Etwas großes erwartet uns - Fanfictions
Prolog: Die Quelle der Wünsche

Es war tiefste Nacht im Mondtal, gelegen im Süden von Dabana. Weite Wiesen, grünes Gras - durch den Wind sanft gestreichelt - und die gigantischen Felsbrocken, von denen bisher niemand weiß, woher sie stammen. All diese Aspekte gaben der Landschaft eine unverwechselbare Note.
Seit Jahren erzählte man sich im Volk eine Legende. Vor vielen tausend Jahren stand das Land, welches damals - Gerüchten zufolge - noch einen völlig anderen Namen trug, kurz vor der Vernichtung. Denn eine unglaubliche Macht enfesselte die Mächte der Zerstörung und vernichtete so das gesamte Reich. Nur einige Funken Hoffnung, entstanden aus den tiefsten Wünschen eines Jungen, konnten überleben und generierten eine neue Welt - eine, die ohne Kriege und Vernichtung lange überdauern sollte. Angeblich gab es Sekten, die versuchten, mithilfe von schwarzer Magie diese Welt zu opfern, um das Reich der Vergangenheit wieder aufleben zu lassen. Doch derjenige, dessen Mut und Stärke dem des Helden aus vergangenen Zeiten ebenbürtig waren, verhinderte nur knapp die Zerstörung Dabanas und zerschmetterte die Macht der dunklen Rebellen. Doch einer von ihnen entkam knapp der Zerstörung seines Reiches. Er floh nach Ricodum, der größten Stadt in ganz Dabana. Sein Plan war und ist noch immer, das Böse wieder zu erwecken. Doch diesmal hat er nicht nur einen Plan und seine Lakaien - diesmal hat er die Macht der Wünsche auf seiner Seite.
Diese Macht, manifestiert in einem uralten Artefakt, soll ihm seinen lange gehegten Wunsch - die Erneuerung der Mächte des Bösen - erfüllen.
Wird es ihm diesmal gelingen? Kann es wirklich sein, dass das Böse aus den Tiefen der Hölle wieder aufersteht und erneut Unheil verbreitet? Ist es diesmal überhaupt möglich, den Umschwung zu verhindern? Wir werden es erfahren...

Kapitel 1: Chijos Nebenjob


Die Sonne stand hell leuchtend am wolkenlosen Himmel und tauchte ganz Dabana in ein friedliches Licht. Ricodum, die Stadt, in der Mitte, die Wüste im Osten, das Meer im Norden, im Westen die Wälder und im Süden die weiten Täler - die Natur war harmonisch und ausgeglichen. Es war kaum möglich, sich dem Griff der Sonne zu entziehen - man musste einfach nach draußen. Die Menschen unternahmen Wanderungen und Reisen, viele Attraktionen für neugierige Besucher an allen Ecken des Reiches.
Doch wenden wir uns dem Westen zu - genauer gesagt, dem Schattenwald, zu. Hier steht ein junger Mann mit kurzen, braunen Haaren an einen Baum gelehnt und wackelt gelangweilt mit dem Kopf hin und her. Plötzlich kommen aus dem Dickicht einige kleine Kinder gesprungen und schreien laut "BUUH!!!" Der Junge schreckt auf und fällt fast zu Boden vor Angst. Doch dann fängt er sich wieder und ermahnt die Kinder eindringlich, ihn nicht nicht ständig zu erschrecken. Daraufhin verschwinden die Kinder wieder.
Der Junge heißt Chijo, und der einzige Grund, warum er sich mit kleinen Kindern herumschlagen muss, ist der, dass es sein Ferienjob ist, auf sie aufzupassen. Chijo hatte das Angebot nur angenommen, weil er unbedingt Geld brauchte, um den Eintritt in den neu erbauten Freizeitpark im Norden von Dabana zu bezahlen. Er war erst kürzlich erbaut worden und bot sehr gut Attraktionen - allerdings hatten die auch ihren Preis. Eine Person musste stolze 50 Coins bezahlen, um für einen Tag hineinzukommen. Chijo bekam für jeden Tag, an dem er die Kinder als Aufsicht beim Spielen begleitete, 5 Coins. Allerdings wollte er 2 Tage in den Park, daher war es unumgänglich, diese verzogenen Bengel aus einer der besseren Familien von Ricodum noch einige Zeit zu ertragen. Chijo rechnete kurz einmal nach: er hatte bereits 9 Tage hinter sich gebracht, also bereits 45 Coins verdient. Erst die Hälfte der Zeit, die er benötigte, um an genug Geld zu kommen, war vorbei. Noch 11 Tage, dann waren die 100 voll.
Er schaute auf seine Uhr und stellte fest, dass es bereits Abend wurde. Mit einem lauten "Kommt her!" holte er die Kinder zu sich und ging mit ihnen zurück in Richtung Stadt. Es war an der Zeit, sich seinen Lohn abzuholen.
In Ricodum angekommen, klingelte er an einer pompösen Villa und ein grauhaariger, bösartig blickender Mann öffnete. Er sagte kurz "Hier", gab Chijo 5 Coins und ging mit den Kindern ins Haus. RUMMS!! Die Tür zugeschlagen und Chijo stand alleine in den Straßen. Langsam ging er nach Hause. Der Familienvater mit dem kalten, gefühllosen Blick war ihm von Anfang an unsympathisch. Aber es musste sein - woher sollte er das Geld sonst nehmen?
Chijo war nun endlich an seinem Haus angekommen, öffnete langsam die knarrende Holztür und trat ein.

Kapitel 2: Die alten Legenden

Chijo hatte schon genug Probleme, auf die Kinder aufzupassen, doch es sollte noch schlimmer kommen. Im Norden Dabanas, direkt am Ozean, erhebt sich, majestätisch und unantastbar über allem, das Riesenrad des Vergnügungsparks. Die leeren, beleuchteten Gondeln drehen sich, verwaiste Karusselle fahren und die Lampen brennen. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man vermuten, es gäbe hier nur unsichbare Gäste. Doch das stählerne Tor war verschlossen, es war tiefste Nacht. Niemand war dort. Niemand?
Am östlichen Ende des Parks stand eine gigantische Burg, in die man hineingehen konnte, um sich erschrecken zu lassen. Doch jetzt brannte nur im obersten Turm Licht. Hier, in einem prunkvollen Saal, ging ein junger Mann ohne Pause auf und ab. Seine langen, schwarz-silbernen Haare ließen ihn wild und angriffslustig wirken, genau wie die imposante, schwarze Rüstung, an der in einer reich verzierten Halterung ein langes Schwert steckte. Langsam und gemächlich ging er von einer Ecke des Raumes zu anderen und murmelte leise Sätze wie "Wann kommt er nur?" und "Dieses Mal..." Dann drehte er sich zur Nordwand um und schaute sie sich an. Hier prangte ein kompliziert geschriebenes "S", welches er fasziniert anstarrte.
Auf dem Schreibtisch lagen viele, altertümliche Bücher und Karten, darunter auch das Buch "Legenden". Es war die Seite 504 aufgeschlagen, auf welcher der Autor von der Legende um das Reich, in dem die Kräfte der Götter existieren, erzählt. Der Mann geht zum Schreibtisch und liest einige Zeilen leise vor: "Man erzählt sich, dass der Ursprung aller göttlichen Kraft ein wertvolles, aus mehreren Einzelteilen bestehendes Relikt war. Es sollte für Frieden im ganzen Land sorgen. Doch als es mit seinem dunklen Pendant vereint wurde, war das Schicksal der gesamten Welt besiegelt. Die Mächte des Bösen stiegen vom Himmel herab und zerstörten innerhalb kürzester Zeit alles Leben. Nur dem guten Willen und der Hoffnung eines mutigen Kämpfers war es zu verdanken, dass sich aus der Zerstörung eine neue Welt erhob - das heutige Dabana."
Er klappte das Buch wieder zu und schaute zum Fenster heraus. Der Burgturm war so hoch, dass er fast das gesamte Königreich überblicken konnte. Irgendwo mussten sie sein... Die, welche zusammen in der Lage sind, dass zu bewerkstelligen, was niemand sich je hätte träumen lassen. Plötzlich riss jemand die Tür zum Saal auf und stürmte hinein: ebenfalls ein junger Mann, jedoch komplett weiß gekleidet. Um seinen Hals baumelte ein schimmerndes Amulett in Form eines Halbmondes. Er lief aufgeregt zum anderen, packte ihn am Kragen und flüsterte aufgeregt: "Ich habe sie gefunden." Der Mann in Schwarz stieß den anderen von sich. "Hey, ganz ruhig. Was hast du denn Tolles gefunden, dass du gleich so ausrastest?"
Der Weißgekleidete erzählte langsam: "Tja... Du wirst es nicht glauben. Ich habe es endlich geschafft. Nach 6 Jahren... ich habe sie gefunden. Alle!!!" "Was?!?" Der Mann in Schwarz erschrak kurz, doch dann beruhigte er sich wieder und fragte leise: "Alle? Wirklich?" "Ja, alle, wirklich. Es war ein guter Schachzug der Götter. Ich hätte ja jeden im Verdacht gehabt, jedoch bestimmt nicht die, welche es wirklich sind. Jedes Jahr habe ich einen von ihnen gefunden. Nun ist die Riege komplett. Ich werde sie mir holen... Und dann... wird das Ritual erneut durchgeführt. Und das Reich wird überzogen... VON EWIGER FINSTERNIS!!!!!!!"

Kapitel 3: Düstere Pläne

"Ich sagte dir doch - nicht gleich ausrasten. Noch haben wir keinen der sechs." Der schwarzgekleidete Mann wirkte ruhig, sein Gegenüber jedoch war aufgeregt, man konnte in seinen Augen fast schon sehen, dass etwas Besonderes bevorstand. Er ging schnellen Schrittes zum Schreibtisch und schlug das Buch "Legenden" wieder auf. "Es ist bald soweit. Nur noch eine Frage der Zeit, bis alles wieder so wird, wie es sein soll..." "Du redest, als sei schon alles sicher und erledigt. Hast du vielleicht vergessen, dass dein Vorhaben bereits einmal jäh gestoppt wurde - von einem Kind!!" Der Mann in Weiß drehte sich wütend um. "Dieses 'Kind', wie du es nennst, ist einer der sechs, die uns zum Sieg verhelfen werden. So oder so, es wird kommen, wie ich es will... wie wir es wollen..."
"Pah! Du vergisst, dass unser Versteck hier nicht gerade das sicherste ist. Ich hätte eine Höhle oder eine fliegende Festung vorgezogen."
Der Weißgekleidete schüttelte langsam den Kopf. "Nein, alles viel zu auffällig. Ich habe diesen Park eröffnet, weil es absolut unverdächtig ist. Denn wenn die Legenden stimmen, haben die Sechs ein Gespür für böse Pläne. Doch hier würde kein vernünftiger Mensch nach bösen Mächten suchen. Nicht in einem Freizeitpark!" "Ich erinnere dich nur ungern immer wieder daran: deine Pläne sind bereits fehl geschlagen. Ich weiß nicht, woher du deine Motivation nimmst."
Der Mann in Weiß lehnte sich an die Wand. "Mein Reich war nicht in dieser Welt. Die Mächte des Guten brachten die Sklaven dazu, mir nicht zu gehorchen. Gefoltert, Problem gelöst. Die Mächte des Guten brachten diesen Jungen. Besiegt, Problem gelöst - sollte man meine. So oder so, das Gute brachte nichts als Unheil mit sich. Doch das Böse bringt etwas anderes. Etwas ganz und gar anderes. Mich gelüstet es nach diesem Bösen. Wenn die Sechs vereint sind, kehren sich die Mächte des Guten ins Gegenteil um und das Böse steigt vom Himmel herab. Ich - nein, WIR werden dieses Böse kontrollieren."
"Übernimm dich nicht. Du weißt nicht, ob du überhaupt die Kontrolle hast. Diese Mächte haben eine ganze Welt ausgelöscht. Und DU willst sie unter Kontrolle halten? Mach es dir nicht zu einfach, Rez..." "Nicht solche Worte!!! Pass auf, mein Guter... Wenn das Böse erscheint, werden wir das Artefakt in Händen halten und so die Macht haben!! Verstehst du? MACHT!!!"
"Wenn du es so siehst... Ich werde gehen, um einen der Sechs zu holen. Bis dann." Der Schwarzgekleidete ging zur Tür raus.

