Etwas großes erwartet uns - Fanfictions
Weit fort von der Heimat war dieses Kind, Savore konnte es in seinen traurigen Augen lesen. Schon alleine die blonden Haare und blauen Augen des Mädchens waren eindeutig, da brauchte die junge Gerudofrau die spitzen Ohren gar nicht zu sehen.
"Wie heisst du denn?" fragte Savore. Das Mädchen sah sich unsicher um und öffnete dann den Mund. Savore sah die Angst der Kleinen und hörte das unverständliche Stottern. Schliesslich brachte das Mädchen doch noch einen Namen heraus, aber Savore war sich sicher, dass er erfunden war.
"Kiora!" sagte das Kind leise: "Lässt du mich jetzt nach Hause gehen?"
"Ich weiss nicht, wo du zuhause bist!" sagte Savore: "Sagst du es mir? Dann kann ich dich nach Hause bringen!"
"Ich weiss es auch nicht!" wisperte Kiora. Savore nahm die Kleine in die Arme und tätschelte sie sanft.
"Dann bin ich jetzt deine Mutter, bis wir deine Mutter gefunden haben!" sagte sie leise. Und jetzt lächelte die kleine Kiora.
Savore zog ihre vier Kinder alleine auf. Die Väter der Gerudokinder verschwanden stets ebenso schnell, wie sie gekommen waren, dass viele Gerudofrauen diese Erlebnisse nur für Träume hielten. Savore hingegen wusste es besser, sie hatte dem flüchtenden Vater ihrer Zwillinge ein Stück seines Mantels abgerissen.
Savore war allerdings auch die einzige Gerudo, die einen Sohn hatte, der nicht plötzlich spurlos verschwunden war. Aber das erschwerte ihre Erziehungsarbeit, denn Ganon war so streitsüchtig, dass er die ältesten Kinder, die Zwillinge Koume und Kotake, regelmässig dazu brachte, zur alten Hexe Tamayo zu flüchten. Kiora hatte zwar keinen Streit zu erdulden, allerdings hing Ganon wie eine Klette an seiner gleichaltrigen "Lieblingsschwester", er hatte sogar einige Male angekündigt, wenn er einmal gross sei, würde er sie heiraten. Savore hoffte inständig, dass er dabei Kiora auch die Freiheit der Entscheidung lassen würde. Schliesslich musste er das, wenn er mit Vollendung seines sechzehnten Lebensjahres zum König der Gerudos gekrönt wurde, nicht mehr tun.
Kiora ahnte wohl, dass Ganon nicht im Sinn hatte, ihre Wahl einfach zu akzeptieren. Eines Tages, nur ein halbes Jahr vor Ganons Krönung, war die junge, blonde Frau plötzlich verschwunden. Savore verzichtete darauf, nach ihr zu suchen, sie wusste, dass es so für Kiora am besten war. Ganon hingegen fasste Kioras Verschwinden als Beleidigung auf und ging auf die Suche.
Da er den Gerudofluss noch nie zuvor überquert hatte, scheute er sich etwas davor, das unbekannte Land zu betreten. Sein messerscharfer Verstand hatte schon erkannt, dass die spitzohrigen Hylianer ihre Artgenossin sofort vor dem Fremden mit den feuerroten Haaren verstecken würden, wenn sie auch nur eine winzige Andeutung in diese Richtung fallenlassen würde.
Ob die Hylianer Kiora versteckten oder Kiora schlicht viel weiter fort war, wusste Ganon nicht, aber er blieb in der Nähe des Gerudotals. Der Besitzer der Lon-Lon-Farm, der rothaarige Falon, hatte sich an den Fremden schnell gewöhnt und den hilfsbereiten Jugendlichen auch bald ins Herz geschlossen. Falons Sohn, Talon, der kaum älter als Ganon war, wirkte hingegen immer sehr viel reservierter. Aber Ganon hielt seine Streitsucht im Zaum und so konnte Talon bald auch nicht mehr anders, als den Gehilfen seines Vaters recht gern zu mögen.
Die Zeit verging, eigentlich hätte Ganon sich schon längst zum König krönen lassen können, aber er hatte eine Spur, die ihm gar nicht gefiel. Der Gerudo mochte Talon recht gerne, doch nun begann der junge Farmer etwas zu verheimlichen, das verdächtig nach einem blonden und blauäugigen Mädchen aussah. Bereits zweimal hatte Ganon das Pärchen in der kalten Nacht unter dem Baum vor dem Eingang zur Lon-Lon-Farm stehen sehen, und er war stets davon überzeugt, dass es sich um Kiora handelte. Nur manchmal kamen ihm leise Zweifel auf, denn Kiora war schliesslich ausser Talons Mutter die einzige Hylianerin, die er jemals gesehen hatte.
Schliesslich beschloss Ganon, dem Wesen der Hylianerinnen auf den Grund zu gehen. Er setzte sein freundlichstes Lächeln auf und wanderte zur Hauptstadt. Auf dem Marktplatz sah er sich die jungen Frauen genau an und kam schlussendlich zur Einsicht, dass Kiora wirklich einzigartig war.
Abends lauerte er wieder auf die Turteltäubchen, stiess Talon zur Seite und packte Kiora an den Schultern. Kiora schnaubte ihn wütend an.
"Wieso bist du mir gefolgt! Ich bin keine Gerudo! Ich bin hier in Hyrule zuhause!" zischte sie.
"Weil du meine Schwester bist!" erklärte Ganon sanft: "Ich kann dich doch nicht einfach gehen lassen!" Diese Sanftheit schien Kiora wohl zu überraschen, denn sie schnappte verblüfft nach Luft.
"Dann kenne ich dich aber besser, als du selbst es tust!" sagte sie dann: "Dort hättest du mir keine Wahl gelassen, hier musst du es!" Ganons Blick wurde düster, als er erkannte, dass sie die Wahrheit sagte. Aber er wollte sie nicht loslassen, sie sollte nicht gehen, Talon sollte sich von ihr fernhalten. Nur ... konnte er nichts tun. Enttäuscht wandte er sich ab und kehrte ins Gerudotal zurück, um König der Gerudos zu werden. Aber er schwor sich, er würde zurückkehren, nachdem er alle Bücher aus den Regalen der alten Hexe Tamayo gelesen haben würde.
Nachdem Ganon aus Hyrule verschwunden war, trafen sich Kiora und Talon so oft, dass es auch Falon nicht mehr übersehen konnte. Der alte Farmer schloss die blonde Schönheit in sein Herz und unterstützte seinen Sohn tatkräftig bei den Vorbereitungen zur Hochzeit. Es war einfach perfekt. Nur das Wissen, dass Ganon nicht gerne nachgab, trübte die Freude. Aber dem schon weisshaarigen Falon wurde diese Sorge natürlich nicht mitgeteilt.
Schliesslich brachte Kiora eine Tochter zur Welt, die von den glücklichen Eltern Malon genannt wurde. Aber als Malon ein Jahr alt war, wurde Talon gleich von zwei Schicksalsschlägen erschüttert. Erst verschwand Kiora spurlos und dann, aus Sorge um die Verschollene, starb Falon.
Und, um den Sorgen die Krone aufzusetzen, begann der Krieg. Es war wohl so, dass nur der König wusste, warum gekämpft wurde, denn die Bewohner von Hyrule hatten gegen die Thevalarner wirklich nichts.
Überall, wo das thevalarnische Militär angriff, flohen die Hylianer in Scharen. Viele suchten Zuflucht in der Farm, mussten aber von dort aus gemeinsam mit Talon und Malon bald weiter zum Hyliasee flüchten. Und als schliesslich auch die Zoras ihre Stellung nicht mehr halten konnten, ging es weiter ins Nachbarland, wo die Amythianer freundliche und hilfsbereite Leute waren.
Aber manche schafften es nicht bis dorthin und flüchteten in die verlorenen Wälder. Wie es die Natur jener Region ist, verwandelten sich die weniger willensstarken bei Berührung mit den Bäumen in verschiedene Pflanzen. Aber eine junge Mutter gab nicht auf, denn sie wollte ihr Kind retten. Und so kam sie bis zum Deku-Baum, dem sie ihr Kind anvertraute.
Währenddessen wuchs Malon im Nachbarland Amythian heran, sie war klug, schön und liebenswert. Ihre blauen Augen und roten Haare erinnerten an Kiora und Falon gleichermassen. Sie und auch Talon fühlten sich, wie viele andere Hylianer und Zoras, in Amythian sehr wohl, dennoch kehrten die meisten nach Ende des Krieges in die zerstörte Heimat zurück.
Und Kiora? Nun, sie lebte, aber glücklich war sie nicht.
Ganon, der durch seine Zeit in Hyrule gelernt hatte, nicht immer sofort einen Streit zu beginnen, stöberte lange Jahre gemeinsam mit seinen beiden Schwestern in den Büchern der sehr alten Hexe Tamayo. Nach einiger Zeit bat Tamayo die drei zu sich und grinste sie mit ihrem zahnlosen Mund an.
"Wifft ihr, ich werde bald fterben!" sagte sie: "Die Entfeidung, wen ich fu meinem Nachfolger mache, fällt mir nicht leicht! Die Gefetfe flieffen auf, daff Ganon ef wird, aber fwiffen Koume und Kotake kann ich mich nun wirklich nicht entfeiden!" Sie hustete laut und lange und verriet dann ihren Entschluss: "Alfo habe ich beftimmt, daff die Fwillinge beide Hekfen werden follen!"
Sowohl Ganon als auch seine beiden Schwestern hatten alle Mühe, zu verstehen, was Tamayo sagte, aber es ging doch. Die alte Hexe streifte einen Ring von ihrem verschrumpelten Finger und holte einen zweiten aus einer muffigen Schachtel. Sie verbarg beide in ihrer linken Hand und streckte diese dann den Zwillingen entgegen. Koume und Kotake nahmen sich jede einen Ring, und keine wusste, welcher der Echte war.
Ganon war etwas enttäuscht, aber Tamayo hatte auch etwas für ihn. Er erhielt ein dickes, schweres, uraltes Zauberbuch.
"Du kommft damit furecht!" sagte Tamayo: "Die Dunkelheit kann dich nicht verführen!"
Aber sie hatte unrecht, Ganon war offen für die Versprechungen der Dunkelheit. Er wollte einfach alles lernen, um irgendwann, irgendwann ... Talon würde sterben müssen, das stand fest, und Kiora würde sich nicht mehr weigern können. Die anderen waren ihm egal, aber wenn sie störten, würde er sie bestrafen.
Lange, lange Zeit übte Ganon die Zauber dieses Buches und auch die Zauber aus den anderen Büchern. Unzählige Dämonen beschwor er. Aber er hielt das alles vor seinem Volk geheim, nur Koume und Kotake verriet er manches.
Keiner der anderen Gerudos bemerkte etwas davon, aber es gab Wesen, die etwas bemerkten. Die Weisen bemerkten etwas.
Rauru, Impa und Ranvo bemerkten etwas. Aber sie waren zu schwach, wirklich etwas zu unternehmen. Rauru erneuerte das Siegel zum heiligen Reich, Impa hatte alle Hände voll zu tun, das plötzlich aufgetauchte Schattenwesen zu verbannen und Ranvo starb, als er den Deku-Baum von seinem Fluch befreien wollte.
Es waren einfach zu wenig Weise! Neun sollten es sein! Aber es waren nur zwei!
Rauru war gerade eben vor nur einem Jahr Weiser des Lichts geworden. Er hatte fast noch eine ganze Bibliothek zu lesen, bis er überhaupt wissen würde, wozu die anderen Weisen nutzten.
Impa war schon etwas länger die Weise des Schattens, aber auch sie wusste es nicht.
Ranvo hatte es sicher gewusst, er war ja schliesslich schon seit 96 Jahren der Weise des Waldes gewesen. Aber jetzt war er tot.
Als Impa das Schattenwesen in ihren Tempel verbannt hatte, machte sie sich auf die Suche nach den anderen Weisen. Im königlichen Palast, so meinte sie, könnte sie am besten Informationen sammeln. Also bewarb sie sich als Kindermädchen für die fünfjährige Prinzessin Zelda.
Bisher hatte sich die Prinzessin sehr vernachlässigt gefühlt, dass sie bald nur mehr in der königlichen Bibliothek etwas Neues lernen hatte können. Aber viele Bilderbücher gab es nicht.
Doch als Impa in Zeldas Leben trat, wurde es besser. Impa erzählte viele spannende Geschichten und brachte Zelda auch das Lesen bei, falls Impa einmal in die Halle der Weisen gehen musste. Zelda war eine gute Schülerin, die schon sehr bald flüssig lesen und etwas später auch schreiben konnte.
Impa las auch oft in der königlichen Bibliothek, wenn sie nicht gerade die Botschaften aus fernen Ländern nach Zeichen von Weisen absuchte. In einem Buch fand Impa auch ein königliches Wiegenlied, das sie natürlich sofort Zelda vorspielte. Und das Lied gefiel der Prinzessin so sehr, dass Impa es bald nur mehr "Zeldas Wiegenlied" nannte.
Impas Boten lernten das Lied ebenfalls und nach einiger Zeit war es der Geheimtipp in allen Ländern. Wer dieses Lied hörte, hatte einen Boten aus dem Königsschloss in Hyrule vor sich.
Doch der König selbst wusste davon nichts. Aber es wäre ihm ohnehin herzlich egal gewesen.
In den verlorenen Wäldern kämpfte der Deku-Baum verbissen gegen den Fluch, der auf ihm lastete, aber er wurde von Tag zu Tag schwächer. Sein Schutz liess nach, dass er bald Link, so hiess der fremde Junge ohne Fee, nicht mehr schützen würde können. Also schickte er ihm die Fee Navi, die durch ihre Anwesenheit in seiner Nähe verhindern konnte, dass er sich in eine Pflanze verwandeln würde.
Die meisten der Kokiri schlossen Link aber nach wie vor aus, nur Saria und Tonia behandelten ihn als vollwertigen Kokiri. Allerdings brachte diese Tatsache Link sehr viel Ärger. Immerhin musste er so alle Pflichten eines Kokiri und auch alle Pflichten eines Fremden erfüllen. Und Rechte hatte er so auch keine.
Aber nach einigen Jahren ging es dem Deku-Baum so schlecht, dass sogar sein Schutz über das Kokiri-Dorf nachzulassen drohte. Aber er erinnerte sich an die Geschehnisse vor elf Jahren, als eine junge Hylianerin ihr Kind zu ihm gebracht hatte. Der Vater des Kindes hatte sich, um seiner Frau die Flucht zu ermöglichen, den feindlichen Truppen entgegengeworfen und sogar viele besiegt, bevor er schliesslich einem Pfeilschuss erlag. Dies alles brachte den Deku-Baum zur Erkenntnis, dass Hylianer gut kämpfen konnten. Und er kannte einen Hylianer.
"Navi, erscheine!" rief er in den Wind hinaus. Navis Flügel flatterten hektisch und sie eilte zum Schutzpatron des Dorfes. "Geleite Link zu mir!" sagte er. Navi wirkte verwirrt, aber sie gehorchte.
"Hier bin ich, Deku-Baum!" rief Navi, als sie Link in die Lichtung des Deku-Baumes geführt hatte. Mido hatte Link zwar nicht vorbeilassen wollen, aber Navi hatte ihn einfach zur Seite geschubst und etwas von "Befehl von oben" gemurmelt.
"Link, sieh dich um!" sagte der Deku-Baum: "Zu deiner linken steht eine Kiste, öffne sie, du wirst darin ein Schwert und einen Schild finden!" Link wich blass einige Schritte zurück und stolperte über eine aus dem Boden stehende Wurzel.
"Aber was soll ich damit?" japste er: "Mit Schwertern wird getötet! Ich will niemanden töten!"
"Wenn dich eine Mücke sticht, erschlägst du sie dann nicht?" fragte Navi.
"Das ist etwas anderes!" knurrte Link widerwillig.
"Höre, Link, an meinen Wurzeln nagen böse Kreaturen!" ergriff der Deku-Baum wieder das Wort: "Wenn du sie tötest, kann ich vielleicht überleben!"
"Ähm ...äääähhhhh, so also, ja ... öööhhhh!" stotterte Link verwirrt: "Sind die Kreaturen so gross, dass man ein Schwert braucht, um sie zu töten?"
"Dummkopf du!" knurrte Navi und klopfte ihm auf die Stirn: "Der Deku-Baum ist doch auch grösser als ein normaler Baum!"
"Hmmm ..." murmelte Link: "Okay, ich versuch's!" Sofort holte er Schwert und Schild aus der Truhe und stürmte auf den Deku-Baum zu.
"Haaaaaalt!" rief der Deku-Baum: "Zuerst muss ich dir noch Einiges sagen!"
"Was denn?" fragte Link neugierig.
"Du bist Hylianer!" erklärte der Deku-Baum: "Kein Kokiri!"
"Ja, das weiss ich doch schon!" brummte Link genervt.
"Oh, ach so!" sagte der Deku-Baum: "Hat es dir Saria erzählt! Na dann tritt ein, junger Link!" Mit einem heftigen Krachen bildete sich eine Öffnung in der Rinde des riesigen Baumes und Link rannte darauf zu, Navi wie ein geöltes Glühwürmchen hinter ihm her.
"Heilige Krabbelmine, ist das eng hier!" fluchte Link, als er auf halbem Weg durch die Rindenöffnung steckenblieb. Langsam schob er sich weiter, wobei seine Tunika und auch seine zarte hylianische Haut zerrissen. Als er sich schliesslich fast ganz durch das Loch gezwängt hatte, brach das morsche Holz unter ihm und er stürzte in die Tiefe. Dabei blieben allerdings seine Stiefel oben hängen.
"Verflucht, wieviel Pech kann man in einer Minute überhaupt haben?" schrie Link wütend und schüttelte sich, er war in graubraunes Brackwasser geplatscht. Navi zog derweil an seinen Stiefeln, aber sie hingen so fest, dass sie sie nicht lösen konnte. Schliesslich flog sie wieder zu Link und flatterte vor ihm hin und her.
"Los, los, sammel Schwert und Schild ein!" fauchte sie: "Wer weiss, was für Monster in diesem grausigen Gewässer leben!" Link zuckte zusammen, bisher war er noch nicht auf die Idee gekommen, dass hier ...
"Aaaahhhhhh, Piranhas!" kreischte Link, als er scharfe Zähne an seinem linken Bein spürte. Er durchwühlte blitzschnell das trübe Wasser und rasierte mit dem bald gefundenen Schwert hunderte winziger Fische von seinem Bein. Gleich danach fand er auch den Schild und schnallte ihn sich auf seinen Rücken.
"Wir müssen aus dem Wasser heraus!" analysierte Navi sachlich.
"Ach jaaaa????? Dich können diese Monster ja nicht beissen! Du flatterst ja einen Meter drüber herum!" fuhr Link sie an. Navi versteckte sich schmollend hinter einem herabhängenden Wurzelteil. "Navi, verdammt! Komm wieder her, sonst kann ich ja nichts sehen!" knurrte Link und watete langsam durchs Wasser. Navi blieb trotzig, wo sie war. "Ach komm schon!" rief Link: "Na gut, ich entschuldige mich! Okay?"
"Okay!" Sofort war Navi wieder bei Link und beleuchtete die Umgebung. Nach einer Weile sah Link einige verworrene Wurzeln von oben herabhängen, an denen er wohl hinaufklettern können würde. Er hielt darauf zu und versuchte, schneller zu waten. Dadurch entging ihm allerdings, dass das Wasser tiefer wurde. Im Nu stand er bis zum Hals im Wasser und spürte, wie irgendeine Art von Wasserpflanze seine Knöchel umschlang.
"Navi? Gibt es fleischfressende Wasserpfl ..." Links Frage ging in einem heftigen Gurgeln unter. Die Ranken zogen ihn nach unten! Hektisch schlug Link mit seinem Schwert um sich und versuchte, dabei nicht seine eigenen Beine zu treffen. Seine rechte Hand suchte währenddessen nach irgendeinem Halt oberhalb der Wasseroberfläche. Als es ihm schon beinahe aussichtslos erschien, bekam er endlich eine der hängenden Wurzeln zu fassen und zog sich daran mit aller Kraft hoch, bis seine Knöchel frei waren.
Die Wurzel, an der er sich festhielt, hing, zum Trotz der Schwerkraft, schräg. Nein, Navi hatte die Wurzel in diese Lage bewegt, sie hielt sie immer noch mit beiden Ärmchen umklammert.
"Ich dachte, du könntest vielleicht Hilfe gebrauchen!" schnaufte sie atemlos, es war wohl sehr anstrengend für sie gewesen. Für so eine kleine Fee war so eine grosse Wurzel sicher ganz schön schwer.
"Danke, Navi!" keuchte Link, während er an der Wurzel weiter hochkletterte.
Im Schloss ahnte Impa nichts von diesen Gefahren in den Wäldern, sie hatte eine Spur, die zu einem der Weisen führen konnte. Es war zwar gefährlich, den Weg in andre Länder anzutreten, aber sie wagte es.
Es gab den Weg durch die Wüste nach Kellithien, den Weg durch die verlorenen Wälder nach Thevalar und Amythian, den Weg durch den Hylia-See nach Contas, Amythian und Termina. Und Impa wollte nach Termina. Sie erinnerte sich lächelnd an ihre letzte Begegnung mit dem Maskenhändler. Er hatte ihr eine Zora-Maske geschenkt, die sie jetzt sehr gut gebrauchen konnte.
Impa schwang sich auf ihr Pferd und ritt durch die hylianische Steppe zum Hylia-See. Dort vergewisserte sie sich, dass keiner sie sah, dann setzte sie die Zora-Maske auf und tauchte unter. Ihr Pferd würde von allein zur Lon-Lon-Farm gehen und wiederkommen, wenn sie es rief.
Die Reise war lange und anstrengend, vor allem für jemanden, der Flossen nicht gewohnt war. Impa hielt sich möglichst am Grund des Hylia-Flusses, am Ufer wohnten ja auch Leute, denen sie sich nicht zeigen wollte. Bald schmeckte Impa, wie das Wasser salzig wurde.
Die weisshaarige Frau ging an Land und zog die Zora-Maske aus. Die oft im Sand lebenden Stachelwesen konnten der magiebewanderten Weisen der Schatten nichts anhaben. Impa stapfte dem Landesinneren entgegen, bis nach Unruh-Stadt hatte sie noch einen ganzen Tagesmarsch vor sich.
Waaaaaas? Du willst dich mit rosaroten Schwimmflügeln zeigen? Schäm dich, du bist doch kein Baby!
"Hier waren wir schon hundert Mal, Navi!" brummte Link und liess sich auf den vermoderten Boden fallen: "Ich will nach Hause, ich bin müde!" Navi fügte den fünf Kerben in der schimmligen Wand eine weitere hinzu.
"Dass der Deku-Baum so gross ist, hatte ich mir nicht gedacht!" murmelte sie.
"Navi, wir rennen im Kreis!" murmelte Link schläfrig: "Immer wieder! Wir haben uns verirrt!"
"Steh auf! Hier einschlafen kann tödlich sein!" schrie Navi ihn an.
"Halt die Klappe! Hier kommen wir ohnehin nie mehr raus!" schnaubte Link. Wütend bohrte er sein Schwert links von sich in den Boden. "Also lass mich schlafen, das ist mein letzter Wunsch!" Jetzt schepperte er seinen Schild rechts auf den Boden. Und plötzlich gab der Boden unter ihm nach und er fiel schreiend in die Tiefe.
Schmerzhaft kam Link auf holzigen Wurzelsträngen auf, um Haaresbreite verfehlte ihn sein Schwert, das seine Mütze an die Wurzeln nagelte. Sein Schild traf ungünstig auf Links Hüfte, dass der blonde Junge sicher war, nie wieder aufstehen zu können. Navi umschwirrte ihn besorgt und plapperte auf ihn ein.
Ein Krachen und das Geräusch von zermalmendem Holz schreckte die beiden auf. Navi flog vorsichtig auf Erkundung und kehrte wenige Sekunden später schreiend zurück.
"Das ist Gohma!" kreischte Navi und versteckte sich unter Links Mütze. Link sprang auf und sah sich schnell nach einem Versteck um. Navi guckte ängstlich aus Links Mütze, die dieser soeben von seinem Kopf verloren hatte und verkroch sich sofort wieder. Link wich bis an die glitschige Wand zurück, als er sah, welchem Monster er da gegenüberstand.
Es war eine riesige Spinne, sicher drei mal so gross wie Link. Und sie stank ... grauenvoll. Link zog sein Schwert aus der aufgespiessten Mütze und packte seinen Schild, dann stürmte er so schnell er konnte in einen schmaleren Gang.
"Link, warte auf mich!" schrie Navi und flatterte ihm hinterher.
"Dieses Monster ist zu gross für diesen Gang!" atmete Link auf, als er sah, wie Gohma ihre Beisszangen in seine Richtung streckte, ihn aber nicht erreichen konnte.
"Idiot!" kreischte Navi: "Sie frisst das Holz und macht den Gang grösser!" Link umfasste sein Schwert mit aller Kraft und schlich langsam auf die Riesenspinne zu. Als er nahe genug war, hieb er schnell zweimal zu.
"Du bist ja gar nicht blöd!" lobte Navi: "Gute Idee, ihre Beisserchen abzuhacken!" Allerdings war Gohma jetzt wütend und versuchte, Link mit einem ihrer Beine zu erreichen. Geistesgegenwärtig schlug Link auch dieses ab. Gohma versuchte es noch mit vier weiteren Beinen, allerdings wenig erfolgreich. Doch dann schrie die Riesenspinne so grauenvoll, dass Link meinte, es müsste Tote wecken können.
"Link! Sie ruft ihre Kinder!" flüsterte Navi.
"Was? Kinder?" japste Link: "Noch mehr Riesenspinnen?" Kaum später krabbelten zwei kleinere Spinnen an der Spinnenmutter vorbei in Links Versteck. Sie waren etwa halb so gross wie Link und somit viel kleiner als Gohma. Link schlug wie wild geworden mit seinem Schwert um sich und traf auch manchmal, aber die Spinnen wurden immer mehr.
"... neun ... zehn ... elf ..." zählte Navi mit. Link spürte, wie die Spinnen ihn überall bissen und Fetzen Fleisch aus seinem Körper rissen. Aber er gab nicht auf, acht Spinnen rührten sich nicht mehr, er konnte auch die anderen besiegen. Energisch zerklatschte er eine Spinne unter seinem Schild.
"... fünf ... vier ... drei ..." zählte Navi mit. Aber dann erwischte eine Spinne Link am Hals und er wurde bewusstlos.
Impa betrat Unruh-Stadt durch das Westtor und durchquerte die Stadt fast ganz, bis sie zum Gasthof zum Eintopf kam. Sie öffnete die Türe und betrat das Haus.
"Willkommen im Gasthof zum Eintopf!" grüsste die rothaarige Besitzerin: "Ähm, möchten Sie ein Zimmer?" Impa verneinte lächelnd.
"Guten Tag, Anyiu, ich bin hier, weil einer meiner Boten mir empfohlen hat, mit Ihnen zu sprechen!" erklärte sie dann.
"Oh, dann sind Sie also Impa!" rief Anyiu erfreut.
"Ja, das bin ich!" bestätigte Impa: "Ich nehme an, mein Bote hat Ihnen die wichtigen Dinge schon erzählt?"
"Oh, ich fürchte, ich bin leider etwas vergesslich!" seufzte Anyiu: "Meine Mutter sagt immer, ich sollte mein Gedächtnis etwas trainieren."
"Ich denke, wir sollten uns einen angenehmen Ort suchen, um uns darüber zu unterhalten!" bemerkte Impa.
"Oh, ich bin sicher, dass wir uns in der Milchbar aufhalten dürfen!" sagte Anyiu: "Gleich nebenan!" Sie verschwand aus der kleinen Rezeptionsnische und kam hinter der Treppe wieder zum Vorschein. Impa folgte Anyiu ins Nebengebäude, in dem sich zur Zeit nur der Barkeeper aufhielt.
"Anyiu, welche Überraschung! Sie kommen nicht oft hierher!" grüsste der Barkeeper freudig.
"Guten Tag, wir möchten uns möglichst ungestört unterhalten!" antwortete Anyiu. Der Barkeeper nickte und wusch weiter Gläser ab. Anyiu und Impa setzten sich an die Bar und Impa begann zu erklären.
"Hallo?" Veli flatterte nervös auf. Sie stand schliesslich auf dem Speiseplan einer Riesenspinne. "Ist da wer?" rief sie ängstlich.
"Haaaalloooooo!" erklang die dumpfe Antwort.
"Wer ist da? Ich bin Veli!" rief Veli.
"Ich bin Navi!" kam die Antwort: "Link ist verletzt! Hilf mir bitte!" Veli sah sich um und entdeckte dann einen Lichtschein am Ende eines für eine Fee gerade nicht zu schmalen Ganges zwischen den Wurzeln.
"Was machst du hier, Navi?" fragte Veli, während sie den Gang entlang flog.
"Der Deku-Baum hat Link gebeten, ihm zu helfen!" erklärte Navi: "Und du, Veli? Bist du hier, seit Ranvo gestorben ist? Wir dachten, du seiest auch tot!"
"Ich fand den Weg hinaus nicht!" murmelte Veli bedrückt: "Wie habt ihr erfahren, dass Ranvo tot ist?"
"Der Deku-Baum hat es uns gesagt, er kann die Weisen spüren!" erklärte Navi. Schliesslich kam Veli bei Navi an und betrachtete den bewusstlosen blonden Jungen.
"Er lebt noch?" fragte Veli verwundert. Navi bejahte.
"Er lebt durch die Lebensenergie, die ich ihm gebe! Ich habe der letzten kleinen Spinne mit meinem Dolch die Beine abgeschnitten, sie kann Link nicht mehr erreichen!" sagte sie: "Dort draussen ..." Sie flog kurz ein kurzes Stück einen grösseren Gang entlang. "... ist die Mutterspinne, der Link fünf Beine und die Beisswerkzeuge abgeschlagen hat!"
"Er kann gut kämpfen!" lobte Veli. Navi sah betrübt zu ihrem Schützling.
"Ich will aber nicht, dass er daran stirbt!" seufzte sie. Veli flog ganz nah zu Navi und legte ihr die Hand auf die Schulter. "Komm, Veli!" sagte Navi plötzlich: "Reiss die Ärmel von seiner Tunika, wir verbinden ihm seine Wunden!"
"Wie geht das?" fragte Veli.
"Ich weiss, wir haben sonst nicht viel mit Verletzungen zu tun!" knurrte Navi: "Aber wenn man das Blut daran hindert, aus dem Körper hinauszufliessen, dann kann man nicht an Blutleere sterben! Denkst du nicht auch?" Veli nickte kurz und machte sich dann eifrig daran, an Links Ärmel zu ziehen. Wenig später hatte jede der Feen einen Ärmel erbeutet. Navi band einen Ärmel mit einem dünnen Wurzelstrang um Links Hals, Veli verband das linke Bein.
"Und was können wir sonst tun?" fragte Veli.
"Wir kämpfen gegen die Riesenspinne!" sagte Navi: "Komm!"
"Ich bleibe lieber bei Link und passe auf, dass er nicht doch Blut verliert!" murmelte Veli.
"Gut, bleib hier, aber sorg dafür, dass die kleinen Spinnen auch wirklich alle ganz tot sind!" sagte Navi noch kurz, dann flog sie den Gang entlang zur Mutterspinne, die mit nur drei Beinen nicht mehr sehr stabil stand. Die Fee sägte an einem der verbleibenden Beine herum, bis sie es abgetrennt hatte. Danach hatte sie es mit den restlichen Beinen sehr leicht, denn die Spinne konnte sich fast gar nicht mehr bewegen. Schliesslich rammte Navi ihren Dolch in jedes der acht Augen.
