Der sehnlichste Wunsch
Autor: Andrea Schott

Der sehnlichste Wunsch


Prolog: Das Reich der Finsternis
Die Nacht war rabenschwarz. Donner grollte in der Ferne und bizarre Blitze zuckten am Himmel. Ein Junge stand einsam in der Steppe. Erste Regentropfen fielen und es war kalt. Bitterkalt. Nur in kurze Hosen und ein ärmelloses Hemd bekleidet begann er zu zittern. Er musste sich bewegen, um nicht zu erfrieren! Trotz seiner Verletzungen begann er mühsam zu laufen.

Wären nur Schwert und Schild nicht so schwer! Aber er konnte sie einfach nicht liegenlassen, die Verfolger waren nur knapp hinter ihm. Der Regen durchmischte sich mit Hagel und die Landschaft erbleichte von den eisigen Körnern. Das Blut aus seinen Wunden hinterließ eine tiefrote Spur hinter ihm. Er durfte nicht aufgeben. Sonst wäre alles verloren. Für immer.

"Für immer verloren!" ging es ihm noch durch denn Sinn, dann schwand ihm das Bewusstsein.

Ganon konnte es nicht glauben. Vor ihm lag Link auf dem Boden wie ein Lämmchen auf der Schlachtbank. Nur zappelte er nicht einmal mehr. Sein Leben hing nur noch an einem dünnen Faden. Der Herr der Finsternis zögerte nicht lang und machte seinen langersehten Traum wahr: mit einem Hieb von seinem Schwert war es vorbei! Link zuckte noch einmal auf, dann stieg seine Seele ins Nirvana auf.

Ganon stöhnte auf, als die Macht vom Triforce des Mutes auf ihn überging. Nun war alles vollkommen. Er hatte alle drei Triforce-Fragmente. Zelda hatte er schon vor drei Tagen überwältigt und zur Frau genommen - nur Link als letzter unbekannter Faktor war noch im Weg gewesen... Das Reich der Finsternis kam auf Hyrule herab und NIEMAND würde es je wieder ändern können! Der Morgen dämmerte über Hyrule unter dem grausamen Lachen von Ganon...






Der sehnlichste Wunsch
Zelda stand auf dem schmalen Handrücken der Göttin Shiva und blickte mit leicht zusammengekniffenen Augen über die Wüste. Der Sandsturm tobte vor dem Wüstenkoloss und erlaubte keinen weiten Blick. Ein Wanderer, der sich in die Wüste gewagt hätte, wäre ohne einen kundigen Führer verloren gewesen. Für Zelda war der Wüstentempel ein Gefängnis ohne Gitter. Die Wüste vor ihr bedeutete den sicheren Tod. Und sie durfte nicht sterben. Sie musste ausharren bis ans Ende. Sie musste leben, leben für die Hoffnung.

Die einstige Prinzessin von Hyrule betrachtete ausdruckslos das Stieben der Sandkörner auf der Ebene vor ihr. In Gedanken spielte ihre Hand mit dem unscheinbaren metallenen Armreifen an ihrem linken Handgelenk. Sie wartete auf Ganon. Jeden Tag seit er sie hierher gebracht hatte, wartete sie auf ihn. Sie hielt nach ihm Ausschau. Solange er zurück kam, wortkarg und verdrossen, war Link noch am Leben.

Zelda biss sich auf ihre Oberlippe. Der Armreif an ihrem Handgelenk fühlte sich kühl und unwirklich an. Sie hatte schlecht geträumt diese Nacht. Zelda spähte in den Sandsturm. Sie war unruhig. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass, wenn Ganon auch heute zurück kommen würde, er erfolgreich gewesen war. Die junge Hylianerin blinzelte gegen den Sturm, die Augen fest über die Wüste gerichtet.

In den ersten Tagen war sie noch voll von Hoffnung gewesen. Sie hatte Ganons Hohn ruhig ertragen. Sie hatte gewusst, dass sie am Ende gewinnen würden. Das Gute gewann immer. Selbst als er ihr die Macht ihres Triforce-Teils genommen hatte, hatte sie noch gehofft. Jetzt aber hatte sie Angst.