Kapitel 4: Der Angriff

Wir befinden uns im Armenviertel von Ricodum. Hier, in einer kleinen Hütte, lebt das 12-jährige Mädchen Vivian mit ihrer Familie. Seit ihr Vater seine Arbeit in der großen Schmiedefabrik verlor, waren sie dazu verdammt, mit bescheidensten Mitteln über die Runden zu kommen. In dieser Nacht gab es keine Wolken am Himmel, der Mond schien hell auf das Land.
Vivian lag unruhig in ihrem Bett. Der Tag war wie jeder andere gewesen - aufstehen, arbeiten, kaum Geld bekommen, wieder einschlafen. Doch in jener Nacht beschlich sie ein seltsames Gefühl. Es schien fast, als wüsste sie tief in sich genau, dass sich ihr Leben bald schlagartig ändern würde. Doch sie konnte sich dieses Gefühl nicht erklären. Armut und Elend, mehr würde sie ihr ganzes Leben lang nicht sehen. Es war, als sei sie gefangen und eine Stimme flüstere ihr zu, sie solle das Gefängnis verlassen. Obwohl sie nicht an den Schlüssel herankommt. Unruhig wälzte sie sich im Bett hin und her. Ihre ungepflegten, langen, blonden Haare hingen teilweise auf dem staubigen Holzfußboden. Plötzlich hörte sie ein Geräusch. Nein, kein Geräusch. Es war vielmehr eine Melodie. Sie ging zum Fenster und blickte hinaus auf die vielen, kleinen Hütten. Die Melodie wurde lauter. Sie summte leise mit.
"Hmmmm, hm-hmmm,hm-hm-hmmmm,hmmm-hmm." Die Melodie kam ihr vertraut vor, obwohl sie sich sicher war, sie noch nie in ihrem ganzen Leben gehört zu haben. Plötzlich hörte sich ein leises Knarzen und drehte sich schnell um. Im Schatten des Dachgebälks stand jemand. Er trat hervor - ein junger Mann, gekleidet in eine schwarze Rüstung. Seine schwarz-silbernen Haare glänzten im Mondlicht. Er ging langsam auf Vivian zu und streckte seine Hand nach ihr aus. Sie schrie laut, doch er hielt ihr die andere Hand vor den Mund. Ein gezielter Schlag in den Nacken, und sie wurde ohnmächtig. Der Mann nahm sie auf seinen Rücken und sprang mit ihr zum Fenster heraus. Unter seiner Rüstung hing eine Okarina. Schnell rannte er durch die Straßen und war plötzlich in der Dunkelheit verschwunden.
Der nächste Morgen: Chijo schlenderte über die Einkaufsstraße von Ricodum. An einem Laternenpfahl angeschlagen, sah er ein Schwarzweiß-Foto und darunter die folgenden Zeilen:
"WIR SUCHEN UNSERE TOCHTER. SIE IST 12 JAHRE ALT, HAT LANGE, BLONDE HAARE UND EINE SCHLANKE FIGUR (SIEHE AUCH FOTO)!!! WER SIE GESEHEN HAT, MÖGE SICH BITTE MELDEN BEI FAM. DAGAL - ARMENVIERTEL VON RICODUM!!!"
Chijo dachte kurz nach. Das Mädchen auf dem Foto kam ihm bekannt vor. Doch er hatte jetzt keine Zeit, sich darum zu kümmern. Irgendjemand würde sie schon finden - wahrscheinlich war sie nur weggelaufen. Er ging ruhig weiter zu seinem Arbeitgeber, um die Kinder abzuholen. Ihm grauste es jetzt schon vor diesen eingebildeten Kleinkindern...

Kapitel 5: Kentaro

Es war Abend geworden und Chijo hatte die Kinder - wie jeden Tag - zu ihren Eltern zurückgebracht. Langsam, aber sicher fragte er sich, ob diese Tortur ihren Lohn überhaupt wert ist. Doch er wollte unbedingt in diesen Park und kein noch so dummes Kind mit Mehrwertkomplexen würde ihn davon abhalten. Er trottete durch die dunklen Seitengassen - es waren gute Abkürzungen - in Richtung Zuhause. Doch dann hörte er von oben ein Geräsuch. Jemand stand auf dem Dach und schien Ausschau zu halten. Chijo duckte sich und kletterte, zwei Häuser weiter, langsam die Leiter hoch, welche eigentlich für die Schornsteinfeger gedacht war. Der Mann, welcher dort stand, schien ihn noch nicht bemerkt zu haben.
Chijo schlich langsam in seine Richtung, immer darauf Acht gebend, nicht von den rutschigen Dächern herunterzufallen. Als er nur noch wenige Schritte entfernt war, drehte der Mann sich schnell um und nur ein schnelles Ducken bewahrte Chijo davor, von einem langen Schwert aufgespießt zu werden. Der Mann, der durch seine pechschwarze Rüstung in der Nacht fast nicht zu erkennen war, packte Chijo schnell am Hals und hielt ihn vor sich.
"Wie nett von dir..." Chijo war verwirrt. Wieso "nett"? Er fragte "Was meinst du damit?" "Damit meine ich, dass du mir mit deiner Anwesenheit eine langwierige Suche ersparst." "Aber was willst du bloß von mir?" "Tja... Es wäre zu früh, dir meine Pläne zu verräten. Doch wenn du jetzt brav mitkommst, könnte ich mich doch vielleicht überwinden und dir alles erklären. Abgesehen davon... Du kannst dich sowieso nicht wehren. Der Mann würgte Chijo und er bekam keine Luft mehr. Ihm wurde schwarz vor Augen...
"Na, wachst du endlich auf?" Chijo schlug langsam die Augen auf. Alles war so verschwommen... Er schüttelte einmal den Kopf und sah dann, wo er war: in dem Park, in den er unbedingt hineinwollte. Allerdings in einer denkbar ungünstigen Position. Er war gefesselt auf der ebenen Überdachung des Riesenrads. Und vor ihm stand der Mann in Schwarz. Chijo bracht nichts anderes heraus als "Wer... bist du und was soll... das?" Der Mann überlegte kurz und antwortete dann: "Ich bin Kentaro. Und was das Ganze soll, dass kann dir dein alter Freund hier besser erklären..." Kentaro trat zur Seite. Und schon blickte Chijo in die Augen des Mannes, der in seinen Augen absolut verrückt war. Die weiße Kleidung, die weißen Haare und das Mondamulett... Alles war so wie vor 6 Jahren. "Du??? Aber.. wie hast du das überlebt?" Der Mann antwortet leise: "Tja, das wüsstest du wohl gerne... Ich werde es dir gern erklären - doch jetzt ist nicht der passende Zeitpunkt dazu. Ich kann nur soviel sagen: diesmal geht mein Plan auf. Dann gibt es nur noch zwei Herrscher über diese gesamte Welt. Kentaro und mich - Rezor!!!"
Chijo konnte es nicht glauben. Dabei war er sich sicher, dass Rezor mit seinem surrealen Reich untergegangen war. Doch dem schien nicht so. Was nun? Er war gefesselt und diese beiden hatten wahrscheinlich etwas vor, dass die Existenz von Dabana aufs Äußerste bedrohen würde...
Unten im Park, im Schatten einer Würstchenbude, stand eine junge Frau. Sie schaute auf das Riesenrad und verschwand dann in der Dunkelheit...

Kapitel 6 - Das Relikt

Chijo war gefesselt auf der Spitze eines Riesenrads und vor ihm stand Rezor und blickte zufrieden in den nächtlichen Himmel. Alles war bisher zu seiner Zufriedenheit verlaufen. Jetzt war es endlich an der Zeit, Chijo über alles aufzuklären. Er ging zu ihm und packte ihn am Hals. Chijo fühlte sich, als würde er ersticken. "Du widerliches kleines Kind hast mich lange genug geärgert! Aber hier ist für dich Schluss. Du bist ab jetzt nur noch Teil eines großen Ganzen." Chijo war verwirrt. "Was meinst du damit?" "Immer diese dummen Fragen... Kannst du dich eigentlich nie damit abfinden, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie sind? Unbelehrbar. Ts, ts..."
Ein kühler Wind wehte um Chijos Nase. Sein Erzfeind stand da und redete wirr, ohne auf den Punkt zu kommen. "Jetzt sag schon, worum es geht!" Rezor ließ Chijos Hals los und machte eine beruhigende Geste. "Bleib locker. Für dich gibt es sowieso keinen Grund zur Aufregung. Die Sache ist so gut wie erledigt. Einmal hast du es fertiggebracht, die Wiedererweckung des Bösen zu verhindern. Doch das werde ich dir nicht noch einmal durchgehen lassen..." Chijo war es genug: "Jezt rede schon, du Idiot!!"
Rezor hob den Zeigefinger. "Nicht so böse. Möchtest du, dass der Rezor weint? Nein, Spaß beiseite. Wir sind nicht zum Witze erzählen hier. Da du so schrecklich neugierig bist wie eh und je, werde ich dir nun alles erklären. Dieser sympatische Kerl in Schwarz heißt Kentaro. Er und ich, wir haben einen - mit Verlaub - unschlagbar guten Plan. Denn das Böse kann auch anders erweckt werden. Ich habe es selbst in einem Buch gelesen." "Du kannst lesen?"
Rezor trat Chijo in den Magen. "Werd bloß nicht frech!! Ich mache mir nicht die Mühe, meinen Plan mit allen Details zu erzählen, nur, damit du mich beleidigst. Also, in jenem Buch stand geschrieben, dass es damals sechs Auserwählte gab, die vereint sein mussten, damit das Böse vom Himmel herab steigt. Diese Auserwählten haben Nachfahren, und Kentaro verfügt über die Gabe, sie alle zu finden. Wir halten sie erst einmal in diesem Vergügungspark gefangen, den wir extra zu diesen Zwecken aufgebaut haben. Die nötige Kohle - tja, wenn man die Hypnose beherrscht wie Kentaro, tun die Leute halt für einen. Vor allen die reichen Säcke drücken viel Geld ab. Hehe..."
"Du redest ununterbrochen und bist noch immer nicht auf den Punkt gekommen..." Chijo wurde es langsam zu blöd. Doch nun schien Rezor endlich zum Wichtigsten zu kommen. "Ich weiß aus Erfahrung, dass Pläne noch scheitern können, obwohl sie eigentlich schon längst ausgeführt sind. Nun ja, dieses Mal habe ich vorgesorgt. Ein weiteres Buch besagt, dass im Mondtal ein altes Relikt existiert, welches dem Besitzer all seine Wünsche erfüllt. Ich könnte mir natürlich einfach wünschen, Dabana zu regieren, aber das wäre zu langweilig. Ich will sehen, wie deine Augen sich weiten, wenn Dabana terminiert und Hyrule wiederbelebt wird! Mit diesem alten Relikt habe ich die Kontrolle über das Böse und werde es nach meinen Wünschen lenken."
"Und was ist mit Kentaro?" "Der? Ach ja, der bekommt auch was. Aber nicht zu viel. Soviel hat er auch wieder nicht geleistet." Rezor holte aus seiner Seitentasche einen Stab, dessen Spitze einem Stern ähnelte. Es strahlte eine wohlige Wärme aus. "Dieses Ding wird mich zum Herrscher über Leben und Tod machen!!!"
Chijo ließ das Ganze unbeeindruckt: "Selbst wenn du die restlichen Auserwählten findest - so, wie ich dich kenne, läuft mit Sicherheit wieder etwas schief." Das hörte Rezor nicht gerne. Er nahm Chijo und sprang mit ihm runter auf den Boden. Dann ging er in Richtung des Geisterschlosses. Chijo schüttelte den Kopf. "Ein Freizeitpark ist ein wenig originelles Versteck." "Es ist nur ein Stützpunkt. Du ahnst ja nicht, was ich noch so alles in der Mache habe... Selbst, wenn du dich befreien solltest: deine Chancen sind prozentual im Minusbereich. Tja, schade... Diesmal gibt es kein Zurück. Dabanas Ende ist gekommen und das Reich der Vergangenheit wird zurückkehren..."
Chijo ließ sich von Rezor durch die Hallen des Spukschlosses zerren. Er wusste nicht recht, was ihn noch alles erwarten würde.
Inzwischen stand auf dem höchsten Punkt der Achterbahn jemand. Im schwachen Licht erkannte man die hautenge, blaue Kleidung, die dazu noch ziemlich knapp gehalten war. Sie lächelte kurz, um dann in der Dunkelheit zu verschwinden.