"Ich glaube, jetzt ist sie tot!" stellte Navi dann fest: "Sie zuckt nicht einmal mehr!" Schnell flog sie zu Link und Veli zurück. "Wie geht es ihm?" fragte sie besorgt.
"Die Verbände sind ganz rot und Link ist im Gesicht ganz weiss!" schluchzte Veli.
"Atmet er?" fauchte Navi.
"Ja!" murmelte Veli: "Aber ganz langsam!"
Gemächlich ritt Ganon auf seinem prächtig geschmückten Pferd der Lon-Lon-Farm entgegen. Er würde seine Kiora Heim nehmen und heiraten. Als er durch den Eingangsbogen ritt, hörte er schon einen leisen Gesang. Das musste Kiora sein.
Ganon stieg ab und ging zu Fuss zur Pferdekoppel, aber dort war keine wunderschöne, blonde, erwachsene Frau, dort war ein junges Mädchen mit roten Haaren, sie musste Kioras Tochter sein. Ganon ging zu ihr hin und lächelte sie an.
"Hallo, wie heisst du?" fragte er.
"Ich bin Malon!" antwortete das Mädchen: "Und wer bist du?"
"Ich bin Ganon!" sagte Ganon etwas widerwillig, dann stellte er die Frage, die ihm auf dem Herzen lag: "Malon, wo ist denn deine Mutter?" Malon seufzte.
"Sie ist verschwunden, da war ich noch ganz klein! Vater war sehr traurig! Und Grossvater ist daran sogar gestorben!" erklärte sie. Ganon war erschüttert. Er hatte es sich so einfach vorgestellt. Aber nun erfuhr er, dass hier niemand wusste, wo Kiora war. Er würde weitersuchen, überall, bis er sie gefunden hätte.
Und wenn nicht?
Nun, daran dachte Ganon gar nicht. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Kiora vielleicht gar nicht mehr lebte.
Und Kiora? Nun, sie lebte, unglücklicher als je zuvor.
"Ich bin eine der neun Weisen!" erklärte Impa leise: "Aber derzeit sind nur zwei Weisen wirkliche Weisen! Die anderen wissen es noch nicht!"
"Wie geht das?" fragte Anyiu: "Es hat doch immer schon die Weisen gegeben! Können die Weisen das vergessen?"
"Nein, die Weisen sind gestorben!" sagte Impa: "Die Amulette der Weisen suchen sich einen neuen Besitzer, wenn der alte tot ist! Aber die neuen Besitzer erkennen das noch nicht gleich!"
"Aber sie haben dann gewisse neue Eigenschaften?" vermutete Anyiu: "Und Sie suchen nach Hinweisen?"
"Genau so ist es!" bestätigte Impa.
"Oh, aber da kann ich Ihnen nicht helfen!" seufzte Anyiu: "Hier verhalten sich alle ganz wie bisher auch!" Nun seufzte auch Impa, sie hatte also eine sinnlose Reise gemacht. "Aber ..." murmelte Anyiu: "Grossmutter verhält sich seltsam! Aber das kann auch an der Medizin liegen!"
"Wie seltsam?" fragte Impa.
"Sie isst kaum mehr!" sagte Anyiu: "Ich habe grosse Angst, dass sie vor dem vollen Teller verhungert!" Impa runzelte die Stirn. Solche Sorge um nahestehende Personen war zwar nicht wirklich ungewöhnlich, aber Anyiu war ungewöhnlich, das war sicher. Impa hatte schon die ganze Zeit das Gefühl gehabt, sie würde sie kennen. Zwar hatte sie es erst auf Anyius Ähnlichkeit zur Hühnerfarmerin in Kakariko geschoben, aber irgendwie war es anders.
Impa seufzte leise und griff nach der Hand der rothaarigen Terminesin. "Ich gebe Ihnen etwas!" sagte sie: "Passen Sie darauf auf!" Sie drehte Anyius Handfläche nach oben und konzentrierte sich. Anyiu sah erwartungsvoll in ihre Hand, und ihre Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Es erschien eine kleine Münze.
"Was ist das?" fragte sie dann.
"Das ist das Amulett des Lebens!" sagte Impa: "Es gehört Ihnen! Sie sind die Weise des Lebens!"
"Ah!" rief Anyiu überrascht: "Das muss ich Kafei erzählen!" Und schon war sie aus der Milchbar gestürmt.
"Wer ist denn Kafei?" murmelte Impa verwirrt. Der Barkeeper kam gläserwaschend zu ihr und grinste.
"Das ist ihr Verlobter!" sagte er: "Zum Karneval wollen die beiden heiraten!"
Veli liess dem verletzten Link kontinuierlich ein wenig Lebensenergie zufliessen. Navi tat dasselbe. Ob es reichte, würde sich zeigen. Die beiden Waldfeen waren nicht in der Lage, eine vollkommene Heilung herbeizuführen, das konnten nur Lichtfeen.
"Ich glaube, er atmet schon tiefer ein!" sagte Veli.
"Ja!" rief Navi und flatterte auf und ab. Das Glitzern der Lebensenergie fiel auf den modrigen Boden nieder. Navi stutzte.
"Was ist?" fragte Veli.
"Ich habe etwas gespürt!" murmelte Navi: "Deku-Baum!"
"Was?" fragte Veli. Navi suchte sich einen möglichst wenig verfaulten Fleck Holz und berührte ihn mit beiden Händen. Dann gab sie dem Deku-Baum Lebensenergie. "Du kannst den Deku-Baum doch nicht retten, wenn du Link nicht wecken kannst!" rief Veli.
"Der Deku-Baum kann nur mit seinen Blättern hören!" sagte Navi leise: "Hier in seinem Inneren spürt er, was ihn berührt! Ich versuche es mit so etwas wie Telepathie!"
"Und?" fragte Veli. Einen Augenblick später verschwanden die drei in blauem Licht und fanden sich draussen auf der Lichtung wieder.
"Veli, kehre ins Dorf zurück und rufe Hilfe für den Verwundeten!" rief der Deku-Baum. Sofort flatterte Veli davon. "Und dir Navi danke ich für deine Tapferkeit, wie sie Feen selten zueigen ist! Ohne dich hätte Link meinen Tod nur um wenige Stunden hinauszögern können und dafür sein Leben als Preis bezahlt!" fuhr der Deku-Baum fort: "Aber meine Wurzeln sind zerstört, ich kann trotzdem nicht mehr lange leben!"
"Aber du kannst neu wachsen!" rief Navi hoffnungsvoll.
"Der Schatten fällt über das Land, ich kann nicht neu wachsen, solange ich das heilige Licht nicht mehr sehen kann!" sagte der Deku-Baum.
"Aber du darfst nicht sterben!" schrie Navi. Jetzt kam die gesamte Bevölkerung des Kokiri-Dorfes durch den schmalen Weg zur Lichtung gelaufen. Saria und Tonia knieten sofort neben Link nieder und untersuchten seine Verletzungen. Die Feen begannen gleich, ihm Lebensenergie zu spenden.
"Kinder des Waldes!" sagte der Deku-Baum: "Trotz des Heldentums des Hylianers unter euch werde ich nicht mehr lange da sein, um euch zu beschützen! Bald werden sich böse Kreaturen hier ansiedeln! Ihr könnt sie bekämpfen, aber dann kämpft ihr nicht gegen die Wurzel des Bösen! Verlasst den Wald, siedelt euch am Zora-Fluss an! Die unter euch, auf die es ankommt, werden wissen, was zu tun ist!"
Die 78 Feen der Kokiri hatten Link schon bald wieder fast aufgepäppelt. Der blonde Junge setzte sich sichtlich verwirrt auf und sah sich um. Er sah lauter freundliche Gesichter, sogar Mido sah ihn gar nicht mürrisch, sondern eher bewundernd an. Nach einigen Augenblicken ergriff Mido das Wort.
"Du hast geschafft, was dem Weisen nicht gelungen ist!" sagte er: "Du bist ein Held! Führe uns zum Zora-Fluss, du bist unser Anführer!" Die Kokiri jubelten und Link fiel in Ohnmacht.
Alles hatte er erwartet, aber nicht das.
Malon hatte gesagt, dass sie oder ihr Vater oft in die Stadt oder zum Schloss gingen, also vermutete Ganon, dass Kiora dort eher nicht wäre. Er wandte sich nach Süden zum Hylia-See. Zwar konnte man von dort aus gut nach Contas, Amythian oder Termina gelangen, aber Ganon wollte erst Hyrule durchsuchen. Aber am Hylia-See fand er nur ein kleines, von Dekus bewohntes Zeltdorf, das Labor und den Angelteich. Dort war Kiora jedenfalls nicht. Also wandte sich Ganon nach Nordosten, knapp bevor Impa auftauchte und sogleich ihre Maske abnahm.
Zur gleichen Zeit wanderten die Kokiri durch die Steppe nach Norden zum Zora-Fluss. Sie hielten sich vom Wald fern, denn schon wenige Stunden nach dem Tod des Deku-Baumes war der Wald voll von ungeheuren Kreaturen gewesen. Nur mehr die Horror-Kids trauten sich noch, im verseuchten Wald zu bleiben.
Nun ist aber ein Pferd schneller, als ein Kokiri, und so holte Ganon die Kinder des Waldes bald ein. Saria bemerkte eine nicht reale Kälte und stellte sich schützend zwischen die Kokiri und Ganon. Link blieb neben ihr. Das geschmückte Pferd des Königs der Gerudos blieb stehen und Ganon stieg ab.
"Ich suche eine Frau namens Kiora!" sagte er: "Habt ihr sie gesehen?"
"Wir sind die Kinder des Waldes!" erklärte Saria: "Wir kennen keine Erwachsenen!"
"Wenn ihr etwas von Kiora hört, sagt es mir!" sagte Ganon, dann wollte er wieder aufsteigen. Doch er hörte hinter sich Schritte eines weiteren Pferdes und drehte sich um. Auf einem Schimmel sass eine Angehörige des Schattenvolkes, sie zügelte ihr Pferd.
"König der Gerudos, was sucht ihr in der grünen Ebene?" fragte Impa. Auch sie nahm die Kälte wahr.
"Ich suche eine Frau namens Kiora!" wiederholte Ganon sein Anliegen.
"Ich kenne sie nicht!" sagte Impa: "Aber ich werde die Augen offenhalten!" Nun stieg Ganon auf, verabschiedete sich förmlich und sprengte davon.
"Endlich ist er weg!" seufzte Saria. Impa stieg ab und kniete sich neben dem grünhaarigen Mädchen nieder.
"Du wusstest von der Kälte!" stellte sie fest: "Wie heisst du?"
"Saria!" sagte Saria.
"Öffne deine Hand, Saria!" sagte Impa und blickte in die leere Handfläche der Kokiri. Einen Augenblick später erschien das grüne Amulett des Waldes.
"Ich bin die Weise?" staunte Saria. Impa nickte und stieg auf ihr Pferd.
"Irgendwann werde ich alle Weisen gefunden haben!" sagte sie und trieb ihr Pferd an. Bald war sie nur mehr als kleiner Punkt am Horizont zu sehen.
Ganon liess sein Pferd gemächlich über die Hängebrücke spazieren. Zwar war es für ihn unverständlich, warum ein Hylianer im Wasserreich der Zoras leben wollen sollte, aber es hatte zu allen Zeiten welche gegeben, die es getan hatten. Also war es durchaus nicht unmöglich, Kiora bei den Zoras zu finden.
Nun wurde der Weg so schmal, dass das Pferd sich weigerte, nur einen Schritt weiter zu tun, deshalb stieg Ganon ab und ging zu Fuss weiter. Schliesslich kam er am Wasserfall an und sah sich um. Irgendwo hier musste der Eingang ins Wasserreich sein. Konnte er sich vielleicht unter Wasser befinden? Aber dann könnten ja Landlebewesen wie etwa Boten des Königs von Hyrule den König der Zoras nicht trocken erreichen, das konnte also nicht sein.
War vielleicht irgendwo eine versteckte Türe? Das glaubte Ganon eher nicht, denn welches Zora-Kind würde diese Türe verlässlich stets schliessen? Aber schliesslich erkannte er weit oben hinter dem Wasserfall eine Art Dachrinne. Wahrscheinlich konnte so der Wasserfall umgeleitet werden, dass man in der Mitte trocken hindurch gelangen konnte.
Also war der Eingang genau hinter dem Wasserfall. Ganon versuchte, hinter das Wasser zu sehen, und kam zum Schluss, dass sich dort tatsächlich eine Öffnung befand. Also holte er tief Luft, sammelte seine Kraft und sprang.
Triefend fand er sich in einem dunklen, schmalen Höhlendurchgang wieder. Langsam und vorsichtig tastete er sich voran. Nach einer Weile sah er aus der Ferne mattes Licht, bald würde er das Reich der Zoras sehen und beurteilen können, ob es wirklich so schön war, wie in den Büchern der Hexe Tamayo beschrieben. Und vielleicht würde er hier auch Kiora finden.
Link blieb stehen und sah sich um. Mido kam zu ihm.
"Meinst du, wir sollten hier bleiben?" fragte er. Link nickte nachdenklich und drehte sich um.
"Etwas weiter flussaufwärts ist es glaube ich besser!" murmelte er: "Schliesslich braucht ihr einen Platz der euch schützt!" Er marschierte ein Stück weiter dem Fluss entlang. Mido blieb neben ihm.
"Du willst nicht bei uns bleiben?" fragte er erstaunt. Link schwieg dazu. Einige Zeit später blieb er stehen.
"Hier könnt ihr die Zelte aufschlagen!" sagte er. Mido blieb neben ihm stehen, während die anderen Kokiri mit den Stangen und Zeltplanen hantierten.
"Du willst nicht bei uns bleiben?" fragte er wieder.
"Der Deku-Baum hat gesagt, dass ein Schatten über dem Land liegt und er nicht neu wachsen kann, solange er das heilige Licht nicht sieht!" sagte Link: "Er hat es Navi gesagt und Navi hat es mir gesagt!"
"Und was willst du tun?" fragte Mido verdutzt.
"Ich weiss es nicht!" sagte Link: "Aber was auch immer, hier werde ich es nicht tun können!" Saria legte ihre Hand auf Links Schulter.
"Ich komme mit!" sagte sie: "Ich bin die Weise des Waldes und muss dem Deku-Baum helfen!" Link runzelte die Stirn. Es barg etliche Vorteile in sich, gemeinsam mit Saria unterwegs zu sein. Schon allein würde ein einzelnes grüngekleidetes Kind viel mehr auffallen, als zwei und sie würden sich zu zweit auch besser verteidigen können. Aber er machte sich Sorgen um Saria.
"Einverstanden!" sagte Link dennoch, er konnte Saria nicht davon abhalten und wollte sich auch deswegen nicht mit ihr streiten.
"Ich komme auch mit!" rief Veli: "Ich will helfen, zu tun, was auch Ranvo getan hätte!" Wieder konnte Link nichts dagegen sagen. Er wusste, dass Veli sich nicht davon abbringen lassen würde.
Ganon trat aus dem Tunnel und sah sich genau um. Nach rechts führte ein Weg, den er wohl nehmen musste, gleich, wohin er gelangen wollte. Er stand an einer Klippe, unter der in klarem Wasser etliche Zoras schwammen, ihm gegenüber stürzte ein Wasserfall von hoch herab.
Ganon wusste, was er tun musste. Er stapfte los, den Weg entlang und die Treppe hoch, die schliesslich im Thronsaal mündete. Der König der Zoras sass auf einem weiteren Wasserfall, der wohl das ganze Wasser von Zoras Reich lieferte.
"Wer seid Ihr, Eindringling?" donnerte König Zora, seinen richtigen Namen hatte Ganon vor einiger Zeit einmal irgendwo gelesen, ihn allerdings mittlerweile wieder vergessen.
"Ich bin Ganondorf, der König der Gerudos!" antwortete Ganon förmlich.
"Weshalb seid Ihr hier!" fragte König Zora.
"Ich suche nach einer Frau namens Kiora!" sagte Ganon.
"Hier lebt nur mein Volk, früher waren auch andere hier, aber sie sind alle gegangen!" erklärte König Zora. Ganon schüttelte sich. Er war wütend. Wie konnte Kiora sich nur verstecken? Ganon beschloss, die Zoras zu bestrafen. Dass sie nicht daran Schuld waren, kam ihm gar nicht in den Sinn.
Ganon streckte eine Stiefelspitze ins Wasser vor ihm und konzentrierte sich. Wasser war das Wichtigste, das die Zoras hatten. Oder hatten sie vielleicht einen Schutzpatron? Ganon zog seinen Stiefel zurück. Stumm formulierte er den Fluch, der den Zoras ihren Schutzpatron nehmen würde.
"Wenn sie also nicht hier ist, werde ich wieder gehen!" sagte er dann, drehte sich um und stapfte den Weg zurück, den er gekommen war.
Link stapfte wortlos über die Steppe. Seine Gedanken kreisten um Impa und ihre Worte an Saria. Saria war also die Weise des Waldes. Wozu war sie fähig, jetzt, da sie es wusste?
Vor Link tauchte eine Mauer auf und er drehte sich zu Saria. Das grünhaarige Mädchen lächelte ihn an und kam zu ihm.
"Ich glaube, das ist die Lon-Lon-Farm!" sagte sie: "Wenn wir der Mauer folgen, werden wir den Eingang finden!" Link nickte und setzte sich wieder in Bewegung, nach rechts der Mauer entlang. "Link!" sagte Saria: "Wie hast du Gohma denn besiegt?" Link seufte und senkte den Kopf.
"Ich war es nicht, ich habe sie nur geschwächt!" erklärte er: "Navi und Veli haben sie besiegt!"
"Link, das ist Blödsinn!" mischte sich Navi ein: "Ohne dich wären wir draufgegangen!"
"Ich ohne euch aber ebenso!" konterte Link.
"Lass es, Link!" sagte Saria sanft: "Ihr habt Gohma eben gemeinsam besiegt!" Als die Sonne schon fast untergegangen war, erreichten Link und Saria eine recht grosse Unterbrechung in der Mauer, überspannt von zwei Seilen, zwischen denen bunte Stoffstücke hingen. Die beiden Grüngekleideten, sowie die Feen Navi, Veli und Sarias Begleiter Sanki betraten die Lon-Lon-Farm.
Bald erkannte Link das Wohnhaus und den Stall, sowie auch das Tor zur Koppel. Aber es war niemand zu sehen. Saria ging zum Wohnhaus und klopfte. Es dauerte nicht lange, bis Talon die Türe einen Spalt öffnete.
"Hallo?" fragte er: "Ja, wer seid ihr beide denn? Es ist schon spät, solltet ihr nicht bei euren Eltern sein?"
"Ich bin ein Kind des Waldes, ich kannte keine Erwachsenen!" erklärte Saria.
"Bist du eine Kokiri?" tönte Malons Stimme von weiter hinten. Saria bejahte.
"Ihr seid weit weg von zuhause!" stellte Talon fest: "Kommt doch herein, ihr könnt hier bleiben!" Er öffnete die Tür ganz und machte Platz, dass Link und Saria an ihm vorbeigehen konnten.
Seltsame, rythmische Musik spülte die Sorgen von Impas Seele. Sie liess ihr Pferd langsam zum Zeltdorf der Dekus gehen, Reiterin und Tier hatten eine Pause nötig und was war dafür besser geeignet als eine Feier.
Zwei Dekus tanzten mit ihren Blättern durch die Luft, sehr gekonnt, wie Impa bemerkte. Einer der beiden hielt auf die Shiekah zu und landete vor ihr.
"Willkommen, Angehörige des Schattenvolkes!" sagte er: "Geselle dich zu uns und feiere mit uns die Hochzeit von Luba und Yati!" Impa bedankte sich freundlich und stieg von ihrem Pferd.
"Ist es aber nicht so, dass eigentlich nur Dekus einer Hochzeit ihres Volkes beiwohnen dürfen?" fragte sie aber dann.
"Oh!" winkte der Deku ab: "Das sind doch antiquierte Regeln, die man leicht über Bord werfen kann! Ich bin Thaki!"
"Der Anführer des Zeltdorfes!" stellte Impa fest. Irgendwie hatte sie das Gefühl, in ihm einen Weisen zu sehen. "Ich habe etwas für dich!" sagte sie dann, seiner vertraulichen Anrede folgend, und streckte ihm die leere Hand hin. Und vor ihrer beider Augen erschien das Amulett der Geister.
"Oh wie erstaunlich!" rief Thaki aus: "Ich zähle zu den Weisen?"
"Jetzt sind wir schon zu fünft, vier weitere müssen ihre Bestimmung noch erfahren!" erklärte Impa: "Feuer, Wasser, Wind und Zeit!" Thaki sprang auf und ab.
"Suche nach Nikaia, der Königin der Feen!" rief er: "Sie ist die Weise, ganz bestimmt!" Impa lächelte breit und ging in Richtung Lagerfeuer los.
"Erst werde ich mit euch feiern, dann werde ich dich fragen, wo ich Nikaia suchen soll!" sagte sie. Thaki hüpfte ihr hinterher und gesellte sich mit ihr zu den ausgelassen feiernden Dekus.
Wann immer Malon oder Saria sich im Bett umdrehten, knarrte und knirschte es, dass Link kein Auge zubrachte. Zudem lag er ja auch nur auf zwei am Boden ausgebreiteten Decken.
Malon hatte Saria erlaubt, mit ihr im Bett zu schlafen und hatte Link dabei fürchterlich angesehen. So war an Schlaf jedenfalls nicht zu denken, also stand Link auf und verliess das Zimmer leise.
Am Fuss der Treppe sassen Talon und Basil am Tisch und spielten Karten.
"Na Junge, kannst du nicht schlafen?" fragte Talon. Link nickte müde und tappte die Treppe hinunter.
"Tratschen die Mädchen nur?" fragte Basil: "Mädchen tratschen immer, und noch dazu über die seltsamsten Dinge!"
"Saria ist über achzig!" brummte Link.
"Oh! Hat sich gut gehalten!" bemerkte Basil anerkennend.
"Ich gehe kurz spazieren!" murmelte Link und schlurfte durch die Türe. Gedankenverloren stapfte er zur Koppel und setzte sich ins Gras. Ein braunes Fohlen kam zu ihm und stupste ihn gegen die Schulter.
"Hallo!" sagte Link leise: "Vielleicht kann ich ja bei dir schlafen!" Vorsichtig lehnte er sich an das Fohlen. Und wenig später glitt er schon in den Schlaf. Er sah ruhig aus, doch sein Traum war es nicht.
Auf der Farm hatte er sie nicht gefunden. Bei den Zoras hatte er sie nicht gefunden.
Vielleicht war Kiora ja bei den Goronen?
Ganon ritt durch das im Aufbau befindliche Dorf Kakariko und schwelgte in Träumen von der Zukunft. Er wäre so glücklich, wenn er erst seine Kiora hätte!
Das gut dressierte Pferd bewegte sich anstandslos die Treppenstufen hoch, vor dem geschlossenen Tor musste es aber stehenbleiben.
"Halt! Der Durchgang ist nur mit königlicher Erlaubnis gestattet!" rief der hier stationierte Wachsoldat.
"Aber ich habe die königliche Erlaubnis!" erklärte Ganon: "Ich bin ja selbst ein König!"
"Damit ist die Erlaubnis eines Mitglieds der Königsfamilie von Hyrule gemeint, tut mir leid!" sagte der Soldat und grinste schief. Er dachte nach. "Aber das Verbot hat ja den Grund, dass keinem etwas passiert, bei den Arachnomonstern da oben!" murmelte er: "Gerudos sind ja gute Kämpfer, da kann ich schon mal ein Auge zudrücken!" Er öffnete das Tor. "Ach übrigens, wenn Ihr mal in die Stadt kommt!" bat er: "Könntet Ihr beim Maskenhändler eine Fuchs-Maske kaufen? Ich würde sie ja selbst kaufen, weil mein Sohn so gerne eine hätte, aber ich kann hier ja nicht weg! Soldatenleben halt!"
"Ich werde sehen, was ich tun kann!" sagte Ganon und ritt los. Bald erreichte der König der Gerudos eine Höhle, vor der etliche Goronen sassen und sich den Bauch vollschlugen. Ganon stieg ab.
"Ich bin Ganondorf, der König der Gerudos!" sagte er. Einer der Goronen erhob sich.
"Ich bin Darunia!" stellte er sich vor. Er wirkte würdevoll und Ganon sah deutlich das Benehmen eines Anführers.
"Ich suche nach einer Frau namens Kiora!" brachte Ganon sein Anliegen vor. Darunia begann zu lachen.
"Von den Goronenfrauen heisst keine so!" erklärte er: "Und Nichtgoronen sind hier keine, Ihr seid der erste seit langer Zeit!" Ganon knirschte mit den Zähnen.
"Seid Ihr ganz sicher, Darunia?" fragte er eindringlich nach. Der Gorone nickte.
"Aber ja!" sagte er: "Nichtgoronen hätten hier auch nichts zu essen!" Ganon wandte sich ab. Es war ungeheuerlich. Er war der König der Gerudos.
Sein Blick schweifte zur Höhle, aus der gerade zwei Goronen einen grossen Sack Steine schleppten. Dorther hatten die Goronen also ihre Nahrung.
Ganon schloss die Augen und konzentrierte sich auf den Felsboden. Er selbst rührte sich nicht vom Fleck, während ein grosser Felsbrocken vor den Eingang der Höhle stürzte und die Goronen erschrocken davonrannten.
Link zitterte. Er war müde, aber er wagte es nicht, seine Augen zu schliessen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals zuvor einen so schlimmen Albtraum gehabt zu haben. Leise Schritte kamen näher und Link blickte auf. Es war Saria.
"Du kannst nicht schlafen!" stellte sie fest. Link nickte stumm. "Ich auch nicht!" sagte Saria: "Darf ich mich zu dir setzen?" Link nickte wieder und Saria liess sich neben ihm auf das weiche Gras fallen. Einige Zeit lang betrachteten die beiden den Mond, der langsam über den Himmel zog.
"Ich hatte einen Albtraum!" sagte Link schliesslich: "Der Himmel war von schwarzen Wolken verhüllt und Zombies und Monster griffen mich an! Ich verteidigte mich und kämpfte, aber es waren zu viele! Als ich starb, wachte ich auf!" Saria hielt ihren Blick weiter auf den Himmel gerichtet.
"Ich träumte vom Tod des Deku-Baumes!" flüsterte sie: "Und von Ranvos Tod!" Sie seufzte. "Ich fühle mich so verloren ohne Ranvo!" murmelte sie: "Und wie mag sich Tonia fühlen, wo ihr Vater tot ist und ihre Mutter fortging!"
"Ich fürchte mich vor den Monstern, die jetzt im Wald leben!" sagte Link.
"Ich sah im Traum Tonia am Grab ihres Vaters weinen!" flüsterte Saria. Eine Träne fand den Weg über ihre Wange und tropfte auf das grüne Hemd. "Sie soll wenigstens ihre Mutter haben!" sagte sie: "Vielleicht sollte ich zurückgehen!" Link legte einen Arm um sie.
"Möchtest du zurückgehen?" fragte er. Saria senkten den Kopf und schloss die Augen, dass weitere Tränen über ihr Gesicht rannen.
"Ich kann die Verantwortung nicht von mir weisen, die ich als die Weise des Waldes habe!" sagte sie: "Tonia hat gute Freunde, sie wird zurechtkommen!" Sie sah zu Link und versuchte, zu lächeln. "Ich werde bleiben und dich unterstützen!"
Impa sass tief im Sattel, ihr Pferd galoppierte atemberaubend schnell. Der Feenwald westlich des Hyliasees war gefährlich, Räuber brachten Reisende um Besitz und Leben. Impa besass zwar magische Fähigkeiten, aber dennoch wollte sie das Schicksal nicht herausfordern. Besonders gross war der Wald ja nicht.
Endlich lichtete sich das Blätterdach und das Gelände wurde steiler. Bald standen nur mehr vereinzelt Bäume herum, während der Boden eine felsige Qualität bekam. Weit oben auf dem Klimmerberg befand sich das Reich der Feen, dessen Königin Nikaia war. Impa ritt über Felsen und Geröll, bis sie auf einen Weg traf, dem sie aufwärts folgte.
"Halt, Eindringling!" klang die glockenhelle Stimme einer Fee. Impa stieg ab.
"Ich bin Impa, die Weise des Schattens!" sagte sie. Gelächter.
"Das kann jeder sagen! Beweise es!" Impa senkte den Kopf und schloss ihre Augen. Ranvo hatte es oft getan, sie musste es auch können. Plötzlich fühlte sie sich federleicht ... und sie konnte alles um sich herum wahrnehmen. Sie sah auch sich selbst, eine violett leuchtende Kugel. Das war fantastisch. Doch dann verlor sie die Konzentration und wurde wieder körperlich.
"Du hast es bewiesen, folge mir!" Ein leuchtender Punkt flog den Weg weiter entlang. Impa sprang auf ihr Pferd und trieb es an, der Fee zu folgen. Nur wenig später hielt die Fee neben einem Wasserfall. Der Weg war zuende.
"Dein Pferd musst du hier lassen!" sagte die Fee: "Nur du selbst, die Weise, die schwebende Kugel, kannst mir folgen!" Impa konzentrierte sich. Diesmal war die magische Verwandlung leichter. Die Fee flog dem Wasserfall entlang hoch und Impa folgte ihr. Die Weise wagte nicht, an irgendetwas anderes als den Flug zu denken, sollte sie die Konzentration verlieren, würde sie sehr tief stürzen. Endlich hielt die Fee über festem Boden an und Impa sank zusammen, es war sehr anstrengend gewesen.
"Warte hier, Weise des Schattens, ich werde Nikaia zu dir bringen!" sagte die Fee: "Du kannst ihren Palast nicht betreten, du bist zu gross!" Impa sah ihr hinterher, wie sie davonflog.
Ratlosigkeit machte sich in ihm breit. Ganon seufzte. Wo war Kiora nur? Wo sollte er sie suchen? Er hatte noch nichteinmal Hyrule wirklich durchsucht, und die anderen Länder, Amythian, Termina, Thevalar und Contas, waren auch gross. Wie sollte Ganon das schaffen?
Wenn er sich nur einfach wünschen könnte, sie zu finden ...
Ganon blickte in den Himmel. Das war ja die Lösung, er musste es sich von Triforce wünschen. Aber wie sollte er das Triforce erlangen? Die königliche Familie besass den Schlüssel zum heiligen Reich, wie sollte er dorthin gelangen?
Ganon lenkte sein Pferd in Richtung Stadt und grummelte vor sich hin. Er würde das Relikt stehlen, das nötig war, um ins heilige Reich zu gelangen. Und dann könnte er sich von Triforce wünschen, Kiora zu finden.
Ganon ritt durch das Stadttor und sah sich um. Die Zitadelle der Zeit befand sich am Marktplatz, also trieb er sein Pferd durch die feilschende, kaufende und Geld zählende Menge. Am Vorhof der Zitadelle stieg er ab und betrachtete das gewaltige Bauwerk. Der Lärm vom Marktplatz war kaum mehr zu hören, obwohl die Entfernung doch recht gering war. Ganon betrat die Zitadelle.
Im Inneren schritten würdig einige rotbraun gekleidete Mönche herum, jeder mit einem Besen in der Hand, und kehrten gemächlich den Dreck auf den schwarzen und weissen Steinplatten zusammen. Sie mussten wohl dem Orden der Sonne angehören, der diesen Tempel, denn eigentlich war die Zitadelle ein Tempel, erbaut hatte. Ganon durchquerte die grosse Halle zum Altar, keiner beachtete ihn. Er richtete seinen Blick auf die Inschrift.
"Die Hymne der Zeit möge erklingen, um das Tor ins heilige Reich zu öffnen!" las er: "Tritt näher, der du die Okarina der Zeit besitzt, und folge den Spuren der Göttinnen!"
Die Okarina der Zeit war also der Schlüssel zum heiligen Reich und man musste ein besonderes Lied spielen. Also würde er im Palast nach der Okarina und dem Lied suchen. Und wenn sich ihm jemand in den Weg stellte, würde er denjenigen einfach töten.