Zeldas Hand drehte wie im Traum den schmalen Armreif. Er war so unscheinbar. Wer hätte gedacht, dass ein solch schlichtes Schmuckstück in der Lage war, sie ihres Triforce-Elements zu berauben. Es war Ganons Hochzeitsgeschenk gewesen und es hatte ihm ihre Kraft übertragen.

Das Geräusch eines galoppierenden Pferdes, das mit dem Wind zum Wüstenkoloss herüber getragen wurde, ließ Zeldas Herz sich ahnungsvoll zusammenziehen. Aus dem gelben Sturm kam Ganons Pferd hervor wie ein düsterer Alptraum aus dem Nebel. Ganon ritt schnell. Zelda konnte seine Hochstimmung alleine aus seiner Körperhaltung herauslesen. Sie brauchte nicht seinen triumphierenden Blick zu sehen. Es war vorbei. Die Finsternis hatte gesiegt. Still und ungesehen wie ein Schatten zog sich die Prinzessin von Hyrule in den Wüstentempel zurück.

***


"Da, sie kommt zu sich." Gedämpftes Licht umfing die kleine Fee, als sie ihre Augen öffnete. Mehrere Augenpaare betrachteten sie besorgt. Ein junges Mädchen war leicht über sie gebeugt: "Wie geht es Dir?"

Navi blinzelte. Ihr kleiner Körper fühlte sich geschunden und zerschlagen an. "Wo bin ich?" Die kleine Fee schüttelte ihre Flügel aus und schwebte in eine senkrechte Haltung. "Was ist passiert?" Navi sah in die Runde der versammelten Hylianer, die in dem kleinen Haus stumm um sie herum standen.

"Du bist in Kakariko. Du bist hier in Sicherheit", erklärte das junge Mädchen. Sie sah Navi aus großen Augen mitfühlend an.

Die kleine Fee begann sich zu erinnern. Sie kannte das Haus. Und sie kannte das Mädchen. Sie war die Tochter des Farmers. Ihr Name war Malon. Navi war ihr auf ihrer Reise mit Link begegnet. Die Fee blickte suchend in die Runde. "Wo ist Link?"

Die Hylianer schwiegen. Einige schlugen ihre Augen nieder. Navi sah zu Malon. Doch auch das junge Mädchen schwieg. Die Hylianer vor Navi traten ein Stück beiseite und gaben den Blick in den Raum frei.

Auf einem einfachen Bett an der gegenüberliegenden Wand des Raumes lag Link. Der kleine Junge trug noch immer seine grüne Kleidung. Sie war blutbefleckt. Links Gesicht war blass. Keine der großen Wunden blutete mehr. Niemand hatte versucht, sie zu verbinden. Quer über die Brust verlief der letzte tödliche Streich eines Schwertes.

Navi sah fassungslos den toten Körper an. Alles um sie herum verschwand, wurde unwesentlich. Sie sah nur Link. Den vom Schicksal erwählten Helden. Den kleinen Jungen, dessen Fee sie gewesen war. Den sie begleitet hatte. Dem sie zur Seite gestanden hatte. Den sie beschützt hatte. Silberne Tränen liefen Navi über die Wangen, als sie begann zu verstehen. "Link."

***


"Da, er kommt zu sich." Gedämpftes blaues Licht umfing Link, als er die Augen öffnete. Das Gesicht eines alten Mannes war über ihn gebeugt. Strahlend blaue Augen betrachteten Link gütig.

"Rauru?" Link richtete sich vorsichtig auf. Er hatte den Eindruck, sein Körper würde bei jeder Bewegung schmerzen. "Wo bin ich? Was ist passiert?"

"Du bist im Tempel des Lichts." Rauru war einen Schritt zurückgetreten, so dass Link aufstehen konnte. "Die Weisen haben Deine Seele hierher gebracht."

"Meine Seele." Link schloss kurz die Augen. Er begann sich zu erinnern. Die schmerzenden Wunden. Das Blut. Die Kälte. Danach - nichts. "Ganon hat mich besiegt." Rauru nickte stumm.

Link musste schlucken. "Dann hat er alle drei Teile des Triforce." Er sah den Weisen des Lichts besorgt an. "Dann haben wir versagt. Das Reich der Finsternis…" Link beendete seinen Satz nicht.