Kapitel 7 - Alte Freunde

Chijo wurde von Rezor gewaltsam durch die Gänge gezerrt, als wollte er nicht eine Sekunde mehr verschwenden. Schlußendlich standen sie vor einer großen Wendeltreppe. "Da geht es hoch," sagte Rezor leise. Chijo war gefesselt und konnte sich nicht wehren, deshalb ging er bereitwillig mit.
Als sie dann oben angekommen waren, erblickte Chijo gleich das junge Mädchen, welches an einen Stuhl gefesselt in der Ecke des Saales saß. Rezor wuchtete Chijo in Richtung des Mädchens auf den Boden. "Lernt euch erstmal kennen. Chijo - das ist Vivian. Ebenfalls eine der Sechs." Vivian blickte Chijo an. Ihre Augen waren glänzend blau, fast wie ein wolkenloser Himmel. Doch Rezor unterbrach den Blickaustausch rüde: "Verdammt, ihr sollten euch nicht so dumm angucken!!! Schließlich habe ich euch nicht gefangen genommen, damit ihr hier eine Beziehung aufbaut!!" Chijo warf ihm einen bösen Blick zu. Dieser Rezor war wirklich unerträglich.
Wenigstens schien er nun endlich gehen zu wollen. "Ich muss jetzt weg. Aber da ich weiß, dass ihr Gefahrgut seid, werde ich euch besser bewachen lassen." Er holte das Relikt aus der Tasche und schwang es einmal in der Luft. Mitten im Raum materialisierte sich etwas: und es war ziemlich groß. Zuerst konnte man kaum etwas erkennen, dann wurde die Gestalt jedoch immer deutlicher. Nun stand dort ein muskulöser Kerl mit einer gigantischen Axt, der äußerst grimmig drein schaute. "Bis bald, ihr Lieben. Und nicht rumknutschen." Mit diesen Worten verschwand Rezor durch die große Tür.
Vivian flüsterte Chijo leise zu: "Hier kommen wir nicht raus. Der Kerl schreckt vor nichts zurück." "Das habe ich schon öfters feststellen müssen." Chijos Antwort war erstaunlich kühl und ruhig. Er schaute nach oben zum Fenster. Dort stand jemand und schaute sie an. Der Wächter hatte den ungebetenen Gast noch nicht bemerkt, da passierte es: ein schneller Sprung, der Wächter wird aufmerksam und will angreifen. Ein Peitschenknall, und er liegt am Boden. Das Zucken eines Schwertes, spritzendes Blut. Die Axt liegt neben dem toten Wächter am Boden.
"Wer ist das?" Vivian war verwirrt. Die junge Frau in den engen blauen Kleidern steckte ihr blutverschmiertes Schwert wieder ein, ging auf Chijo zu und löste seine Fesseln. Chijo stand auf, reckte sich. Währenddessen wurden auch Vivians Fesseln gelockert. Chijo schaute seiner Retterin in die Augen. "Wir kennen uns ja noch, nicht wahr?" Die Frau klopfte ihm auf die Schulter. "Baby, dich muss man auch ständig aus solchen Situationen reten. Wenn das so weitergeht, streike ich irgendwann noch." Vivian konnte es nicht fassen: die beiden kannten sich? "Wer ist diese Frau überhaupt?" Chijo drehte sich um und sagte, mit einem Unterton der Hoffnung in der Stimme: "Das... ist Maron!"

Kapitel 8: Kein Ausweg?


Maron zeigte auf die Tür: "Die kriege ich nicht auf." Chijo trat vor. "Das mach ich schon! Einfach aufbrechen." Er rannte mit dem Ellbogen nach vorne auf die Tür zu, doch plötzlich wurde sie geöffnet! Chijo konnte nicht mehr stoppen und rammte Kentaro den Ellbogen mit voller Kraft in die Eisenrüstung. Kentaro wich zurück, packte dann Chijo und warf ihn zu Boden: "Fliehen?? Von wegen! Ich habe noch einiges mit euch vor. Aber... wie seid ihr überhaupt von den Fesseln losgekommen?"
Maron trat vor. "Das war ich. Komm, Chijo. Den erledigen wir doch mit links." Chijo und Maron stellten sich Kentaro entgegen. Blitzschnell griff Chijo von rechts an und griff Kentaro an. Der versucht sofort sich zu wehren. Sekunden später näherte sich Maron von der Seite und schlug ihn von hinten nieder: Kentaro ließ von Chijo ab und ging zu Boden. Er war bewusstlos. "Komm her," rief Chijo Vivian zu. Sie lief zu ihm und die drei gingen mit schnellen Schritten die lange Treppe herunter.
Sie waren in den dunklen Hallen angekommen. Chijo schritt vorsichtig voran - es herrschte eine wahrlich beklemmende Atmosphäre. Chijo versuchte krampfhaft, sich an den Weg zu erinnern, den Rezor eingeschlagen hatte. Doch sein Gedächtnis war wie ausgelöscht. Dann erblickte er hinter einer Wand einen Aufzug. Spontan drückte er auf den Knopf und die Eisentür öffnete sich. "Hier rein!" Alle quetschten sich in die enge Kabine, die Tür schloss sich. Chijo schaute sich die einzelnen Tasten an. GWU, E, WO, NWO, GWO... Hätte man nicht einfach die Zahlen der Etagen draufschreiben können? Chijo drückt spotan auf die GWO-Taste, in der Hoffnung, auf irgendeinem Weg in das Erdgeschoß zu gelangen. Der Aufzug setzte sich langsam in Bewegung.
Nach einiger Zeit hielt das Ding mit einem lauten Quietschen. Die Eisentür öffente sich und sie gingen raus. Hier war ein großer, leerer Raum, über den man ans Tageslicht gelangte. Chijo rannte sofort in Richtung des langsam wieder heller werdenden Himmels. Doch was war das?
Chijo stand auf einem Balkon! "Verdammt! Wir sind auf einem Turm gelandet!! Dieser verdammte Aufzug... Können die den nicht ordentlich beschriften, Zefix noch mal!!"
"Warum? Das versteht doch jeder." Chijo schaute sich erschreckt um. Dort stand doch tatsächlich Rezor, der Vivian und Maron mit einem Messer bedrohte. Chijo war schockiert: dieser Rezor war unberechenbar. Man wusste nie, was er vorhat. Chijo fragte noch einmal neugierig: "Was bedeuten denn nun die Schriftzüge im Lift?"
Rezor lächelte nur einmal süffisant. "Willst du's wirklich wissen? Hähä..."

Kapitel 9: Kampf in der Morgendämmerung

Rezor lächelte noch immer. "Du hast die GWO-Taste gedrückt. GWO heißt nichts weiter als Ganz Weit Oben. Aber wie soll man von einem Volltrottel wie dir erwarten, so etwas zu begreifen... Egal, ich will nicht lange drumherum reden!!" Er versetzte Maron mit dem Messer eine Wunde am Hals, woraufhin sie in die Knie ging. Es begann sofort zu bluten. Doch Rezor wandte sich Chijo zu, der noch immer auf dem Balkon stand. Hinter ihm erhob sich langsam, aber sicher die Morgensonne. Jetzt war es einmal wieder soweit: die beiden Erzfeinde standen sich gegenüber!
Rezor schnellte auf Chijo zu, der mit einer Rolle seitwärts auswich und sich schnell hinter Rezor positionierte. Bevor der sich umdrehen konnte, verpasste Chijo ihn einen Tritt in den Rücken, worauf Rezor auf den Balkon stolperte. Chijo rannte ihm sofort hinterher, doch sein Gegner vollführte einen Salto rückwärts und stand wieder hinter Chijo. Aus der Luft heraus beschwor ein Schwert. Chijo war begeistert: so etwas war Rezor also möglich? Dann war er diesmal vielleicht ein wesentlich härterer Gegner als damals in seinem Königreich.
Doch Chijo blieb keine Zeit, lange zu überlegen. Er musste einem Stichangriff ausweichen, indem er Rezor unter den Beinen durchschlitterte und ihn so von den Füßen holte. Rezor fing sich mit einem schnellen Handstand und Salto nach vorne ab, schnellte herum und schleuderte viele kleine Dolche auf Chijo. Er duckte sich schnell, und die Dolche flogen über ihn hinweg. Er wollte wieder aufstehen, als Rezor ihm das Knie unterm Kinn nach oben rammte, worauf Chijo durch die Luft geschleudert wurde und schließlich auf dem Boden landete. Sein Kopf tat ihm weh, er versuchte, wieder aufzustehen. Rezor stand dort und schwang kunstvoll sein Schwert. Als er sah, dass Chijo immer noch stand, ging er langsam auf ihn zu. "Tja, du hattest deine Chance, dich zu wehren. Ich weiß ja nicht, ob du während der sechs Jahre trainiert hast - ich habe es auf alle Fälle. Meine Kräfte übersteigen deine bei weitem. Und wenn Hyrule erst wieder heraufbeschworen ist..." - er blickte Chijo mit einem kühlen Blick in die Augen - "... dann wird mich niemand mehr an meinem Ziel hindern. Mein Ziel ist, alles zu beherrschen. Keiner darf mehr Widerstand leisten, keine sich überschätzenden, lästigen Kinder, die in letzter Sekunde großartige Träume zunichte machen... Wenn ich dieses Ziel erreicht habe, dann habe ich sie - die Macht. Die Macht über alles, eine göttliche Macht, Macht über das Böse - kurz gesagt: DIE ABSOLUTE MAAAAAAAAAAAAACHT!!!!!!!!"
Er schrie Chijo so laut an, dass der sich schnell die Ohren zuhielt. Rezor war wirklich verrückt geworden. Jetzt zückte er das Schwert und hielt es knapp über Chijo. "Zeit zu sterben!" Doch plötzlich schleuderte es ihm das Schwert aus der Hand: es war Maron, die ihre Wunde festhielt und mit dem schmerzverzerrten Gesicht nicht gerade gut aussah. Rezor blickte sie wütend an. "Irgendjemand steht mir immer im Weg, kann das zufällig sein?!?" Er wollte sie angreifen. Chijo sah, wie er hinter dem Rücken die Dolche beschwor. Mit letzter Kraft schlug er Rezor an die Beine, sodass er zu Boden ging. "Maron!! Halt ihn fest!" Maron packte Rezor an den Beinen, Chijo stand langsam auf und nahm seine Hände. Sie trugen ihn, der wohl auf dem Kopf gelandet war und etwas benommen war, schnell zum Balkon. "Eins, zwei... jetzt!!" Mit vereinter Kraft warfen sie Rezor den Balkon herunter.
Er war weg. Der tiefe Fall würde ihn sicher vernichtet haben. Chijo und Maron wandten sich dem Aufzug zu, als sie ein Geräusch vernahmen. Chijo drehte sich um und erstarrte vor Schreck: Rezor schwebte, einen triumphierenden Blick aufgesetzt, hinter dem Balkon. "Du kannst fliegen?" Rezor grinste selbstsicher. "Wie gesagt, ICH habe trainiert. Hart. Sehr hart. Du hast diesmal keine Chance, mich aufzuhalten. Pass auf: ich werde dieses Schloss jetzt einstürzen lassen, allerdings kommst du nicht aus diesem Raum heraus. Der Aufzug ist ab jetzt versiegelt und um den Balkon herum befindet sich ab diesem Moment eine unsichtbare Barriere.... STIRB ALSO ENDLICH!!!" Er streckte alle Viere an sich und Blitzte zuckten um seinen Körper. Plötzlich bebte der Boden, einzelne Steine fielen von der Decke: er wollte Chijo endgültig auslöschen...

