus verschiedene Zeiten, aus verschiedenen Epochen. Was mag passiert sein, wer war dieser Held, der scheinbar überall und jederzeit zu sein scheint? Und welches Unheil hat er erfolgreich abgewendet, wenn jetzt alles verlassen und tot daliegt?“.
Die Szene wechselt wieder. Es sind Bilder von einer einsamen Unterwasserstadt, einer Siedlung in den Bergen, einem Dorf inmitten der Wälder zu sehen.
„Und was ist mit dem Volk selbst? Alte Gemälde und Lieder erzählen uns von spitzohrigen Wesen, die der Magie beherrscht waren… Wesen, die die Wälder unsicher machten, Wesen, die es vermochten, unter Wasser zu leben; fähig, in den tiefen Bergminen ihre Siedlungen zu errichten… was waren das für Menschen, wenn sie Meister in allen Elementen waren? Und was geschah, dass sie jetzt verschwunden sind? Vieles zeugt auf eine hoch entwickelte Rasse – einer, die man wohl auch in unserer Vergangenheit, dem späteren Mittelalter, finden wird. Aber dennoch sind sie anders. Ihr Glaube ist stärker, als die Gesetze der Natur, stark genug, um ihre Umwelt zu beeinflussen. Neben der in unserer Welt existierenden Normen von Zeit, Leben und Tod, kann man den Glauben wohl als fehlendes Element zur vierten Dimension dazu zählen… viel mehr ist der Begriff dazu als Magie bekannt. Weitere Funde zeugen von magischen Artefakten und Mechanismen hoher Komplexität, von Formeln und Heilkünsten, die dem heutigen Stand unserer Wissenschaft weit voraus liegen… kann es wirklich sein, dass in dieser Paralleldimension etwas wie Hexerei und Zauberkunst geherrscht hat?
Man weiß es nicht. Aber man hat eine Möglichkeit gefunden, nicht nur Personen aus unserer Welt in diese zu befördern, sondern auch andersrum, Objekte und Funde dieser Dimension in die unsere zu transportieren.“
Das Bild wechselt zu der Wiese, die am Anfang der Sendung gezeigt worden ist. Aber jetzt, wo die Kamera an den bestimmten Punkt anzoomt, kann man es sehen: Ein stählerner Rahmen, der in das Grün der Landschaft gepflanzt wurde. Drähte umspannen das Portal, zwei zuckende Pole haben stets einen zurrenden Blitzstrahl zwischen sich. Das Licht des künstlichen Blitzes vertreibt all das Natürliche dieser Lichtung und verwandelt es in einen grotesken Ort der Abnormität. In diesem Moment zucken die Strahlen, ein unnatürliches Licht lässt den Film für einen Moment in eine bizarre Schwarz-Weiß-Dokumentation erstarren.
Die Kamera zuckt überrascht zusammen, dann stabilisiert sie sich wieder.
Vor dem Portal stehen jetzt mehrere dutzend Menschen in Atemmasken. In ihrer Mitte befinden sich Kisten – Kisten mit Sprengstoff, Messgeräten, Ausgrabungsinstrumente. In ihren weißen Kitteln marschieren sie über die Wiese und immer mehr vermummte Gestalten folgen in kurz hintereinander aufgleißenden Blitzlichtern dem Marsch und sie alle hinterlassen eine Spur aus zerstampftem Gras hinter sich.
Verunsichert über das plötzliche Auftauchen der Archäologen hält die Kamera inne, dann trifft sie eine Entscheidung und reiht sich der schweigenden Prozession an.
„Bis jetzt wurde die Beschaffenheit der Luft noch nicht genausten untersucht und aus Sicherheitsgründen ist Schutzkleidung Pflicht, wenn man sich hier aufhält“, kommentiert die Stimme etwas brüchig. Die Musik setzt plötzlich aus und der nun endgültig stille Aufmarsch wird zu einem makaberen Stummfilm.
Die Forscher sind jetzt angekommen. Sie haben ihre Ausgrabungen in den Steppen vor der Hauptstadt angefangen, aber jetzt breiten sie sich über das gesamte Gelände aus. Mehrere hundert Menschen in ihren abstrusen Verhüllungen arbeiten entlang der Mauern und Löchern. Absperrbände führen durch ein Labyrinth von Gräben, weiße Zelte mit Wasserleitungen und weiteren Kisten gesellen sich zu dem übrigen weiß der wuselnden Gestalten. Die Kamera fährt bewundernd, fast stolz über das Gebiet, zoomt manche Stellen an, und andere wieder aus… wie ein Ameisenhaufen wirken die Ausgrabungsstätten, wie ein Nest voller huschender Ungeheuer, die ihr Höhle auslegen, um es ihr Eigentum zu nennen…
Jetzt dudelt ein letztes Mal die Musik ein, die Stimme setzt zu ihrem Fazit an:
„Die Ausgrabungen sind bereits nach wenigen Monaten von immensem Ausmaß. So viele Geheimnisse auch jetzt noch um dieses alte Reich voller Wunder und Magie kursieren, so wenig man über die Kultur dieses Volks – seine Gebräuche und Religionen, seinen Ritualen und Sagen – kennt, und so wenig man weiß, was nun mit diesem durchaus fortschrittlichen Bewohnern dieser sagenhaften Welt geschehen ist, dass sie jetzt spurlos geflohen sind – irgendwann wird auch das letzte Rätsel gelöst sein und man wird endlich dieses einst verlorene Königreich zum Nutzen der Menschheit verwenden und verarbeiten können…“.
Die Kamera schwingt sich wieder in den Himmel und beschaut sich das Wunder von oben an, durchsaust noch einmal die Hügel und Wiesen, die Städte und Dörfer, den Wald, die Berge, den See… folgt dem Fluss, der schließlich im Meer mündet – bis das Bild schwarz wird und die Musik verstummt, dass selbst die Stille schweigt.
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