Rauru lächelte leicht. Es war ein spöttisches Lächeln. "Darüber musst Du Dir keine Sorgen machen, Link. Noch ist nicht alles verloren."

***


Die Schritte schwerer Stiefel auf dem felsigen Untergrund ließen Zelda ihren Blick haben. Sie saß bemüht gleichgültig auf dem Boden, die Beine gekreuzt wie in Andacht. Die Schritte wurden lauter. Jeden Augenblick würde Ganon durch die Tür kommen und ihr seinen Sieg mitteilen. Sie wunderte sich, dass sie die Macht der Finsternis noch nicht spüren konnte.

Die Schritte hatten die Tür erreicht. Schwungvoll trat Ganon ein. Die Tür, die er aufgestoßen hatte, schlug gegen die Wand, so dass der Raum erbebte. Zelda sah zu dem Gerudo auf. Zorn schien in Ganons Augen zu brennen.

Der Herr der Finsternis kam mit schnellen Schritten auf Zelda zu. Bevor sie reagieren konnte, hatte Ganon die überraschte junge Frau am Ausschnitt ihres Kleides gepackt und auf die Beine gezogen. Mit Gewalt schleuderte er die Hylianerin gegen die Wand. "Was habt Ihr mit ihnen gemacht?" Abgrundtiefe Wut sprach aus seinen schnell hervorgestoßenen Worten.

Zelda presste sich mit dem Rücken gegen die Wand. Ganon setzte nach. Seine linke Hand drückte Zelda gegen die Wand. Seine rechte zog sein Schwert. "Rede, verdammt noch mal." Ganon hielt Zelda das Schwert gegen ihren Hals.

Die junge Hylianerin sah ungläubig und fassungslos gegen die Schneide des Schwerts. Was wollte Ganon? Er hatte alle drei Teile des Triforce. Er hatte die absolute Macht. Was wollte er noch? Zelda sah den Herren der Finsternis verständnislos an.

Ganons Gesicht war vor Zorn verzerrt. "Ich töte Dich, wenn Du mir nicht sagst, was mit dem Triforce nicht stimmt."

Zelda sah Ganon überrascht an. Aber dann begann sie urplötzlich zu verstehen. Ganon besaß alle drei Teile der Macht. Aber er besaß noch immer nicht die Macht selbst. Das Reich der Finsternis war noch nicht über sie gekommen. Deswegen hatte sie es nicht spüren können.

Die Klinge von Ganons Schwert fühlte sich kalt und schneidend an Zeldas Hals an, als der Gerudo die Waffe fester gegen sie presste. Ihre Blicke maßen sich. Dann ließ Ganon unerwartet das Schwert sinken.

Er steckte die Waffe schwungvoll weg. Zorn und Wut schienen von einem Moment zum anderen verschwunden. Ganons Augen glänzten kalt, als er sich zu Zelda vorbeugte, so dass sich ihre Gesichter fast berührten. "Ihr werdet mich nicht aufhalten können, meine kleine Prinzessin." Der vertraute Hohn erschien wieder in Ganons Zügen. "Ich werde schon dahinter kommen, was Ihr mit dem Triforce angestellt habt. Und dann wird mein Reich kommen. Dann werde ich Dich töten. Erst dann."

Der Gerudo wandte sich abrupt zum Gehen. Die Tür wurde ohne ein Geräusch geschlossen. Nur das Schloss klickte, als die Tür in die Angeln glitt. Ganons Schritte verhallten im Wüstenkoloss. Zelda sank mit zitternden Knien an der Wand in die Hocke.

***


"Noch ist nicht alles verloren?" Link wiederholte verständnislos die Worte des Weisen des Lichts. "Ganon hat alle Triforce-Elemente und ich bin tot."

Rauru lächelte. "Dein Körper ist tot. Aber Deine Seele haben die Weisen hierher gebracht. Im Tempel des Lichts herrschen andere Gesetze als auf der Erde. Der Kampf zwischen Licht und Schatten ist noch lange nicht vorüber."

"Aber wenn Ganon doch alle Triforce-Teile…", wandte Link ungeduldig ein. Aber Raur ließ ihn nicht ausreden. "Er besitzt die drei Triforce-Elemente Kraft, Weisheit und Mut, ja", gab der Weise des Lichts zu. "Aber es gibt da etwas, das er nicht weiß, das ihr alle nicht wisst. Ihr habt Euch zu sehr auf das verlassen, was Euch die alten Sagen erzählen."