Kapitel 10: Stürmische Flucht

Rezor blickte, triumphierend über dem Balkon schwebend, auf Chijo und Maron, die mit Mühe versuchten, den herunterfallenden Steinen auszuweichen. Maron bahnte sich zwischen den Felsbrocken hindurch langsam einen Weg in Richtung Aufzug: jetzt hatte sie ihn erreicht und hämmerte auf den Knopf. Doch der kleine Bildschirm daneben zeigte lediglich „Error – try again“ an. Doch Chijo packte sie an der Hand und schleifte sich schnell in Richtung Balkon. Dort blickte Rezor noch immer auf sie hinab und war offensichtlich erfreut über die ungünstige Lage, in denen sich die beiden befanden.
Doch nun geschah etwas, womit er nicht gerechnet hatte: Chijo flüsterte Maron kurz etwas ins Ohr, sie nickte. Dann liefen beide gemeinsam in Rezors Richtung, benutzten einen Felsbrocken als Sprungbrett und bekamen Rezors Beine zu fassen, woraufhin er zu Boden gerissen wurde. Da lag er nun und war sichtlich überrascht. Maron nahm ihm schnell das Messer ab und schleuderte sein Schwert über den Balkon weg. Dann hielt sie Rezor das Messer an den Hals, während Chijo sich fast schon auf seinen Erzfeind draufgesetzt hatte, damit dieser nicht flüchten konnte. Die Sachlage hatte sich innerhalb von Sekunden umgekehrt. Maron blickte Rezor wütend an. „Du hast keine andere Wahl, als den Aufzug zu entriegeln. Denn ansonsten bleiben wir hier und du wirst ebenfalls ein Opfer deiner Bosheit.“
Rezor schien nur langsam zu verstehen, was vor sich ging. Schwächlich flüsterte er: „Nun gut... wenn ihr mich mitnehmt....“ „Ja, in Ordnung. Jetzt öffne die Tür!“ Rezor hob langsam die Hand und die Tür des Aufzugs öffnete sich - Vivian stand noch immer dort. Maron blickte kurz zu Chijo, dann rammte sie Rezor das Messer in die Wange und beide flüchteten. Rezors Schmerzensschreie störten sie nicht. Schnell war die Taste „E“ betätigt und der Aufzug fuhr los.
In Windeseile waren sie im Erdgeschoss angekommen. Hier galt es jetzt nur noch, die große Halle zu durchqueren. Doch wie von Geisterhand schloss sich die Ausgangstür. Chijo stoppte abrupt: damit hatte er nicht gerechnet. Auf eine ätherische Art und Weise vernahmen sie Rezors schwache Stimme: „Dieses Schloss ist unter meiner Kontrolle. Ich bin zwar verletzt... aber das ist für mich kein Hindernis. Ihr werdet nun doch noch begraben werden... mit meinem Freund hier.... Chijo, viel Spaß mit ihm....“
Maron hörte nur halbherzig zu, sie hatte sich eine Stange genommen und wollte das Glasfenster damit zertrümmern. Doch plötzlich wurde es im Raum stockdunkel und in der Dunkelheit erschien ein großes, rotes Auge. Chijo begriff sofort, was hier vor sich ging. In Windeseile hatten sich der im Schatten verschwindende Körper und die knochigen Hände materialisiert: wie schon vor sechs Jahren stand Chijo der bestialischen Schattenmonstrosität gegenüber, die er damals nicht bezwingen konnte: Bongo Bongo....

Kapitel 11: Des Dämons Armee

Chijo baute sich ohne langes Zögern mutig vor Bongo Bongo auf. Ihm war angst und bange beim Gedanken daran, dass dieses mysteriöse Wesen so mächtig sein könnte wie Rezor. Doch er besann sich aufs Wesentliche: der Dämon war trotz seiner Größe schnell und wendig, das wusste er. Es würde also mit Sicherheit kein leichter Kampf werden.
Ohne Zögern stellte sich Maron direkt neben ihn und klopfte ihm auf die Schulter. „Komm, den Spaßvogel schaffen wir doch.“ Chijo nickte entschlossen. Jetzt blickten beide auf den Dämon, welcher bisher noch keinen einzigen Angriff unternommen hatte. Er war einfach da und unternahm nichts. Chijo lief auf ihn zu und wollte attackieren, doch sein Gegner war plötzlich verschwunden. Chijo schlug ins Leere und wunderte sich. Schnell stand er wieder auf und blickte um sich. Auch Maron und Vivian, die direkt hinter ihr stand, waren sehr verwirrt. Chijo ging durch den komplett dunklen Raum in Richtung seiner Begleiter, da passierte es.
Eine riesige schwarze Hand schoss aus dem Boden hervor und wollte Chijo packen – er wich gerade so aus. Die Hand verschwand wieder und nur den Bruchteil einer Sekunde später war Bongo Bongo wieder komplett sichtbar. Da der gesamte Raum sehr dunkel war, konnte man ihn hauptsächlich an seinem rot leuchtenden Auge erkennen. Doch plötzlich wackelte er mit den dünnhäutigen Händen hin und her, und plötzlich schien von weit weg etwas zu klappern.
Dann, völlig unvermittelt und aus der Dunkelheit, rammte ein Skelettkrieger sein riesiges Schwert direkt vor Chijo in den Boden. Der wich nach hinten zurück. Das Monster trottete recht träge hinter ihm her, während Chijo zu Maron lief und mit Schweißperlen auf der Stirn fragte, was er denn nun tun könnte. Sie überlegte kurz. „In den alten Sagen habe ich von diesen Kriegern gehört. Sie sollen angeblich sehr gefährlich sein, aber auch einen entscheidenden Schwachpunkt haben. Leider kann ich mich nicht mehr erinnern, welcher das war... Aber wir werden es auch so schaffen. Was du hier vor dir siehst, ist ein Stalfos-Ritter!“
Chijo blickte das Skelett voller Ekel an, als es langsam näher kam und bereits Anstalten machte, sein Schwert zu schwingen. Doch er hatte keine Angst vor seinem Gegner. Langsam näherte er sich dem Stalfos, der jetzt sein Schwert anhob, rannte dann schnell um ihn herum und versetzte ihm einen heftigen Tritt in die Wirbelsäule. Sie splitterte, und das Skelett brach in zwei Teile. Die Beine lagen reglos auf dem Boden, doch der Unterkörper sprang noch immer wild herum. Chijo schnappte sich das Schwert des Ritters und schmetterte es mitten durch dessen Kopf.
Das Skelett fiel in sich zusammen und löste sich in einer blauen Flamme auf. Chijo schaute sich das Schwert kurz an und band es mit einem Stück Schnur notdürftig an seinem Gürtel fest. Doch was war das? Bongo Bongos Hände waren kurz erschienen und es klapperte erneut, diesmal jedoch viel lauter. Und dann, wie ein Phönix aus der Asche, sprang ein weiterer Stalfos aus der Dunkelheit. Und ihm folgten zwei weitere. Zusätzlich erschien Bongo Bongo wieder und erschuf mit seinen Händen eine gigantische Energiekugel. Die Skelette schlurften langsam in Chijos Richtung, der wieder zu Maron und Vivian zurücklief. Es schien aussichtslos, hier wieder lebendig rauszukommen.

Kapitel 12: Die legendäre Wirbelklinge

Die Situation war nahezu aussichtslos. Eine Gruppe von drei Menschen stand einem Schattendämon und seiner Armee gegenüber. Chijo wusste nicht mehr, was er tun sollte. Er hatte zwar ein Schwert, doch selbst damit könnte er es nur mit einem Stalfos gleichzeitig aufnehmen. Und zusätzlich schien Bongo Bongo in diesem Moment Energie für einen Angriff zu sammeln. Da schnellte plötzlich ein Stalfos auf ihn zu und schmetterte sein riesiges Schwert nur knapp neben Chijo in den Boden. Der reagierte prompt und wollte zurückschlagen, doch da kam von der Seite ein weiterer Skelettkrieger auf ihn zu, der ebenfalls sein Schwert schwang. Chijo blickte kurz zu Bongo Bongo, der ihn genau beobachtete und gleichzeitig in seinen Händen eine schwarze Kugel formte, aus der kleine, violette Blitze zuckten.
Er ging langsam zu Maron und fragte sie: "Kannst du mir nicht irgendwie helfen? Mach doch mal was." Die schüttelte jedoch nur den Kopf "Und du sollst ein Auserwählter sein... Wenn in dir das Blut eines Helden fließt, dann nutze diese Kraft. Erinnerst du dich noch, als wir vor 6 Jahren geflohen sind und du dich beim Kampf gegen dieses schreckliche Monster verwandelt hast? Du wolltest es wirklich und jetzt willst du es nicht weniger. Also lass deiner Kraft endlich freien Lauf. Ich weiß, du bist zu mehr in der Lage, als du dir zutraust, Kleiner. Jetzt zeig es diesen Viechern doch einmal!"
Als Maron dies erzählte, schien für Chijo die Zeit stillzustehen. Er dachte noch einmal zurück an die Geschehnisse im surrealen Reich... Die Falltür war verschwunden... Er musste gegen diese Ausgeburt der Hölle kämpfen. Der Kampf war kurz, aber heftig. Chijo hatte sich damals in den Helden der Vergangenheit verwandelt und das Schwert aus der Legende geführt. Doch er hatte keine Ahnung, wie er sich erneut verwandeln könnte. Was sollte er bloß tun?
In diesem Moment spürte er, wie die Stalfos zurückwichen. Einer ließ sogar sein Schwert fallen und rannte panisch in Bongo Bongos Richtung. Warum nur? Chijo schaute sich um und sah Maron und Vivian mit weit aufgerisenen Augen vor ihm stehen. Sie blickten jedoch nicht auf ihn, sondern auf das Schwert, welches er dem ersten Stalfos abgenommen hatte. Es war ein völlig anderes Schwert - jenes, das Chijo damals benutzt hatte, um das Monster zu töten. Und von diesem Schwert ging ein silbernes Leuchten aus. Chijo schaute es an. Irgendwie hatte er es geschafft. Mit der Kraft dieser Klinge würde er es sicher schaffen.
Mutig stellte er sich den Stalfos, die nun wieder Mut gefasst hatten und rannte - ohne Vorwarnung - auf sie zu. Der erste verfehlte, der zweite ebenfalls und der dritte hatte sein Schwert noch nicht wieder aufgehoben. Chijo stand jetzt in der Mitte, umzingelt von den Stalfos. Vivian war beunruhigt. "Weiß er, was er da tut?" Maron nickte zuversichtlich. "Was dieser Junge sich vornimmt, schafft er auch. Du musst wissen, er stellt sich diesem Rezor nicht zum ersten Mal in den Weg. Ich weiß es, schließlich stand ich vor 6 Jahren noch unter Rezors Befehl." "Wirklich?!?" Ja, allerdings. Aber als er dann die gesamte Bandbreite seines wahnsinniges Plans offenbarte, war es mir endgültig zu viel geworden. Ich stamme aus einer Familie von Schwarzmagiern, daher schloss ich mich ihm an. Aber was zuviel war, war zuviel. Er wollte dieses gesamte Land opfern, um..." "Ja, ich weiß. Er hat mir alles erzählt, als ich im Turm gefangen war. Der Kelr ist zwar mächtig, aber er redet zuviel... Hey, was -" Maron hielt Vivian den Mund zu und zeigte auf Chijo. "Sieh dir das an..."
Chijo hielt sein Schwert hoch und die Stalfos kamen von drei Seiten auf ihn zu. Doch als sie ganz nahe bei ihm waren, begann sein Schwert noch heller zu leuchten als sonst. Es strahlte fast heller als die Sonne. Die Stalfos waren kurz geblendet, da nahm Chijo sein Schwert wieder herunter und schwang es einmal rund um sich, wobei alle drei Stalfos in zwei Teile getrennt wurden. Sie ächzten kurz und lösten sich dann langsam auf.
Stille.
Im Raum herrschte beklemmende Stille. Maron und Vivian waren sprachlos, Bongo Bongo blickte Chijo an - und man sah ihm an, dass er zutiefst erschrocken war. Chijo wandte sich ihm zu, das Schwert unerschrocken in der linken Hand haltend. "Pass gut auf, Kreatur des Schattens. Mir wurden die Kräfte des Helden gegeben, der dich bezwang. Falls du den Mut hast, stell dich zum Kampf und der Kraft der heiligen Klinge!!"
Bongo Bongos Energiekugel verschwand augenblicklich. Und nur einen Moment später löste er sich ebenfalls in Luft auf, der Raum wurde wieder normal. Doch das Schloss war immer noch im Zusammenbruch begriffen. Also rammte Chijo sein Schwert in die magisch verriegelte Tür, welche sich daraufhin ebenfalls in einem schwarzen Leuchten auflöste. Er packte Maron und Vivian an den Händen und flüchtete schnell mit ihnen. Endlich waren sie aus dem Schloss entkommen.
Endlich...