Link ritt den Weg entlang und seufzte immer wieder. Saria, die hinter ihm sass, gab auch gelegentlich einen Seufzer von sich. Wie schafften diese drei Feen es, die ganze Zeit derartig zu schnattern?
Malon hatte beim Frühstück ihren Vater angebettelt, mit den beiden Grüngekleideten mitgehen zu dürfen, wenig erfolgreich. Aber sie hatte durchgesetzt, ihnen zu helfen, und zwar mit einem Pferd. In der Koppel war dann das braune Fohlen zu Link gekommen, bei dem er auch schon die Nacht verbracht hatte. Talon hatte ihm und Saria das Tier, Epona, dann einfach überlassen, ihnen dafür aber das Versprechen abgenommen, die Milch mitzunehmen und im Schloss abzuliefern.
Sie ritten über die Zugbrücke und durch die Stadt. Link entdeckte Ganons prächtig geschmücktes Ross vor der Zitadelle der Zeit.
"Der König der Gerudos ist in diesem Tempel!" bemerkte er.
"Er ist mir unheimlich!" murmelte Saria. Link trieb Epona weiter bis zum Gittertor des Schlossgartens. Der Soldat blinzelte.
"Boten aus dem Kokiridorf, die melden, dass ein Gerudo etwas angestellt hat?" fragte er gelangweilt. Link und Saria sahen sich verwirrt an.
"Wie kommt Ihr darauf?" fragte Saria. Der Soldat sah die beiden mit schiefgelegtem Kopf an.
"Ihr seid Kokiri, das sehe ich an den Feen, und Boten seid ihr, weil sonst nie Kokiri hier sind!" erklärte er: "Und die Sache mit dem Gerudo ... die Boten aus Zoras Reich und Goronia haben gesagt, dass ein Gerudo Lord Jabu-Jabu verflucht und Dodongos Höhle verschlossen hat!"
"Der Deku-Baum ist tot!" sagte Link: "Die Verlorenen Wälder und das Dorf sind von Ungeheuern überrannt!"
"Oh!" murmelte der Soldat: "Geht ins Schloss und lasst euch zu Impas Räumen führen! Dort trefft ihr die Boten der Zoras und Goronen! Impa ist zur Zeit aber leider nicht hier!"
"Wohin sollen wir die Milch bringen, die uns Talon von der Farm mitgegeben hat?" fragte Saria. Sie zeigte dem Soldaten die grosse Kanne.
"Gib sie einfach einem Soldaten drinnen, die wissen, wo die Küche ist!" sagte der Soldat und öffnete eine Türe im Gittertor. Link trieb Epona hindurch und ritt den weiteren Weg entlang.
Ganon trat um eine Ecke und legte seine linke Hand auf das Gesicht einer Schlossbediensteten, die unter leichtem mentalen Druck sofort zu Boden ging und sich nach dem Erwachen auch nicht an ihn erinnern würde. Durch eine schön verzierte, rote Edelholztüre gelangte er in ein königliches Gemach.
"Impa, seid Ihr zurückgekehrt?"
Ganon ging langsam und geräuschlos durch den Raum am mit blauen Tüchern verhangenen Himmelbett vorbei. Dahinter befand sich ein grosser Schreibtisch, an dem ein blondes Mädchen, den Rücken Ganon zugewandt, vor etlichen Büchern sass.
Es schien, als tat die Prinzessin das Geräusch der Türe als Irrtum ab, sie drehte sich nicht um, sondern las weiter in ihren Büchern und schrieb gelegentlich etwas in ein Heft.
Ganon blieb still stehen und beobachtete die lernende Prinzessin. Er verspürte den Wunsch, sie kennenzulernen, sie anzusehen. Sie war ebenso blond wie Kiora, die er suchte, und ebenso grazil war ihr Körperbau, sie war ihr sehr ähnlich. Vielleicht war die Prinzessin ja irgendwie mit Kiora verwandt?
Als Ganon leise seufzte, blickte die Prinzessin auf und drehte sich um. Ihr Gesicht zeigte jenes Erstaunen, das Ganon empfand.
Kiora.
Aber das war unmöglich, Kiora war viel älter als die Prinzessin. Dennoch, die blauen Augen, die Nase, der Mund, alles passte. Ganon wich einen Schritt zurück.
"Ich grüsse Euch, König der Gerudos!" ergriff die Prinzessin das Wort: "Ich bin Prinzessin Zelda!"
"Mein Name ist Ganon!" sagte Ganon höflich: "Ich freue mich, dich kennenzulernen, Prinzessin!" Zelda legte den Kopf schief.
"Ihr zählt weder zu jenen, die mit meinem Vater sprechen wollen, noch zu jenen, die auf Impa warten!" stellte sie fest: "Ihr seid direkt zu mir gekommen! Aus welchem Grund?"
"Ich suche nach etwas!" sagte Ganon, ehrlicher, als er es eigentlich wollte: "Die Okarina der Zeit!" Zelda atmete geschreckt ein.
"Die Okarina!" stammelte sie: "Die Okarina? Sie ist nicht in meinem Besitz und wäre sie es, würde ich sie niemandem geben!"
"Würdest du nicht vielleicht verheimlichen, dass sie in deinem Besitz ist?" fragte Ganon. Ein weiteres Mal atmete Zelda geschreckt ein. Und Ganon hatte verstanden. Schnell hatte er seine linke Hand auf ihre Stirn gelegt und fing die Prinzessin auf, als sie zu Boden sank. Vorsichtig trug er das Mädchen zum Bett und legte es hin.
"Prinzessin, wo hast du sie versteckt!" murmelte er. Aber er wusste die Antwort sofort, als er die Statuen der drei Göttinnen auf einer Kommode sah. Schnell schob er die Statuen zueinander, dass sie die Ecken eines gleichseitigen Dreiecks einnahmen.
In hellem Licht erschien zwischen ihnen eine blaue Okarina. Ganon hatte gefunden, was er gesucht hatte.
Fehlte noch das Lied.
Impa sass im Schneidersitz auf dem erstaunlich glatten Boden, rechts von ihr war die senkrechte Felswand, hinter ihr rauschte ein Wasserfall in gewaltige Tiefen.
Eine Fee spazierte gemächlich auf die Weise des Schattens zu und blieb vor ihr stehen. Impa sah auf sie herab, was sie irgendwie als sehr unhöflich sah, aber sie konnte es nicht ändern, so viel grösser als die Fee, wie sie war.
"Ich grüsse dich, Weise des Schattens, ich bin Nikaia, die Königin der Feen!"
"Ich grüsse dich, Königin der Feen!" sagte Impa: "Thaki, Anführer des Zeltdorfes der Dekus am Hyliasee und Weiser der Geister, ist überzeugt, du wärest die Weise des Windes!" Nikaias Flügel vibrierten und hoben die Königin eine Handbreit über den Boden.
"Er wird Grund zu dieser Annahme haben!" erklärte sie: "Was muss ich tun, um es herauszufinden?" Impa öffnete ihre leere rechte Hand.
"Sieh her, ich habe etwas für dich!" sagte sie. Nikaia flog ein Stück zurück und seufzte.
"Deine Hand ist leer, Weise!" murmelte sie dumpf: "Bedeutet das, dass du vergeblich hier warst?" Impa senkte ihren Kopf. Das bedeutete es wohl. Aber plötzlich erschien das Amulett doch noch, Nikaia war jedoch nicht die Weise.
"Wer beobachtet uns?" rief Nikaia angespannt: "Wer liess das Amulett erscheinen?" Zögernd flatterte ein dunkelblau leuchtender Feenjunge hinter der Biegung hervor. Nikaia flog zu ihm und stiess ihn verärgert zurück. "Zu anderer Zeit wäre ich wütend auf dich, Tael!" rief sie: "Ist deine Schwester auch hier?" Tael versteckte sich hinter Impa.
"Nein, ja, ich meine ... ja, Mutter, Taya ist auch hier!" stotterte er. Nikaia flog um die Biegung und zog eine hell leuchtende Fee hervor.
"Taya, Tael, eure Streiche sind mir unrecht!" erklärte sie: "Da du, Tael, offenbar der Weise des Windes bist, wirst du Impa begleiten und von ihr lernen, was es bedeutet, ein Weiser zu sein! Taya jedoch, du wirst dein Benimmlehrbuch auswendiglernen, du hast drei Tage Zeit!" Taya flog, kaum mehr leuchtend, den Weg entlang und um die Biegung. Tael flatterte auf.
"Tael, folge mir!" sagte Impa, verwandelte sich in eine Energiekugel und flog zurück zu ihrem Pferd.
Nachdem Saria die Milchkanne einem Soldaten übergeben hatte, waren sie, Link und die drei Feen von einer braunhaarigen Bediensteten zu Impas Räumen geführt worden. Wie die Wache am Gittertor gesagt hatte, befanden sich bereits ein Zora und ein Gorone hier, ebenso aber auch ein unergründlich grinsender Mann mit einem riesigen Rucksack.
Saria und Link setzten sich auf zwei der Mahagonistühle und seufzten. Wie lange würden sie auf Impa warten müssen?
"Ihr seid Kinder des Waldes!" stellte der Zora fest. Link nickte und musterte ihn. Der Zora war schmal und gross, seine Flossen waren weiss und wiesen nur wenige tiefblaue Punkte auf. "Ihr seid nicht sehr gesprächig!" bemerkte er schliesslich: "Mein Name ist Kaalos, ich bin der Bruder des Königs!" Link lächelte gezwungen.
"Mein Name ist Saria!" sagte Saria: "Mein Begleiter heisst Link!"
"Na bitte!" grinste Kaalos zufrieden: "Ist nicht bei allem, was uns Schlechtes geschieht, das Gespräch etwas, was uns immer bleibt?"
"Jetzt geht das wieder los!" seufzte der Gorone.
"Stellt Euch doch wenigstens vor!" verlangte Kaalos, zu Link und Saria gewandt nannte er den Namen sofort: "Er heisst Darunia und ist selbst der Häuptling der hylianischen Goronen!"
"Mein Name ist Kiyan!" sagte der Grinsende: "Ich sammle Masken, gelegentlich verkaufe ich auch welche!" Saria und Link sahen sich an und seufzten. Ein zwangloses Gespräch war nicht das, was sie sich wünschten. "Junge, du bist aber kein Kind des Waldes, habe ich recht?"
Woher wusste Kiyan das?
"Das ... das stimmt!" bemerkte Link: "Ich bin Hylianer!"
"Du meinst damit, dass deine Eltern Hylianer sind!" erklärte Kiyan: "Stehst du unter dem Schutz des Deku-Baumes, alterst du nicht mehr!"
"Aber der Deku-Baum ist tot!" sagte Link dumpf.
"Weshalb seid Ihr hier, Kiyan?" fragte Saria.
"Ein Horror-Kid hat mir eine mächtige Maske gestohlen!" sagte Kiyan.
"Mächtig?" fragte Saria.
"Mächtig!" wiederholte Kiyan: "Es wird dauern, bis die Macht erwacht ist, aber dann ist es zu spät!"
"Es wäre schrecklich, sollte Ganon in den Besitz dieser Maske gelangen!" stellte Kaalos schaudernd fest. Saria sah den Zora verwirrt an, irgendwie kam er ihr eigenartig bekannt vor.
Sie erinnerte sich an Ranvo, der stets erklärt hatte, dass ein Weiser auf sein Gefühl hören müsste. Sollte Saria auf ihr Gefühl hören? Sie streckte ihre Hand aus und öffnete sie.
"Ich habe etwas für Euch, Kaalos!" sagte sie.
Und in ihrer Hand erschien das Amulett des Wassers.
Ganon sass auf der Bettkante und hatte den Kopf auf die Hände gestützt. Lange konnte es nicht mehr dauern, eigentlich musste Zelda jeden Moment erwachen. Er sah, wie sie ihre Augen einen Spalt öffnete und sie sogleich wieder schloss, um sich schlafend zu stellen.
"Ich weiss, dass du wach bist, Prinzessin!" sagte Ganon: "Versuche nicht, mich zu täuschen!" Zelda riss die Augen auf und starrte ihn an. "Ich suchte die Okarina und fand sie!" erklärte Ganon: "Nun sag mir, wo ich die Noten der Hymne der Zeit finde!" Zelda setzte sich ruckartig auf.
"Ihr habt die Okarina?" brachte sie hervor. Ganon nickte.
"Wo finde ich die Noten der Hymne der Zeit?" wiederholte er seine Frage. Zelda hielt sich die Hände vor den Mund und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. "Nun?" fragte Ganon.
"Nein ... ich ..." Zelda biss sich leicht in die Hand, falls es doch nur ein Traum war. Ganon zog seine Brauen zusammen.
"Prinzessin, du bist nicht in der Lage, mir die Antwort zu verwehren!" erklärte er: "Solltest du es mir nicht sagen, werde ich die Antwort in deinem Wissen finden!" Das war gelogen, er verfügte über keinerlei telepathische Veranlagung, aber Zelda wusste das nicht.
"Ich weiss es nicht!" murmelte Zelda: "Impa kennt das Lied!" Ganon blickte prüfend in ihre Augen, er glaubte ihr. Wieder legte er seine Hand auf ihre Stirn und Zelda sank in tiefen Schlaf.
Impa, Impa musste das Kindermädchen sein, andere Frauen durften die Gemächer der Prinzessin nicht einfach so betreten, also hatten Zeldas erste Worte den besten Hinweis auf Impas Identität gegeben.
Ganon verliess den Raum und ging den Weg zurück, den er gekommen war. Hier, im Südflügel, befanden sich nur die königlichen Gemächer, offizielle Räume befanden sich im Westflügel. Im mittleren Bereich des Palastes liess er etliche Bedienstete und Wachen am Boden liegend zurück, die riesige, zerbrochene Schüssel und der am Marmorboden verschüttete Fruchtsalat kümmerten ihn nicht.
Im Westflügel standen viel mehr Wachen herum, jedenfalls, bis Ganon sie an der Stirn berührt hatte. Von einer offenen Türe drang ein Gespräch an Ganons Ohren, er blieb stehen, um zuzuhören.
"Woher wusstest du das, Mädchen?" hörte Ganon eine tiefe, brummige Stimme fragen.
"Ich wusste es nich, ich fühlte es! Mir schien, als würde Ranvo es mir zuflüstern!" antwortete ein Mädchen: "Ranvo ... wir waren verheiratet, aber vor einiger Zeit starb er!" Ihre Stimme wurde leiser, dass Ganon Mühe hatte, sie zu verstehen. "Ich weiss, dass die Göttinnen ihn in ihrem Reich des Lichts aufgenommen haben! Ich vermisse ihn dennoch!" Ganon seufzte lautlos, er kannte es, jemanden zu vermissen.
"Saria, müsstest du nicht wissen, wo sich Impa befindet?" fragte ein Junge.
"Nein, nein, Link, vielleicht könnte ich es spüren, wenn ich wüsste, wie es geht!" antwortete das Mädchen, Saria: "Aber ich weiss es nicht, ich finde doch erst heraus, was ich kann!" Was konnte Saria denn? Ganon trat einige Schritte näher. "Ich kann ja nicht einmal spüren, dass Impa überhaupt da ist!" erklärte Saria: "Zu sehr friert mich, wenn ich daran denke, diesen Raum zu verl ... mich friert?" Sie stockte. Es war still.
Vorsichtig schlich Ganon einige weitere Schritte auf die Türe zu, aber er konnte immer noch nichts hören. War er entdeckt worden? Ein grüngekleideter Junge sprang hervor und schwang sein Schwert. Ganon zog seinen Dolch aus der Scheide und blockte den Schwerthieb. Oder vielmehr, er blockte die Finte, schnell hatte der Junge ihm das Schwert von der anderen Seite an die Kehle gesetzt.
"Weshalb belauscht Ihr uns?" fragte der Junge.
"Es tut mir leid, ich verstehe nicht!" sagte Ganon: "Weshalb sollte ich lauschen? Ich kam, um mit Impa zu sprechen!" In Gedanken plante er in die nächsten Tage einige Schwerttrainingskämpfe ein. Es konnte nicht sein, dass ein Kind ihn besiegte.
"Ohne jemanden von der Wache, der Euch begleitete?" bemerkte der Junge misstrauisch.
"Ich kannte den Weg ja bereits, weshalb sollte mich also jemand führen?" erklärte Ganon. Allerdings hatte er sehr das Gefühl, dass der Junge ihm nicht glauben würde.
"Das ist Blödsinn! Was wollt Ihr hier?" rief der Junge verärgert, während hinter ihm ein grünhaariges Mädchen aus dem Raum trat und ihm eine Hand auf die Schulter legte. An das Mädchen konnte Ganon sich erinnern, er war ihr bereits begegnet, und mit ihr vielleicht auch dem Jungen.
"Ich möchte mit Impa sprechen!" wiederholte Ganon: "Weshalb bedrohst du mich, Junge?" Nun zog der Junge sein Schwert zurück, überzeugt schien er aber nicht.
Impa trieb ihr Pferd immer wieder an, es war schon dunkel und demnach scheuten sich Räuber nicht, Reisende anzugreifen. Ein Ausgestossener, ein Rocaan, sprengte Impa auf einem flugunfähigen Blaudrachenjungen hinterher. Die Weise war nur froh, dass ausgewachsene Blaudrachen die Dressur vergassen und nur mehr ihre Instinkte lebten, sodass die Rocaan ausser den zur Arterhaltung nötigen Blaudrachen alle Jungen verspeisten.
"Wird er uns töten?" fragte Tael, der sich in die Mähne des Pferdes eingewickelt hatte, leise und ängstlich.
"Er wird uns nicht kriegen!" knirschte Impa und trieb das Pferd weiter an. Sie ballte die Faust und sammelte ihre Kraft, sie wollte einen Blitz auf das Drachenjunge schleudert. Doch als vor ihr ein weiterer Rocaan, jener auf einem Arachno reitend, zwischen dem Gestrüpp hervorsprang und einen Pfeil in seine Armbrust einspannte, änderte Impa ihre Absicht. Der Blitz traf die Armbrust, die in tausende Splitter zerschellte, der Arachno geriet unter die Hufe des Pferdes und blieb von giftgrünem Blut überströmt liegen, sein Reiter stürzte, blieb aber unverletzt.
"Der ist erledigt!" rief Tael erleichtert, doch dann fiel sein Blick wieder auf den verfolgenden Rocaan auf dem Drachenjungen. "Aber der ist immer noch da!" jammerte er und wickelte sich noch mehr in die Mähne des Pferdes ein, als hoffte er, dadurch unsichtbar zu werden. Impa trieb das Pferd weiter an, der Wind wurde stärker, also konnte es nicht mehr weit zum Hyliasee sein.
"Bald haben wir es geschafft!" murmelte sie zufrieden. Doch sie irrte sich. Ein dünnes Seil, zu dünn um gesehen zu werden, brachte das Pferd zum Sturz. Impa prallte mit dem Kopf auf die Erde und wurde bewusstlos. Laut gröhlend kamen nun die beiden Rocaan herbei und durchsuchten die Taschen der Weisen.
"Sie besitzt nichts!" fauchte einer der beiden, jener, der auf dem Drachenjungen geritten war.
"Dann verkaufen wir sie als Sklavin!" rief der andere breit grinsend: "Reite ins Lager und hole ein Schwarzsilberarmband, es wird ihr jegliche Hexerei verbieten und sie kann uns nicht gefährlich werden!"
Link rutschte etwas auf seinem Stuhl hin und her und seufzte. Vor kurzem erst war Saria kurz eingenickt und auch Kaalos, Darunia, Kiyan und sogar der Fremde, der sich als Yoran vorgestellt hatte, wirkten müde. Und Link war keine Ausnahme. Wo war Impa denn nur, dass sie noch nicht wieder da war. Kiyan murmelte immer wieder vor sich hin, dass sie schon vor Stunden hatte zurück sein wollen. Woher der Maskenhändler das wusste, sagte er allerdings nicht.
Link blickte zu Yoran, der ihn stark an den König der Gerudos, Ganondorf, erinnerte. Aber Yoran hatte gesagt, dass sich Gerudos sehr ähnlich sahen und er niemandem vorwarf, dass er ihn verwechselte.
"Vielleicht ist ihr etwas geschehen?" bemerkte Kaalos nun. Saria sah ihn erschrocken an.
"Dann müssen wir sie suchen und ihr helfen!" rief sie entschlossen.
"Aber wo sollen wir suchen?" fragte Link: "Sie könnte überall sein!" Saria stand auf und trat zu Kaalos.
"Vielleicht können wir sie gemeinsam finden!" sagte sie: "Ich weiss von Ranvo, dass es geht, nur weiss ich nicht, wie!" Kaalos legte der Kokiri eine Hand auf die Schulter und nickte. Beide schlossen sie ihre Augen. Link beobachtete die sich konzentrierenden Weisen.
"Was tun die zwei denn da?" fragte Yoran verwirrt.
"Am Hyliasee!" murmelte Saria: "Sie könnte am Hyliasee sein! Aber ich bin nicht sicher!"
"Das ist aber jedenfalls bisher unser bester Anhaltspunkt!" stellte Darunia fest. Link nickte und sprang auf.
"Ich gehe sie suchen!" rief er. Kaalos, Saria, Darunia und Yoran stimmten ihm sofort zu, Kiyan stand auf und schnallte sich seinen Rucksack auf den Rücken.
Arvain, Anführer der Rocaan, wog das kleine Ledersäckchen in seiner Hand. Man würde vermuten, dass nicht besonders viel hineinpasste, aber das Gewicht deutete auf etwas anderes. Die gefangene Angehörige des Schattenvolkes hatte das Säckchen zwischen Hose und Beinschiene in der linken Kniekehle befestigt getragen, wo man nichts vermuten würde, übliche Verstecke waren ja Schuhe und Unterwäsche.
Ein Sammler würde diese Shiekah-Frau bestimmt Unsummen bezahlen, so selten wie Angehörige dieses Volkes inzwischen waren. Arvain grinste schief und dankte in Gedanken den Thevalarnern für den Krieg, der dieses Volk so sehr dezimiert hatte. Das brachte Profit!
Aber dieses Ledersäckchen ... Arvain war nicht in der Lage, es zu öffnen, und auch der Hexer des Lagers, Vonadar, hatte die das Säckchen umgebende Magie nicht brechen können. Es musste sich etwas ungeheuer Wertvolles darin befinden.
Vor ihm am Boden regte sich die Sklavin, Arvain liess das Säckchen in seine Manteltasche fallen und richtete seinen Blick auf die weisshaarige Frau. "Du bist wach!" sagte er kalt. Die Shiekah erhob sich und sah ihn mit einem durchdringenden Blick an. Dann hob sie ihre rechte Hand und ballte sie zur Faust. Doch einige Augenblicke später senkte sie die Hand wieder. Arvain lachte laut auf.
"Hältst du uns für Narren?" rief er: "Eine Sklavin darf keine magischen Fähigkeiten verwenden können!"
"Sklavin!" fauchte die Frau wütend. Einen Augenblick später hatte sie durch eine Drehung Schwung geholt und den Rocaan mit einem Fusstritt zu Boden geworfen. Sie war so unglaublich schnell, Arvain riss die Augen weit auf, als er den kalten Stahl seines eigenen Dolches an seiner Kehle spürte. "Lass das Armband entfernen!" verlangte die Frau.
"Das werde ich nicht!" knurrte Arvain: "Du wirst mich töten müssen, Shiekah!"
"Fordere mich nicht heraus, Rocaan!" fauchte die Shiekah: "Ich habe deinen Dolch, und es gibt empfindliche Stellen deines Körpers, die dennoch zum Leben nicht notwendig sind!" Sie sah spöttisch auf ihn herab. "Du weisst, welche ich meine!"
Link blickte zum schwarzen Pferd, das neben Epona lief, waren etwa alle Pferde der Gerudos schwarz? Man hätte das Pferd mit jenem des Königs der Gerudos verwechseln können, wenn es ebenso prächtig geschmückt wäre, aber das war es nicht.
Der Gerudo Yoran hatte dem Maskenhändler widerwillig erlaubt, hinter ihm auf dem schwarzen Pferd zu sitzen, und Kaalos sass hinter Link und Saria auf Epona, die die zusätzliche Last brav trug. Darunia rollte vor den beiden Pferden die wandelnden Skelette auf der Steppe nieder. Noch war es Nacht, aber es war schon ein schwacher, rötlicher Glanz am Horizont zu sehen.
"Ich rieche das Wasser!" bemerkte Kaalos: "Weit ist es nicht mehr!" Er hatte recht, bald hatten sie das Ufer erreicht und stiegen ab.
"Und wo sollen wir Impa nun suchen?" fragte Link ratlos.
"Fragen wir die Dekus!" bemerkte Saria: "Die Zelte stehen hier sicher schon länger!" Sie marschierte zu den Zelten und sah sich um. Die anderen folgten ihr. Die Dekus im Zeltdorf eilten geschäftig hin und her und brachten Dinge von da nach dort oder zurück. Ein Deku aber kam auf Saria zugehüpft und begrüsste sie.
"Willkommen, Kind des Waldes!" sagte er: "Ich bin Thaki!"
"Ich bin Saria!" sagte Saria: "Wir suchen Impa! War sie hier?" Thaki nickte.
"Ja, Impa war hier, gestern nach Mittag ritt sie nach Westen fort!" erklärte er.
"Der Feenwald!" sagte Kiyan: "Ich habe ihn bereits einmal bereist, die Rocaan sind unberechenbar!"
"Dennoch müssen wir Impa finden!" erklärte Link und schwang sein Schwert kurz hin und her.
"Junge, ich schenke dir etwas!" bemerkte Kiyan und stellte seinen Rucksack auf den Boden. Eine Weile grub er darin herum, bis er schliesslich eine weissgoldene, dreieckige Maske hochhielt. "Dies ist die Maske des Sonnenaufgangs!" erklärte er: "Wer sie trägt blendet Gegner, sodass er und seine Begleiter unbehelligt an jenen vorbeikommen! Doch nur, wer rechte Absichten hat, kann sie tragen! Ich kannte jemanden, der verbrannte, als er sie aufsetzte!"
Link runzelte die Stirn, hatte er wirklich nur rechte Absichten? Er glaubte, dass es so war, also setzte er die Maske auf. Um ihn herum wurde alles in helles Licht getaucht und Saria lächelte ihn an.
"Machen wir uns auf den Weg in den Feenwald!" sagte sie.
Arvain hielt den Atem an, noch immer hielt die Angehörige des Schattenvolkes ihn mit einem Knie auf seiner Brust am Boden und drückte den Dolch gegen seinen Hals. Der Rocaan versuchte, ihrem gefährlichen Blick standzuhalten.
Nun zog die Shiekah den Dolch zurück und zielte auf andere Teile seines Körpers. Oh nein, das würde seine Freundin ganz und gar nicht freuen. Aber er sah Hoffnung, zwei seiner Leute schlichen sich an die weisshaarige Frau heran, die soeben das dicke Leder seiner Hose zerschnitt. Doch dann kippte die Shiekah vornüber, ein Rocaan hatte ihr seinen Knüppel gegen den Kopf geschlagen.
Arvain sprang auf und trat der Sklavin mit dem Fuss in den Bauch. Er war wütend, und wie wütend er war. Grob riss er seinen Dolch aus der Hand der Sklavin, die das Metallstück noch umklammerte, und steckte ihn wieder ein.
"Es gibt potentielle Käufer!" meldete der Rocaan mit dem Knüppel, er hiess Veyar: "Sie drangen ins Lager ein und steckten dann ihre Waffen weg! Sie sagten, sie wären Sammler!"
"Wieviele?" fragte Arvain.
"Zwei!" sagte Veyar: "Die restlichen vier sind ihre Sklaven!" Arvain nickte und marschierte los.
"Nehmt die Schattenfrau mit!" befahl er und seine Leute gehorchten. Wenig später erreichte Arvain das Lager der Rocaan. An einem Tisch sassen zwei Spitzohrige und tranken leichtes Bier, einer der beiden, er trank nur ein kleines Bier, war noch ein Kind, der andere grinste ständig. Am Boden um den Tisch sassen die vier Sklaven, ein Gerudo, ein Gorone, ein Zora und eine Kokiri. Zwei Pferde, ein schwarzer Hengst und ein braunes Fohlen, weideten gerade.
Arvain setzte sich zu den beiden Spitzohrigen und winkte Ruiana, der Wirtin, ihm auch ein Bier zu bringen.
"Sie sind also an Raritäten interessiert!" stellte er fest. Der Grinsende stellte seinen Krug auf den Tisch und sah Arvain an.
"Sie sehen, wir sind Sammler!" bemerkte er: "Ich bin Yakin, dies ist mein Neffe Klin!" Er deutete auf den Jungen, der rote Kleidung und Stiefel trug und Waffen auf den Rücken geschnallt hatte. Yakin selbst trug ein blau gemustertes Gewand und Sandalen, ein riesiger Rucksack stand neben ihm. Arvain liess seinen Blick über die vier Sklaven schweifen.
"Bei Ihnen wäre die Shiekah gut aufgehoben!" stellte er fest: "Aber wieviel würden Sie bezahlen?"
"Wieviel möchten Sie für sie?" fragte Yakin: "Und für das, was sie vielleicht bei sich hatte, wenn sie es nicht bereits verkauft hat!" Er grinste noch breiter, was Arvain eigentlich für unmöglich gehalten hatte. "Sie hat mir eine Maske gestohlen, die ich gerne wiederhätte!"
"Sie hatte keine Maske bei sich, nur ein nimmervolles Säckchen!" sagte Arvain: "Doch da keiner hier es öffnen kann, ist es nutzlos! Ich verkaufe es für 30 Rubine!" Yakin nickte.
"Einverstanden!" rief er fröhlich und streckte Arvain die geforderte Summe hin: "Und wieviel wollen Sie für die Sklavin selbst?" Arvain nahm die Rubine an sich und drückte dem schon wieder noch breiter grinsenden Yakin das magische Säckchen in die Hand.
"Zweitausend Rubine!" sagte er dann. Ein weiteres Mal zog Yakin sein Grinsen in die Breite.
"Wundervoll, das ist ja ein Schnäppchen!" freute er sich und schüttete einen ganzen Haufen Rubine auf den Tisch.
"Verkauft!" rief Arvain und ging mit dem Käufer gemeinsam zur immer noch bewusstlosen Frau. "Sehen Sie, Arvain, dies ist ein Schwarzsilberarmband!" erklärte er und deutete auf das rechte Handgelenk der Shiekah. "Ich schenke es Ihnen, Sie sind ein guter Kunde!"
"Ich brauche es nicht!" sagte Yakin: "Ich habe eigene Dinge, die ähnliche Effekte haben!" Er zog ein rotblaues Geflecht aus einer Tasche und band es der Frau um das linke, freie, Handgelenk. Arvain nahm ihr das Schwarzsilberarmband ab.
"Onkel, darf ich noch ein Bier haben?" rief nun der Junge. Yakin stand auf und stapfte zurück zum Tisch.
"Nein, Klin, du bist zu jung dafür!" erklärte er verärgert. Arvain grinste schief.
"Sie sollten Ihren Neffen vom Bier entfernen!" bemerkte er.
"Das werde ich tun!" stellte Yakin fest: "Wir gehen! Es war angenehm bei den vermeintlich so unangenehmen Rocaan!" Er verneigte sich leicht. "Du!" rief er dann und zeigte auf den Goronen: "Trag die Shiekah!"
Wenig später waren die beiden Sammler aus dem Lager verschwunden. Arvain lächelte, so viele Rubine hatte er schon lange nicht mehr erhalten.
"Arvain!" rief Ruiana erschrocken und Arvain drehte sich zu ihr um. Die Wirtin zeigte auf den Tisch, auf dem die drei Bierkrüge standen. Die Rubine, die dort noch lagen, schmolzen zusammen und lösten sich schliesslich auf.