"Ja, aber…", wollte Link ihn unterbrechen. Doch Rauru schüttelte den Kopf. "Das Triforce, Link", begann er. "Hast Du Dir es jemals genau angesehen?" Und da Link verwirrt schwieg, fügte er hinzu. "Dann tue es jetzt. Sieh es Dir einmal gut an und sage mir, was Du siehst."

Link biss sich auf die Lippen. Worauf wollte Rauru hinaus? Er kannte das Triforce. Es war ein großes Dreieck, in dem drei kleinere goldene Dreiecke so angeordnet waren, dass ihre Spitzen die Spitzen des großen Dreiecks bildeten. Link sah das ihm vertraute Symbol ratlos an. "Ich verstehe nicht", erklärte er dann ein wenig frustriert.

"Das Triforce-Symbol ist uralt." Rauru lächelte erneut. "Der Name Triforce ist mit ihm verglichen sehr neu. Und - er ist falsch."

***


Ganon saß an dem großen Tisch, den Kopf in die rechte Hand gestützt, mit der linken gereizt durch das massive Buch blätternd, das vor ihm lag. Seit seiner Kindheit hatte er alle Schriften gesammelt, die mit dem Triforce zu tun hatten. Jahrelang hatte er nach Wegen gesucht, in den Besitz der Teile der Macht zu gelangen. Und jetzt hatte er sie, aber irgend etwas funktionierte dennoch nicht.

Ganons Hand blätterte eine weitere Seite um. Eine bunte Tuschzeichnung des Triforce. Ganon starrte in innerem Zorn auf die Darstellung und ballte seine linke Hand zur Faust. Das konnte doch gar nicht sein. Was sollte er noch übersehen haben? Er wusste alles über die drei Teile der Macht. Er hatte alle Texte gelesen, die je über das Triforce verfasst worden waren, selbst jene sehr kryptischen in der alten Sprache der Hylianer, die so schwer zu entziffern waren und ab und zu den Eindruck erweckten, dass es nicht drei Teile der Macht gäbe, sondern…

Ganon richtete sich unvermittelt auf. Sein Blick lag auf der Zeichnung des Triforce in dem Buch vor ihm: Ein großes Dreieck bestehend aus drei kleineren goldenen Dreiecke, die so angeordnet waren, dass in der Mitte eine Lücke entstand, welche genau dieselben Abmessungen hatte, wie die drei Triforce-Teile und auch dieselbe Form.

Ganons Hand berührte das Triforce-Symbol leicht zitternd. Sein Zeigefinger tippte nachdenklich auf den Mittelteil des Triforces. Schließlich sprach er laut das aus, was ihm als letzte Möglichkeit in den Sinn gekommen war. "Warum eigentlich drei?"

***


"Vier?" Link sah Rauru ungläubig an. "Es gibt vier Triforce-Stücke?" Der junge Hylianer schüttelte den Kopf. "Aber wieso? Und warum hat uns nie jemand davon erzählt."

"Hat Dir schon einmal jemand etwas von dem fliegenden Volk erzählt?", wollte der Weise des Lichts wissen. "Dem Volk der geflügelten Elfen?" Rauru lächelte leise. "Siehst Du, deshalb hat Euch auch niemand etwas von dem vierten Triforce-Element erzählt."

Der Weise sah Link ernst an. "Ganon ist nicht der erste, der versucht, das Triforce für dunkle Zwecke zu verwenden. Alle Sterblichen tragen den Wunsch nach Zerstörung in sich, leider. Es gibt viel gutes, aber auch viel schlechtes. Deswegen wurde das vierte Triforce-Element erschaffen. Es ist nicht wie die übrigen drei. Alleine besitzt es keine Macht. Es ist unauffällig. In all den hunderten Jahren, in welchen die Hylianer die Sage des Triforce aufgeschrieben haben, haben sie nie von der Existenz des Triforce-Teils erfahren. Und das ist auch gut so, denn nur mit dem vierten Element kann das Triforce seine gesamte Macht freigeben. Wer das zusammengesetzte Triforce berührt, dem wird der sehnlichste Wunsch im Leben gewährt."