Kapitel 13: Entführt!

Vivian, Chijo und Maron rannten, so schnell ihre Füße sie trugen, weg von der Burg, die langsam in sich zusammenbrach. Schließlich waren sie auf dem großen Platz des Parks angekommen. Die Türme der Burg explodierten und das Gebäude wurde in seinen Grundfesten erschüttert. Chijo schaute erstaunt zu dem Turm, der zusammenzubrechen drohte. War Rezor noch immer dort? Oder war er entkommen?
Schließlich stürzte die Burg mit sämtlichen Türmen, Mauern und Zinnen in sich zusammen. Es wurde unglaublich viel Staub aufgewirbelt, sodass man die Hand vor Augen nicht mehr sah. Chijo wedelte mit den Händen, um den Staub wegzubekommen, doch es gelang ihm nicht. Maron packte ihn am Kragen. „Hey, lass das. So viel bringt das nun auch wieder nicht. Wir sollten vielmehr darauf achten, ob Rez –“ „HIIIILLFEEEE!!!“ Es war Vivians Stimme. Chijo und Maron liefen durch den Rauch in die Richtung, aus welcher der Hilferuf gekommen war.
Der Rauch löste sich langsam von selbst auf. In der Luft schwebte jemand. War es Rezor? Chijo wartete, bis sich der Rauch vollends verflüchtigt hatte. „Du!!“ Dort, hinter sich die Kulisse des Riesenrads, schwebte Kentaro und hielt Vivian fest in den Armen. Sie wollte schreien, doch Kentaro hielt ihr den Mund zu. „Lass sie los!“, schrie Maron, doch Kentaro, dessen silberne Haare geheimnisvoll im Nachtwind wehten, hörte nicht auf sie. Im Gegenteil: er schwebte nach oben auf die Spitze des Riesenrads. Aus de Entfernung hörte man ihn noch „Folgt mir doch!“ schreien.
Chijo schaute Maron an. „Wie sollen wir dort bloß hochkommen?“ Maron war ziemlich ratlos. Doch noch während sie nachdachte, entdeckte Chijo am Fuß des Riesenrads einen Gang, der nach oben zu führen schien. „Hierher!“, rief er und Maron folgte ihm zu der alten Eichentür. Sie ließ sich problemlos öffnen, auch wenn es etwas knarrte. Chijo und Maron gingen einen dunklen Korridor entlang, in dem es entfernt nach Kot roch. Hier hatte sicher seit Ewigkeiten niemand mehr geputzt.
Am Ende des Ganges erblickte Chijo eine Treppe. Er rannte so schnell nach oben, dass Maron kaum hinterher kam. Doch dann stoppte er abrupt: sie waren in einem kleinen Raum angekommen, der von Fackeln nur notdürftig erleuchtet wurde. Am anderen Ende des Raumes befand sich eine Wendeltreppe, an der groß und deutlich ein Schild befestigt war, auf dem „Zur Spitze“ geschrieben stand. Chijo wollte direkt zur Tür rennen, doch als er auf eine der Fliesen trat, brach diese unter ihm zusammen. Er schrie kurz und versuchte krampfhaft sich festzuhalten. Denn unter ihm ragten spitze Dornen nach oben. Maron tastete sich zu ihm vor und zog ihn wieder hoch. Schnell gingen sie wieder zum Eingang des Raumes. Hier gab es sicherlich 60 Fliesen. Woher sollte man nur wissen, welche zusammenbrechen würde und welche nicht? Maron schaute Chijo unsicher an. „Wir riskieren unser Leben, wenn wir alle einzeln ausprobieren. Was sollen wir tun?“
Chijo starrte mit glasigen Augen auf die Fliesen. Dann antwortete er. „Keine Ahnung...“

Kapitel 14: Flucht in voller Schönheit

Maron schaute sich um. Dieser Raum war eine kunstvoll gefertigte Todesfalle. Woher sollte man bloß wissen, welcher Weg der richtige war? Plötzlich sagte Chijo zu ihr: „Komm mal hierher!“ Sie drehte sich um. Chijo stand dort an der Wand und hatte eine kleine Inschrift entdeckt. Langsam las er vor: „Das Licht ist das Ziel.“ Dann schaute er sich den Raum genau an. Was hatte diese Düsternis mit Licht zu tun? Noch während Chijo nachdachte, zerrte Maron an seinem Shirt und zeigte auf den Boden.
„Pass auf, Chijo. Ich habe da eine Theorie. Wenn da was von Licht gesagt wird... kann es dann nicht sein, dass wir nur auf die Fliesen treten dürfen, die von Fackeln erhellt werden?“ Chijo nickte nachdenklich. „Das wäre möglich...“ „Ich probier mal aus!“ Chijo wollte sie zurückhalten, doch Maron war bereits auf eine von den Fackeln erleuchtete Fliese getreten. Sie hielt.
So tappte Maron langsam, aber sicher bis zur Treppe am anderen Ende des Raumes. „Komm her“, rief sie Chijo zu. Der richtete sich exakt nach ihrem Weg und hatte kurz darauf ebenfalls die Treppe erreicht. Schnell blickte er noch einmal auf die Fliesen. „Sowas Gemeines.“ Doch Maron war schon im Begriff, nach oben zu verschwinden. „Komm endlich! Wir kennen Kentaro noch nicht gut genug, als das wir in der Lage wären, ihn richtig einzuschätzen. Wer weiß, was er Vivian antut?“ Chijo nickte und folgte ihr die Treppe hoch.
Als er endlich den Gang verließ und wieder draußen war, wurde Chijo fast schwindelig, als er die gigantische Wendeltreppe sah, die senkrecht unendlich weit nach oben zu führen schien. Doch er besann sich aufs Wesentliche: jemand war in Gefahr und musste gerettet werden. Es war also keine Zeit für Angst. Schnell rannte er die Treppe hoch, Maron hinter ihm her. Auf seinem Weg nach oben ging ihm so viel durch den Kopf. Was hatte Kentaro bloß vor? Was bezweckte er mit dieser Aktion? Vielleicht hatte er auch kalte Füße bekommen, weil Rezors Turm zusammengebrochen war und wollte dies als letzten Versuch des Widerstandes nutzen. Aber es würde nicht zu Rezor passen, so schnell aufzugeben... War er im Turm gestorben? Chijo konnte sich das nicht vorstellen. An all dies dachte er auf dem Weg nach oben.
Nun waren die beiden endlich auf der Spitze des Riesenrads angekommen. Dort lag Vivian gefesselt, ganz allein. Maron suchte kurz nach Kentaro, sah ihn aber nirgends. Chijo ging langsam in Richtung Vivian, als ihn wie aus dem Nichts eine starke Hand von hinten packte und ihm die Kehle zuschnürte. „Da bist du ja!“ Chijo erkannte an der Stimme, dass es Rezor war. Plötzlich spürte er etwas Metallenes, Kaltes an seinen Händen. Die Hände Rezors ließen ihn los. Er versuchte, die Arme zu heben, doch sie waren aneinandergefesselt. Jetzt sah er, dass auch Maron festgehalten wurde: von Kentaro. Dann ließ er sie plötzlich los und auch Maron bekam ihre Hände nicht mehr auseinander. Sie drehte sich zu Kentaro um, der hinter ihr stand und blickte ihn wütend an. Jetzt erkannte Chijo, was die Hände hinter dem Rücken zusammenhielten: Handschellen aus reiner Energie! Er war erstaunt darüber, dass Rezor du derartigen Dingen fähig war.
Kentaro band Maron los und fügte auch um ihre Hände die Energie. Dann stellte er sich zusammen mit Rezor vor die drei Gefesselten und blickte mit einem leicht bitteren Blick auf das zerstörte Gruselschloss. Er wandte sich Rezor zu, welcher an der Stelle, wo Maron ihn verletzt hatte, nun eine kaum sichtbare Narbe trug. Er redete nun leise. „Nun, da baut man sich diesen Park mühevoll auf und ihr habt nichts zu tun, außer ihn wieder kaputtzumachen? Verbringt eure Zeit doch mal sinnvoll, anstatt mich immer nur zu nerven. Geht zur Schule oder so...“ „Wie denn, wenn wir Dabana ständig vor deinem Größenwahn retten müssen?“ Chijo hatte ein Widerwort gewagt, woraufhin Rezor ihn wütend und mit zusammengekniffenen Augen anstarrte. „Du bist so vorlaut wie vor sechs Jahren... Egal, pass auf. Dieser Park ist als Stützpunkt unbrauchbar, daher suchen wir jetzt den nächsten auf. Bye, Chijo!!!“ Mit diesen Worten schnippte er in der Luft mit den Fingern, woraufhin das weite Meer hinter dem Park zu rauschen begann. Große Wellen bildeten sich, die in der Nacht noch gefährlicher wirkten und aggressiv gegen die Wand des Parks schlugen. Mit einem Mal begann sich das Meer zu teilen und aus den Tiefen des Ozeans tauchte ein Fluggerät auf. Aber nicht irgendeins: ein stark gepanzerter silberner Jet, auf dem die Buchstaben. „Rezor Corp.“ zu lesen waren. Kentaro schnappte sich Vivian und mit einem eleganten Sprung sprang er in den Jet. Rezor packte Chijo noch einmal am Kragen und sagte „Wag es nicht noch einmal!“, dann sprang er ebenfalls in die Pilotenkanzel und die Tür schloss sich. Das Meer wurde mit lautem Rauschen wieder eins und der Jet verschwand blitzschnell Richtung Osten.
Da standen Maron und Chijo nun: gefesselt, hilflos, überrascht. Mit so etwas hatten sie nicht gerechnet.