"Verdammt!" knurrte Arvain: "Wir wurden betrogen!"
Darunia sah die am Boden liegende, nun erwachte Impa mit einem breiten Goronenlächeln an.
"Darunia, Häuptling der Goronen?" murmelte Impa verwirrt. Kiyan beugte sich über sie und grinste. Aber eigentlich grinste er ja immer, also war das nichts Besonderes.
"Ich hoffe, Ihr gewöhnt Euch nicht daran, Euch retten zu lassen!" sagte er. Impa setzte sich auf und griff sich an den Kopf. Nun bemerkte sie das rotblaue Geflecht an ihrem linken Handgelenk.
"Was ist das?" fragte sie.
"Ein Stück Fischernetz der Dekus!" erklärte Kiyan: "Der Rocaan glaubte mir, es wäre magisch und könnte Euch kontrollieren!" Er löste es von Impas Arm und steckte es in seine Hosentasche. Impa kniff die Augen zusammen.
"Ihr habt mich dem Sklavenhändler abgekauft?" rief sie verblüfft: "Ihr stürzt Euch für mich in gewaltige Unkosten!" Kiyan zog sein Grinsen in die Breite.
"Der Gerudo Yoran unterstützte uns!" sagte er: "Er fälschte Rubine, die sich nach kurzer Zeit wieder auflösen!" Er deutete auf den rothaarigen Mann, der gerade sein Pferd striegelte. Impa riss die Augen auf.
War das nicht Ganondorf, der König der Gerudos? Aber andererseits war er bei weitem nicht so nobel gekleidet und seine Haare kümmerten sich überhaupt nicht um einen geraden Scheitel und standen in alle Richtungen. Und auch das Pferd, obwohl genauso schwarz wie das des Königs, unterschied sich gewaltig, schon allein durch den fehlenden Schmuck. Und zuletzt verspürte Impa nicht die kalte Ausstrahlung des Königs der Gerudos. Sie beschloss, Yoran zu trauen, schliesslich hatte er geholfen, sie zu retten.
Der König der Gerudos unterdessen hielt seine Gedanken im Zaum, wie er es in seiner Zeit auf der Farm gelernt hatte. Er wusste bereits, dass das grünhaarige Mädchen Saria spüren konnte, wenn er seinen Gedanken freien Lauf liess. Dass noch andere Weisen, Impa, Kaalos und Tael, der sich in Impas Rüstung versteckte, es spüren würden, wusste Ganon zwar nicht, aber solange er sich um Sarias siebten Sinn kümmerte, spielte das keine Rolle.
Es war bereits nach Mittag, als die Reiter der beiden Pferde und Darunia wieder im Palast ankamen. Impa brachte die Tiere in die königlichen Stallungen, während die anderen sich bereits in die Räume der Angehörigen des Schattenvolkes begaben. Ganon bemerkte, wie es ihm schwerer fiel, die Kontrolle über sich zu behalten, aber er würde nicht den Kampf gegen sich selbst verlieren.
"Ich hoffe, Impa weiss Rat!" murmelte Darunia: "Wir Goronen hungern! Es gibt einige, die schon daran denken, zu unseren Brüdern nach Termina zu wandern!"
"Was ist denn geschehen?" fragte Link.
"Dodongos Höhle ist verschlossen!" stellte Darunia fest: "Ein Felsen stürzte vor den Eingang! Wir glauben, dass der König der Gerudos dafür verantwortlich ist!"
"Dasselbe denkt mein Bruder Hydor auch wegen Lord Jabu-Jabu!" mischte sich Kaalos ein: "Unser Schutzheiliger leidet nämlich unter einem Fluch!" So hiess der König der Zoras also, Ganon erinnerte sich wieder, den Namen Hydor in den Büchern der Hexe Tamayo gelesen zu haben.
"Ich hoffe auch, Impa weiss, wie wir die Maske wieder finden!" seufzte Kiyan mit sorgenvoll gefurchter Stirn: "Diese Maske ist einfach zu gefährlich! Was könnte alles Furchtbares geschehen, sollte Majora einen Träger für ihre schwarze Seele finden oder gar selbst wieder Gestalt erlangen ..."
"Und weshalb seid ihr hier, Kinder des Waldes?" fragte Darunia.
"Der Deku-Baum schickte uns, bevor er starb!" sagte Saria: "Monsterspinnen haben seine Wurzeln verfaulen lassen!" Jetzt war Ganon verblüfft. Aus welchem Grund beschuldigte sie ihn nicht, wie es die anderen auch taten?
Schliesslich kam Impa von den Stallungen zurück und brachte auch ihren Schützling mit.
"Prinzessin Zelda, ich stelle Euch die Kinder des Waldes Saria und Link, den Häuptling der Goronen Darunia, den Bruder des Königs der Zoras Kaalos, den Maskenhändler Kiyan und den Gerudo Yoran vor!" sagte Impa förmlich: "Dies ist Kronprinzessin Zelda des Landes Hyrule, Tochter des Königs Zilon und der Königin Tenda!"
Ganon war es nicht möglich, seinen Blick von der Prinzessin zu lösen. Sie war so wunderschön. Zelda begrüsste Darunia und Kaalos wie es sich offiziell gehörte, dann lächelte sie die beiden Kokiri freundlich an und schüttelte die Hand des Maskenhändlers. Und zuletzt reichte sie auch Ganon ihre zierliche Hand, allerdings zögerte sie, als könnte sie sich daran erinnern, dass er in ihrem Gemach gewesen war.
Ganon ergriff ihre Hand und küsste die zarte Haut am Handrücken, Zelda errötete leicht. Der Gerudo versuchte ein möglichst natürliches Lächeln und er glaubte, dass es ihm gelang.
"Bitte folgt mir!" bat Impa und öffnete eine Türe in einen grösseren Raum, in dem ein grosser, ovaler Tisch stand. Alle Anwesenden suchten sich einen Platz und Impa sah in die Gesichter ihrer Gäste.
"Wenn niemand etwas dagegen hat, würde ich gerne beginnen!" sagte Kaalos und Impa nickte ihm zu, erteilte ihm so das Wort. "Kürzlich drang ein Fremder, nämlich der König der Gerudos, Ganondorf, in das Reich meines Bruders ein und fragte nach einer Frau namens Kiora!" begann er: "Als Hydor ihm sagte, dass sie nicht in seinem Reich verweilt, blieb Ganondorf äusserlich ruhig und nach einigen Augenblicken verabschiedete er sich und ging! Sogleich danach erfuhr mein Bruder von einem schrecklichen Vorkommnis. Vom magischen Wahnsinn ergriffen, hatte unser Schutzheiliger nicht nur seine Mahlzeit sondern auch die ihn fütternde edle Prinzessin Rutómora, die Erbin des Wassers, meine Nichte, verspeist!"
"Eure Prinzessin ist also verstorben?" fragte Impa fassungslos. Kaalos schüttelte den Kopf.
"Sie ist zu einem Schutzzauber fähig, den sie wohl angewandt haben wird!" stellte er fest: "Aber dennoch wird auch der Zauber sie nicht für immer schützen können und irgendwann wird sie sterben!"
"Auch zu mir kam der König der Gerudos!" sagte Darunia: "Und auch mich fragte er nach einer Frau namens Kiora! Als ich sagte, dass sie nicht bei uns Goronen ist, schloss er die Augen, worauf ein Felsen vor Dodongos Höhle stürzte!"
"Ist Dodongos Höhle nicht die Quelle eurer Nahrung?" fragte Impa erschrocken: "Es ist eine Sache, den Tod einzelner zu verursachen, aber ein ganzes Volk hungern zu lassen ist unvorstellbar!" Sie schloss die Augen und schlug mit der Faust auf den Tisch.
"Ich bin dem König der Gerudos auch begegnet!" sagte sie dann leiser: "Am Rande der Steppe trafen die Kinder des Waldes auf ihn und ich kam dazu! Ich nahm eine unwirkliche Kälte wahr, die von Ganondorf ausging! Er fragte mich nach Kiora und ritt fort, als ich ihm sagte, dass ich diese Frau nicht kenne!" Impa konnte ihn also auch spüren, stellte Ganon sachlich fest. Link räusperte sich.
"Wir wissen nicht, wer tatsächlich für den Tod des Deku-Baums verantwortlich ist! Es war ja niemand in der Nähe ausser uns!" erklärte er: "Aber Gohma kann nicht einfach so seine Wurzeln befallen haben! Es ist ein Fluch, und irgendjemand muss ihn gesprochen haben!"
"Bevor Impa zu uns stiess, fragte der König der Gerudos auch uns nach Kiora!" stellte Saria fest: "Aber wir sind die Kinder des Waldes, wir kannten keine Erwachsenen!"
"Es wäre gut zu wissen, wer denn nun diese Kiora ist!" ergriff Kiyan das Wort: "Aus welchem Grund sucht Ganondorf nach ihr?"
"Und wenn wir nach Kiora suchen und sie fragen?" überlegte Link: "Sie wird es uns doch sagen können, oder? Und sie wird uns auch sagen können, ob sie von ihm gefunden werden will!" Impa nickte. Ganon musste sich ein breites Grinsen mit aller Macht verkneifen. Dass ausgerechnet dieser Junge ihm unwissentlich zu Hilfe kam, war, gelinde gesagt, unerwartet.
"Ich denke, das macht Sinn!" stimmte er nun zu. Impa richtete nun ihren Blick auf ihn und irgendwie hatte Ganon das Gefühl, er würde Ärger bekommen.
"Yoran, weshalb seid Ihr zu mir gekommen?" fragte die Shiekah. Ganons Gedanken rasten. Er musste irgendetwas erfinden. Aber was? Sollte er sich selbst eine Schandtat andichten?
"Oh, natürlich!" sagte er und zeigte ein flüchtiges Lächeln, bevor er seinen Gesichtsausdruck traurig werden liess: "Die Göttin des Sandes gibt die Anführerin der Kriegerinnen nicht mehr frei! Ein magisches Siegel verschliesst den Tempel, wir können nichts tun, um Naboru zu helfen!" Wenn er das nächste Mal Zeit hatte, würde er Naboru im Wüstenkoloss einschliessen.
"Das ist erschreckend!" sagte Impa: "Wisst Ihr, wer dafür verantwortlich ist?" Ganon schüttelte den Kopf, sich selbst auch noch explizit zu beschuldigen brachte er doch nicht fertig.
"Was sollen wir nun aber tun?" fragte Saria: "Wir können nicht einfach nur herumsitzen und warten! Sollen wir denn nun nach Kiora suchen?"
"Ich glaube, das ist das Beste, was wir tun können!" stellte Kaalos fest und blickte erst zu Darunia und dann zu Kiyan: "Was denkt ihr?" Darunia stimmte brummend zu und Kiyan nickte breit grinsend.
Darunia und Kaalos hatten sich entschlossen, in ihre Heimat zurückzukehren und sich von dort aus nach Kiora umzuhören, Kiyan, Yoran und die Kinder des Waldes würden selbst das Land durchreisen und nach Kiora suchen, während Impa ihre Boten in allen Ländern dazu anhalten würde, sich auch nach Kiora zu erkundigen. Zelda hatte bedrückt mitgeteilt, dass sie den Palast nicht verlassen durfte und somit wenig beizutragen hatte.
Als Impa einen Nebenraum betrat, um Notizen für ihre Boten zu schreiben, folgte Yoran ihr.
"Kann ich Euch irgendwie helfen?" fragte Impa förmlich, während sie die Feder in das Tintenfass tauchte.
"Ich hoffe es!" sagte Yoran, es klang jedoch nicht gerade hoffnungsvoll.
"Bitte, sagt, was ich tun kann!" bat Impa und sah ihn fragend an.
"Würdet Ihr mir Eure Hand geben?" fragte Yoran. Impa folgte seiner Bitte und legte die Feder weg. Yoran ergriff ihre rechte Hand und betrachtete sie. Impa runzelte die Stirn. Eine seltsame Kühle ging von diesem Gerudo aus, zwar lange nicht so stark wie von Ganondorf, aber vergleichbar.
"Ich möchte von Euch wissen ..." Yoran war so schnell, dass Impa ihre Hand nicht zurückziehen konnte. "... wie die Hymne der Zeit klingt!"
Impas Blick fiel auf ihr Handgelenk, er hatte ihr ein Schwarzsilberarmband umgelegt, es blockierte ihre Magie und nur er würde es wieder öffnen können. Sie taumelte erschrocken zurück. Er war es! Yoran und Ganondorf waren eine Person.
Ganon grinste zufrieden und trat jene drei Schritte auf Impa zu, die sie zuvor zurückgewichen war.
"Weshalb sucht Ihr Kiora?" fragte die Shiekah wütend.
"Sie ist meine Schwester!" sagte Ganon: "Wie klingt die Hymne der Zeit?"
"Die Hymne der Zeit wird niemandem verraten!" fauchte Impa: "Ich werde sie mit ins Grab nehmen, dass niemand mehr ihre Kräfte nutzen kann! Zu viele schreckliche Dinge sind mit ihr möglich!"
"Wollt Ihr denn so schnell ins Grab steigen?" fragte Ganon belustigt.
"Wenn es sein muss, muss es sein!" murmelte Impa: "Aber ich werde um mein Leben kämpfen!" Elegant holte sie Schwung und stiess ihren linken Fuss gegen Ganons Brustkorb, dass er keuchend zurücktaumelte. Das ging einfach zu schnell. Ganon konzentrierte sich auf die Kampftechniken, die er bereits beherrschte, nüchtern betrachtet waren es nicht besonders viele, und überlegte sich eine Taktik.
Den nächsten Tritt fing er ab, indem er Impas Fuss ergriff und die Shiekah zurückwarf. Eine mannshohe, aber dennoch grazile Blume aus Glas ging unter ihr zu Bruch. Jedoch war Impa sofort wieder auf den Beinen. Ganon riskierte es nicht, weitere Schläge einzustecken, er beschwor ein schwarzviolettes magisches Siegel, das den Raum zwischen den beiden Kämpfenden trennte.
"Die Hymne der Zeit!" sagte er und sah die Angehörige des Schattenvolkes durchdringend an. Impa hielt seinem Blick stand.
"Ich werde sie nicht verraten!" zischte sie. Ganon liess das Siegel verschwinden und formte eine schwarzviolette Kugel zwischen seinen Händen.
"Sicher nicht?" fragte er spöttisch. Impa zog ihre Brauen zusammen.
"Auch wenn Ihr mich tötet, Ihr erfahrt sie nicht!" fauchte sie. Ganon zog seinen Mund zu einem schiefen Grinsen und warf die magische Kugel hinter sich, wo sie das Parkett zerschmetterte. Schnell sprang er auf Impa zu und legte ihr seine Hand auf die Stirn. Aber nicht in den Schlaf zwingen wollte er sie, er bereitete ihr mentale Schmerzen, und immer wieder sagten seine Gedanken ihr, dass selbst der Tod keine Erlösung bringen würde.
Ewig würde sie leiden, sagten seine Gedanken ihr.
Und schliesslich hörte er sie leise summen.
Nun kannte er die Hymne der Zeit. Nun zwang er Impa in den Schlaf und nahm ihr das Schwarzsilberarmband wieder ab. Sie würde vergessen.
"Wie lange wollte Impa dafür brauchen, die Notizen zu schreiben?" fragte Saria und unterbrach auf diese Weise ein angeregtes Gespräch über Masken. Kiyans Grinsen verschwand.
"Bei Din! Es könnte ihr etwas zugestossen sein!" rief er erschrocken aus: "Yoran könnte ihr ..."
"Hört auf zu reden!" sagte Link und stand auf: "Ich sehe nach!" Saria und Darunia schlossen sich ihm an und Link stiess die schwere Holztüre auf, durch die Impa und Ganon verschwunden waren.
"Heiliger Deku-Baum!" stammelte Saria. Der Raum war verwüstet, nichts mehr war ganz, und am Boden lagen Impa und Ganon. Link lief zu den beiden und schüttelte sie, beide öffneten die Augen.
"Was ist hier geschehen?" fragte Impa. Ganon sah sich nur um, scheinbar erschrocken.
"Wer immer das war, hätte uns auch genausogut umbringen können!" stellte er schliesslich fest: "Es muss einen guten Grund dafür geben, dass wir noch leben!"
"Ja!" murmelte Impa: "Möglicherweise wurde etwas gestohlen! Ich werde sogleich überprüfen, ob etwas fehlt!" Saria schüttelte den Kopf.
"Ihr könntet verletzt sein, ohne dass Ihr es wisst!" stellte sie fest: "Erst soll ein Arzt Euch untersuchen! Euch auch, Yoran!" Ganon stimmte ihr zu.
Gemeinsam stapften er und Impa durch das Schloss, während Tael darauf wartete, dass Impa alleine war und er sein Versteck in ihrem Kragen verlassen konnte.
Ganon atmete tief durch und bedachte Impa mit einem hilflosen Blick. Der königliche Arzt hatte wohl noch nie zuvor einen Gerudo gesehen, und untersuchte jetzt unbeirrt alles an diesem seltenen Forschungsobjekt. Aber auch die Angehörige des Schattenvolkes war nicht viel besser dran. Auch ihresgleichen waren selten, vor allem selten beim Arzt, und dieser betrachtete und betastete mit leuchtenden Augen die gezackten, weissgrauen Schattenmale, die Impas Körper so erstaunlich machten. Normalerweise waren nur jene unter den Augen zu sehen, aber Impa hatte sich genauso erfolglos einer Untersuchung in Unterwäsche widersetzt wie Ganon.
"Husten!" befahl der Arzt mit seiner schnarrenden Stimme und Ganon gehorchte, wenn auch widerwillig. Der völlig kahle Hylianer betrachtete sein Metallstethoskop ungläubig von allen Seiten und stocherte sich dann mit einem Finger im Ohr herum. "Husten, hab ich gesagt, nicht die Erde zum Erbeben bringen!" ärgerte er sich.
"Ihr erlaubt ..." begann Impa vorsichtig und deutete auf ihre Kleidung. Der Arzt kam nun zu ihr und hielt sein Stethoskop an ihre Brust, dass Impa nur mehr leise seufzte. Auf Anweisung hustete sie, atmete ein und aus, und wieder liess sie eine ausgiebige Examination der Schattenmale über sich ergehen. Dann ging der Arzt wieder zu Ganon und betastete dessen Ohren.
"Waren die immer schon so rund?" fragte er.
"Ja, die waren immer schon so rund!" brummte Ganon, nun nahe an einem Wutausbruch. Wenn er explodierte, war seine Tarnung verloren, er musste sich unter Kontrolle halten. Nur wie? Impa schüttelte soeben verärgert den Kopf und murmelte irgendetwas vor sich hin, aus ihren Händen blitzten kleine, violette Funken hervor. Sie war sichtlich ebenso gereizt wie Ganon.
Sie war allerdings auch der Weg, Ganons Wut im Zaum zu halten. Ihr kaum bedeckter Körper war eine mehr als willkommene Ablenkung von diesem Kurpfuscher. Ganon liess seinen Blick wandern, betrachtete ihre Schattenmale, ihre muskulösen Arme und Beine, ihr Dekolleté. Er hielt ihre bequeme, schwarze Unterwäsche durchaus auch für sehr erotisch. Unterdessen fischte der Arzt den Dreck zwischen Ganons Zehen hervor, nur leider waren Gerudos dort kitzelig und Ganon begann heftig zu kichern und zog seinen Fuss ruckartig zurück.
"Es reicht!" fauchte Impa plötzlich: "Meister der Medizin, habt Ihr Verletzungen oder Krankheiten entdeckt?" Der Arzt schüttelte verblüfft den Kopf. "Gut, dann können wir ja gehen!" stellte Impa fest und warf Ganon seine Kleidung zu, bevor sie ihren eigenen Kampfanzug anlegte.
Die Türe krachte zu und Impa und Ganon stapften den Korridor entlang.
"Spanner!" zischte Impa und bedachte den Gerudo mit einem bösen Blick. Ganon blickte etwas zu Boden und dann wieder zu ihr, wobei er die Stirn runzelte und einen etwas schüchternen Eindruck zu machen versuchte.
"Verzeiht bitte, aber ist es denn meine Schuld, dass Ihr soviel schöner seid als jede Gerudokriegerin?" Impa schnaubte verächtlich.
"Männer, alle gleich!" knurrte sie: "Glaubt Ihr, ein aus den Fingern gesogenes Kompliment macht Euch gleich liebenswert?"
"Es tut mir leid, dass ich Euch betrachtet habe!" stellte Ganon fest: "Ihr seid ja kein billiges Flittchen, sondern eine stolze Kämpferin des Schattenvolkes! Ich bitte Euch um Verzeihung!" Er senkte seinen Kopf noch etwas und hoffte, dass er Erfolg hatte. Es wäre äusserst dumm, würde Impa nur durch diesen Vorfall seine Feindin.
"Ich hoffe, dass Ihr in Zukunft von derartigen Frechheiten Abstand nehmt!" sagte Impa: "Solltet Ihr es jedoch nicht tun, werde ich Euch den Zutritt zum Schloss verwehren und Euch über den Haufen reiten, sollte ich Euch auf der Steppe oder sonstwo begegnen!" Aber eigentlich fand sie es gar nicht so schlimm, dass er sie betrachtet hatte, auch war er der einzige Mann, der sich dafür jemals bei ihr entschuldigt hatte.
Impa öffnete die Türe zu dem grössten Raum unter ihren Räumlichkeiten und blickte in die neugierigen Gesichter von Saria und Zelda. Link lehnte an der Wand und polierte sein Schwert. Kaalos und Kiyan unterhielten sich angeregt und versuchten gelegentlich, Darunia in das Gespräch mit einzubeziehen, der Gorone allerdings brummte nur vor sich hin.
"Wir sind unverletzt!" stellte Ganon fest. Saria lächelte erleichtert.
"Ich schlage vor, dass wir uns ausschlafen!" sagte Impa: "Schlaftrunken sind wir niemandem eine Hilfe! Ich sehe sofort nach, welche Gästezimmer frei sind!"
Sofort als die Shiekah den zerstörten Nebenraum betreten und die Türe geschlossen hatte, flog Tael aus ihrem Kragen.
"Weise des Schattens!" rief er: "Ich weiss, was geschehen ist, ich war hellwach!" Impa blieb stehen und runzelte die Stirn. "Der Gerudo Yoran ist der König der Gerudos Ganondorf! Er verlangte von Euch die Hymne der Zeit und liess Euch dann vergessen!" erklärte Tael: "Er verwüstete alles hier! Er täuschte uns alle!" Impa ging zum Schreibtisch und rüttelte an einer Schublade, die Vorderwand brach heraus und die Weise suchte jene Papiere heraus, auf denen die Belegung der Gästezimmer notiert war.
"Wir sollten erst noch so tun, als wüssten wir nichts, und ihn beobachten!" sagte sie leise: "Er ist derjenige, der uns am besten sagen kann, was er von Kiora will!"
"Dann dürfen wir Kiora aber erst finden, wenn wir wissen, dass sie dadurch nicht in Gefahr gerät!" überlegte Tael: "Ganondorf ist sehr fähig, die Magie zu nutzen! Ich war erstaunt!" Er flog einmal um Impa herum und fuhr dann fort. "Er besass auch ein Schwarzsilberarmband, wie die Rocaan, er legte es Euch an!" sagte er: "Magische Siegel, Energiebälle, Feuerbälle, Blitze, nichts war schwierig für ihn! Mit der linken schleuderte er Energiebälle, mit der rechten Blitze, während er vier magischen Siegeln Kraft gab! Ich hatte Angst, dass er Euch gleich umbringt, und mich dazu!"
"Er sprach mit mir!" murmelte Impa: "Was sagte er?"
"Er sagte, Kiora wäre seine Schwester!" sagte Tael: "Mehr nicht!"
"Ist das nicht ein Ansatz?" fragte Impa grinsend: "Behalten wir vorerst für uns, was wir wissen, Tael!"
Nicht lange später hatte jeder der Gäste, auch Ganon, ein Zimmer im Nordflügel erhalten, nur die Kinder des Waldes hatten es abgelehnt, sich zu trennen. Link stand vor dem Fenster und betrachtete die Nachmittagssonne. Sein Körper schmerzte, er war es nicht gewohnt, so weite Strecken zu reiten und dabei auch noch den verdienten Schlaf auszulassen. Saria hatte sich ein Bad bereiten lassen und sang ein wunderschönes Lied des Waldes.
"Grün und blau, Gras und Tau, das ist meine Welt, der verlorne Wald, ist meine Welt!" Link kannte die Melodie, Saria spielte sie oft auf ihrer Okarina. Allerdings war der verlorene Wald, von dem sie sang, nun wirklich verloren, an Kreaturen der Finsternis.
Schliesslich kam Saria zu Link und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
"Link, du solltest dich hinlegen!" sagte sie: "Ich sehe es, du schläfst fast im stehen ein!" Link nickte und liess sich auf das weiche Bett fallen. Saria deckte ihn mütterlich zu und legte sich dann neben ihn.
Anyiu hielt sich so gut sie konnte an diesem klapprigen Gaul fest, reiten war noch nie ihre Stärke gewesen, und dann ritt sie auch noch durch dieses furchtbare Ödland. Sie wusste zwar, dass sie eine grüne Oase in der Felswüste finden würde, aber das machte den Ritt dorthin nicht angenehmer.
Und jetzt weigerte sich dieser blöde Klepper auch noch, den steilen Teil des Weges zu gehen. Leise fluchend stieg Anyiu ab, wobei sie unsanft auf ihrem Hintern landete. Schliesslich stapfte sie den hineingeschlagenen Pfad in der senkrechten Wand allein hoch, während sie ständig auf diesen Betrüger Sargo schimpfte, der ihr ein so schlechtes Pferd verkauft hatte. Sorgen, dass das Tier weglaufen könnte, hatte sie gar nicht, bei diesem faulen Ding war jeder nicht erzwungene Schritt eine riesige Überraschung.
Endlich hatte Anyiu die Felswand hinter sich und sie lief erleichtert über das Plateau. Es war ihr schon etwas mulmig geworden, links den Abgrund zu sehen. Nach einiger Zeit erreichte die rothaarige Frau einen Fluss. Das bedeutete doch, dass sie es fast geschafft hatte. Sie spritzte sich Wasser ins heisse Gesicht und sah sich dann um.
Links floss das Wasser aus einer Höhle, die ihr zu dunkel war, um sich hineinzutrauen. Auf der anderen Seite des Flusses befand sich ein Wasserfall und links davon ein Felsvorsprung, den man vom Wasser aus durchaus erreichen konnte. Nun, heiss genug war es hier ja, und Anyiu stieg ins Wasser. Die Strömung war mässig und Anyiu traute sich zu, gegen sie anzukommen, also begab sie sich ins tiefere Wasser.
Nach einiger Zeit endlich hatte Anyiu die andere Seite des Flusses erreicht. Die Strömung war in der Mitte des Flusses doch noch stärker gewesen als erwartet. Anyiu hielt sich am Felsvorsprung fest und zog sich hoch. Schliesslich sass sie tropfend und dennoch staubig auf dem Felsen und sah sich um. Nun erkannte sie neben dem Höhleneingang hinter einem recht grossen Stein etwas, das wie eine Treppenstufe aussah. Sie ging näher hin und zwängte sich hinter dem Stein durch. Und in der Tat fand sie dort eine Treppe, die durch Felsspalten in die Höhe führte. Entschlossen stieg Anyiu hoch.
Viertausend Stufen später blieb die rothaarige Frau staunend stehen. Eine Oase in der Felswüste sagte nicht einmal annähernd etwas über die Schönheit dieses grünen Paradieses aus. Jedoch ein dunkelhäutiger Wachsoldat baute sich vor Anyiu auf und sah sie von oben herab an.
"Wer seid Ihr, Fremde?" fragte er. Anyiu lächelte und verneigte sich.
"Oh, verzeiht, ich habe vergessen mich vorzustellen, ich bin etwas vergesslich! Mein Name ist Anyiu!" sagte sie: "Ich möchte mit dem König sprechen!" Eine verschnörkelte Verzierung auf dem Brustpanzer des Soldaten stellte ihn als Airis vor.
"Ihr benötigt offizielle Papiere oder habt Ihr das vergessen?" lachte Airis: "Verschwindet!" Anyiu runzelte verblüfft ihre Stirn. Wie konnte er nur derart unhöflich sein?
"Ich möchte darauf hinweisen, dass Ihr nicht das Recht habt, mich so herablassend zu behandeln, Airis!" stellte sie fest: "Es tut mir leid, ich besitze keine offizielle Papiere! Dennoch muss ich dringend mit dem König sprechen, es ist wirklich sehr wichtig!" Der Wachsoldat schüttelte den Kopf.
"Keine Papiere, kein König, verschwindet!"
"Oh, es tut mir leid, aber ich muss darauf bestehen!" sagte Anyiu und legte ihre Hände aufeinander.
Airis riss erstaunt seine Augen auf. Er kannte Legenden darüber.
Und nun sah er selbst eine der neun Weisen, die Weise des Lebens. Er verneigte sich tief.
"Es tut mir leid, Weise!" flüsterte er: "Ich geleite Euch in den Palast!" Die golden leuchtende Kugel folgte ihm über die morsche Holzbrücke, an der neuen Brücke daneben wurde noch gebaut, und durch das riesige Tor des Palasthofes. All jene, die die Weise erblickten, sie waren ebenso dunkel wie Airis oder gar noch dunkler, verneigten sich oder fielen gar auf die Knie. Airis betrat das Schloss und durchquerte die Eingangshalle, bis er in den Thronsaal gelangte. Die Weise folgte ihm.
Der König, gerade in ein Gespräch mit einem Leibwächter vertieft, blickte auf und kniete sogleich nieder. Der Leibwächter tat es ihm gleich
"Willkommen in meinem Reich!" sagte er: "Was immer ich für Euch tun kann, werde ich tun!" Um die golden leuchtende Kugel erschien schemenhaft eine rothaarige, helle Frau mit spitzen Ohren. Sie wurde greifbar, während das Leuchten verblasste und schliesslich verschwand.
Anyiu lächelte und verneigte sich leicht.
"Mein Name ist Anyiu und ... bitte steht auf ... ich bin auf der Suche nach den letzten Weisen, die noch nichts von ihrem Wesen wissen!" sagte sie: "Noch fehlen die Weisen des Feuers und der Zeit! Ich hatte gehofft, hier in Ikana den Weisen des Feuers zu finden!"
"Einer von uns soll ein Weiser sein?" fragte der König erstaunt: "Das ist eine grosse Ehre für uns alle!" Anyiu trat näher zum Thron, vor dem der König trotz ihrer Aufforderung immer noch kniete.
"Wo könnte ich den Weisen finden?" fragte sie: "Verhält sich irgendjemand ... anders, besonders?" Unterdessen versuchte sie das seltsam vertraute Gefühl einzuordnen. Woher kam es?
Nun endlich erhob sich der König, und mit ihm auch der Leibwächter, und sah die Weise verlegen an.
"Verzeiht, Anyiu, ich habe versäumt mich vorzustellen!" seufzte er. Anyiu lächelte erleichtert.
"Dann passiert das also nicht nur mir!" rief sie.
"Verehrte Weise des Lebens, ich bin König Igos von Ikana, Herr über das Feuer der Felsen!" sagte der König: "Ich hoffe, Ihr habt Erfolg bei Eurer Suche!" Nun das erste Mal, sah er Anyiu direkt an, ohne die Lider zu senken. Anyiu blickte in die feurigen, dunklen Augen und mit einem Mal wusste sie, was ihr Gefühl bedeutete.
"König Igos, ich habe etwas für Euch!" sagte sie und drehte ihre Handfläche nach oben. Igos blickte erwartungsvoll in die leere Hand und taumelte zurück, als die feuerrote Münze erschien. "Ihr seid der Weise des Feuers!" stellte Anyiu fest. Und sie sah den Leibwächter und den Wachsoldat auf die Knie sinken, während der König das Amulett des Feuers an sich nahm.