"Und dieses vierte Teil." Link schien nachdenklich. "Was ist es und wo befindet es sich jetzt?"

Rauru wandte seinen Blick von Link ab und sah in die unendliche Weite der Halle seines Tempels. "Früher nannte man es das Element des Ausgleichs. Es befand sich in den Händen des fliegenden Volks. Aber das ist lange her. Es kam der Krieg und das fliegende Volk verschwand."

"Und mit ihm das Triforce des Ausgleichs", schloss Link aus Raurus Worten. Doch der Weise schüttelte den Kopf. "Nein, das vierte Triforce-Element befindet sich noch immer auf der Erde. Es gibt ein Volk, das man als die Nachfahren des fliegenden Volkes ansehen könnte."

"Und wie kommt es, dass ich dieses Volk auf meinen weiten Reisen nie getroffen habe?", wollte Link ungläubig wissen.

"Wer sagt, dass Du es nie getroffen hast?" Der Weise sah Link eindringlich an. "Denke doch einmal gut nach, Link. Fliegende Elfen." Rauru führte seine Worte nicht weiter aus, da Link erstaunt aufsah. Er erinnerte sich an ein leises Lachen, das um seinen Kopf schwirrte, bläulich schimmerndes Licht, eine feine Stimme. Eine kleine Strahlenkugel, aus der man gerade noch die filligranen Flügel hervorragen sehen konnte. "Navi", sagte er leise. "Eine fliegende Elfe."

***


Finstere Vorfreude war das, was Ganon verspürte, während er eilig zu Zeldas Gemächern ging. Er hatte gewusst, dass es eine gute Idee gewesen war, die hylianische Prinzessin nicht zu töten, sondern leben zu lassen und zur Frau zu nehmen. Wenn jemand auf diesem verdammten Planeten über den Verbleib des vierten Triforce-Elements wusste, dann Zelda.

Ganon gab sich nicht die Mühe, leise in den Raum einzutreten. Die Tür schlug erneut bebend gegen die Wand, als Ganon sie öffnete. Das Lächeln gefror dem Gerudo auf den Lippen, als er in den Raum eintrat. Er war leer. Ganon trat ein und schloss die Tür hinter sich. "Prinzessin Zelda!"

Ganon knurrte unwillig und schloss die Augen, um sich zu konzentrieren. Der hübsche Armreif, den er Zelda zur Hochzeit geschenkt hatte, hatte ihm nicht nur die Macht ihres Triforce-Teils übertragen, sondern er hatte auch noch einen weiteren überaus praktischen Nutzen. Er ließ Ganon immer wissen, wo sich seine Trägerin befand.

Der Gerudo konzentrierte sich. Vor seinem inneren Auge konnte er Sand sehen, das Gelb der Wüste und den Sturm der einzelnen Körner, wie er durch die Luft peitschte. Ganons Mund verzog sich zu einem böswilligen Lächeln. "So, du versuchst also wirklich, vor mir davon zu laufen, kleine Prinzessin."

***


Navi kannte die Wüste. Sie hatte sie bereits schon einmal durchquert. Zusammen mit Link. Von daher wusste sie, dass es eigentlich unmöglich war, ohne einen kundigen Führer der Wüste wieder lebend zu entkommen. Aber sie hatte keine große Wahl. Sie musste zu Prinzessin Zelda, wenn nicht alles verloren sein sollte.

Der tobende Sandsturm der Wüste ließ die Welt vor Navis Augen wie in einem dämonischen Nebel verschwinden. Die Sandkörner peitschten gegen ihren kleinen Körper und stachen sie wie unzählige Nadeln. Aber darauf konnte sie keine Rücksicht nehmen. Sie wusste, dass sie wenig Zeit hatten.

Die kleine Fee verlangsamte ihren Flug, als sie sah, wie sich vor ihr etwas aus dem Sandsturm zu lösen begann und Gestalt annahm. Einen Augenblick befürchtete Navi, es könne Ganon persönlich sein, aber sie hatte Glück. Es war eine Frau, die vor Navi aus dem Sturm auftauchte. Sie trug ein langes weißes Kleid mit violetten Mustern in Form des Triforce-Symbols. Ihre blonden Haare waren durch den Wind zerzaust. Ihre Schritte wirkten mühsam und schwerfällig, so wie sie gegen den Sandsturm ankämpfte.