Kapitel 15: Vivians Geheimnis

Chijo schaute Vivian und Maron besorgt an. „Er hat uns schon wieder drangekriegt. Aber diesmal ist es echt aussichtslos...“ Maron stupste ihn mit der Schulter an. „Hey, jetzt nicht depressiv werden. Ich wüsste eventuell, wie wir hier wieder wegkommen. Allerdings ist es riskant.“ Chijo schaute sie überrascht an. „Und wie riskant ist es?“ Er und Vivian beobachteten, wie Maron sie etwas ratlos und ansah und dann erwiderte: „Es ist eine dreifache magische Rückkopplung. Soll heißen, wenn wir Pech haben, ist der Rückstoß so gewaltig, dass wir alle von dieser Plattform fallen. Aber diese Energiesiegel wären wir dann los.“
Chijo blickte sie ungläubig an. „Wie soll es den genau funktionieren?“ „Nun ja, im Grunde ist es ganz simpel. Wir müssen uns mit dem Rücken zueinander im Kreis aufstellen, sodass alle Siegel sich gleichzeitig berühren. Denn wenn schwarze Magie auf ihresgleichen trifft, wird sie neutralisiert. Das ist im Grunde kein Problem, allerdings setzt eine solche Aktion derart viel Energie frei, dass es uns alle hier runterreißen könnte. Und das wäre das Letzte, was ich euch antun will.“ Plötzlich schien sich auch Vivian in das Gespräch einbringen zu wollen. „Wir sollten es zumindest versuchen. Denn gefesselt kommen wir hier über die Leiter nicht wieder runter. Deshalb würde ich vorschlagen, wir probieren es einfach aus. Schlimmer kann es sowieso nicht mehr kommen, oder? Wir stehen in einer kalten Nacht auf der Spitze eines Riesenrads und sind durch Magie gefesselt, während zwei Wahnsinnige irgendwelche finsteren Pläne aushecken. Nennt mich pessimistisch, aber es kann doch irgendwie nur noch besser werden, oder? Und außerdem weiß ich genau, dass dieser Rezor diesmal noch weniger Rücksicht nehmen wird.“
Chijo und Maron schauten sie überrascht an. „Woher willst du das wissen?“, fragten sie wie aus einem Mund. Vivian senkte den Kopf. „Es.. es ist wegen Kentaro... Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll... Ich kenne ihn von früher... Um es genau zu sagen: er ist mein Halbbruder.“
Dieser Satz ließ Chijo und Maron mit offenen Mündern dastehen und staunen. Dieses freundliche, junge Mädchen sollte tatsächlich mit einem bösartigen, mächtigen Krieger verwandt sein? Vivian schaute in die erstaunten, ja fast schon schockierten Gesichter und erzählte langsam weiter. „Ihr müsst wissen, ich stamme aus einer armen Familie. Meine Mutter leidet an einer schweren Lungenkrankheit und kann daher kein Geld verdienen. Mein Vater hat bis vor kurzem noch in der großen Schmiede, doch dann wurde er entlassen – und mit ihm 20 andere Arbeiter. Seit alles durch die Maschinen ersetzt wurde, ging es uns noch schlechter als vorher. Die Sache mit Kentaro ist die: nach dem Seitensprung meines Vaters wollte sie mit ihm zunächst nichts mehr zu tun haben und Kentaro möglichst schnell loswerden. Doch nach und nach legte sie Wut und Trauer ab und bekam immer mehr Kontakt zu ihm. Doch eines Tages erklärte er der gesamten Familie, er wolle weg aus Ricodum, vielleicht sogar aus Dabana und irgendwo, weit weg sein Glück suchen. In Wirklichkeit aber hatte er vor, die Künste der schwarzen Magie bei einem alten Magier im Mondtal zu lernen.“
„Und jetzt hat er sich mit Rezor verbündet.“ Chijo glaubte zu verstehen. Doch Vivian schüttelte den Kopf. „Nein, nicht einmal das. Denn bereits in seiner Kindheit sind mit Leuten, die länger mit ihm allein waren, seltsame Dinge geschehen. Einer ist sogar im St. Regulus.“ „St. Regulus? Du meinst diese Psychiatrie für Härtefälle?“ „Genau die. Wir wussten nicht, was mit all den Menschen geschehen ist. Manche wurden plötzlich kriminell, andere haben ihr Gedächtnis verloren, wieder andere haben sich aufgeführt wie Tiere... Und wir wussten nicht, warum. Jetzt sieht die Sache aber anders aus. Denn Kentaro hat mir nach der Entführung – als Rezor euch suchte – erklärt, dass der Magier ihm seine wahren Fähigkeiten zeigte. Jetzt haltet euch fest: Kentaro ist nach der Meinung dieses Magiers unglaublich im Bezug auf die Beeinflussung anderer Menschen.“
Maron erschrak: „Als du sagtest, du weißt, das Rezor diesmal noch weniger Rücksicht nehmen wird... was hat das mit Kentaro zu tun?“ Vivian schaute unentschlossen zur Seite. „Nun, ich habe Rezor vorhin in seine Augen gesehen. Wenn man genau hinsieht, ist zu erkennen, dass in seiner Pupille ein kleines sternenförmiges Leuchten zu finden ist. Mit anderen Worten: Rezor ist nichts als Kentaros Marionette. Er ist hypnotisiert!“
Nach diesen Worten herrschte beklemmende Stille. Rezor sollte nur ein Werkzeug sein? Chijo konnte sich nicht vorstellen, dass Rezor so schnell zu versklaven war.

Kapitel 16: Schwarzer Mann

„Wollen wir es denn nun ausprobieren?“ Chijo war fest entschlossen, den Versuch der Rückkopplung zu wagen. Maron jedoch wollte es noch immer nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, ihr Leben und das ihrer Freunde zu riskieren. „Chijo, du weißt ganz genau, dass ich das nicht verantworten kann. Ich bin die Älteste hier und bestehe darauf, es nicht auszuprobieren.“ Doch diese Worte brachten Chijo nur noch mehr in Versuchung. „Mir egal, wie alt du bist. Ich habe keine Lust, hier tatenlos herumzustehen und an komische Energieringe gefesselt zu sein. Ich will hier endlich weg und diesen größenwahnsinnigen zeigen, dass sie sich nicht alles herausnehmen können!!!“
Vivian ging dazwischen: „Wir haben fast schon keine Wahl mehr. Wenn wir es nicht tun, erfrieren wir hier irgendwann. Schließlich könnte die nächste Nacht kälter werden als diese. Ganz zu schweigen davon, dass man hier oben ganz leicht verhungern kann. Denn ich bezweifle, dass uns jemand was zu Essen hochbringt.“ Vivians energische Worte schienen Wirkung zu zeigen. Maron widersprach nicht mehr und sie schaute wortlos und mit weit offenen Augen über Vivian hinweg. Chijo schaute sie ungläubig an. „Hast du endlich begriffen, dass es nicht anders geht?“ Doch Maron antwortete nicht. Sie deutete mit dem Kopf hinter Vivian und Chijo. Beide sahen sich langsam um und bekamen prompt große Augen: vor ihnen schwebte in der Luft ein bläulich leuchtender Schlüsselbund!
Es schwebte langsam in Marons Richtung und befand sich jetzt direkt vor ihrem Kopf. Dann aber wandte es sich ab und schwebte, noch immer von der geheimnisvollen blauen Aura umgeben, zu Vivian. Auch hier verweilte es kurz und bewegte sich dann in Chijos Richtung. Einige Sekunden des Wartens direkt vor seinem Gesicht, dann schwebte es schnell wieder in seine Ausgangsposition und die blaue Aura verschwand. Niemand wusste, was das zu bedeuten hatte, bis jedoch Maron plötzlich etwas feststellte.
„Die Fesseln sind weg!“ Kaum, dass sie diese Worte ausgesprochen hatte, wurden sie von Vivian und Chijo fast wie aus einem Munde wiederholt. „Die Fesseln sind weg.“ Alle drei nahmen wie benommen ihre Hände vor das Gesicht und blickten sie an, als hätten sie soeben einen unschätzbar wertvollen Gegenstand gefunden. Chijo blickte das schwebenden Schlüsselbund an. „Ich wüsste zu gern, wer uns diesen Gefallen getan hat.“
„Das war ich!“
Das Trio drehte sich um: dort stand, wie aus dem Nichts erschienen, ein etwas älter wirkender Mann, komplett in Schwarz gekleidet. Selbst das Gesicht war, bis auf die Augen, völlig verdeckt. Nur die langen Haare waren noch sichtbar. Das Schlüsselbund flog in seine Richtung, er packte es und heftete es sich an den schwarzen Ledergürtel. Dann schnippte er einmal kurz mit den Fingern, woraufhin sich hinter ihm eine kleine Flugmaschine erhob, in der allerhöchstens fünf Personen Platz hätten. Der Mann öffnete die kleine Eingangstür, zwängte sich hinein ein und forderte Chijo, Maron und Vivian auf, ebenfalls einzusteigen. Sie taten, was er ihnen sagte, woraufhin sich die Luke wieder schloss. In diesem Gefährt war es eng und heiß, sodass man leicht ins Schwitzen kam.
„Wer sind sie?“, fragte Chijo, während er schwer atmete. Der Mann gab keine Antwort. Er konzentrierte sich voll auf die vielen kleinen Bildschirme und Anzeigen, um dann mit wenigen Handbewegungen das Fluggerät in Gang zu setzen.
Chijo drückte es fast in den Sitz. Sie waren völlig unvermittelt mit einer derartigen Geschwindigkeit losgeflogen, dass ihm beinahe schlecht wurde. Er sah nicht genau, wohin die Reise ging, aber er war sich fast sicher, das Ziel zu kennen: dorthin, wo Rezor wollte...

Kapitel 17: Siegesschwingen

Im pfeilschnellen Jet flogen Chijo, Maron, Vivian und der geheimnisvolle Mann über das Land in Richtung Wüste – der Ort, wo auch Rezor hin wollte. Vivian fragte: „Wer bist du denn nun überhaupt? Und wie hast du uns befreit?“ Der Mann blickte weiterhin konzentriert in Flugrichtung und antwortete leise und überlegt. „Wer ich bin, tut nichts zur Sache. Seit lieber froh, dass ich euch geholfen habe. Und weil ihr unbedingt immer alles wissen wollt, werde ich euch das Prinzip dieses Schlüsselbunds erklären. Im Grunde ist es ganz einfach: er sieht in deine Gedanken und öffnet jene Schlösser, die dich im Moment am meisten stören. Ein Universalschlüssel, könnte man sagen.“ „Aha, sehr interessant“, sagte Chijo beruhigt. „Und du willst uns jetzt helfen?“
„Allerdings, das will ich. Ihr müsst wissen, diese Maschine ist ziemlich schnell. Wir dürften Rezor bald eingeholt haben.“ Mit diesen Worten schaltete er noch einen Gang höher und die Flugmaschine beschleunigte ungemein. In der Ferne konnte man etwas erkennen, dass ebenfalls flog. Erstaunt blickte Maron durch die Frontscheibe und deutete mit dem Finger in die Richtung des immer größer werdenden schwarzen Punktes am Horizont. „Sind das Kentaro und Rezor?“ „Ja!“ Jetzt waren sie mit einem unglaublichen Tempo bereits so nah am Jet, dass man die aufwändige silberne Aufschrift „REZOR CORP.“ eindeutig erkennen konnte. Doch plötzlich und ohne Vorwarnung flog eine Energiekugel durch ein Seitenfenster und hätte Vivian beinahe getroffen. Durch die zerstörte Glasscheibe wehte ein eiskalter Wind ins Innere der Flugmaschine. Chijo blickte interessiert auf den Jet, mit dem sie jetzt auf gleicher Höhe waren. Plötzlich öffnete sich auf dem Dach eine Luke, und Kentaro stieg heraus. Trotz des enormen Winds stand er fest auf dem Dach den im Wind schwankenden Jets.
Chijo wandte sich dem mysteriösen Mann zu. „Ich muss hier raus! Auf das Dach!“ „Okay.“ Prompt öffnete sich eine Klappe an der Decke. Chijo kletterte langsam heraus, um ja nicht herunterzufallen. Immerhin waren es knapp 900 Meter bis zum Boden. Schnell zückte er sein Schwert, welches sich in der Burg aus der Klinge des Stalfos entwickelt hatte. Die helle Klinge leuchtete und Chijo schaute zuversichtlich in die Höhe. Dort stand Kentaro.
Mit seinem langen, schwarzen Mantel, in eine dunkle Rüstung gehüllt, die langen, weißen Haare im Wind wehend und dem gigantischen Katana-Schwert machte er den Eindruck eines unglaublich starken Kämpfers. Um Chijo war es trotz des scharfen Windes und des Lärms, den die Jets verursachten, totenstill. Er sah Kentaro unerschrocken in die Augen, als auch der sein Schwert herauszog. Chijo wollte nicht den ersten Schritt tun. Er machte einige provozierende Gesten mit seiner freien Hand, um Kentaro zum Angreifen zu bewegen. Und er tat es: mit einem schnellen Stich nach vorn hätte er Chijo beinahe erwischt. Doch der war geschickt zur Seite ausgewichten und versuchte seinerseits nun einen horizontalen Hieb, den Kentaro mit dem Fuß abwehrte. Er machte einen Sprung von seinem Jet auf den, wo Chijo stand und begann noch im Sprung eine Stichattacke. Chijo sprang zur Seite und auf Rezors Jet. Kentaro hatte sein Schwert in die Decke seines Jets gerammt, zog es aber schnell wieder hinaus und griff prompt wieder an. Chijo parierte hintereinander alle Angriffe. Ein vertikaler Hieb, einer diagonal, Stichattacke, Rundumschlag... Es war ein wahrer Hagel von Angriffen, der auf Chijo niederging.
Jetzt schlug er einmal mit voller Kraft mit dem Schwert gegen Kentaros Bein, sodass der Stoff riss. Langsam quoll Blut heraus. Kentaro schaute zuerst auf seine Verletzung, dann mit stechenden Augen auf Chijo. Er wollte wieder angreifen, doch nun war Chijo am Drücker. Kentaro hatte mit seiner Verletzung Mühe, die Attacken zu parieren. Beide sprangen von Jet zu Jet, ohne das es auch nur einmal so schien, als wären sie gefährdet, herunter zu fallen.
Dann brachte Chijo es fertig, eine kurzzeitige Schwäche Kentaros auszunutzen und ihm mit einem Streiftreffer am Hals den Rest zu geben. Kentaro ließ sein Schwert sinken und hielt sich schnell die Hand an den Hals, wo er bereits Blut verlor. Mit scheinbar letzter Kraft sprang er zurück auf Rezors Jet, sprang durch die Luke wieder hinein und schloss sie. Chijo tat es ihm nun gleich. Jetzt zündete auch Rezor, der mit einem gar nicht enttäuscht wirkenden Lächeln am Steuerknüppel saß, den Turbo und war innerhalb von Sekundenbruchteilen aus dem Blickfeld von Chjio und den anderen verschwunden.
„Glückwunsch, Chijo. Dieser Luftkampf war großartig. Ich hätte es selbst nicht besser machen können.“ Scheinbar empfand der geheimnisumwobenen Mann nun sogar so etwas wie Bewunderung für Chijo. Der steckte sein Schwert wieder ein und ließ sich bereitwillig von Maron den Schweiß von der Stirn tupfen. Der Mann meldete sich nochmals zu Wort. „Schnallt euch an. Jetzt gehen wir auf Höchsttempo!“
Innerhalb von kurzer Zeit flammte eine gewaltige Stichflamme aus den Röhren auf und der Jet brauste mit voller Kraft weiter in Richtung Wüste, Rezor und Kentaro hinterher...