"Anyiu, was erwartet mich?" fragte Igos. Anyiu schüttelte den Kopf.
"Ich weiss es nicht!" sagte sie: "Aber über dem Land Hyrule liegt ein Schatten, dort werden wir gebraucht!"
Igos stimmte Anyiu zu, dass sie nach Hyrule reisen mussten, befahl Airis, ihn und die rothaarige Frau zu begleiten und ernannte den obersten Minister Alyan zu seinem Stellvertreter.
Airis, Anyiu und Igos marschierten aus dem Palasthof ins Freie. Einige Bewohner, alle so dunkel wie Airis und der König, standen herum und sahen den Herrscher an. Zweifellos sahen sie ihn nicht besonders oft. Airis marschierte als erster über die morsche Brücke, doch unter Igos und Anyiu brach das Holz und die beiden Weisen stürzten ins Wasser.
Die Strömung war stark und keiner der beiden schaffte es, das Ufer zu erreichen. Die Klippe, und mit ihr der Wasserfall, kam bedrohlich näher. Anyiu bemerkte einen jungen Mann, der direkt an der Klippe am Wasser stand, neben ihm befand sich ein Pflock, an dem ein Seil befestigt war.
Igos unterdessen kämpfte heldenhaft dagegen, unterzugehen, seine Rüstung war sehr schwer. Schliesslich erkannte Anyiu ein Netz direkt im Wasserfall, das wohl verhindern sollte, dass jemand hinabstürzte. Die beiden Weisen krallten sich im Netz fest und zogen sich dem Ufer entgegen, doch plötzlich schnappte Igos nach Luft.
"Kiros!" knurrte er.
Der junge Mann am Ufer grinste böse, zog sein Schwert und durchschlug das Befestigungsseil des Netzes. Und Anyiu und Igos stürzten. Glücklicherweise existierte noch ein weiteres Befestigungsseil auf der anderen Seite, doch Anyiu fürchtete, dass auch dieses durchgeschlagen würde.
Am Netz hängend, direkt im Wasserfall, tastete Igos die Felswand nach griffigen Stellen ab, doch alles war glitschig und nass.
"König Igos, Ihr seid der Weise des Feuers, Ihr könnt Euch verwandeln, dann werdet Ihr nicht fallen!" sagte Anyiu: "Ich kümmere mich jetzt um diesen Flegel!" Sie verwandelte sich in die golden leuchtende Kugel und schwebte hoch. Ihr Verdacht bestätigte sich, der junge Mann hatte bereits Airis niedergeschlagen und sich über die neue Brücke auf das andere Ufer begeben, nun kam er auf das zweite Befestigungsseil zu. Anyiu nahm ihre körperliche Gestalt an.
"Junger Mann, habt Ihr es gewagt, eine Weise herauszufordern?" rief sie.
"Es tut mir leid!" bemerkte der junge Mann spöttisch: "Ihr wart nur zufällig dabei, aber ich musste doch meine Chance ergreifen!" Er schwang sein Schwert etwas hin und her. "In wenigen Augenblicken bin ich König Kiros!" lachte er: "Erben ist doch etwas Schönes!" Er kam näher und holte aus, um Anyiu zu treffen, doch die Weise verlor für einen kurzen Moment ihre körperliche Gestalt, so fuhr das Schwert einfach durch Luft.
Danach streckte sie ihre Hände aus und packte Kiros am Stoff seiner Ärmel, vier Schritte zog sie ihn rückwärts, dann stürzten sie beide. Kiros hielt sich am Netz fest, Anyiu jedoch verfehlte den Halt.
"Anyiu!" schrie Igos und sah vorsichtig nach unten. Die Weise hatte sich in eine goldene Kugel verwandelt und der verhasste Thronerbe Kiros hielt sich am Netz fest, allerdings hatte er sein Schwert beim Sturz verloren. Diese Verwandlung, wie Anyiu sie nun schon einige Male vor Igos' Augen durchgeführt hatte, er konnte das auch?
Igos konzentrierte sich und stellte sich vor, zu schweben, Licht zu sein. Und es gelang ihm. Schnell schwebte er als rot leuchtende Kugel hoch über die Klippe und sank in seiner körperlichen Gestalt erschöpft zu Boden. Anyiu war sofort bei ihm.
"Grossartig!" rief sie erfreut: "Ihr lernt schnell!" Igos stemmte sich hoch und trat zur Klippe, wütend blickte er auf den immer noch im Netz hängenden Kiros.
"Vater, hilf mir hoch! Es tut mir leid!" schrie Kiros: "Vater, ich bitte dich!"
"Kiros, verlogener Sohn, du wolltest mich töten!" rief Igos: "Ich weiss, du wirst es wieder versuchen!"
"Ich werde es nicht wieder versuchen, Vater!" schrie Kiros: "Ich verspreche es!"
"Bitte die Weise des Lebens um dein Leben!" rief Igos: "Ich bin der Weise des Feuers!"
"Ihm das Leben zu nehmen, dazu haben wir nicht das Recht!" sagte Anyiu: "Bestraft ihn auf andere Weise!"
"Die Weise des Lebens rettete dir das Leben!" rief er: "Ich aber verstosse dich aus dem Königreich Ikana! Verlass Ikana und kehre nie zurück!" Er drehte sich um und ging zu den Brückenarbeitern, die noch immer erschrocken und unbeweglich dastanden. "Zieht ihn hoch!" befahl er: "Befestigt dann das Netz neu!"
Rauru liess seinen Finger über die riesige Landkarte gleiten und tippte dann nachdenklich auf die Hauptstadt Avelarú von Thevalar. Dort befanden sich die drei Statuen der Zeitwächter, dort hoffte er den Weisen der Zeit zu finden. Jedoch war der Herrscher des Königreiches Thevalar mit Sicherheit wenig geneigt, den Weisen des Lichts zu unterstützen, Akzád war einzig auf seine eigene Macht bedacht, und dabei waren ihm die Weisen ebenso im Weg wie Boten der Nachbarländer, die der Bevölkerung mitteilten, dass nicht überall die Hungersnot herrschte.
Aber trotzdem, es musste sein. Rauru stand auf und konzentrierte sich. Er hoffte, dass seine mangelnde Übung ihm keine Probleme brachte, und teleportierte sich auf die thevalarnische Tundra, nur einen kurzen Fussmarsch von Avelarú entfernt.
Nur wenig später, knapp vor Sonnenuntergang, stand Rauru vor einem Stadttor und zwei Wachsoldaten kreuzten ihre Lanzen vor ihm.
"Was sucht Ihr hier, Mönch?" fragte der ältere der beiden.
"Ich wünsche, den Zeitwächtern zu huldigen!" sagte Rauru leise und mit gesenktem Kopf, die Soldaten liessen ihn vorbei. In der Stadt bewegte sich Rauru zielstrebig durch die Strassen und Gassen, bis er schliesslich auf dem riesigen Platz ankam, in dessen Mitte die Statuen einen Brunnen zu bewachen schienen.
Jedoch war Rauru erschüttert darüber, dass ein hoher Zaun die Statuen einschloss. Am einzigen Tor standen Soldaten, die nur gegen Bezahlung einliessen. Der Weise marschierte ganz nach vorne zu den Soldaten und stemmte die Fäuste in die Hüften.
"Weshalb steht ihr hier und nehmt den Leuten das letzte bisschen?" fragte er verärgert. Einer der Soldaten grinste schief.
"Du hast es noch nicht gehört, Mönch?" fragte er: "Man hat uns den Krieg erklärt! Der König braucht Geld um aufzurüsten!" Wer sollte Thevalar den Krieg erklärt haben?
"Wer sind unsere Feinde?" fragte Rauru.
"Hyrule und Amythian!" sagte der Soldat: "Diese elenden ..." Er schüttelte sich. Rauru seufzte. Er wusste, dass weder Hyrule noch Amythian Thevalar den Krieg erklärt hatten. Mit gesenktem Kopf schlurfte er dem Zaun entlang. Eine schwarzhaarige Frau in einem dunkelblauen Kleid kam vom Brunnen in der Mitte zum Zaun und begrüsste ihn.
"Ich grüsse Euch, Diener der Sonne!" sagte sie: "Seid froh, dass diese Soldaten nicht sehr gebildet sind, ansonsten hätten sie Euch an Eurer Kutte sofort als Hylianer erkannt!"
"Ich bin Amythianer, ich lebe nur in Hyrule!" korrigierte Rauru: "Mein Name ist Rauru! Aber weshalb fürchtet Ihr mich nicht?"
"Ich bin Kirá, die Priesterin der ewigen Zeit!" stellte die Frau sich vor: "Ich kann die Vergangenheit dieses Ortes sehen und hören, als hätte ich schon immer mit den Augen der Wächter gesehen und ihren Ohren gehört! Hier weiht der König die Waffen für den Krieg, der nicht existiert! Hier reisst er mit seiner Tochter Witze über das dumme Volk, das hinter dem Zaun ihre leisen Worte nicht hören kann! Hier sind die scharfen Augen und Ohren der Wächter!"
Rauru nickte verstehend.
"Kirá, ich bin der Weise des Lichts!" sagte er dann: "Vor kurzem erst wussten nur zwei Weise über ihr Wesen Bescheid! Inzwischen aber fehlt nur mehr der Weise der Zeit!" Er öffnete seine Hand und zeigte sie Kirá. Und darin erschien eine silberne Münze.
"Ich verstehe, Weiser des Lichts!" sagte Kirá: "Jedoch ist mir nicht erlaubt, die Stadt zu verlassen!"
"Aus welchem Grund?" fragte Rauru.
"Ich bin die letzte Priesterin der ewigen Zeit, die noch nicht die Wut des Königs auf sich gelenkt hat!" erklärte Kirá: "Nur mehr ich bin hier und wann immer der König irgendetwas weihen will, muss ich den Sandkreis ausstreuen!" Sie grinste. "Ich streue aber immer Asche mit aus!" sagte sie: "Die Weihen sind also nutzlos, sie machen die Waffen nicht stärker!" Rauru lächelte, er kannte die Weiherituale.
"Ihr müsst die Stadt aber verlassen!" stellte er fest: "Es gibt neun Weise und sie müssen beisammen sein, um ihre Macht voll nutzen zu können!"
"Dann werde ich eben den Befehl des Königs missachten!" sagte Kirá grinsend: "Früher haben hier Weise ihre Fähigkeiten genutzt, ich weiss also, wie es geht! Theoretisch!" Sie schloss ihre Augen und runzelte konzentriert die Stirn. Rauru verwandelte sich in eine gelb leuchtende Kugel und flog dem Himmel entgegen, Kirá, silbern leuchtend, folgte ihm.
Ausserhalb der Stadt landeten die Weisen wieder und Kirá sank nieder.
"Wie gesagt, theoretisch!" sagte sie müde: "Aber wir sind aus der Stadt gelangt!" Rauru hob die Priesterin auf seine Arme und suchte einen Unterschlupf.
Ganon hörte ein Geräusch und sass sofort senkrecht im Bett. Auf dem Boden sass im Schneidersitz eine Person in grellgelber Leinenkleidung, barfuss und mit schulterlangen, schneeweissen Haaren.
Ganon runzelte die Stirn und unterdrückte den Impuls, magisches Licht zu entzünden. Schliesslich erkannte er die eindeutig weiblichen Attribute der Person und später auch die Schattenmale unter den Augen.
"Impa, was wollt Ihr hier?" fragte er mürrisch.
"Ihr habt mich betrachtet, jetzt betrachte ich Euch!" sagte Impa. Ganon zog die Decke bis zum Kinn.
"Ich wünsche Euch eine gute Nacht!" knurrte er: "Spannerin!" Er wälzte sich auf die andere Seite und schloss die Augen.
"Nun, Yoran, Ihr kennt doch den König der Gerudos, oder?" fragte Impa: "Meint Ihr, dass Ihr verstehen könnt, was er will?" Ganon seufzte.
"Jeder Gerudo kennt den König!" brummte er: "Vom Sehen her! Ich habe noch nie mit ihm gesprochen!"
"Das ist schade!" murmelte Impa: "Ich wünsche eine gute Nacht!" Ganon hörte ihren Schlafanzug rascheln und die Türe ins Schloss fallen, dann kuschelte er sich in sein Kissen und schlief bald wieder ein.
Impa huschte durch den breiten Korridor und in ihr eigenes Schlafzimmer. Sie fand es äusserst praktisch, einen magischen Generalschlüssel zu besitzen.
Die Weise des Schattens schüttelte ihre Bettdecke aus, worauf ein dunkelblau leuchtendes Etwas schimpfend durch die Luft flog.
"Tael, sucht doch bitte einen anderen Platz zum schlafen!" sagte Impa: "Wie wäre es mit einem Puppenbett?" Sie öffnete eine Schranktüre und stellte das kleine Bettchen auf ihren Nachttisch!"
"Na gut!" brummte Tael und legte sich nieder: "Habt Ihr etwas herausgefunden?"
"Er ist erstaunlich beherrscht!" stellte Impa fest: "Er erwachte, als ich seine Kleidung durchsuchte!"
"Hat er es bemerkt?" fragte Tael erschrocken.
"Nein, hat er nicht!" sagte Impa: "Aber er titulierte mich als Spannerin!" Tael lachte hell auf. "Nun ja, er trug ja wirklich nichts!" murmelte Impa: "Er hat sich übrigens seit dem Arztbesuch die Brusthaare rasiert!"
"Ach, sehen Frauen neuerdings auf die Brust von Männern?" fragte Tael erstaunt: "Meine Schwester guckt immer etwas tiefer!"
"Gut bestückt!" sagte Impa.
"Also doch Spannerin!" stellte Tael fest und kicherte leise.
"Ach bitte, Tael!" grinste Impa: "Ist es nicht das Recht der Frauen, die Männer zu vergleichen?"
"Das Recht ... ich weiss nicht! Das Wesen der Frauen ist es aber jedenfalls!" sagte Tael: "Aber jetzt weiss ich genau, wieso die Shiekah das Schattenvolk genannt werden!" Impa hob verblüfft eine Braue.
"Und wieso?"
"Sie sehen im Dunkeln mehr!" stellte Tael fest.
Anyiu zog das faule Pferd hinter sich her und fluchte. Sargo, dieser Betrüger, sie würde ihn für diesen Verkauf zur Rede stellen. Die rote Stute des Königs von Ikana zeigte keinerlei Müdigkeit und auch das schwarze Tier des Soldaten Airis hielt wacker durch. Jedoch waren die beiden Ikaner abgestiegen und Airis versuchte den Klepper mit einer stark duftenden gelben Frucht zum weitergehen zu locken.
Dabei war das Stadttor schon in Sichtweite.
"Heho!" rief der Stadtwächter vom Tor: "Wer da?" Anyiu zog stärker an den Zügeln, jedoch mit wenig Erfolg, schliesslich stiess sie einen Fluch aus und lief alleine zum Stadtwächter. Sie erkannte ihn, er hiess Aaron.
"Anyiu? Was macht Ihr denn so spät noch ausserhalb der Stadt?" fragte Aaron erstaunt, er deutete auf den hoch am Himmel stehenden Mond.
"Ich war auf der Suche!" sagte Anyiu: "Das sind König Igos von Ikana und der ikanische Wachsoldat Airis!" Aaron riss seine Augen weit auf.
"Seit wann habt Ihr denn so hohe Bekannte?" rief er verblüfft: "Anyiu, das ergibt ja einen Staatsbesuch! Ich muss den Bürgermeister informieren!" Anyiu seufzte.
"Wenn es sich nicht vermeiden lässt, bitte!" sagte sie: "Aber wartet erst, bis die beiden meinen faulen Klepper hergelockt haben!"
"Wie, Ihr ...?" murmelte Aaron.
"Sargo hat mir dieses Ungetüm verkauft!" seufzte Anyiu: "Und er wird die Rechnung dafür bekommen!"
Nach einiger Zeit schliesslich waren die beiden Ikaner mit den drei Pferden angekommen und Aaron stellte sich gerade hin.
"Willkommen in der Hauptstadt von Termina!" sagte er: "Dies ist der Sitz der Regierung, genannt Unruh-Stadt! Bitte tretet durch das Stadttor!" Nun bewegte sich Anyius klappriger Gaul erstaunlicherweise wieder aus eigenem Antrieb. Er zog nach links, genau auf Sargos Haus zu.
"Lasst das Pferd gehen, Anyiu!" sagte Aaron: "Ich werde dafür sorgen, dass Sargo Euch entschädigt!" Er blickte zu den beiden Ikanern. "Die Stadtstallungen befinden sich hinter der Milchbar!" erklärte er: "Anyiu, das Passwort lautet Nadelfels!" Anyiu bedankte sich und ging voraus. Airis und Igos folgten ihr und zogen ihre Pferde mit.
Schliesslich stand die Terminesin vor dem Wachsoldaten der Stallungen und verneigte sich leicht.
"Ich grüsse Euch!" sagte sie: "Das Passwort lautet ... es lautet ..." Sie seufzte. "Oh, tut mir leid, ich fürchte, ich habe das Passwort vergessen!" Der Wachsoldat seufzte ebenfalls.
"Anyiu, ich bedaure, aber so sehr ich auch weiss, dass Ihr der Stadt niemals auch nur irgendwie schaden würdet, ich kann kein Auge zudrücken! Das ist gegen das Gesetz!" murmelte er kopfschüttelnd.
"Nadelfels!" mischte sich Igos ein: "Das Passwort ist Nadelfels!"
"Sehr gut, na dann herein mit den edlen Tieren!" sagte der Wachsoldat und öffnete die Türe hinter sich.
Wenig später waren die Pferde versorgt und Anyiu führte die Ikaner in ihren Gasthof. Die Terminesin beugte sich über den Rezeptionstisch und griff nach dem Zimmerbuch.
"Oh, sehr gut, es sind noch Zimmer frei!" murmelte sie erleichtert: "In meiner Abwesenheit führt meine Mutter den Gasthof, ich fürchtete, sie hätte die Zimmer alle vermietet!" Sie lächelte höflich. "Bitte folgt mir!"
Saria schlurfte vor dem Fenster hin und her und beobachtete, wie der Mond unterging. Sie spürte die Macht erwachen.
Alle Weisen hatten ihre Amulette erhalten.
Vorsichtig spürte Saria zu den anderen Weisen hin, Erschöpfung, die Weisen schliefen. Nein, nicht alle Weisen schliefen, einer war wach, wie Saria. Es war der Weise der Geister Thaki.
~Ihr seid früh auf, Thaki!~ liess Saria ihn wissen. Thaki lachte gedanklich.
~Die Schneeschmelze!~ sagte er: ~Unser Zeltlager wurde überschwemmt!~ Saria übermittelte Bedauern. ~Nein, Saria, das Lager wurde in kurzer Zeit versetzt!~ erklärte Thaki: ~Ich bin bereits wieder im Bett!~
~Ich entschuldige mich für die Störung!~ murmelte Saria gedanklich: ~Gute Nacht!~
Die Tochter des Waldes blieb nun vor dem Fenster stehen und blickte hinaus. Nach und nach wurde es heller. Im Osten ging die Sonne auf, leider blickte Saria nach Westen.
Schliesslich spürte sie Impa erwachen und wünschte ihr einen schönen Morgen.
~Spürt Ihr es, Impa? Alle Weisen haben ihre Bestimmung erkannt!~ teilte sie ihr mit: ~Ich bin sicher, dass die Weisen des Lichts, des Feuers, des Lebens, der Zeit und des Windes bald mit uns zusammentreffen werden!~ Impa wirkte auf eine seltsame Art und Weise reserviert, als sie nur kühl zustimmte. Irgendetwas schien sie zu verbergen.
Anyiu trug das schwere Tablett mit den Frühstücksbrötchen, der Milch und der Marmelade in den Speisesaal, wo die Kellnerin geduckt vor Anyius Mutter stand und eine Schimpftirade über sich ergehen liess, vor allen Gästen. Durch das nördliche Fenster sah die Weise des Lebens Hauptmann Viscen in prächtiger Gardeuniform vom Haus des Bürgermeisters kommen. Also hatte Aaron doch gemeldet, dass hoher Besuch anwesend war.
Anyiu stellte das Tablett zwischen Igos und Airis ab und stellte sich dann zu ihrer Mutter und der Kellnerin. "Mutter, es genügt!" sagte sie: "Lena, kümmert Euch doch bitte um Eier und Speck!" Lena, die Kellnerin, nickte dankbar und verschwand den Gang entlang und dann rechts in der Kücke. Anyiu fragte alle Gäste nach ihren Wünschen und notierte sich die Bestellungen auf einem Block. Schliesslich kam Viscen herein und begrüsste die Weise höflich.
"Aaron sagte mir, dass Ihr hohen Besuch habt!" sagte er leise: "Bürgermeister Dotour wünscht König Igos von Ikana in seinem Büro zu empfangen!"
"Nach dem Frühstück!" sagte Anyiu bestimmt: "Und auch nur, wenn der König das überhaupt will!" Sie ging zu den beiden Ikanern und informierte sie leise. Igos war einverstanden, den Bürgermeister kennenzulernen.
Rauru streckte den Kopf vorsichtig aus der von Gebüsch überwachsen Mulde und seufzte. Kirá runzelte die Stirn und betrachtete die vorbeimarschierenden Soldaten.
"Das sind hylianische Rüstungen!" murmelte sie.
"Das sind alte hylianische Rüstungen!" korrigierte Rauru: "In Hyrule trägt die keiner mehr!"
"So wird also der Krieg vorgetäuscht!" stellte Kirá fest: "Akzád hetzt verschiedene Heere seines eigenen Landes aufeinander! Es wird ein Gemetzel geben! Können wir irgendetwas tun?"
"Ich fürchte, wir würden uns nur selbst in Lebensgefahr bringen und dennoch keinen Erfolg haben!" bemerkte Rauru: "Es tut mir leid, Kirá!"
"Jetzt kommen die Reitertruppen!" murmelte Kirá: "Wir könnten zumindest etwas Chaos stiften!"
"Wie?" fragte Rauru.
"Ich habe durch die Augen der Wächter gesehen, was die Weisen tun können!" sagte Kirá: "Und wir können viel tun!" Sie schloss die Augen und konzentrierte sich. Die Fusstruppen blieben in der Zeit eingefroren stehen und die Reitertruppen wichen erschrocken aus. Kirá wischte sich den Schweiss von der Stirn.
"Ich bin beeindruckt!" stellte Rauru fest: "Habt Ihr auch gesehen, was der Weise des Lichts tun kann?"
"Licht!" murmelte Kirá: "Macht es hell!"
Rauru schloss die Augen und runzelte die Stirn. So fest er konnte, wünschte er sich Licht herbei. Und als er die Augen wieder öffnete, sah es nicht mehr nach Morgendämmerung aus, sondern nach Mittag.
Link wälzte sich herzhaft gähnend aus dem Bett und rieb sich die Augen.
"Darf ich nicht noch ein bisschen?" fragte er müde.
"Nein!" fauchte Saria und wischte ihm mit einem patschnassen Handtuch über das Gesicht.
"Bah, Saria, hör auf!" jammerte Link und sprang auf die andere Seite des Zimmers in Sicherheit.
"Sehr gut, du bist also wach!" stellte Saria fest: "Impa war hier und hat uns zum Frühstück im Gasthof zum Silberdrachen eingeladen! Und wir sollten uns beeilen, es hat schon lange genug gedauert, dich Schlafmütze wachzukriegen!" Link stapfte zurück zum Bett, sammelte die Bestandteile seiner Tunika vom Boden auf und zog sich an. Danach schnallte er sich noch die Waffen um und setzte sich die Mütze auf den Kopf.
"So, ich bin fertig!" sagte er. Die Kinder des Waldes verliessen das Zimmer und gingen den Korridor entlang. Ausserhalb des Schlosses trafen sie schliesslich auf Impa, Ganon, Kiyan, Kaalos und Darunia.
"Bitte folgt mir!" bat Impa und ging voraus in die Stadt. Schliesslich betrat sie neben der Zitadelle der Zeit den Gasthof und führte die Gruppe an einen Tisch in einer Ecke. Alles, was man für ein Frühstück brauchte, stand schon bereit und Link machte sich sofort über die Marmeladehörnchen her. Ganon bestrich eine Scheibe Brot dick mit Schmalz und sah sich um.
"Ich hörte nachts ein Geräusch, als ob jemand am Zimmer vorbeiginge!" sagte er: "Hat das noch jemand gehört?"
"Nein Yoran, ich habe geschlafen wie ein Murmeltier!" antwortete Impa, während sie Zucker in ihren Tee rührte.
"Ich habe auch nichts gehört!" sagte Darunia: "Vielleicht war es ja jemand von der Dienerschaft?"
"Wegen Dienerschaft!" murmelte Impa: "Ich habe erfahren, dass es vorgestern einige unerklärliche Ohnmachtsanfälle gegeben hat! Ist jemandem von euch so etwas passiert?" Kopfschütteln. "Naja, der Arzt wird die Ursache schon irgendwann finden!"
Kirá starrte auf den Anführer der Reitertruppen und seufzte.
"Wir zögern den Kampf nur hinaus!" murmelte sie: "Sobald ich die Zeit der Fusstruppen fliessen lasse, werden unzählige sterben! Aber ich kann sie nicht mehr lange aufhalten!"
"Kirá, wir können nichts tun!" sagte Rauru: "Gehen wir!" Kirá senkte den Kopf, er hatte recht.
Als eine gelb leuchtende Kugel und eine silbern leuchtende Kugel davonflogen, wurde es wieder dunkel und die Fusstruppen marschierten weiter.
Über Wiesen und Wälder flogen Kirá und Rauru, bis Rauru plötzlich den Wolken entgegen flog. Kirá folgte ihm, während sie ihre letzte Kraft sammelte, um nicht zu stürzen. Schliesslich fanden sich die beiden in der Halle der Weisen wieder, Kirá lag erschöpft am Boden und atmete flach. Rauru überprüfte nur kurz, ob sie wieder auf die Beine kommen würde, und wandte sich dann dem Bücherregal zu.
"Rauru, was mache ich falsch?" fragte Kirá leise. Rauru zog ein Buch aus dem Regal und seufzte.
"Vielleicht macht ihr ja den Fehler, den auch ich zu Anfang machte!" sagte er: "Braucht nicht Eure eigene Kraft auf, nutzt die Kraft der Umgebung!" Kirá schloss ihre Augen.
"Ich glaube, das war mein Fehler!" seufzte sie: "Was lest Ihr?"
"Dies ist ein Buch über die Fähigkeiten der Weisen!" erklärte Rauru: "Darin steht, was alle gemeinsam tun können!"
"Und was können alle gemeinsam tun?" fragte Kirá.
"Gemeinsam können wir Tore in die anderen Dimensionen öffnen!" sagte Rauru: "In das Heilige Reich und in das Reich der Toten, in das Reich der Geister ebenso wie in die Reiche der grossen Feen und der Dämonen! Eden, das Reich der Aspekte und die Hölle sind uns ebenfalls zugänglich, aber da standen noch einige Verweise auf Kapitel, die ich noch nicht gelesen habe!"
"Neun Dimensionen!" murmelte Kirá: "Wir sind im Reich der Lebenden!"
Kaalos verspeiste nun schon den dritten rohen Fisch und Darunia knabberte an einem faustgrossen, dunkelgrauen Stein. Link wunderte sich, dass dem Goronen die Zähne nicht ausfielen ob dieser gewaltigen Beanspruchung.
Impa nippte an ihrem Tee und liess ihren Blick schweifen. Ganon hatte sich perfekt unter Kontrolle, ausserdem war Impa bei dem Gedanken, es wieder mit seinem wahren Ich zu tun zu haben, mulmig zumute. Sie würde ihm vorerst keine Veranlassung geben, nicht mehr Yoran zu sein.
Kiyan, grinsend wie immer, ass noch immer am ersten Marmeladehörnchen. Impa lächelte ihn an.
"Habt Ihr keinen Hunger?" fragte sie. Kiyan grinste etwas breiter.
"Nicht sehr!" sagte er: "Kaalos hingegen scheint umso hungriger zu sein, da er kein einziges Wort mehr spricht!" Impa stellte verblüfft fest, dass der Maskenhändler recht hatte. Der Zora, den sie bisher noch niemals schweigend erlebt hatte, sagte tatsächlich nichts. Einen Augenblick hielt Kaalos inne, blickte zu Kiyan, und ass dann weiter.
Schliesslich waren alle mit ihrem Frühstück fertig und Impa erhob sich.
"Darunia, Kaalos, ich danke für Euer Kommen!" sagte sie höflich: "Ich hoffe, wir sehen uns bald unter erfreulicheren Umständen wieder!" Kaalos verneigte sich leicht. Bevor er etwas sagen konnte, klopfte ihm Darunia auf die Schulter, dass er fast mit der Nase in der Marmelade landete.
"Mein Freund möchte sich nur kurz verabschieden!" brummte der Gorone: "Und ich ebenfalls!" Er zeigte ein ehrliches Goronenlächeln und geleitete dann den Zora aus dem Gasthof.
Ganon lächelte so freundlich es ihm möglich war und neigte den Kopf.
"Ich werde mich nun auf den Weg machen!" sagte er: "Ich danke für Eure Gastfreundschaft!" Er spürte, wie seine Kontrolle bröckelte. Nur mehr so kurze Zeit musste er sich verbergen, er durfte nicht scheitern.
Er würde seine Kiora finden, er würde sie finden.
"Impa, wir, die Kinder des Waldes, danken Euch ebenfalls!" sagte Saria. Kiyan grinste zum Abschied.
Wenig später war Impa auf dem Weg zurück zum Schloss, Saria, Link und Kiyan folgten Darunia und Kaalos, die in der Ferne gerade noch zu sehen waren, aus der Stadt auf die Steppe, wo ein Mitglied der Palastwache mit Epona und dem schwarzen Tier des Gerudo wartete.
Ganon wandte sich zur Zitadelle der Zeit und betrat den Tempel. Nur ein einzelner Mönch war da, er rollte gerade einen frisch gereinigten roten Teppich aus. Ganon ging zu ihm und legte ihm die Hand auf die Stirn.
Fast feierlich nahm der König der Gerudos die Ocarina der Zeit aus seiner Tasche und setzte sie an die Lippen. Er wusste nicht, wie man auf diesem Instrument spielte, aber so schwer konnte es nicht sein, eine einfache Melodie wie die Hymne der Zeit erklingen zu lassen.
Zur selben Zeit drehten sich Kaalos, Saria und Impa ob der eisigen Kälte um und rannten, Link und Darunia folgten ihnen, Kiyan, sehr viel langsamer, ebenfalls.
Ganon bewegte seine Finger konzentriert über die Löcher der Flöte und spielte die Hymne der Zeit, vor ihm öffnete sich ein steinernes Tor, hinter ihm stürmten drei Weise, ein Hylianer und ein Gorone in den Tempel.
Ganon rannte durch das steinerne Tor auf den Teleporter dahinter, nur beiläufig bemerkte er den Zeitenfels mit dem darinsteckenden Zeitschwert. In wirbelndem, buntem Licht verschwand der Gerudo vor den Augen seiner Verfolger.
"Nein!" schrie Impa: "Nein!"
Rauru blickte auf und blinzelte. Der Schrei in seinen Gedanken, der Gerudo, der auf dem Teleporter in der Halle der Weisen stand.
Rauru sammelte seine Kraft und teleportierte sich an seinen Platz in der Halle, auch Kirá erschien.
"Wer seid Ihr?" fragte die Thevalarnerin. Ganon blickte zwischen den beiden hin und her. Sollte hier nicht das Triforce sein? Wieso sah es hier nicht so aus, wie in den Büchern der Hexe Tamayo beschrieben.
"Wo bin ich?" fragte Ganon verwirrt. Kirá und Rauru wechselten einen Blick.
"Ihr seid in der Halle der Weisen!" erklärte Rauru: "Ich bin Rauru, der Weise des Lichts!"