"Prinzessin Zelda." Navi flog eilig auf die junge Hylianerin zu und umkreiste sie freudig. "Du bist es wirklich." Zelda kniff ihre Augen zusammen. "Navi. Was machst Du hier?"

"Ich bin auf der Suche nach Dir. Ich habe mir solche Sorgen gemacht…" Navi verstummte. Ihr Blick glitt zu dem Armreif, den Zelda trug. Zelda war dem Blick der kleinen Fee gefolgt. Sie seufzte. "Ganon hat sich die Kraft meines Triforce-Fragments genommen. Dieser verfluchte Armreif." Tränen traten in Zeldas Augen. "Wenn ich ihn nur los werden könnte."

Sie verstummte. Navi sah angespannt in den tobenden Sandsturm in Zeldas Rücken. Ein galoppierendes Pferd war in der Wüste schwer zu hören. Eher spürte man die Erschütterung im Sand. Das Pferd musste bereits sehr nahe sein, dass man es hören konnte.

"Ganon." Entsetzen sprach aus Zeldas Stimme. "Er muss mir gefolgt sein." Navi flog aufgeregt auf und ab. "Ich brauche Deinen Armreif." Zelda sah irritiert auf die kleine Fee, die anscheinend nervös vor ihr schwebte. "Ich kann ihn nicht ausziehen", erklärte sie deprimiert.

"Das werden wir ja sehen." Navi flog zu Zeldas Arm. Ihre kleinen Hände berührten den Armreif. Ein blass orangenes Licht breitete sich um sie aus. Langsam glitt der Armreif von Zeldas Arm. Während Navi den Armreif abstreifte, übertrug sie Zelda das Triforce des Ausgleichs.

***


"Ich spüre die Kraft des Triforce." Rauru sah auf. "Bist Du bereit, Link?" Er musterte den Jungen mit einem aufmunternden Lächeln.

Link blickte den Weisen den Lichts verwirrt an. "Bereit? Wozu?" Raurus Frage erschien ihm seltsam. Er war tot. Wozu musste man noch bereit sein, wenn man tot war?

"Das wird sich gleich zeigen." Rauru nickte bedächtig. "Die Teile des Triforce werden gleich ineinander verschmelzen. Das erste Mal seit einer Ewigkeit. Ich bin gespannt, wie sich die siebte Weise entscheiden wird."

***


Zelda schnappte nach Luft, als der Armreif von ihrem Arm glitt. Sie spürte die Kraft des Triforce-Fragments in ihr. Aber es war nicht ihr Fragment, das Fragment der Weisheit. Es war ein anderes Teil der göttlichen Macht. "Was…?", begann Zelda überrascht.

"Keine Zeit für Erklärungen." Navi hielt den für sie riesigen Armreif in ihren kleinen Händen. "Du wirst gleich alles verstehen. Halte ihn nur ein wenig hin."

Mit diesen Worten verschwand die Fee in der dichten Wand des Sandsturms. Keinen Augenblick später erschien Ganon aus dem tobenden Sturm. Der Gerudo zügelte sein Pferd, als er Zelda sah. Die junge Hylianerin verbarg schnell ihre Arme hinter dem Rücken. Ganon musste nicht sehen, dass sie den Reif nicht mehr trug.

Ein hässliches Grinsen breitete sich über Ganons Gesicht, als er Zelda vor sich stehen sah. "Hast Du wirklich geglaubt, Du könntest vor mir davon laufen?" Ganon brachte sein Pferd zum Stehen und saß schwungvoll ab.

Zelda schluckte. Navis Worte gingen ihr durch den Kopf. ‚Halte ihn nur ein wenig hin.' Sie versuchte nachzudenken. "Du wirst es nicht wagen, mir etwas anzutun."

Ganon grinste anscheinend gut gelaunt. "So, und warum nicht?" Sein Pferd am Zügel führend kam der Gerudo näher. Zelda spürte, wie die Luft um sie herum zu vibrieren schien, während der Herr der Finsternis näher kam. Sie spürte die Kraft des Triforce-Elements in sich, das Navi ihr übertragen hatte. Sie begann zu verstehen. "Du kannst mir nichts tun, solange Du nicht weißt, wo das vierte Element ist."