Kapitel 18: Mystische Aura

Der Jet des mysteriösen Mannes brauste mit unglaublicher Geschwindigkeit über die weite Steppe von Dabana in Richtung Wüste. Niemand kannte seine Identität, doch es schien, als wollte er der kleinen Gruppe helfen. Denn sein Blick heftete ohne Unterbrechung auf dem wolkenlosen Himmel, den man durch die Frontscheibe sehen konnte. Chijo schaute ihn sich genau an. Er hatte das ungute Gefühl, dass er den Kerl von irgendwo her kannte. Ungut deshalb, weil Chijo an ihm etwas Merkwürdiges, ja fast schon Angsteinflößendes spürte. Immer, wenn er in seine Nähe kam, wurde er von einem nicht enden wollenden Gefühl der Furcht gepackt. Denn die Aura dieses Mannes war derart stark, dass er ihn nicht einmal berühren musste, um sie zu spüren. Wer auch immer er war, er hatte noch längst nicht seine wahren Kräfte gezeigt.
Ein Satz riss Chijo aus seinen Gedanken. „Wir sind jetzt direkt vor der Wüste. Haltet euch fest – wir landen!“ Der Mann schaltete vorsichtig den Steuerknüppel hin und her, worauf der kleine Jet langsam, aber sicher fast senkrecht auf dem staubigen Boden aufkam. Die Tür öffnete sich, und Chijo stieg gleich als Erster aus. Er musste unbedingt weg von diesem Mann. Diese Aura war für ihn fast unerträglich. Sie war so stark... dieser seltsame Kerl musste tausendmal stärker sein als Rezor, denn selbst als Chijo ihn im Schloss festhielt, hatte er dessen Aura nur ganz schwach gespürt. In diesem Fall aber...
Der Mann reckte kurz die Arme in die Luft, holte sofort danach ein Tuch heraus, welches er Chijo schnell um seinen leicht verletzten Arm band. Chijo wäre am liebsten weggelaufen. Nicht etwa, weil er Schmerzen hatte. Nein, die Macht dieser Aura erdrückte ihn fast. Als er dem Mann auf dem Riesenrad begegnet war... hatte er diese starke Aura dort auch schon? Chijo glaubte nicht daran. So etwas hätte er sofort gespürt. Doch er hatte es erst nach dem Kampf gegen Kentaro gemerkt. Was war da los?
„Hey, Chijo. Können wir jetzt gehen? Oder willst du hier festwachsen?“ Marons laute Stimme riss Chijo abermals aus seinen Gedanken. „Ja, lass uns gehen.“ sagte er und folgte ihnen über den dunkelbraunen Boden in Richtung der Wüste, welche direkt vor ihnen lag.
Zur gleichen Zeit in einem gigantischen Gebäude inmitten der Wüste. In einem der oberen Stockwerke brannte noch Licht, obwohl es schon tiefste Nacht war. Hier ging ein weiß gekleideter Mann auf und ab, ohne Pause. In der Ecke saß ein Mann in einer schwarzen Rüstung, der sich ein Taschentuch an den Hals hielt, welches leicht rot gefärbt war. Der Mann in Weiß war sichtbar wütend: „Warum hast du dich bloß von so einem Versager besiegen lassen? Du hast mir versichert, du wärst ein Experte für ungewöhnliche Kampfsituationen, inklusive Auseinandersetzungen in der Luft! Und was passiert? Du lässt dich einfach von so einem dummen Jungen fertig machen. Versager, verdammt!!!“
„Bleib gefälligst ruhig! Ich konnte nichts dafür. Ich hätte diesen Jungen ohne Probleme vernichtet, wäre da nicht diese seltsame Aura gewesen...“ Der Mann in Weiß reagierte überrascht. „Was? Welche Aura? Doch nicht etwa die von Chijo? Seine ist nicht stärker als meine!“ „Nein, nicht Chijo. Es war der seltsame ältere Mann, der den Jet geflogen hat, mit dem sie uns verfolgt haben. Ich nehme an, er war es auch, der sie befreit hat. Diese Aura war einfach unglaublich. Ich konnte mich nicht einmal mehr richtig bewegen. Rezor, wir haben ein Problem, wenn diese Aura seiner wahren Kraft entspricht. Ich konnte sie spüren, ohne ihn je berührt zu haben!“
Rezor nahm langsam sein Mondamulett in die Hand. „Ich weiß nicht genau, wer es ist. Aber ich habe einen Verdacht. Denn ich kenne nur ein Lebewesen mit einer derartigen Aura...“
„Und wer soll das sein?“
„Du wirst es mir nicht glauben... mein ehemaliger Partner.“

Kapitel 19: Mr. Shady

Langsam schritten die Vier über den grauen, vegetationslosen Boden. Denn der Pfad war eng und man war an beiden Seiten gefährdet, in eine tiefe Schlucht zu stürzen. Der seltsame Mann ging langsam voraus, ihm folgten Chijo, Vivian und Maron. Es kam ein leichter Wind auf, woraufhin Maron plötzlich stehen blieb.
Chijo wandte sich zu ihr um. „Maron! Warum bleibst du einfach stehen? Es ist ziemlich gefährlich, weißt du?“ Maron reagierte mit einem leichten Kopfschütteln. „Reg dich nicht auf, Baby. Ich will mich nur ein bisschen wärmer einkleiden. Dieses knappe Leder-Outfit hält nicht gerade warm.“ Chijo erheiterte diese Antwort offensichtlich: „Wir gehen in eine Wüste, ist dir das klar? Da brauch man ke –“ „Doch“, unterbrach ihn der seltsame Mann, „denn dies ist keine normale Wüste, falls du es noch nicht weißt. Es gibt hier unglaubliche Temperaturschwankungen. Und im Moment haben wir Eiszeit. Die Sommerzeit fängt erst in drei Monaten wieder an.“ „Ach so...“ Chijo sah zu, wie Maron eine kleine Kapsel herauszog und sie auf den Boden warf. Augenblicklich wurde sie von Rauch umgeben und war Sekunden später in einen warmen Wollmantel gekleidet. Chijo wunderte sich immer wieder, woher sie all diese Tricks kannte. Bei Rezor konnte sie das ja kaum gelernt haben. Doch jetzt stellte auch er fest, dass es sehr kalt wurde. Langsam begann es zu schneien. Eine kleine Flocke landete auf Vivians Nasenspitze.
Sie schaute in den Himmel. Düstere Wolken waren aufgetaucht und ließen das weitläufige Gebiet nun noch wüster und rauer wirken. Mit jeder Minute wurde der Schnee mehr, bis er sich fast schon zu einem Sturm entwickelt hatte. Der seltsame Mann ging voraus. Sie hatten den schmalen Pfad nun überquert und vor ihnen lag ein endloses Sandfeld, welches langsam, aber sicher von Schnee bedeckt wurde. „Wir müssen uns beeilen! Wer weiß, was diese zwei Verrückten planen!“ Die Gruppe setzte sich langsam in Bewegung und stapfte im Zeitlupentempo durch das in kürzester Zeit entstandene Schneegestöber.
In der Zwischenzeit im jetzt ebenfalls verschneiten Gebäude inmitten der Wüste: Kentaro saß regungslos auf seinem Stuhl und blickte Rezor ungläubig an. „Er war dein Partner? Wie darf ich das verstehen?“ „Wie wohl? Wir haben zusammen sämtlichen Mist gemacht, den man machen kann. Er war halbwegs in Ordnung, hat sich dann aber geweigert, auf die böse Seite zu wechseln. Ich habe diesen Feigling nie wieder gesehen! Aber das ist jetzt nicht das Thema. Ich nehme doch mal stark an, dass Chijo und seine kleinen Freunde sich nicht von einem Schneesturm aufhalten lassen. Deshalb habe ich eine ganz besondere Überraschung für diese kleinen Versager...“ Kentaro schaute desinteressiert zum Fenster hinaus. „Was denn?“ „Warte ab... Ich wende diese Strategie nicht oft an. Aber im Falle dieser Leute ist es doch die beste Methode, sie einfach wahnsinnig zu machen.“ „Ach. Und wie willst du das anstellen?“ Rezor drückte auf einen Knopf, woraufhin ein Monitor sich aus der Wand hob und ein unscharfes Bild zeigte: die Vier im Schneesturm.
Sie quälten sich wirklich ab, den denn es war wirklich kaum noch auszuhalten. Der Wind pfiff ihnen um Ohren und Nase, die Hände waren fast gefroren. Nur Maron und der mysteriöse Begleiter hatten es noch halbwegs warm. Letzterer blieb plötzlich stehen und zeigte in die Ferne. „Ich glaube, da ist ein Schatten... Ahhh!!!“ Eine gewaltige Druckwelle riss ihn und die anderen unsanft zu Boden. Plötzlich tauchte aus dem finsteren Sturm eine seltsame Gestalt auf.
Gekleidet in einen dunkelblauen Umhang und mit großen Schlapphut, an dessen Seiten zwei glockenähnliche Gebilde hingen. Seine schlangenartigen grünen Augen waren fast im Dunkel verborgen. Doch das Ungewöhnlichste an diesem Wesen war, dass Hände und Füße scheinbar losgelöst waren vom Rest des Körpers. Eine wahrlich seltsame Erscheinung. So schwebte diese Gestalt triumphierend vor der kleinen Gruppe und blickte Chijo böse an.
„Wer bist du?“ Chijo war neugierig. Die Gestalt antwortete nur knapp: „Man nennt mich Mr. Shady. Ich bin lediglich hier, um euch euren baldigen Tod mitzuteilen. Rezor und Kentaro haben für euch etwas Wunderbares vorbereitet. Eine kleine Prüfung, an der ihr sehr viel Freude haben werdet. Haahahaha!!!“
Chijo war verwirrt. Was hier los? Er fragte vorsichtig. „Also bist du unser Todesbote?“ Mr. Shady kicherte kurz. „Mehr als das. Ich werde euch sicher durch den Sturm zu euren Prüfungen führen...“ Maron war dagegen. „Der will uns doch nur in die Irre führen!“ Doch Chijo beruhigte sie. „Was haben wir schon für eine Wahl?“ Shady nickte kurz. „Wenn ihr mir euer Vertrauen schenkt, dann werde ich euch führen.“
Chijo blickte kurz an seinem Gesprächspartner vorbei in den Schnee. Dann antwortete er.
„Wir sind einverstanden.“