"Ich bin Kirá, die Weise der Zeit!" fügte Kirá hinzu. Ganon musterte sie genau.
"Ihr tragt die Kleidung einer thevalarnischen Priesterin!" bemerkte er.
"Das bin ich in der Tat auch!" bestätigte Kirá: "Oder vielmehr, ich war es, bis ich Avelarú verliess!" Avelarú, die thevalarnische Hauptstadt. Ganon nickte.
Er war in der Halle der Weisen. Das Triforce konnte nicht weit weg sein.
Rauru und Kirá wechselten einen weiteren Blick, beide spürten die Kälte. Schliesslich ergriff Rauru das Wort.
"Kehrt zurück, Fremder, dorthin, wo ihr herkamt!" sagte er und schloss seine Augen, er löste den Teleporter aus.
Ganon war drei Schritte auf den Weisen des Lichts zugegangen und zückte nun seinen Dolch. Hinter ihm tanzte das bunte Lichtspiel des Teleporters, ohne etwas zu bewirken. Rauru öffnete seine Augen und starrte Ganon verblüfft an. Einen Augenblick später stürzte er rücklings von der schwebenden Plattform, tot. Ganon hielt seinen blutigen Dolch umklammert, er fühlte sich gut, mächtig.
Als er sich zu Kirá umdrehte, sah er nur mehr eine verblassende silberne Lichtkugel. Keiner war mehr hier, der ihn stören konnte. Ganon sah sich um, versuchte zu erkennen, was sich auf den anderen schwebenden Plattformen befand.
Dort, dort war das Triforce!
Ganon beschwor ein Siegel, das ihn tragen würde, und begab sich über den Abgrund. Hier war es, das Triforce, greifbar. Er streckte seine Hand aus und schritt auf die drei golden schimmernden Dreiecke zu. Bald hätte er seine Kiora, bald ... bald ...
Hinter ihm erschien Kirá, in ihren Händen schwang sie einen Zweihänder.
Dieser Gerudo würde das Triforce nicht erreichen. Sie holte Schwung und stiess zu. Ganon blickte auf die aus seiner Brust ragende Schwertspitze und röchelte.
Kiora ... er musste sie finden. Schwach kämpfte er sich weiter. Nur mehr eine Handbreit, eine halbe Handbreit ...
Kirá drehte das Schwert in seinem Körper.
Ganon schrie vor Schmerz auf und ... berührte das Triforce.
Konnte er sich nun wünschen, Kiora zu finden?
Ganon sank auf die Knie und spuckte Blut. Er konnte nicht mehr atmen, ihm wurde kalt. Doch ein goldenes Funkeln in seinen Gedanken gab ihm mehr Kraft, als er sich je erträumt hatte. Er drehte sich und entriss der Weisen so das Schwert, er stiess Kirá hinab in den Abgrund.
Vorsichtig zog er mit der linken Hand den Zweihänder aus seinem Rücken und atmete tief durch. Er konnte wieder atmen. Er atmete, er lebte.
Er lebte und er hatte das Triforce berührt.
Mit aller Kraft wünschte er sich, Kiora zu finden.
Nichts.
Ganon rappelte sich auf und schloss die Augen. Was hatte es für einen Sinn, wenn das Triforce ihm diesen Wunsch nicht erfüllte? Aber das Triforce musste ihm doch den Wunsch erfüllen. Es musste. Ganon stemmte sich hoch und kam wieder auf die Füsse. Das Triforce hatte er berührt, doch auf seinem rechten Handrücken schimmerte nur ein Dreieck, er hatte nur einen Teil des Triforce erhalten.
Hier würde er die anderen Teile nicht mehr finden.
Aber jene zusätzliche Kraft war genug, um den vorhandenen Teleporter mit einem eigenen Ziel auszulösen. Einen Augenblick später befand Ganon sich im Gerudotal und wankte auf die Brückenwächterin Andoy zu.
"Der König!" schrie sie: "Der König ist verletzt!"
Kirá verwandelte sich in die silberne Lichkugel und stoppte ihren Fall. Sie begab sich zurück zu jener schwebenden Plattform, auf der sich zuvor das Triforce befunden hatte. Es war kaum ein Augenblick vergangen, doch der Gerudo war nicht mehr hier, ebensowenig das Triforce, jedoch der blutige Zweihänder lag auf dem blau melierten Boden.
Wie der Gerudo es geschafft hatte, dem Teleporter ein eigenes Ziel zu geben, wusste Kirá nicht, aber anders war sein Verschwinden nicht zu erklären. Die Weise schloss ihre Augen und teleportierte sich an ihren Platz. Sie versuchte den Weisen des Lichts an seinen Platz zu rufen, doch es gelang ihr nicht. Rauru war tot.
"Weisen!" flüsterte Kirá und sank nieder: "Wir haben ihn verloren!" Sie rief die verbliebenen Weisen an ihre Plätze. Impa, Kaalos, Saria, Tael, Anyiu, Igos und Thaki erschienen. Kirá hob ihren Blick und drängte die Tränen zurück.
"Er tötete Rauru und berührte das heilige Triforce!" sagte sie leise: "Er erlangte das Fragment der Kraft, ich konnte es spüren!" Impa schloss die Augen.
"Ich hätte ihn daran hindern müssen!" flüsterte sie: "Ich wusste bereits gestern, wer er ist!" Saria runzelte die Stirn.
"Hat er den Raum zerstört?" fragte sie.
"Tael war in meiner Rüstung verborgen!" erklärte Impa: "Er hat alles gesehen! Jener Gerudo, der sich uns als Yoran vorstellte, ist kein geringerer als Ganondorf, der König der Gerudos!"
"Ganondorf, ich verfluche Euch!" knirschte Kirá: "Ihr habt Rauru getötet! Ich verfluche Euch!"
Viscen starrte verblüfft auf die Stelle, an der Anyiu in goldenem und Igos in rotem Licht verschwunden waren. Wenig hinter ihm liess Lena einen Teller mit Schinken und Ei fallen.
Viscen trat zu Airis, der nur wenig gefasster schien.
"Wie ... ?" murmelte Viscen, Airis sah ihn an.
"Ich weiss es nicht!" sagte der Ikaner: "Aber vieles ist für die Weisen möglich!" Alle Gäste des Gasthofes starrten ihn mit weit offenen Augen an, ebenso Lena und Anyius Mutter. Einige Augenblicke war es ruhig.
"Anyiu ist eine Weise?" fragte Lena schliesslich, ohne sich um die Scherben am Boden zu kümmern. Airis bestätigte.
Viscen seufzte. "Ich werde Bürgermeister Dotour darüber unterrichten, dass er keinen Besuch erhalten wird!" stellte er schliesslich fest, schlug die Hacken zusammen und verliess den Gasthof. Noch einen Moment war es ruhig, dann fuhr Anyius Mutter Lena an, doch einmal etwas richtig zu machen.
Savore schob die beiden Wächterinnen zur Seite und trat in den Raum, in dem sich ihr Sohn und die Heilerin Jeruka befanden. Jeruka verneigte sich tief.
"Der rechte Lungenflügel ist durchbohrt, vier Rippen sind teils mehrfach gebrochen, Königsmutter!" meldete sie leise. Savore wusste damit nicht sonderlich viel anzufangen. "Er kann nur mit der halben Lunge atmen, Königsmutter!" erklärte Jeruka: "Ausserdem hat er sehr viel Blut verloren!" Savore nickte nur und trat näher an das Bett ihres Sohnes heran. "Die Blutung ist gestillt und die Rippen sind an ihren Platz gebracht!" sagte Jeruka: "Er wird überleben!" Savore musterte mit gerunzelter Stirn den hohlen Holzstab, der aus Ganons rechter Körperseite ragte. Jeruka folgte ihrem Blick.
"Wie lange?" fragte Savore: "Wann ist er wieder gesund?"
"Ich weiss wenig über Zauberei, aber auch ohne magische Hilfe würde er in drei Monaten genesen!" sagte Jeruka: "Bis dahin werde ich gut auf ihn achten!" Savore hielt den Blick weiter auf ihren Sohn gerichtet.
"Ich werde hier bleiben, bis Koume und Kotake berichten, was sie tun können!" murmelte sie und liess sich auf einem Hocker nieder. Sie ergriff Ganons Hand und seufzte. Sie hatte keine Ahnung, was geschehen war. Wer hatte ihn verletzt?
"Mutter!" Savore drückte Ganons Hand etwas fester.
"Du wirst genesen!" sagte sie: "Was ist geschehen?" Ganon drehte seinen Kopf zu ihr.
"Kiora ist wieder verschwunden!" flüsterte er: "Sie ist nicht mehr dort, wo ich sie fand!" Savore rückte näher zu ihm.
"Was ist geschehen?" fragte sie.
"Kiora hat eine Tochter geboren!" flüsterte Ganon: "Doch Malon kennt ihre Mutter nicht!" Savore atmete tief durch.
"Mein Sohn, du magst es nicht hören wollen, aber ... vielleicht ... ist Kiora tot!" sagte sie. Ganon schüttelte den Kopf.
"Sie lebt!" flüsterte er: "Ich bin mir sicher, dass sie lebt!"
Impa hielt ihren Blick auf den leeren Platz des Weisen des Lichts gerichtet und schluckte.
"Ich werde nach dem neuen Weisen des Lichts suchen!" sagte sie dann fest: "Ich werde meine Boten nach ihm ausschicken, und auch nach Kiora!" Tael flog eine Spirale über seinem Platz in der Halle der Weisen.
"Ist es klug, Kiora finden zu wollen?" fragte er: "Ich halte es für wahrscheinlich, dass der König der Gerudos ihr übelwill!"
"Dennoch ist Kiora unsere Spur zu seinen Plänen!" sagte Saria: "Doch wir sollten achtsam sein und Ganondorf keinen Hinweis auf unsere Suche geben!" Kaalos räusperte sich.
"Ich bitte darum, erst die edle Prinzessin Rutómora aus dem Leib des Schutzheiligen Jabu-Jabu zu befreien!" bemerkte er: "Und auch die Goronen benötigen Hilfe, Dodongos Höhle wieder zu öffnen!" Impa nickte.
"Ich werde einige Soldaten ausschicken, den Fels zu sprengen!" erklärte sie: "Doch ich weiss nicht, was ich für Prinzessin Rutómora tun kann! Ausserdem müssen wir auch die Maske wieder finden, die Kiyan entwendet wurde!" Sie seufzte. "Kiyan sagte, dass der Maske böse Mächte innewohnen!" Anyiu legte den Kopf schief.
"Stammt Kiyan ... aus Termina?" fragte sie. Impa nickte.
"Ursprünglich ja, woher wissen Sie das?" fragte sie zurück. Anyiu legte ihre Hände aufeinander und sah sich etwas unsicher um.
"In Termina haben Masken eine grosse Bedeutung, viele sind magisch!" erklärte sie: "Ich weiss von einigen sehr mächtigen Masken ... Majoras Maske etwa, oder das Gesicht der grimmigen Gottheit!" Sie atmete tief durch und fuhr dann fort. "Sollte es eine dieser Masken sein, so besteht grosse Gefahr!" sagte sie: "Das Gesicht der grimmigen Gottheit bietet Macht, das ist gefährlich genug ... doch in Majoras Maske wohnt auch eine tiefschwarze Seele, die die Gedanken des Trägers vergiftet und auch ein reines Herz zum Bösen wenden kann!"
Link sass im Schneidersitz auf dem Boden der Zitadelle, nicht weit entfernt lehnte Kiyan mit der rechten Schulter an der Steinwand. Langsam regte sich der schlafende Mönch und Link rutschte zu ihm. Der Mönch schlug die Augen auf und blickte auf den Jungen.
"Wer bist du, Junge?" fragte er.
"Ich bin Link! Geht es Euch gut?" murmelte Link. Der Mönch setzte sich auf und runzelte die Stirn.
"Wer war der Gerudo? Was hat er gewollt?" fragte er: "Was hat er getan? Was ist geschehen? Was hat er mit mir gemacht?" Link seufzte und deutete auf das offene Steintor. "Er hat den Zugang zum heiligen Reich geöffnet?" erschrak der Mönch. Link seufzte wieder.
"Wenn die anderen zurückkehren, werden sie uns sagen, was wirklich geschehen ist!" sagte er zuversichtlich.
Unterdessen hatten die Weisen im heiligen Reich die Geschehnisse ausführlich diskutiert. Kirá holte tief Luft.
"Ich werde mich um Prinzessin Rutómora kümmern!" stellte sie fest: "Sollte ich keine Möglichkeit finden, sie zu befreien, werde ich die Zeit um sie anhalten, so geschieht ihr nichts!" Sie stand auf und atmete tief durch. "Müssen wir noch mehr besprechen?" fragte sie dann. Impa dachte nach.
"Ich werde Kiyan bitten, die Maske zu skizzieren, dass wir besser nach ihr suchen können!" bemerkte sie: "Ansonsten weiss ich hier für uns nichts mehr zu tun!" Sie liess prüfend ihren Blick über die anderen Weisen schweifen und teleportierte sich dann zurück an den Ort, an dem sie zuvor gewesen war. Saria in Tael kehrten mit ihr in die Zitadelle der Zeit zurück. Anyiu und Igos fanden sich wieder im Gasthof zum Eintopf wieder, wo Anyius Mutter immer noch mit Lena schimpfte.
Thaki teleportierte sich in das Zeltdorf der Dekus, während Kirá und Kaalos in silbernem und blauem Licht vor dem König der Zoras erschienen.
Der Mönch, der immer noch auf dem Boden der Zitadelle sass, sprang auf und verneigte sich.
"Impa, Weise der Schatten!" hauchte er staunend. Impa verschränkte die Arme und blickte zu Link und Kiyan.
"Es ist Ganondorf, der König der Gerudos!" sagte sie: "Er hat das Triforce-Fragment der Kraft erlangt und den Weisen des Lichts Rauru getötet! Wir wissen nicht, wohin er geflohen ist, aber Kirá, die Weise der Zeit, hat ihn verletzt!"
Der Mönch, wahrlich nicht mehr der Jüngste, fiel in Ohnmacht. Link verhinderte knapp einen harten Aufprall auf den Steinfliesen.
"Bringen wir ihn ins Kloster!" schlug Impa vor und hievte sich den Mann in der braunen Kutte auf die Schulter. Unterdessen schnatterten vier Feen, nämlich Navi, Veli, Sanki und Tael, besorgt durcheinander.
"Wo ist Kaalos?" fragte Link, während alle gemeinsam die Zitadelle verliessen.
"Er ist in seine Heimat zurückgekehrt!" sagte Impa und wandte sich nach rechts: "Ich hoffe, dass es ihm und Anyiu gelingt, die Prinzessin der Zoras zu befreien!" Link runzelte die Stirn.
"Impa, fehlen noch Weisen?" fragte er dann. Impa seufzte und blieb stehen.
"Für kurze Zeit waren alle Weisen erweckt!" murmelte sie: "Doch dann ... Ganondorf tötete den Weisen des Lichts, Rauru!"
"Ihr sucht jetzt also nach dem neuen Weisen des Lichts!" stellte Link fest: "Also sind wir im Kloster des Ordens der Sonne ja genau richtig!" Impa nickte.
"Hier fand ich auch Rauru, damals ..." flüsterte sie: "Die Mönche hier sind ... seine Familie!" Sie trat die vier Stufen hoch und zog an der Klingelschnur. Nur wenige Augenblicke später wurde eine Klappe in der Türe geöffnet und zwei forschende Augen blickten heraus. Einen weiteren Augenblick später hatte der dazugehörige Mönch die Türe ganz geöffnet.
"Impa, Weise der Schatten!" grüsste er ehrfurchtsvoll. Impa zwängte sich an ihm vorbei und winkte Kiyan, Saria, Link und den Feen, ihr zu folgen.
Im Innenhof des Klosters angekommen, liess die Weise der Schatten ihren Blick über die arbeitenden Mönche schweifen. Einige jäteten Unkraut, andere klopften einen roten Teppich aus und wieder andere sassen um einen Tisch und flickten diverse Kleidungsstücke. Alle blickten auf und hielten in ihrer Arbeit inne, einer der jüngeren Mönche fuchtelte vor Staunen mit seinem Teppichklopfer herum und traf einen älteren Ordensbruder.
Impa liess den bewusstlosen Mönch auf eine Steinbank sinken und trat dann einige Schritte auf die anderen Mönche zu. Sie drehte sich einmal um sich selbst und ergriff dann das Wort.
"Verehrte Diener der Sonne, ich habe eine traurige Nachricht!" sagte sie: "Rauru, der Weise des Lichts, ist tot!" Die Mönche sahen sich betroffen an, manche raunten leise. "Aber vielleicht habe ich auch ein Geschenk für einen von Euch!" fuhr Impa fort und streckte ihre Hand aus. Die Mönche blickten erwartungsvoll, doch Impas Hand blieb leer.
"Keiner von ihnen ist der neue Weise des Lichts!" murmelte Saria. Link sah sie an.
"Er vielleicht!" sagte er und deutete auf den immer noch bewusstlosen Mönch auf dem Steinbänkchen. Saria ging die wenigen Schritte zum Bewusstlosen und hockte neben ihm nieder, vorsichtig schüttelte sie ihn wach. Nach einem Moment war Link ihr gefolgt und sah sie nun an.
Saria blickte in die Augen des Mönches und seufzte.
"Nein!" murmelte sie: "Ihr seid auch nicht der neue Weise des Lichts!" Saria verabschiedete sich höflich von den Mönchen und verliess dann mit den anderen das Kloster wieder.
Im Reich der Zoras angekommen riss Kaalos erstaunt seine Augen auf. Es war das erste Mal seit vielen Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten, dass Königin Pisca sich im Thronsaal befand.
Die Königin sass zusammengesunken neben dem König und schluchzte, aber sie hob den Blick auf Kaalos. Ihre Lippen formten Worte, aber sie brachte keinen Ton heraus.
"Kaalos? Du bist einer der Weisen?" fragte Hydor unterdessen: "Und wer seid Ihr?" Er sah zu Kirá, die sich höflich vorstellte.
"Was ist mit Ruto?" erkundigte sich Kaalos endlich, er war besorgt. Waren sie zu spät? War seine Nichte bereits tot? Hydor seufzte.
"Sie lebt noch!" sagte er: "Könnt ihr sie retten?" Anstatt eine Antwort zu geben, nahm Kaalos Kirá am Arm und zog sie den seitlichen Weg zum Königspaar hoch.
"Hydor, lass uns zum Lord!" bat er: "Nur dann können wir ihr helfen!" Hydor nickte und wälzte seinen massigen Körper beiseite. Die Weisen eilten durch das knietiefe Wasser zum Schutzheiligen. Als sie näherkamen, begann Jabu-Jabu zu toben, Kirá hielt kurzerhand die Zeit um ihn an.
"Was tun wir also?" fragte sie dann. Kaalos streckte seine Hand aus und berührte Jabu-Jabu am Maul.
"Wenn wir seinen Leib nicht aufschneiden wollen, müssen wir meiner Nichte einen anderen Weg in die Freiheit weisen!" überlegte er: "Sind wir denn nicht in der Lage, jeden Ort zu erreichen?"
"Ich weiss jedoch keinen Weg, mit ihr einen anderen Ort zu erreichen!" stellte Kirá fest: "Sie muss sich also aus eigener Kraft befreien!" Kaalos runzelte die Stirn.
"Was, wenn wir einen Teleporter erschaffen?" fragte er: "Können wir das?" Kirá dachte nach. Sie wusste, dass die Weisen Teleporter nutzen konnten. Aber konnten sie sie auch erschaffen?
Wenn alle Weisen gemeinsam Tore zu anderen Dimensionen öffnen konnten, dann sollten zwei Weise einen Teleporter erschaffen können. Ansonsten stimmte die Relation ja gar nicht.
Kirá versuchte sich zu erinnern, ob ein Weiser jemals vor den Augen der Zeitwächter einen Teleporter erschaffen hatte, und sie hatte Erfolg. Einst hatte eine Weise des Feuers unzählige Bewohner von Avelarú so in Sicherheit vor einfallenden Kriegern gebracht.
"Ja, wir können es!" sagte sie. Die beiden Weisen verwandelten sich in leuchtende Kugeln und drangen durch die schuppige Haut des Schutzheiligen in dessen Leib ein.
Schaudernd bewegte Kaalos sich in körperloser Gestalt durch die Eingeweide Jabu-Jabus. Er selbst beleuchtete das kränkliche Fleisch des Lords, es stand nicht gut um den Schutzheiligen. Weshalb hatte das niemand zuvor bemerkt?
Kirá folgte Kaalos bis zum Magen des Lords. Umhüllt von sanftem Licht schwebte ein Zoramädchen zwischen den Resten verdauter Fische, sie hielt ein Schmuckstück aus Gold und Saphiren mit beiden Händen umklammert.
Konzentriert schufen die beiden Weisen einen Teleporterpunkt für die Prinzessin. Im wirbelnden Farbenspiel verschwanden Kaalos und seine Nichte und fanden sich draussen im seichten Wasser wieder. Der Weise des Wassers nahm der Prinzessin vorsichtig das Schmuckstück aus den Händen, worauf das Mädchen erschrocken die Augen öffnete. Bald wurde ihr Blick aber eher verblüfft.
"Onkel?" japste sie: "Hast du mich gerettet?" Ihr Schutzzauber verblasste und verschwand schliesslich ganz. Kaalos lächelte glücklich und nahm Ruto in die Arme.
"Ja, Ruto, du bist jetzt sicher!" flüsterte er.
Unterdessen bewegte Kirá sich weiterhin durch die Eingeweide des Schutzheiligen, um Art und Ursache seiner Krankheit zu finden. Sie folgte einem Pfad aus totem Fleisch und erblickte schliesslich ein Wesen, einer Qualle ähnlich, das den Lord von innen heraus frass.
Was sollte Kirá tun?
Sie konnte hier keine körperliche Gestalt annehmen, sie musste eine magische Möglichkeit finden, das Ungeheuer zu bekämpfen. Aber wie? Die Fähigkeiten der Weisen beinhalteten keine Kampfmagie, so etwas mussten Weise lernen wie andere auch.
Nein, Kirá konnte hier nichts tun.
Sie erschien neben den beiden Zoras im Freien und sank auf die Knie, um den Kopf auf der selben Höhe wie sie zu haben. Kaalos sah sie besorgt an.
"Was ist geschehen?" fragte er. Kirá seufzte leise und schüttelte traurig den Kopf.
"Ich kann dem Schutzheiligen nicht helfen!" erklärte sie: "Beherrscht einer der Weisen Kampfmagie?" Kaalos nickte.
"Impa!" sagte er.
Die genannte sass in diesem Moment mit zusammengezogenen Brauen an einem Tisch im Königsschloss von Hyrule und starrte ihre Tasse Tee in Grund und Boden. Inzwischen hatte die Shiekah das volle Ausmass der Auswirkungen von Raurus Tod begriffen.
Nicht nur fehlte jetzt ein Weiser und sie musste den neuen suchen, Rauru war auch jener gewesen, der am meisten über die Macht der Weisen wusste. Impa verfluchte sich dafür, sich nicht selbst durch die Bibliothek der Weisen gelesen zu haben.
"Es gibt im Reich meiner Mutter Sonnentänzerinnen!" erklärte Tael gerade: "Diese Tänzerinnen fliegen auf die Spitze des Berges, in dem sich die Hauptstadt befindet! Sie fangen dort den Regen des Lichts ein und bringen ihn in die Stadt!" Sarias Begleiter Sanki umflatterte den dunkelblauen Feenjungen.
"Lichtwasser!" rief er: "Eigentlich könnte doch jede Lichtfee die Weise des Lichtes sein, nicht?"
"Aber es gibt unzählige Feenbrunnen!" seufzte Saria: "Wir werden es sehr schwer haben, den Weisen zu finden!"
"Wir haben auch die anderen Weisen gefunden!" stellte Link fest: "Nimm dir nicht den Mut!" Saria nickte leicht.
"Ich weiss!" murmelte sie: "Du hast recht!"
Impa schlug mit der Faust auf den Tisch.
"Richtig!" sagte sie: "Wir haben alle gefunden, wir werden auch den neuen Weisen des Lichts finden!" Sie blickte zu Tael. "Begebt Euch ins Reich Eurer Mutter und sucht dort den neuen Weisen!" bat sie ihn, dann wandte sie sich zu den Kindern des Waldes. "Ich habe eine Karte, auf der einige Feenbrunnen eingezeichnet sind!" erklärte sie: "Vermutlich gibt es noch unzählige weitere, aber die Karte ist doch ein Anfang!"
"Wir besuchen die Feenbrunnen!" nickte Saria. Impa erhob sich und verschwand im immer noch zerstörten Nebenraum. Wenig später kam sie mit der gesuchten Karte zurück und überreichte sie Saria.
"Ich selbst werde mich in die Bibliothek begeben und dort nach allem über die Sonne und das Licht suchen!" erklärte sie.
Tael verschwand in blauweissem Leuchten, auch Impa teleportierte sich fort. Saria und Link erhoben sich und begaben sich zu den Stallungen, wo sie Epona bestiegen. Link lenkte das brave Fohlen zum ersten Ziel, nach Kakariko.
Tael verschwand in blauweissem Leuchten, auch Impa teleportierte sich fort. Saria und Link erhoben sich und begaben sich zu den Stallungen, wo sie Epona bestiegen. Link lenkte das brave Fohlen zum ersten Ziel, nach Kakariko. Saria betrachtete konzentriert die Karte und murmelte vor sich hin.
"Es muss hier einen Friedhof geben!" sagte sie: "Dort soll der Feenbrunnen sein!" Link sah sich um und lenkte Epona eine Treppe nach rechts hoch.
"Anyiu?" murmelte er dann verblüfft.
"Nein!" sagte Saria: "Sie ist es nicht, das könnte ich spüren!" Aber diese Frau sah Anyiu ausserordentlich ähnlich. Link und Saria ritten an ihr vorbei zum Friedhof und stiegen dort ab. Ein Junge stapfte über die Wege und machte ein angsteinflössendes Gesicht.
"Hallo!" grüsste Link: "Hast du hier schon einmal Feen gesehen?"
"Feen? Nein!" sagte der Junge: "Warst du schon einmal bei Boris' Grabgrusel-Tour dabei?" Saria und Link sahen sich verdutzt an. Grabgrusel-Tour? Saria runzelte die Stirn und blickte wieder auf die Karte. Die Grabreihen waren genau aufgezeichnet und ein Grab war mit einer geflügelten Gestalt gekennzeichnet.
"Das hier ist es!" murmelte Saria und deutete auf das zweite Grab von links in der ersten Reihe. Link stellte sich dahinter und zog am Grabstein.
"He! Hört auf damit! Ich sag es Boris!" schrie der Junge. Saria drehte sich zu ihm und verwandelte sich kurz in die grün leuchtende Kugel. Das wirkte, der Junge sah die Weise staunend an und beachtete Link gar nicht mehr. "Wie machst du das? Kann ich das auch lernen? Bringst du es mir bei?" Link starrte in das Loch, das er freigelegt hatte.
"Saria!" rief er und die Weise drehte sich zu ihm: "Es sieht tief aus!" Saria kam zu ihm und blickte ebenfalls hinab.
"Ich gehe!" sagte sie: "Warte hier!" Einen Augenblick später flog eine grün leuchtende Kugel in das Grab hinab und fand ihre körperliche Gestalt inmitten von Lichtfeen wieder.
"Weise des Waldes!" riefen die Feen überrascht.
"Ich grüsse Euch, Lichtfeen!" sagte Saria: "Ich suche den Weisen des Lichts!" Sie öffnete ihre Hand, worauf die Feen diese neugierig umschwirrten.
"Deine Hand ist leer, Weise des Waldes!" stellte eine Fee fest: "Dein Besuch war vergeblich! Lass uns dich stärken!" Die Feen umflatterten Saria, die sich sofort ausgeruht und kräftig fühlte. Als grün leuchtende Kugel kehrte sie zu Link zurück.
Savore hielt Ganons Hand und blickte auf ihre Töchter Koume und Kotake, die den Raum betraten. Auch die Heilerin Jeruka sah die Hexen erwartungsvoll an.
"Mutter, wir haben einen Heiltrank gebraut!" ergriff Kotake das Wort: "Leider dauerte es lange, die nötigen Sumpfpilze zu finden, deshalb eilten wir nicht schneller herbei!"
"Ihr wart schon wieder im Dämmerwald?" fragte Savore ärgerlich: "Es ist euch nicht gestattet, ohne Wächterinnen unsere Heimat zu verlassen!" Kotake verzog das Gesicht, widersprach aber nicht. Koume nahm ihrer Schwester den Krug aus den Händen und goss eine kleine Schale voll, Jeruka flösste den Trank dann dem König ein.
Savore starrte auf ihren Sohn und hielt die Luft an. Konnte diese Zauberei ihn heilen?
Ganon bäumte sich auf und stöhnte laut. Energisch zog Jeruka den hohlen Holzstab aus seiner Seite, die zurückbleibende Wunde heilte sofort. Ganons Blick traf den seiner Mutter und ihre Sorge war verschwunden.
"Du bist wieder gesund!" stellte Savore fest. Ganon setzte sich auf und die Heilerin löste seine Verbände. Unter blutgetränkten Stoffen war sein Körper unversehrt. "Wer hat dir das angetan?" fragte Savore: "Wie ist das passiert?" Ganon scheuchte Jeruka aus dem Zimmer und stieg in seine Hose.
"Ich suchte Kiora!" sagte er: "Aber ich kam zu dem Schluss, dass sie zu finden fast unmöglich ist! Ich beschloss, einen anderen Weg zu gehen!"
"Einen anderen Weg?" fragte Koume. Ganon streckte ihr seine linke Hand entgegen und Koume blickte verblüfft auf das Zeichen auf seinem Handrücken. Kotake sah ihrer Zwillingsschwester über die Schulter und seufzte.
"Ganon, du hast nicht alle Bücher gelesen!" stellte sie fest: "Vor allem nicht jene über das innere Gleichgewicht, das der Berührung des Triforce vorausgehen muss!"
"Tief in dir huldigst du einer Göttin mehr als den anderen beiden, und dies ist Din!" fuhr Koume fort: "Deshalb blieb nur das Fragment der Kraft bei dir!"
"Was kann ich tun?" fragte Ganon: "Nur das vollständige Triforce kann mir Kiora bringen!"
"Dazu musst du die anderen Fragmente finden!" sagte Koume: "Aber glaubst du, die zwei Träger schneller zu finden, als Kiora selbst?" Ganons Blick verdüsterte sich etwas.
"Das ist ein Problem!" seufzte er. Angedeutet wies er auf sein Hemd und Kotake reichte es ihm. "Kiora ist eine, die Träger sind zwei!" sagte er: "Ich werde nach Kiora suchen und die Träger der Fragmente in Frieden lassen!" Schnell streifte er sein Hemd über und hielt dann nach seinen Strümpfen und Stiefeln Ausschau. Unter einem Tisch fand er sie und zog sie hervor.
"Aber Ganon!" murmelte Kotake: "Wie bist du zum Triforce gelangt?" Ganon sah sie verblüfft an.
"Aus der Zitadelle der Zeit natürlich!" sagte er.
"Ja, natürlich!" nickte Kotake: "Aber wievielen Leuten musstest du die nötigen Dinge stehlen und wie bist du an den Weisen vorbeigekommen? Definitiv werden dich diese Leute nun suchen, für sie bist du ein Verbrecher!"
"Und sie denken zurecht so!" fügte Koume hinzu: "Ihre Regeln, das Triforce zu schützen, existieren aus gutem Grund!"
"Sei still!" fuhr Ganon sie an: "Das ist Unsinn! Ihre Regeln sind Unsinn! Ich wollte das Triforce nutzen, um Kiora zu finden!" Savore hob ihre Hand, worauf ihre drei Kinder sie erwartungsvoll ansahen.