Ganons orangefarbene Augen glänzten. "So, Du weißt also wirklich davon." In seinem Rücken erschien Navis kleine Gestalt lautlos aus dem Sandsturm. Die Fee musste einen Bogen um Ganon geflogen sein, so dass er sie nicht sehen konnte. Sie hatte den Armreif bei sich und flog langsam von hinten auf Ganon zu.

"Wo ist das vierte Triforce-Stück?" Ganon betonte jedes Wort seines Satzes. Navi hatte ihn inzwischen fast erreicht. Zelda schloss kurz die Augen. Dann zog sie ihre Hände hinter dem Rücken hervor. "Hier."

Ganons Augen weiteten sich vor Überraschung. Im gleichen Augenblick hatte Navi den Gerudo erreicht. Bevor Ganon auch nur merken konnte, was geschah, streifte sich der Armreif um sein Handgelenk.

Die Energie des Triforce schoss förmlich aus Ganons Körper. Zelda stöhnte aufgrund der starken Macht auf, die sich wie ein tosender Sturm in sie ergoss. Die Energie strömte in sie wie ein wilder Bergfluss. Die vier Elemente des Triforce verschmolzen miteinander. Und Zelda wusste, welche Macht ihr zur Verfügung stand. Das Triforce würde ihr ihren sehnlichsten Wunsch erfüllen.

Zelda lauschte auf das Vibrieren der Macht in sich. Ihr sehnlichster Wunsch. Was war ihr sehnlichster Wunsch? Dass Ganon vernichtet wurde? Dass alles wieder so wurde wie früher? Dass die Finsternis auf ewig aus Hyrule verschwinden würde?

Die junge Prinzessin lächelte leicht, als ihr bewusst wurde, dass keiner dieser Wünsche ihr sehnlichster war. Sie schloss die Augen und ließ das Triforce in ihr Herz sehen.

***


Ganon kauerte auf dem Boden. Grenzenloser Schmerz erfüllte seinen Körper, den die Macht des Triforce verlassen hatte. Eine gespenstische Leere war alles, was er noch in sich fühlte. Der Gerudo wimmerte leise und versuchte sich halbwegs aufzurichten. Irgendwo vor ihm stand Prinzessin Zelda. In ihr verschmolzen die Teile des Triforce zu unglaublicher Macht. Es würde ihr ihren sehnlichsten Wunsch erfüllen. Sie würde ihn vernichten.

Gegen den Schmerz in seinem Körper ankämpfend, hob Ganon den Kopf. Prinzessin Zelda war umgeben von dem Licht des Triforce. Ihr Körper war engelsgleich und schien über dem Boden zu schweben. Ihre Augen waren leicht geschlossen. Ein friedliches Lächeln spielte um ihre Lippen.

Dann erlosch das Licht. Zelda öffnete ihre Augen und sah Ganon an. Sie trat einen Schritt zur Seite und gab dem Herren der Finsternis den Blick frei auf ihren sehnlichsten Wunsch.

"Link!" Ganon stieß den Namen seines verhassten Widersachers mühsam hervor. Der Junge stand einen Augenblick regungslos in der Wüste, als müsse er sich erst orientieren. Dann glitt sein Blick zu Ganon. Seine Hand fuhr zu dem Schwert auf seinem Rücken. Im Gehen zog Link die Waffe.

Unfähig sich zu bewegen, sah Ganon ihn auf sich zu kommen. Das Schwert glänzte im unwirklichen Licht der Wüste. Link hob die Waffe und holte zum Schlag aus. Ganon sah die blitzende Schneide auf sich zu sausen. Dies wäre also sein Ende.

Kurz bevor die tödliche Waffe Ganon erreichte, drehte Link das Schwert. Der Knauf seines Schwertes traf den Gerudo mit voller Wucht am Kopf, warf ihn rücklings zu Boden und nahm ihm das Bewusstsein. Ohnmächtig und wehrlos lag der Herr der Finsternis vor Link. Der Junge hielt die Waffe gesenkt in den Händen. Dann steckte er sie zurück in die Scheide. Er vertrat das Gute.

In Links Rücken beschwor Zelda die Kraft der sieben Weisen, um Ganon endgültig in die Tiefen der Hölle zu verbannen.

Ende





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