"Ein Weiser hat dich verletzt!" stellte sie fest: "Im Heiligen Reich! Ist das richtig?"
"Ja, Mutter, das ist richtig!" bestätigte Ganon. Savore seufzte laut auf.
"Sohn, hier bist du König, aber dort bist du ein Fremder!" sagte sie: "Und du hast dich an deren Gesetze zu halten!" Sie verschränkte ihre Arme und erstickte jeden Widerspruch mit einem durchdringenden Blick im Keim. "Schliesslich muss sich der König von Hyrule hier an deine Gesetze halten, ebenso musst du dich dort an seine halten!" fuhr sie fort: "Deine Schwestern können bestätigen, dass genau das in den Vertragsbüchern geschrieben steht!"
"Das spielt keine Rolle mehr!" knurrte Ganon: "Es ist geschehen!" Mit zwei Handbewegungen hatte er seine Strümpfe angelegt und schlüpfte sogleich in die Stiefel. "Ich werde weiter nach Kiora suchen! In Hyrule!" Er griff nach seinem Stirnschmuck und seinem Mantel, nahm Koume den Krug aus den Händen und stapfte aus dem Raum.
Ohne zurückzublicken stieg Ganon auf eine bereitstehende braune Stute und sprengte über die Brücke. Sein treues schwarzes Tier war in Hyrule zurückgeblieben, vermutlich wurde es in den königlichen Stallungen gut behandelt. Er würde es vorerst dort lassen.
Energisch trieb Ganon die Stute an und wandte sich nach Norden, an der Farm vorbei. Er würde nun die Einwohner von Kakariko befragen.
Zur selben Zeit machten sich Saria und Link von Kakariko aus auf den Weg nach Westen zu einem Feenbrunnen in der Steppe, sie jedoch ritten langsamer und dachten nach, wo sonst der Weise des Lichts sein konnte. Und ebenfalls zur selben Zeit trugen Talon und Malon schwere Milchkannen über die Steppe Richtung Stadt.
Ganon trieb sein Pferd noch mehr an, als er den Schreckensschrei eines Kindes hörte. Nach kurzer Zeit sah er sie. Malon hatte die Milch verschüttet und rannte stolpernd zurück zur Farm. Ein Rocaan verfolgte sie.
Was machte ein Rocaan so weit nordöstlich des Feenwaldes? Ganon trieb sein Pferd zwischen die beiden und sah den Verfolger durchdringend an. Nun bemerkte er auch eine weitere Person, sehr beleibt, die regungslos neben den Milchkannen lag. Und er war nicht der einzige, der das sah.
Link und Saria stiegen von Epona und schlichen näher, hinter einige hohe Sträucher.
"Rocaan, was willst du von ihr?" donnerte Ganon, hob seine Hand und formte eine schwarzviolette Kugel.
"Ihr Leben!" knurrte der Rocaan und versuchte, hinter Ganons Pferd vorbeizulaufen. Ganon liess die Kugel auf die Steppe fallen und warf den Rocaan ohne ihn zu berühren mit einer Handbewegung gegen den nächsten Baum.
Malon kam wieder näher und erblickte ihren Vater, schnell lief sie zu ihm und kniete neben ihm nieder. Ganon stieg vom Pferd ab und folgte ihr.
"Wird er wieder gesund?" fragte Malon leise. Hinter Sträuchern verborgen kamen auch die Kinder des Waldes näher. Ganon legte eine Hand an Talons Hals und rollte ihn dann auf den Rücken. Schliesslich nickte er.
"Dein Vater ist gut gepolstert, Malon!" sagte er: "Ein Rocaan-Messer ist nicht lang genug, ihm am Bauch sofort tödliche Verletzungen zuzufügen!" Den Konkurrenten zu retten widerstrebte Ganon zwar, aber erst galt es, Kiora überhaupt zu finden und dafür war ihm jeder Gleichgesinnte recht.
"Er war nicht immer so dick!" sagte Malon: "Als meine Mutter noch da war, war er ganz schlank!"
"Du erinnerst dich an damals?" fragte Ganon verblüfft.
"Ein wenig ... glaube ich!" überlegte Malon: "Es fiel mir wieder ein, nachdem Ihr hier wart und nach ihr gefragt habt! Ich weiss, sie hat das Lied für mich gesungen!" Sie lächelte versonnen. "Das Lied, das die Pferde so mögen ..." Dann blickte sie wieder auf Talon. "Ich bitte Euch, Ganon, reitet und holt Basil herbei!" sagte sie: "Vater muss verbunden werden und in sein Bett!" Ganon schüttelte den Kopf und griff in seine Tasche.
"Hier, das ist ein Schwarzsilberarmband!" erklärte er und reichte Malon das schmale Band: "Leg es dem Rocaan an und verbiete ihm in diesem Augenblick mit deutlichen Worten, diesen Baum nicht mehr zu berühren! Es ist magisch, er wird den Baum nicht loslassen können!" Das Mädchen ergriff das Armband und lief zum Rocaan. Wie Ganon gesagt hatte, legte Malon es dem Bewusstlosen an, während sie ihn anwies, den Baum nicht loszulassen.
Ganon unterdessen holte einen Krug aus einer Satteltasche und flösste Talon einige Schlucke ein. Als Malon zurückkehrte, erwachte ihr Vater bereits wieder.
"Saria?" murmelte Link: "Verstehst du das?"
"Ich bin nicht ganz sicher!" seufzte Saria: "Aber ich habe einen schweren Verdacht ..." Sie zog sich zurück und lief möglichst leise zu Epona. Link folgte ihr. "Ganondorf schien mir sehr interessiert, etwas über Malons Mutter zu erfahren!" erklärte Saria schliesslich: "Die Mutter verschwand, als Malon noch sehr klein war! Das sagte Malon in jener Nacht, als ich mit ihr in einem Bett schlief!" Link sah zu Saria und hob seine Augenbrauen.
"Hä?" fragte er.
"Verstehst du nicht, Link?" seufzte Saria: "Kiora ist Malons Mutter!" Link nickte.
"Dann hat dieser Rocaan möglicherweise auch mit Kioras Verschwinden zu tun!" überlegte er.
"Ja, das denke ich auch!" stimmte Saria zu: "Und Ganondorf wird wohl ebenso zu diesem Schluss kommen! Er wird sich vermutlich in den Feenwald begeben!"
"Er wird den Baumfreund-Rocaan zuerst ausfragen!" stellte Link fest und stieg auf das Fohlen: "Vielleicht sagt dieser ihm etwas anderes!" Saria sah ihn nachdenklich an.
"Informiere du Impa darüber, was wir hier gesehen haben!" sagte sie: "Ich werde den Rocaan im Auge behalten!" Link schüttelte energisch den Kopf.
"Wenn Ganondorf dich sieht ..."
"Dann verschwinde ich!" sagte Saria: "Mach dir keine Sorgen um mich! Veli und Sanki werden auf mich achten!" Einen Augenblick später war sie eine verblassende grün leuchtende Kugel und die beiden Feen flogen in den Himmel, um Saria zu folgen. Link seufzte und trieb Epona Richtung Stadt. Er ritt über den Marktplatz und blieb schliesslich vor den Schlosswachen stehen.
Die Soldaten liessen ihn ein, jedoch traf er Impa nicht an.
Die Gesuchte war Kaalos' und Kirás Ruf gefolgt und erschien vor dem Schutzheiligen der Zoras. Kaalos und Kirá lächelten sie an.
"Meine Nichte ist gerettet!" ergriff Kaalos das Wort: "Jedoch Jabu-Jabu ist krank! Kirá fand ein Wesen, das ihn von innen heraus auffrisst!"
"Ich soll das Monster töten!" stellte Impa fest: "Ich werde sehen, was ich tun kann!" Sie verwandelte sich in die violett leuchtende Kugel und begab sich in den Körper des Schutzheiligen. Wie zuvor Kirá fand sie den Pfad aus totem Fleisch und schliesslich das Quallenungeheuer. Ohne ihre Lichtgestalt zu verlieren liess sie Blitze flackern, die dem Monster zweifellos arg zusetzten. Schliesslich erschien sie wieder bei Kaalos und Kirá und nickte zuversichtlich. Kirá liess die Zeit wieder fliessen und der Schutzheilige begann wieder zu toben.
"Er muss sich noch erholen!" stellte sie fest: "Ihr habt die Qualle getötet aber nicht sein Fleisch geheilt!"
"So ist es!" bestätigte Impa.
Talon unterdessen hatte sich von seinem Schrecken erholt und stellte fest, dass nicht nur Malon, sondern auch ausgerechnet Ganon neben ihm am Boden knieten. Ihm hatte er doch Kioras Verschwinden zugeschrieben, und jetzt war der Gerudo plötzlich hier?
"Was war denn das für ein Schuft?" fragte Talon und zupfte am Loch in seinem Hemd: "Wieso ist denn da Blut, wenn ich doch gar nicht blute?"
"Ein Heilzaubertrank meiner beiden ältesten Schwestern!" erklärte Ganon: "Und der Schuft war ein Rocaan!" Talon zog sein Hemd hoch und überprüfte seine Unversehrtheit, dann schnellte er nach vorne und packte Ganon am Kragen.
"Du!" knurrte er: "Du weisst, wo sie ist!" Ganon griff nach Talons Armen und stiess ihn zurück.
"Nein, das weiss ich nicht!" sagte er, noch ruhig: "Aber der Rocaan vielleicht!"
"Dann fragen wir ihn!" knurrte Talon misstrauisch und stand auf. Ganon nickte und wies auf den Rocaan am Baum. Die drei gingen zum Gefangenen und Ganon schüttelte ihn grob. Saria oben im Baum umklammerte einen Ast und beobachtete gespannt. Erstaunt war sie aber darüber, dass Ganondorf kaum Kälte ausstrahlte.
Nossai, der Rocaan, öffnete die Augen und sprang auf, seine linke Hand verblieb auf dem Stamm des Baumes. So sehr er sich auch bemühte, er konnte den Baum nicht loslassen.
"Was habt ihr mit mir gemacht?" fauchte er. Malon deutete auf sein rechtes Handgelenk.
"Ein Schwarzsilberarmband!" sagte sie kühl: "Wer hat Euch geschickt?"
"Nein!" grinste Nossai spöttisch: "Ich verrate nichts!"
"Dann bleibt Ihr an diesen Baum gefesselt!" stellte Ganon fest und wandte sich ab, Talon und Malon taten es ihm gleich. Nossai drückte mit der rechten Hand gegen den Baum und löste die linke von der Rinde, doch nun war die rechte wie festgeklebt. Mit dem Fuss stiess er sich ab, doch sowie er seine Hand gelöst hatte, blieb sein Fuss am Baum. Nun fast panisch sah er den beiden Männern und dem Mädchen hinterher.
"Halt! Bleibt hier!" schrie er: "Bitte! Lasst mich nicht hier zu Grunde gehen!" Talon drehte sich um.
"Also?" fragte er: "Wer hat Euch geschickt?"
"Der schwarze Bote!" rief Nossai: "Er ist nur der Überbringer, aber ich kenne den Auftraggeber nicht!"
"Nicht?" fragte Ganon: "Das klingt mir nicht sehr glaubwürdig!" Er verschränkte seine Arme und blickte zu Talon und Malon. "Lassen wir ihn hier, er lügt doch, wie ein Rocaan eben!" Wieder drehten sich die drei um und gingen einige Schritte. Einige Augenblicke lang ignorierten sie die Schreie des Rocaan, dann kehrten sie wieder zu ihm zurück.
Nossai knirschte mit den Zähnen und versuchte seine Hand vom Baum zu ziehen, erfolglos.
"Ich bringe euch zu ihm!" seufzte er: "Nehmt mir das Armband ab!" Malon schüttelte den Kopf.
"Nein, so dumm sind wir nicht!" sagte sie. Nossai schlug seinen Kopf gegen den Stamm.
"Wie soll ich euch dann zu ihm führen?" rief er.
"Also gut!" sagte Ganon: "Ich nehme Euch das Armband ab!"
"Was?" rief Malon erschrocken. Ganon trat zum Rocaan und umfasste sein linkes Handgelenk.
"Versprecht es!" sagte er: "Trachtet uns nicht nach dem Leben und versucht nicht zu flüchten!" Nossai grinste spöttisch, doch als Ganon seine Hände zurückzog, verging ihm das Grinsen. Zwei Schwarzsilberarmbänder umschlangen sein Handgelenk.
"Ah!" murmelte Talon. Malon nahm dem Rocaan nun jenes Armband ab, das sie lösen konnte.
"Also!" sagte sie: "Führt uns zum schwarzen Boten!"
Link sass nicht lange alleine in Impas Räumen, die Türe wurde geöffnet und ein blondes Mädchen trat ein. Zelda sah Link an und lächelte höflich.
"Ich grüsse Euch, Link!" sagte sie: "Auch Ihr wartet auf Impa?" Link sprang überrascht auf und nickte sprachlos. "Verzeiht, habe ich Euch erschreckt?" seufzte Zelda: "Das tut mir sehr leid! Wisst Ihr, wann Impa zurückkehrt?"
"Äh ..." brachte Link nun hervor: "Tschuldigung, weisst du ... äh, wisst Ihr, ich weiss nicht, wann Impa zurückkehrt!"
"Oh, das ist schade!" sagte Zelda. Sie nahm auf dem Stuhl rechts von Link Platz und seufzte leise. "Mein Vater ist sehr wütend auf Impa!" murmelte sie: "Er sagte, sie habe eigenmächtig gehandelt!"
"Womit denn?" fragte Link verblüfft.
"Das weiss ich nicht!" seufzte Zelda: "Ich weiss ja nicht einmal, wie sie gehandelt hat!"
"Hmm!" brummte Link: "Sie hielt ihre Versprechen und half den Zoras und den Goronen! Natürlich, der Gerudo hat alle übers Ohr gehauen, aber das sollte niemand ... oh, das sollte niemand erfahren, bis das Ausmass klar ist!" Er sah zu Zelda. "Du ... äh, Ihr verratet das doch nicht, oder?" fragte er.
"Ich schweige, wenn Impa es wünscht!" sagte Zelda. Sie stand auf und trat ans Fenster. "Impa ist die einzige hier, die mit mir spricht!" seufzte sie: "Ich bin nur ihr etwas schuldig! Mit ihr kann ich mich am Sonnenlicht erfreuen, ohne sie nicht einmal am Spiel der Hofnarren!"
"Das ist schade!" sagte Link: "Soll ich Euch aufmuntern? Ich wüsste da Dinge zu erzählen ... wie Mido versucht, Saria zu gewinnen zum Beispiel! Er hat nie Erfolg und er begreift nie, wie lächerlich er sich benimmt!" Er folgte Zelda ans Fenster. "Er verspricht ihr immer, das Unkraut vor ihrem Haus auszureissen, und dann lässt er es einen anderen machen!" erzählte Link: "Saria merkt es natürlich und gibt dann dem anderen einen Kuss! Die Jungen reissen sich darum, von Mido zum Unkrautausreissen gezwungen zu werden, aber er begreift es immer noch nicht!" Zelda lächelte und drehte sich zu Link.
"Dann ist Mido der Hofnarr der Kinder des Waldes?" fragte sie.
"Oh nein!" schüttelte Link den Kopf: "Mido ist der Anführer!" Zelda lachte hell auf.
"Im Wald ist das Leben sicher sehr schön!" seufzte sie. Links Miene verdüsterte sich.
"Das war einmal, jetzt sind dort bloss noch Monster!" murmelte er und kratzte sich am Kopf. Zeldas Augen wurden gross.
"Link ..." flüsterte sie: "Das Triforce auf Eurer Hand!" Link blickte auf seine Hände und klappte seinen Mund auf.
"Ääähhh ..." murmelte er.
"Es ist dies das Triforce-Fragment des Mutes!" sagte Zelda: "Wer hat das Triforce berührt und zerbrochen?" Link kratzte sich am Kopf.
"Ja, also, das war der Gerudo!" seufzte er: "Aber Impa hat gesagt, dass ..."
"Ja, ich schweige!" nickte Zelda.
Saria huschte leise von einem Busch zum nächsten. Nossai ging voraus und Ganon, Talon und Malon folgten ihm. Vater und Tochter sassen auf dem Pferd und Ganon hielt es am Zügel. Saria hatte das ungute Gefühl, dass der Rocaan zum Feenwald wollte. Allerdings waren das zu Fuss fast zwei Tagesmärsche. Und die Büsche wurden nach Süden hin auch erst seltener, bevor das Gelände in lichten Wald überging. Saria hatte sich das irgendwie weniger kompliziert vorgestellt. Immerhin war sie eine Weise. Aber mehr als dem Rocaan folgen konnte sie hier auch nicht tun.
Link sprang erwartungsvoll auf, als sich die Türe zum Korridor öffnete. Doch nicht Impa betrat den Raum, sondern ein prächtig gekleideter Mann. Die Krone auf seinem Kopf liess nur den Schluss zu, dass er der König von Hyrule war.
Wie verhielt man sich einem König gegenüber? Link ging in Gedanken durch, was er diesbezüglich wusste, und kam zu keinem sinnvollen Ergebnis. Als er endlich begriff, dass er den hochgestellten Herrn anstarrte, wurde er knallrot. Aus dem Augenwinkel sah er, dass Zelda am Boden kniete, also tat er es ihr schnellstens gleich.
"Tochter, ich erwartete Impa vor Stunden!" sagte der König.
"Sie ist nicht hier, Vater!" antwortete Zelda: "Ich wollte sie zu Euch schicken, sobald sie zurückkehrt!"
"Dann warte auf sie!" bestimmte ihr Vater: "Wer ist der Junge?" Link blickte auf und öffnete den Mund, doch Zelda beeilte sich, ihm zuvorzukommen.
"Dies ist Link, ein Bote aus den verlorenen Wäldern!" sagte sie.
"Ein Bote ..." Der König betrachtete Link von Kopf bis Fuss. "Sagt, Link, weshalb seid Ihr hier in den Räumen des Kindermädchens und nicht im Audienzsaal des Königs?" fragte er dann. Link blinzelte verblüfft. Warum eigentlich?
"Die Wachen haben mich hierher geschickt!" murmelte er. Ja, das hatten sie tatsächlich auch, als er mit Saria das erste Mal hier war.
"Dann folgt mir, Link!" sagte der König, dann drehte er sich ohne ein weiteres Wort um und verliess den Raum.
"Es tut mir leid, Link!" flüsterte Zelda: "Das habe ich nicht vorausgesehen! Aber geht, folgt ihm, anderes duldet er nicht!" Link verzog sein Gesicht und lief dem König hinterher.
Impa unterdessen erschien in ihrem Raum und öffnete sogleich die Türe in den Vorraum. Zelda kniete noch am Boden und sah die Shiekah erleichtert an.
"Was ist hier passiert?" fragte Impa verwirrt.
"Mein Vater war hier." sagte Zelda und stand auf: "Ich stellte Link als einen Boten vor ... es tut mir leid." Impa seufzte.
"Ich werde gleich zu Eurem Vater gehen." stellte sie fest: "Was wolltet Ihr mit mir besprechen, Prinzessin?"
"Es geht um Mutter." murmelte Zelda: "Sie zieht sich nun noch mehr zurück als ohnehin schon." Sie atmete tief durch. "Aber eilt Link vor dem Zorn meines Vaters zu retten, das ist wichtiger." sagte sie dann fest: "Der Junge aus dem Wald trägt ein Fragment des Triforce." Impa ging in die Hocke. So wohlerzogen Zelda war, sie hatte selten Entscheidungen getroffen und nun tat sie es so, als wäre sie es gewohnt.
"Ich habe etwas für Euch, Prinzessin." murmelte Impa und öffnete ihre Hand. Und unter Zeldas staunendem Blick erschien das Amulett des Lichts. "Ihr seid die letzte Weise, Zelda, die Weise des Lichts." Zelda griff ehrfürchtig nach der kleinen Münze und sah in Impas Augen.
"Und jetzt zu Link." sagte sie: "Ich werde Euch begleiten." Impa stand wieder auf und setzte sich in Bewegung.
"Aber sagt Eurem Vater bloss nichts davon ..."
König Zilon von Hyrule hob seinen Kopf und liess sich langsam auf den Thron sinken. Die goldene Lehne überragte ihn um Mannshöhe und der ganze Thron war von Ornamenten und eingelassenen Edelsteinen deutlich überladen. Link stand auf einem Triforcesymbol auf dem Boden und harrte der Dinge, die da kommen würden.
"Nun, Link, ich bin König Zilon von Hyrule, Stadtfürst und Regent von Hyrule-Stadt, Herrscher über Erde, Wasser und Luft." stellte sich der König nun vor. Link hatte noch nie so sehr den Eindruck gehabt, einen kurzen Namen zu haben, wie jetzt. Ein paar Titel wären doch auch drin.
Natürlich, Mido hatte ihm ja einen Titel verliehen.
"Ich grüsse Euch, König." sagte er, dann stellte er sich selbst vor: "Ich bin Link, Anführer der Kokiri." Ja, Mido hatte Link tatsächlich den Anführer genannt.
"Weshalb seid Ihr hier, Link, Anführer der Kokiri?" fragte Zilon.
"Wir Kinder des Waldes hielten es für gerechtfertigt, die Geschehnisse in den verlorenen Wäldern zu erzählen." sagte Link. Zilon lehnte sich ein wenig nach vorne.
"Und was ist also geschehen?" fragte er kühl: "Also erzählt!"
"Üble Wesen bewohnen nun die Wälder, die Dekus verliessen den Wald ebenso wie wir Kokiri." sagte Link: "Nur die Schreckenskinder blieben."
"Was denkt Ihr, soll ich also tun?" fragte Zilon. Link hatte das ungute Gefühl, in eine Falle zu gehen. Was sollte er da sagen? Eine kleine Hand griff nach seinem Ohr und er hörte leise Navis Stimme.
"Sag ihm, dass du das seiner Weisheit überlässt!" flüsterte sie. Link straffte sich und sah den König direkt an.
"Eurer Weisheit brauche ich keinen Ratschlag zu geben, ich werde ihr ja doch nicht gerecht." sagte er. Zilon lächelte zufrieden.
"Ich werde sehen, was ich tun kann." sagte er: "Geht!" Link runzelte verblüfft seine Stirn, machte dann aber, dass er davonkam. Draussen im Korridor traf er auf Impa und Zelda.
"Ihr habt es überstanden." murmelte Zelda erleichtert. Impa bedeutete den beiden Kindern, ihr um die nächste Ecke zu folgen.
"Prinzessin Zelda ist die Weise des Lichts." teilte sie Link dann mit: "Und sie hat mir schon erzählt, dass Ihr das Fragment des Mutes tragt." Link blickte zu Zelda und kratzte sich am Kopf. "Weshalb seid Ihr ins Schloss gekommen?" fragte Impa dann: "Ist Saria etwas zugestossen?"
"Nein, nein!" schüttelte Link den Kopf: "Wir fanden Ganondorf. Er rettete Talon und Malon vor einem Rocaan und aus seinen und Malons Worten schloss Saria, dass Kiora Malons Mutter ist."
"Malons Mutter." murmelte Impa verblüfft.
"Ganondorf zwingt den Rocaan, ihn und die Farmer zu einem gewissen schwarzen Boten zu bringen, der Talons und Malons Tod befohlen hat." erklärte Link: "Und Saria folgt ihnen. Dieser schwarze Bote weiss womöglich, wo Kiora ist." Impa runzelte die Stirn.
"Tael, begleitet die Prinzessin bitte." sagte sie. Ein dunkelblaues Leuchten kam aus ihrer Rüstung und umschwirrte Zelda, bvor es in deren Kleidung verschwand. "Link, wartet in den Stallungen auf mich!" murmelte Impa: "Erst muss ich zum König." Sie atmete tief durch und stapfte in den Thronsaal.
Zelda wechselte einen Blick mit Link und ging dann voraus.
"Folgt mir, ich bringe Euch zu den Stallungen!" sagte sie.
Impa stellte sich auf das Triforcesymbol und legte ihre Hände auf den Rücken. Zilon sah sie durchdringend an und stützte sich auf seine Armlehnen.
"Ich erfuhr nichts von dir, Kindermädchen, und du hast eigenmächtig entschieden und gehandelt, wie es dir nicht zusteht!" fauchte er sie an: "Dies ist inakzeptabel! Du hast den König übergangen, Impa! Mich! Den König!" Er winkte eine Wache herbei. "Bring die Verräterin ins Verlies!" befahl er: "Und sorge dafür, dass nach einem neuen Kindermädchen gesucht wird!" Der Soldat ergriff Impa am Arm und zog sie grob aus dem Thronsaal. Impa folgte ihm die Treppen hinab und liess sich in ein Verlies stossen. Als die Gittertüre vor ihr ins Schloss krachte, zog sie sich an die Wand zurück.
"Impa?" Die Shiekah runzelte die Stirn und versuchte, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. "Ich bin Damos." flüsterte der Schemen, der nun aus einer Ecke auf sie zu kam.
"Bergwache." stellte Impa fest.
"So ist es." bestätigte Damos: "Hauptmann Koll hat uns verraten. Die Bergwachentruppe vier ist komplett in Haft."
"Ich hätte einen anderen Weg finden müssen, um den Goronen zu helfen." seufzte Impa.
"Drei der Kellerwächter stehen auf unserer Seite und bringen uns Nahrung und Grabwerkzeug." erklärte Damos: "Die Kameraden graben gerade." Er deutete in die Ecke und Impa ging langsam in diese Richtung.
"Bergwachen, ich bin Impa." rief sie leise und sank auf die Knie nieder. Der Tunnel war niedrig und schmal, doch der Haufen Erde und Gestein bewies, dass er schon recht weit führte. Erstaunte Rufe erklangen von überall im Tunnel und Impa kroch und zwängte sich an den Soldaten vorbei, bis sie auf den vordersten traf.
"Das war es dann wohl." seufzte er: "Jetzt, wo Ihr auch in Haft seid, können wir nur noch weit weg flüchten."
"Geht zur Seite." wies Impa ihn an: "Ich grabe ganz vorne." Den ihr gereichten Spaten lehnte sie ab. Mit violetten Blitzen lockerte sie das Erdreich viel schneller, als das mit Werkzeugen möglich war. Die Soldaten hatten alle Mühe, die Erde dann aus dem Tunnel zu schaffen.
Link streichelte mit einer Hand Epona und seufzte leise. Er hatte das Fohlen ins Freie geführt und wartete hier unter dem blauen Himmel. Zelda stand unter einem Baum und hörte Taels Erklärungen genau zu.
"Mit ihr wären die Weisen dann wieder vollzählig." bemerkte Link. Navi umschwirrte ihn nur zustimmend, bevor sie plötzlich aufflatterte und kritisch die Steigung zum Schloss beäugte.
Der Tunnel aus dem Verlies ging gut voran, sehr gut. Impa erreichte die Freiheit und klopfte ihre Rüstung ab. Sie hatte in gerader Linie den freien Platz vor den Schlossstallungen erreicht, Link und Zelda kamen soeben zu ihr.
"Weshalb kommt Ihr aus dem Boden hervor?" fragte Zelda erstaunt.
"Euer Vater hat mich ins Verlies stecken lassen." seufzte Impa: "Und die Bergwachen ebenso." Sie deutete auf die ersten Soldaten, die eben aus dem Tunnel krochen.
"Was werdet Ihr jetzt tun?" fragte Zelda leise: "Ihr müsst mich wohl verlassen, um selbst sicher zu sein." Impa atmete tief durch.
"Das müsste ich, wärt Ihr nur eine Prinzessin." sagte sie: "Aber als eine Weise, Zelda, ist Euer Platz nicht mehr hier im Schloss." Zelda senkte ihren Blick.
"Dann werde ich Euch begleiten." nickte sie. Impa blickte auf Damos, der eben als letzter Soldat seine Kleidung abklopfte.
"Bergwachen, begebt euch zu den Goronen!" bestimmte sie: "Dort seid ihr sicher und für die Nahrungsversorgung wird uns auch noch etwas einfallen." Die Soldaten liefen in die Stallungen und kamen wenig später auf Pferden wieder heraus. "Link, bringt Zelda aus der Stadt! Bringt sie zu den Kokiri!" fuhr Impa fort: "Ich werde mich zu Saria begeben."
"Ich kann so nicht gehen." seufzte Zelda: "Jeder würde mich erkennen." Impa runzelte ihre Stirn und lächelte dann. Sie ergriff die Prinzessin an den Schultern.
"Sei meines Blutes!" murmelte sie konzentriert: "Trage die Schatten mit dir, blicke in die Nacht! Sei verborgen, sei unerkannt! Sei eine meines Volkes!"
"Noch eine Shiekah." stellte Tael fest und umschwirrte die Prinzessin neugierig: "Nicht wiederzuerkennen." Erstaunt blickte Zelda an sich herab. Impa lächelte zufrieden und verblasste als violett leuchtende Kugel. Link stieg auf Epona und Damos setzte die neue Shiekah hinter ihn.
Saria lief inzwischen tief geduckt auf freiem Feld, es gab hier kaum Büsche, hinter denen sie sich verstecken konnte. Weit vorne lief der Rocaan, verfolgt von Ganon und den Farmern. Offenbar blickte keiner der vier hinter sich. Ein violettes Leuchten kündigte Impa an, die ebenfalls tief geduckt neben Saria erschien.
"Es hat lange gedauert." sagte Saria.
"Link traf mich nicht an und danach musste ich noch aus dem Verlies ausbrechen." seufzte Impa: "König Zilon traut mir definitiv nicht mehr."
"Hat er das jemals?" fragte Saria.
"Ich war ein gutes Kindermädchen, aber mehr wusste er nicht." erklärte Impa: "Link trägt übrigens das Fragment des Mutes und Zelda ist die neue Weise des Lichts."
"Irgendwie überrascht es mich nicht wirklich, dass ausgerechnet Link das Fragment trägt." murmelte Saria: "Er ist der Held der Kokiri, er hat seinen Mut bewiesen." Sie lief etwas schneller, als die vier Verfolgten ausser Sichtweite gelangten. Impa folgte ihr.
"Das ist wahr." bestätigte sie.
"Hat Link Euch erzählt, was hier geschehen ist?" fragte Saria.
"Das hat er." nickte Impa: "Warum, glaubt Ihr, will Ganondorf Kiora finden?" Saria seufzte.
"Ich weiss es nicht." sagte sie: "Aber ich glaube nicht, dass er ihr übelwill. Nur leider kann ich nicht sicher sein." Sie blickte zu Impa und hob eine Braue. "Die Kälte, die von ihm ausgeht, ist kaum zu spüren." fuhr sie fort: "Sie ist nicht fort, aber sehr viel schwächer."
Ganon war sich dessen durchaus bewusst, dass er verfolgt wurde, doch er liess sich davon nichts anmerken und führte das Pferd dem Rocaan hinterher. Sie erreichten nun die ersten Ausläufer des Feenwaldes und der Rocaan wandte sich in Richtung einer tief in den Wald dringenden Lücke. Ganon schloss näher zu ihm auf. Zwar wusste er, dass Nossai nicht flüchten würde, doch andere Rocaan würden ihn womöglich retten wollen.
Ganon sah deutlich den Grund für die mangelnde Bewaldung an dieser Stelle. Es schien hier häufig Erdrutsche oder gar Muren zu geben, die es allen jungen Pflanzen sehr schwer machten. Nossai wandte sich nun nach rechts und begab sich in den Wald hinein. Das Gelände wurde steinig und Ganon hob verblüfft seine Brauen, als Nossai auf einen Höhleneingang deutete.
Hinter einem Baum versteckten sich Saria und Impa, die sehr vorsichtig beobachteten.
"In dieser Höhle ist also der schwarze Bote?" fragte Ganon. Nossai knirschte mit den Zähnen.
"Hier traf ich ihn stets." korrigierte er. Ganon packte den Rocaan am Arm und zog ihn zum Höhleneingang.
"Also sehen wir uns diese Höhle einmal an." knurrte er und betrat die Höhle. Impa wechselte einen Blick mit Saria.
"Ich werde ihm folgen." sagte sie und nahm eine Deku-Nuss aus ihrer Tasche, sie warf sie auf das Pferd mit den Farmern und huschte dann an den Erstarrten vorbei Ganon und dem Rocaan hinterher.
Gerudo und Rocaan waren weiter vorne schemenhaft zu sehen. Ganon hielt eine Lichtkugel in Händen und leuchtete so die Höhle etwas aus. Er lauschte genau, doch Impa war zu vorsichtig und leise, als dass er sie bemerken konnte. Nach kurzer Zeit standen die beiden Männer in einer Sackgasse.
"Es ist nur eine Höhle." stellte Nossai fest und tastete über die Felswand vor ihm. Ganon runzelte die Stirn und betrachtete den Boden genauer. Da waren Schleifspuren.
"Nein." murmelte er: "Das ist es nicht." Er packte den Rocaan an der Schulter und war ihn grob hinter sich, dann schleuderte er die Lichtkugel auf die Felswand, die wie erwartet zerbrach.
Dahinter war keine Höhle mehr. Sonnenlicht drang durch die Öffnung und Ganon schleifte den Rocaan ins Freie. Impa folgte ihm, jedoch blieb sie im Dunkeln.
Impa betrachtete die Stadt im Krater staunend. Sie hatte um den Krater gewusst, doch niemals hätte sie darin dies vermutet. Wer lebte hier? Es war niemand zu sehen. Beide, Ganon und Nossai, sahen sich ebenso erstaunt um wie Impa, sie begaben sich aber hinab ins Zentrum des Kraters. Impa hielt nach Deckung Ausschau und lief dann los hinter einen struppigen Busch. Hinter Büschen und Felsen verborgen kam auch sie dem Zentrum näher.
Die Häuser waren aus Lehmziegeln gebaut, das konnte sie nun sehen, und nun erkannte sie auch Hinweise darauf, dass vor kurzem noch Leute auf den Strassen und Plätzen gewesen waren. Die Bewohner hatten sich wohl versteckt, als Ganondorf die Felsentür gesprengt hatte.
Auch Ganon hatte diese Anzeichen bemerkt, er bückte sich und hob ein kleines Holzschwert auf. Der Griff war feucht von Schweiss, ein Kind hatte vor kurzem noch damit geübt. Ganon liess seinen Blick über die nächsten Häuserfassaden schweifen. Hinter den Fenstern war niemand zu sehen.
Impa bekam als erste die Bewohner zu Gesicht. Um sie kamen maskierte Männer unter kaum sichtbaren sandfarbenen Matten hervor und umstellten sie mit gezückten Schwertern, kaum später geschah dasselbe unten in der Stadt. Ganon drehte sich um sich selbst, um die Gegner einzuschätzen, dabei erblickte er auch Impa. Den Gedanken, die Maskierten einfach niederzustrecken, schob er beiseite. Er wollte wissen, was diese mit ihren drei Gefangenen nun vorhatten.
Die Türe der Zelle fiel krachend ins Schloss. Impa seufzte leise.
Sie sass mit Ganondorf und dem Rocaan gefesselt auf einem ungeschliffenen Holzbrett in einem so dunklen Raum, dass selbst sie kaum etwas sah.
"Weshalb seid Ihr mir gefolgt?" fragte der König der Gerudos bemerkenswert ruhig.
"Seht doch auf Eure linke Hand, dann wisst Ihr es!" knurrte Impa. Der Gerudo lachte leise.
"Weshalb lebe ich denn dann noch?" fragte er weiter. Impa sah ihn an. Zwar konnte sie nur schemenhaft ausmachen, wo sein Gesicht war, doch sie versuchte dennoch, etwas aus seinen Zügen zu lesen. Sie seufzte laut auf.
"Dafür gibt es mehrere Gründe." sagte sie: "Und einer ist der, dass ich ungern töte."
"Tatsächlich." lächelte Ganon, seine Zähne blitzten selbst in der Dunkelheit.
"Ja, tatsächlich." brummte Impa und verkohlte die Handfesseln mit einem violetten Blitz. Mit einem Ruck hatte sie ihre Hände befreit, wenig später hatte sie ihre volle Bewegungsfreiheit wiedererlangt. "Was jetzt?" fragte sie und beschwor ein Licht in ihrer Hand. Ganon befreite sich nun ebenso von den Fesseln und stand auf.
"Ihr kennt diese Leute nicht zufällig, Impa?" fragte er. Impa schüttelte den Kopf.
"Ihr?" gab sie die Frage zurück.
"Nein." sagte Ganon. Ein Schieber in der Türe wurde geöffnet und Impa liess das Licht sofort verschwinden. Zugleich setzte Ganon sich wieder.
"Er kennt uns nicht, doch wir ihn." sagte der Mann draussen.
"Und wer seid ihr?" fragte Impa.
"Wir sind die Verborgenen." erklärte er: "Mein Name ist Dakro und ich bin der Anführer." Er öffnete die Türe und trat ein. Seine Lampe erhellte den Raum und Impa hob verblüfft die Brauen.
Dakro war ein Gerudo, braune Haut und rote Haare zeigten das deutlich. Auch Ganondorf war darüber sichtlich verblüfft.
"Die Gerudo-Kriegerinnen halten uns für Träume, doch wir sind real." bemerkte Dakro grinsend: "Sie kennen nur einen Mann, ihren König."
Impa und Ganon folgerten gleichermassen schnell.
"Die Traumväter!" stellte der Gerudo fest.
"Verlogene Mannsfiguren!" knurrte die Shiekah im gleichen Augenblick. Dakro lachte laut auf.
"Das ist eine Frage der Sichtweise, Schattenangehörige." sagte er: "Savore beschimpfte mich mit ähnlichen Worten, doch die meisten Kriegerinnen freuen sich über ihre Träume." Er lächelte hintergründig. Ganon biss die Zähne zusammen.
"Also?" fragte er: "Koume und Kotake?"
"Die Zwillinge?" murmelte Dakro: "Nein."
"Wie unerfreulich!" stellte Ganon knirschend fest. Er sprang auf und hielt Dakro einen schwarzvioletten Energieball vor die Nase.
"Du hast das Temperament deiner Mutter." bemerkte Dakro: "Nur wesentlich mehr Befähigung."
"Sei vorsichtig!" fauchte Ganon: "Ich bin wütend und das könnte dich das Leben kosten, Vater!"
"Das reicht jetzt!" brummte Impa und stand auf. Ein Blitz aus ihrer Hand traf den Anführer der Verborgenen so, dass er bewusstlos zu Boden ging. Ganon sah sie missbilligend an. "Was ist?" fragte Impa: "Er hatte Euch in der Tasche! Er hat diese ganze Szene doch genau vorausgeplant!" Ganon packte sie am Hals.
"Er weiss, wo Kiora ist." knurrte er.
"Womöglich." krächzte Impa unter dem Druck seiner Finger: "Aber hier sagt er es nicht." Langsam liess Ganon sie los.
"Und Ihr habt einen Plan?" fragte er spöttisch.
"Ich habe immer einen Plan." sagte Impa: "Könnt Ihr teleportieren?"
"Nicht ohne Teleporterpunkt." gab Ganon ungern zu. Impa sah ihn prüfend an.
"Also gut." murmelte sie: "Dann schlagen wir uns so durch."
"Interessant." lächelte Ganon. Impa hob Dakro auf ihre Schulter und stapfte aus der Zelle. Ganon packte Nossai am Arm und zog ihn der Angehörigen des Schattenvolkes hinterher. Der Rocaan, immer noch an Händen und Füssen gefesselt, hüpfte ungeschickt und stürzte nach kurzer Zeit. Ganon ignorierte es und schleifte ihn einfach über den Boden.
Impa bahnte sich mit violetten Blitzen und schwachen Lichtkugeln den Weg durch die Strassen. Die Verborgenen, Erwachsene, Jugendliche und Kinder, doch allesamt männlich, brachten sich eilig in Sicherheit. Impa runzelte die Stirn. War da nicht einer mit dunkleren Haaren und hellerer Haut gewesen? Auch Ganon hatte es bemerkt und eine Feuerkugel in diese Richtung geschleudert, doch dort war schon niemand mehr.
Es dauerte nicht lange, bis die drei den Höhleneingang erreichten.
"Was sind diese Verborgenen für Feiglinge." knurrte Ganon und stellte Nossai wieder auf die Füsse. Impa beschwor Licht und ging wieder voraus.
Malon sass auf einem umgestürzten Baumstamm und starrte in den Höhleneingang. Wie lange war Ganon denn nun schon da drin? Talon stapfte ungeduldig hin und her.
"Da!" rief Malon: "Ich sehe Licht! Er kommt zurück!" Sie sprang auf und umschlang ihren Vater. Doch der nächste Blick zur Höhle beunruhigte sie. Eine weisshaarige Frau kam heraus, über der Schulter trug sie einen Mann mit roten Haaren.
Ganon?
Talon spannte sich an. Doch im nächsten Augenblick kam auch Ganon aus der Höhle, hinter ihm der Rocaan, gefesselt.
Saria blieb in ihrem Versteck. Was hatte Impa denn veranlasst, sich Ganondorf zu zeigen? Was war da passiert?
"Wer sind die?" fragte Malon und deutete auf Impa und Dakro. Ganon lächelte sein freundlichstes Lächeln.
"Das ist Impa." stellte er die Shiekah vor.
"Der Bewusstlose nannte sich Dakro." fuhr diese fort.
"Ist er der schwarze Bote?" fragte Talon. Ganon drehte sich zu Nossai und packte ihn am Kragen.
"Ist er?" knurrte er.
"Ist er nicht!" fauchte Nossai: "Seine Stimme klang anders." Talon liess sichtlich den Kopf hängen und auch Ganons Blick zeigte Unmut. Nossai schluckte und schien etwas zu schrumpfen. "Aber ... aber das heisst nicht, dass er nicht genausoviel über die Frau weiss ..." wisperte er.
"Er hat Recht." brummte Impa: "Fragen wir Dakro also aus." Immer noch trug sie den genannten über der Schulter. Ganon liess den Rocaan einfach fallen und grinste die Shiekah an, bevor er Dakro bei den Haaren packte und ihm eine Ohrfeige versetzte. Der Anführer der Verborgenen zuckte zusammen.
"Was soll das?" knurrte er.
"Wo ist Kiora?" knurrte Ganon zurück.
"Als ich sie zuletzt sah, war sie auf der Farm." lächelte Dakro. Ganon zog die Brauen zusammen und wechselte dann einen Blick mit Impa, die Dakro dann einfach auf den Waldboden warf.
"Falsche Antwort." sagte Ganon ruhig und versetzte seinem Vater einen Tritt. Impa ging in die Hocke und sah Dakro an.
"Ihr kennt ihn nicht." sagte sie: "Ich rate Euch, ihm alles zu sagen, sonst bringt er Euch um."
"Die Familie ist den Gerudos das Wichtigste." murmelte Dakro: "Er lässt mich leben."
"Wenn Ihr meint ..." lächelte Impa und stand wieder auf. Ganon beschwor eine Feuerkugel in seinen Händen und sah Dakro durchdringend an.
"Entscheide dich, Leben oder Tod!" sagte er.
Dakro runzelte die Stirn und musterte ihn. Schliesslich gab er nach.
"Also gut." seufzte er: "Ich bekam den Auftrag, sie zu entführen."
"Von wem?" fragten Talon und Ganon zugleich.
"Er heisst Anveat." antwortete Dakro: "Mehr weiss ich nicht."
"Nicht?" fauchte Ganon: "Ganz sicher?"
"Er ist in der Stadt ..." brummte Dakro: "Aber mehr weiss ich wirklich nicht." Ganon lachte leise und stapfte Richtung Höhleneingang. Impa ergriff seinen Arm.
"Nicht jetzt!" knurrte sie. Ganon drehte sich betont langsam wieder zu ihr um und liess die Zähne blitzen.
"Wann dann?" fauchte er: "Ich habe ihn in der Stadt gesehen!" Impa schmunzelte.
"Nicht nur Ihr." sagte sie: "Ich habe ihn auch gesehen."
"Weshalb dann eine Verzögerung?" fragte er. Impa deutete mit der freien Hand auf den Rocaan, den Verborgenen und die Farmer. Ganon knirschte mit den Zähnen, er gab ungern zu, dass sie Recht hatte. "Also gut." knurrte er: "Bringen wir erst Talon und Malon in Sicherheit und die Gefangenen hinter Gitter." Impa hob ihre Brauen und lächelte zufrieden.
"Und wohin?" fragte sie: "Die Farm ist nicht sicher." Sie warf eine Dekunuss auf Nossai und Dakro. "Ich schlage das Lager der Kokiri vor." bemerkte sie.
"Ihr glaubt, Kinder könnten sie schützen?" knurrte Ganon mit einem spöttischen Unterton.
"Sie sehen aus wie Kinder." sagte Impa: "Doch viele der Kokiri sind viel älter als Ihr oder ich." Ganon wischte ihre Erklärung mit einer Handbewegung beiseite.
"Nein." bestimmte er: "Wir bringen sie in die Gerudo-Festung!" Impa grinste nun ihrerseits spöttisch.
"Wir wissen, dass die Verborgenen keine Probleme haben, in die Gerudo-Festung einzudringen." sagte sie und legte den Kopf schief. Ganon knirschte mit den Zähnen.
"Wer kann den Verborgenen entgegenstehen, wenn nicht die Gerudos?" fauchte er.
"Kokiri." sagte Impa: "Link, der Held der Kokiri, kann den Verborgenen entgegenstehen." Ganon runzelte verblüfft die Stirn. Dieser Junge, der ihn beim Lauschen erwischt und ihm das Schwert an den Hals gesetzt hatte.
Womöglich war Link sogar älter als Ganon! Die Kokiri sahen aus wie Kinder, aber sie waren es nicht.
"Also gut." seufzte Ganon: "Wir bringen sie zu den Kokiri." Impa nickte zufrieden.
"Gehen wir also." sagte sie. Talon hob seine Tochter auf das Pferd und stieg dann umständlich selbst auf, während Ganon Dakro ein Schwarzsilberarmband anlegte. Impa blickte in Sarias Richtung.
~Hört Ihr mich, Saria?~ fragten ihre Gedanken.
~Ja, Impa. Soll ich es Link erklären?~
~Ich bitte Euch darum.~ bestätigte Impa, worauf Saria davonhuschte und sich schliesslich fortteleportierte.
Link war Impas Bitte, Zelda zu den Kokiri zu bringen, gefolgt. Um Zeldas Verkleidung nicht zu gefährden, hatten sich die beiden Kinder auf ihrem Weg einen falschen Namen für Zelda ausgedacht. Bei ihrer Ankunft hatte Link Zelda dann als Impas Tochter Shiek vorgestellt.
Nun, als die Nacht hereinbrach, sassen die Kokiri an den Feuern und assen. Link teilte die Feuerstelle mit Mido, Tonia, Kadis und Shiek. Kadis, mit nur fünf Jahren der jüngste der Kokiri, rutschte hin und her und staunte die Fremde neugierig an.
"Hat deine Mama auch so rote Augen wie du?" fragte er: "Und die grauen Flecken, hat sie die auch?"
"Ja, die hat sie auch." sagte Shiek und nagte vorsichtig das Fleisch vom Knochen. Sie war die einzige, die sich nicht schon längst völlig angepatzt hatte, abgesehen von Link, der nur Brot ass.
"Link, worüber denkst du nach?" fragte Mido ihn.
"Ach nichts." seufzte Link. Er, wie auch alle anderen Kokiri, blickte auf, als mitten unter ihnen Saria erschien. Tonia sprang auf.
"Mutter!" rief sie und schloss Saria in die Arme. Saria erwiderte die Umarmung und wandte sich dann Link zu, der ebenfalls aufgestanden war.
"Hallo Saria." sagte er: "Das ist Impas Tochter Shiek."
"Hallo Shiek." grüsste Saria: "Link, ich muss mit dir reden." Sie wies mit einer Kopfbewegung aus dem Lager. Link nickte und ging los, dabei zog er Shiek am Arm mit. Saria folgte ihm. Schliesslich blieben die drei stehen.
"Du hast doch den König der Gerudos verfolgt." begann Link: "Was ist passiert?"
"Impa kam zu mir und wir folgten ihm gemeinsam." sagte Saria: "Sie sagte, dass Prinzessin Zelda die Weise des Lichts ist. Wo ist Zelda jetzt? Wir brauchen sie!" Link deutete auf Shiek. "Oh." murmelte Saria.
"Erzähl weiter!" bat Link.
"Der Rocaan führte Ganondorf zu einem Höhleneingang, der Gerudo ging hinein und Impa folgte ihm." erzählte Saria: "Sie kamen gemeinsam zurück, mit einem weiteren Gefangenen, einem Gerudo. Er gab zu, Kiora entführt zu haben, und er sagte, sein Auftraggeber sei noch in der Stadt hinter der Höhle."
"Der schwarze Bote?" fragte Link.
"Ich vermute es." nickte Saria: "Bevor Ganondorf und Impa zurück in die Stadt gehen, bringen sie Malon und Talon hierher in Sicherheit."
"Natürlich, das ist sinnvoll." nickte Link: "Wann werden sie ankommen?" Saria zuckte mit den Schultern.
"Im Laufe der Nacht, vermute ich." seufzte sie: "Fünf Stunden, vielleicht vier."
"Ich halte Wache." beschloss Link: "Was wirst du tun? Bleibst du hier oder beobachtest du Ganondorf weiter?" Saria blickte sehnsüchtig zu den Lagerfeuern.
"Ich bleibe." sagte sie.
Mit der Zeit wurde es ruhig, die Kokiri verschwanden in ihren Zelten und nur mehr vereinzelt war leises Schnarchen zu hören. Auch Shiek und Saria waren zu Bett gegangen, Link hielt mit Mido Wache. Die Zeit verging.
Ganon und Impa gönnten sich trotz der bewusstlosen Gefangenen über ihren Schultern keine einzige Rast auf dem Weg über die Steppe, immer wieder schleuderten sie Blitze nach Skelettdämonen, um Talon und Malon auf dem Pferd in Sicherheit zu halten. Der Farmer fühlte sich zwar nicht so recht wohl, doch Malon nickte immer wieder ein.
Ganon schuf ein violettes Siegel über den Fluss, das Pferd tat die Schritte über die Luft anstandslos, nur Talon spannte sich deutlich an. Impa legte ihre Last, Dakro, kurz ab und hievte ihn dann auf ihre andere Schulter.
"Wie geht es Eurer Schulter?" fragte sie Ganon.
"Danke, gut." sagte er und ging weiter. Impa folgte ihm schweigend den Flusspfad entlang und führte das Pferd am Zügel. Nach einiger Zeit wurde Ganon langsamer. "Ich rieche Rauch." sagte er.
"Kein Wunder." murmelte Impa: "Ich sehe Glut." Sie ging nun voran. Link im Lager der Kokiri hob den Kopf, er hörte etwas. Einen Augenblick später war er lautlos im Gebüsch verschwunden und schlich Impa entgegen.
"Link?" flüsterte Mido ihm verdutzt hinterher. Link sprang vor Impa aus dem Gebüsch und hielt sein Schwert bereit.
"Wer da?" fragte er. Navi umschwirrte Impa, Ganondorf und die beiden Farmer auf dem Pferd und machte sie dadurch deutlich sichtbar. "Ah, Impa!" lächelte Link: "Kommt Ihr um Eure Tochter Shiek zu besuchen?" Dann wandte er seinen Blick dem Gerudo zu. "Und Ihr?" fuhr er fort: "Ihr seid hier am falschen Ort, kehrt in die Wüste zurück!"
"Link!" unterbrach Impa: "Ich möchte Euch bitten, Talon und Malon bei Euch aufzunehmen. Sie sind nicht sicher."
"Natürlich." nickte Link: "Nur ihn wollen wir nicht im Lager haben." Er wies mit dem Kopf auf Ganon. "Und was ist mit den Mehlsäcken?"
"Die nehmen wir wieder mit." sagte Impa: "Nur Talon und Malon werden bleiben." Link drehte sich halb um.
"Mido!" rief er halblaut, worauf der genannte herbeischlurfte.
"Was denn?" Link lächelte die Farmer freundlich an.
"Bitte steigt ab, Mido bringt euch in ein Zelt." sagte er.
"Was?" murmelte Mido.
"Willst du ihnen ein Nest flechten?" fragte Link: "Na los, geh schon!"
"Dir ist der Held und Anführer zu Kopf gestiegen ..." brummte Mido und winkte Vater und Tochter, ihm zu folgen.
"Wie geht es Shiek?" fragte Impa mit dem eben erfahrenen Namen nach ihrer vermeintlichen Tochter.
"Gut." sagte Link: "Sie schläft, verträgt sich gut mit Saria und Tonia ... mit Mido eigentlich auch. Keine Sorge, hier passiert ihr nichts." Er trat näher zur Weisshaarigen und betrachtete ihren Gefangenen. "Und wer ist das?"
"Er heisst Nossai und wollte Talon und Malon umbringen." erklärte Impa: "Der andere heisst Dakro und ist eine verlogene Mannsfigur."
"Ah." murmelte Link: "Und was habt Ihr vor?"
"Wir ... entschuldigt Link, mir ist gerade etwas eingefallen." Impa runzelte die Stirn und liess ihren Gefangenen auf den Boden fallen, dann blickte sie zu Ganon. "Wenn wir mit den beiden in die Stadt zurückkehren, könnten sie befreit werden." sagte sie: "Wäre es nicht sinnvoll, sie ebenfalls hierzulassen?"
"Zu riskant." tat Ganondorf den Vorschlag ab.
"Wenn sie gar nicht erst zu Bewusstsein kämen?" fragte Impa.
"Hört, Schattenangehörige, Ihr habt mir nichts zu sagen!" knurrte Ganon und sie spürte einen Hauch Kälte: "Was sollen diese Kinder mit Gefangenen? Sie haben kein Gefängnis, womöglich noch nicht einmal ordentliche Fesseln!"
"Oh, bitte!" unterbrach Link: "Ich habe ganz sicher nicht gern Gefangene im Lager, aber ich möchte die Vermutung, wir könnten nicht auf sie aufpassen, ganz entschieden zurückweisen."
"Also wollt Ihr sie nun, oder nicht?" fragte Ganon. Link grinste.
"Wollen? Nein. Aber sie bleiben dennoch hier." erklärte er: "Und ich komme mit!"
"Kommt nicht in Frage!" schüttelte Impa sofort den Kopf.
"Das macht nichts." sagte Link: "Als Anführer der Kokiri entscheide ich das jetzt einfach. Ich hole Epona." Mit einer fliessenden Bewegung hatte er sein Schwert weggesteckt und war sogleich im Gebüsch verschwunden.
"Verhalten sich eigentlich alle Anführer so?" seufzte Impa. Ganon legte seinen Gefangenen wortlos auf den Boden neben Impas, dann war Link bereits wieder hier. Der junge Hylianer hatte Mido und Saria über sein Vorhaben unterrichtet und sich wieder über jeden Widerspruch hinweggesetzt. Die beiden Kokiri waren nun hier bei ihm und fügten sich in ihr Schicksal, sie würden die Gefangenen gut bewachen.
Ganon stieg auf sein Ross und Impa setzte sich hinter ihn. Link ritt voraus den Pfad hinab.
Als die drei wieder vor der Höhle ankamen dämmerte bereits der Morgen. Link stieg ab und sah sich um. Impa sprang ebenfalls vom Pferd und ging voraus in die Höhle, in ihrer Hand entzündete sie magisches Licht. Ganondorf und Link folgten ihr.
"Gestattet eine Frage!" bat Ganon den grünbemützten Jungen.
"Welche?" fragte Link hinter ihm.
"Wie alt seid Ihr?" fragte Ganon: "Ich hörte, die Kokiri seien älter als sie aussehen."
"Wir zählen die Jahre nicht." wich Link aus, sollte der Gerudo ihn ruhig für älter halten als er war. Vorne war bereits ein Lichtschimmer zu sehen und Impa wurde langsamer, Link griff nach seinem Schwert. Im Krater verbargen sich die drei sofort hinter struppigen Büschen und Ganon stellte verblüfft fest, dass der Junge sich trotz seiner grünen Tunika ausserordentlich gut verstecken konnte.
Leise schlichen sie, immer in Deckung, den Krater hinab in die Stadt. Impa bemerkte die sandfarbenen Matten als erste und ballte die Fäuste, violette Funken trafen die versteckten Kämpfer. Link huschte zu einigen Wäscheleinen und versteckte sich zwischen den aufgehängten nassen Stücken. Offenbar hatte niemand ausser den Kämpfern unter den Matten die Eindringlinge bemerkt.
Gerudos, allesamt männlich, gingen in der Stadt ihren Beschäftigungen nach. Eine Gruppe wusch Wäsche, andere trainierten ihre Kampffertigkeiten. Link sah auch zwei Männer, die eine Horde Kleinkinder hüteten. Mit einer Handbewegung signalisierte er Impa und Ganon, sich zwischen zwei Häuser zu begeben. Deckung gab es genug, Kisten und Fässer standen dort und keines der beiden Häuser hatte Fenster zu dieser Gasse.
Link ging voraus und spähte auf die breite Strasse, in die die Gasse wenig später mündete. Etliche Männer gingen dort verschiedensten Tätigkeiten nach, doch einer war kein Gerudo, hatte schwarze Haare und hellere Haut.
"Das ist er." murmelte Impa: "Wenn wir ihn halbwegs überraschen wollen, müssen wir auf die andere Strassenseite."
"Das habe ich nicht nötig!" schnaubte Ganon und rannte aus der Gasse. Nach einem Augenblick hatte er den Schwarzhaarigen erreicht, packte ihn und warf ihn heftig zu Boden. Impa folgte ihm langsamer, die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt und knisternde Funken in den Händen. Die Verborgenen blieben respektvoll fern, sahen aber dennoch angriffslustig aus.
Ganon warf sich seinen Gefangenen über die Schulter und lief zurück in die Gasse und Link hinterher, der schon den Rückweg sicherte und einige Gerudos bezwang. Impa machte den Schluss und schleuderte Blitze auf die Verfolger.
Diese Entführung war nun nicht gerade typisch abgelaufen, aber dennoch erfolgreich. Sie gelangten unbehelligt in die Höhle, Navi leuchtete sie aus, indem sie voranflog. Im Feenwald schliesslich liess Ganon den noch immer bewusstlosen Gefangenen auf den Boden fallen.
"Aufwachen!" knurrte er und stiess einen Fuss nach ihm. Der Schwarzhaarige öffnete grüne Augen und rutschte auf dem Erdboden rücklings vor Ganon davon, bis sich Impa ihm in den Weg stellte. "Euer Name?" fragte Ganon kühl.
"Anveat." murmelte der Gefangene.
"Sehr gut, Anveat." sagte Impa: "Seid Ihr der schwarze Bote, von dem wir schon so viel gehört haben?" Anveat wurde blass. "Ja? Das genügt als Antwort." lächelte Impa: "Warum habt Ihr denn Talons und Malons Tod befohlen?"
"Ich habe den Befehl nur weitergegeben!" knurrte Anveat.
"Und von wem kam er?" fragte Ganon eisig.
"Ja, das wüsstet Ihr wohl gerne." spottete Anveat. Der Gerudo bückte sich und packte ihn am Kragen, dann legte er ihm eine Hand auf die Stirn. Sollte Anveat doch spotten, Schmerz gab es genug für ihn! Impa verschränkte unterdessen ihre Arme und räusperte sich.
"Ich nehme an, Ihr könnt ihn das dann auch vergessen lassen." stellte sie fest.
"Schweigt!" donnerte Ganon sie an: "Ihr stört meine Konzentration!"
"Oh, ich kann warten." sagte Impa und hockte nieder. Sie hörte den schwarzen Boten leise murmeln und spitzte ihre Ohren.
"Vater ... der Vater hat es gesagt ..." wand sich Anveat.
"Und wie heisst Eurer Vater?" fragte Impa, Ganon verstärkte den mentalen Druck. Anveat murmelte wieder Unverständliches, Schattenangehörige und Gerudo horchten beide genauer hin.
"Er sagte Zilon." verstand Link, der etwas entfernt an einem Baum lehnte, als erster: "So heisst doch ...?"
"Der König!" knurrte Impa und sprang auf: "Das ist zuviel! So kann er nicht handeln!" Ganon knirschte mit den Zähnen und liess Anveat achtlos liegen, als er aufstand und zu seinem Ross trat. "Was habt Ihr vor?" rief Impa ihm hinterher.
"Es wird Zeit für den Besuch eines Königs beim König." fauchte Ganondorf sie an: "Wenn Ihr mir im Weg steht, werdet Ihr es bereuen."
"Ich bin nicht seine Dienerin." erklärte Impa kühl: "Ich diente immer nur der Prinzessin! Ich begleite Euch." Link verdrehte die Augen.
"Damit das klar ist." knurrte er: "Ich passe nicht auf diesen schwarzen Boten auf! Aber ohne Bewachung lassen können wir ihn auch nicht." Ganon schleuderte einen Feuerball auf Anveat, doch Link ging mit seinem Schwert dazwischen und lenkte das Geschoss nach oben ab. "So meinte ich das nicht, Ganondorf." fügte der Junge ärgerlich hinzu.
"Wir lassen ihn hier." bestimmte Impa: "Lasst ihn vergessen, Ganondorf!" Ganon blickte die Shiekah an und nickte langsam.
"Gut." sagte er und ging zurück zum Gefangenen. Aber woher wusste sie, dass er das konnte? Er legte seine Hand auf Anveats Stirn und konzentrierte sich. Der schwarze Bote schlief nun und würde sich nicht erinnern.
In der gehabten Reitkonstellation, Ganon und Impa auf seinem Pferd, Link auf Epona, ritten sie hinab in die Ebene. Aber Impa hatte niemals vorgehabt, Anveat freizulassen. Sie schloss die Augen.
~Kirá, ich brauche Eure Hilfe.~ riefen ihre Gedanken.
~Wie kann ich helfen?~ fragte die Priesterin: ~Soll ich zu Euch kommen?~ Impa verneinte heftig.
~Bloss nicht! Aber oben, von wo wir eben kamen, liegt ein Bewusstloser, ein Gefangener.~ erklärte sie: ~Bringt ihn zu den Kokiri.~ Kirá lächelte und nickte. Impa öffnete ihre Augen wieder.
"Ich vermute, Ihr wart für die merkwürdigen Ohnmachtsanfälle im Schloss verantwortlich." bemerkte sie dann: "Wohin wolltet Ihr so ungesehen?"
"Zur Prinzessin." sagte Ganon: "Ich holte von ihr die Okarina der Zeit."
"Die Hymne wisst Ihr von mir." fuhr Impa fort: "Und ich vergass, dass ich sie Euch gab."
"Das ist richtig." bestätigte Ganon. Wieso war sie nicht wütend auf ihn? Wieso liess sie keine Blitze über ihn zucken oder stiess ihn auch nur vom Pferd?
Inzwischen erschien Kirá am Eingang der Höhle und blickte auf Anveat hinab. Bevor sie jedoch ihren Teleporter erschaffen konnte, traten mehrere Gerudos an sie heran, ein Schwert berührte ihre Kehle.
"Wer seid Ihr?" fragte einer.
"Kirá." sagte sie und sah ihn durchdringend an: "Wollt Ihr einer Weisen im Weg stehen?"
"Kommt darauf an." sagte er: "Was wollt Ihr?" Kirá wies auf den Bewusstlosen. "Dann, ja." nickte der Gerudo: "Wir wollen einer Weisen im Weg stehen, er gehört zu uns."
"Ihr könnt mir nicht im Weg stehen." brummte Kirá verärgert und hielt kurzerhand die Zeit an. Sie duckte sich unter dem Schwert durch, legte eine Hand auf Anveat und schuf und aktivierte den Teleporter.