Kapitel 20: Die erste Prüfung

Schweren Schrittes und mit keuchendem Atem stapfte die Vierergruppe, angeführt von Mr. Shady, durch die Eiswüste. Sie alle waren furchtbar erschöpft, denn die Temperatur schien gar nicht daran zu denken, konstant zu bleiben. Im Gegenteil: sie fiel ununterbrochen. Es war kein Vergnügen, zumal Shady nicht gerade langsam durch das Schneegestöber schwebte. Sie mussten ihm folgen, denn sonst würden sie sich ganz sicher in diesem Sturm verlaufen. Plötzlich glaubte Chijo, in der Ferne etwas Großes erkennen zu können. Tatsächlich bewegten sie sich scheinbar auf so etwas wie einen Berg zu. Chijo hoffte, dass sie dort eine Höhle oder sonst einen Schutz vor dem Schnee finden würden. Und schon nach kurzer Zeit erhob sich aus der scheinbar unendlichen Einöde eine gigantische, in den Stein der Berge gehauene Götzenstatue.
Chijo fragte sich, ob hier irgendwo ein Eingang sein könnte. Shady führte sie eindeutig an die Füße dieser riesigen Statue. Und tatsächlich: ganz nah dran, konnte man einen unauffälligen Seiteneingang in den Berg hinter der Statue erkennen. Genau dorthin wurde die Gruppe geführt. Der seltsame Mann schaute Shady argwöhnisch an. Er dachte an Kentaro. Irgendwie passte dieses Vorgehen ganz und gar nicht zu ihm. Kentaro war jemand, der immer sofort alle umbringen wollte und auch keine Zivilisten verschonte. Vielleicht hatte sein plötzlicher Charakterwandel etwas mit diesem Rezor zu tun. Denn ansonsten hätte Kentaro während des Luftkampfes – „Hey, wir sind da!“ Marons Ruf riss den Mann aus seinen Gedanken. Shady hatte sie bis direkt vor den Eingang geführt. Scheinbar höchst amüsiert, schwebte er inmitten des Schneesturms und deutete auf den Gang, der deutlich sichtbar in einer großen Halle endete. „Passt einmal kurz auf, damit ich es nicht dreimal erklären muss: sobald ihr in der Halle angekommen seid, beginnt die Prüfung. Ihr könnt sie alle zusammen bestreiten oder auch einzeln, je nachdem, wie ihr euch einschätzt. Logischerweise sind die Prüfungen allesamt Kämpfe. Und zwar um die Schlüssel, welche in die nächste Halle führen. Nach drei Prüfungen werdet ihr durch einen unterirdischen Gang direkt dorthin gelangen, wo ihr hinwollt. Jene Schlüssel werden – selbstverständlich – von handverlesenen Individuen bewacht, die keine Kosten und Mühen scheuen werden, um euch zu vernichten. Falls ihr aufgeben wollt, schreit ruft einfach laut meinen Namen während des Kampfes. Ich werde diesen dann umgehend abbrechen. Habt ihr aufgegeben, könnt ihr einen von zwei Jokern einsetzen. Entweder bekommt ihr einen Ersatzgegner oder ein Mitglied eurer Gruppe wird geheilt. Infolgedessen ist zu empfehlen, dass ihr nicht mehr als einmal aufgebt, da der Kampf dann endgültig verloren ist und ihr auf eine recht unangenehme Art und Weise getötet werdet.“
Chijo war ungeduldig. „Ich brauche keinen, der einen auf Schiedsrichter macht, ich will endlich zu Rezor und ihn töten!“ Shady spielte mit den Glöckchen, die von seinem Hut herunterhangen. „Keine niveaulosen Beleidigungen, bitte. Ich habe diesen Job sowieso nur angenommen, weil es in der Hölle nichts zu tun gibt. Denn ihr müsst wissen, ich bin ein Geist.“ Maron blickte verwundert auf: „Das kann man schlecht erkennen, weil von dir ja nichts sichtbar ist.“ Shady nickte zufrieden. „Und das ist auch gut so. Ihr würdet euch nur zu sehr erschrecken. Nun denn, selbst wenn ihr es bis zu Kentaro und Rezor schaffen solltet, werden sie euch trotzdem aufhalten....“ „Nein“, rief Chijo dazwischen, „werden sie nicht. So stark war Kentaro gar nicht, als wir auf den Jets –“ „Falsch!“ Shady wackelte mit dem Kopf und zeigte auf den mysteriösen Mann. „Dieser Kerl weiß sehr wohl, dass Kentaro nicht seine volle Kraft eingesetzt hat! Wenn ihr die Prüfungen besteht, werden euch die Augen übergehen angesichts der wahren Kräfte dieser beiden. Ich habe selbst gesehen, wozu sie fähig sind – vor allem zusammen... Aber genug davon. Euer erster Gegner ist ‚Der Inquisitor’. Viel Spaß – wir sehen uns nach dem Kampf...“
Shady verschwand in einer dunklen Wolke. „Dann lasst uns zur Tat schreiten!“ Chijo war hochmotiviert und marschierte aus dem Schneegestöber heraus mit schnellen Schritten in den Gang. Die anderen folgten ihm wortlos. Schließlich waren sie in der Halle angekommen – und prompt schloss sich hinter ihnen die Tür. Sie waren in diesem Raum gefangen. Doch niemand war dort. „Schaut mal dort!“ Vivian zeigte auf einen Lautsprecher, der an einer der Seitenwände installiert war. Wie auf Befehl erklang daraus eine Stimme: „Erster Kampf, erster Versuch: Team Chijo VS. Inquisitor!“
Plötzlich bebte der Boden. Nein, nicht nur der Boden. Der gesamte Raum wurde aus unerfindlichen Gründen erschüttert. Dann konnte man es erkennen: wie von Geisterhand erschien eine gigantische Kreatur in der Mitte der Halle: kleine unauffällige Augen, eine beachtliche Größe, starke Muskeln wölbten sich unter der dunklen Haut. Die großen Hörner, die scharfen Krallen sowie der Schild in der rechten Hand ließen die Kreatur schon gefährlich genug wirken. Doch in der linken Hand blitzte ein glänzendes, doppelschneidiges Schwert auf.
Die Stimme aus dem Lautsprecher ertönte erneut: „Der Inquisitor ist anwesend. Möge der Kampf beginnen!!!“

Kapitel 21: Anatomie für Anfänger

Chijo und seine Freunde waren zum Kampf bereit. Maron konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Schon vor sechs Jahren war es Rezors Strategie, seine Gegner zu diversen „Eignungstests“ zu fordern. Sie dachte daran zurück, was Chijo alles durchmachen musste. Zuerst die Dämonen des alten Hyrule, dann das Rätsel, gefolgt von Rezor und seinen Anhängern – welchen sie zu ihrem Bedauern damals selbst angehörte – und schlussendlich Vitorro, Chijos böses Gegenstück. Es war wirklich hart. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, dass ihr letzter großer Kampf schon so lange her war. Doch jetzt war es endlich wieder soweit.
Ihr Gegner reckte sich kurz. Jetzt bemerkte man erst recht seine beachtliche Größe von acht Metern. Dann, völlig unvermittelt, schleuderte er sein Schwert in Vivians Richtung. Der unbekannte Mann zog sie schnell zur Seite, sodass die Klinge in die Wand raste und darin stecken blieb. Der Feind gab ein tiefes Raunen von sich, dann erschuf er in seiner Hand prompt ein neues Schwert. Chijo machte große Augen. „Ich weiß nicht... Irgendwie glaub’ ich, dass dieser Kerl uns noch ziemlich zu schaffen machen wird... Vorsicht!!“ Vivian und Maron sprangen nach links, Chijo und ihr mysteriöser Retter nach rechts, um dem plötzlichen Stichangriff des Inquisitors zu entgehen. Allein schon sein Erscheinungsbild ließ kaum eine Schwäche erkennen, doch die Tatsache, dass er ein mächtiges, juwelenbesetztes Schild bei sich trug, schien das Unterfangen vollends unmöglich zu machen. Schnell mussten sie sich wieder ducken, um einem Rundumschlag gerade so zu entgehen. Chijo hatte von der ganzen Sache langsam genug. Ständig sollte er als Versuchskaninchen für Rezors seltsame Prüfungen herhalten – aber diesmal nicht. Er zog das legendäre Schwert, welches er seit der Begegnung mit Bongo Bongo mit sich herumtrug, ließ dem Gegner keine Zeit, sich umzudrehen, sprang in die Höhe und rammte ihm das Schwert in den Rücken. Die mächtige Kreatur kreischte laut und ging langsam auf die Knie. Chijo zog das Schwert schnell wieder heraus und ließ an einer anderen durch die relativ dünne Haut des Monsters schnellen. Nach kurzer Zeit liefen dem Inquisitor viele, kleine Blutrinnsale den Rücken herunter. Chijo beendete seinen Angriff, indem er vom Rücken noch einmal bis zum Hals sprang und die hintere Hälfte mit viel Schwung aufschlitzte. Schließlich sprang er wieder zu seinen Freunden hinunter und sie nahmen gebührenden Abstand vom schreienden, sich vor Schmerzen windenden Dämon. Er hatte Schwert und Schild fallen gelassen und hielt sich mit den mächtigen Krallen Rücken und Hals. Chijo sah sich als Sieger.
Doch er hatte sich zu früh gefreut: plötzlich wandte sich das Monster der Gruppe zu und breitete die Arme aus. Ein lautes Kreischen, und die Füße sowie Arme wurden augenblicklich von einer violetten Aura umgeben. Was jetzt geschah, war selbst für Maron, die viel Erfahrung mit übernatürlichen Wesen hatte, etwas Neues. Die Füße vermischten sich zu einer undeutlichen Rauchwolke, sodass der Dämon nun schweben konnte. Dann, keine drei Sekunden später, geschah das Unglaubliche: beide Arme lösten sich vom Körper und schwebten nun frei durch den Raum, woraufhin sie sofort Schwert und Schild aufhoben. Der Rest des Körpers zog sich in die Ecke zurück und schuf eine warme Aura um sich. „Verdammt“, rief Maron, „der Kerl heilt sich! Seine Arme sollen uns wohl solange beschäftigen! Achtet auf jeden Schritt – ohne den schweren Körper können uns die Angriffe wie aus dem Nichts treffen!“
Ihre Erklärung kam zu spät – schon hatte die Hand mit dem Schild nach Vivian geschlagen. Sie wurde hart getroffen und gegen die Wand geworfen, brach dann sofort in sich zusammen. „Schnell“, rief Chijo, „einer holt Vivian aus der Gefahrenzone – Maron, mach du das! Sie kommen mit mir!“ Er winkte den Mann zu sich, der prompt reagierte. Zusammen stellten sie sich zwischen Maron, die Vivian half, und die Arme des Inquisitors. Der Mann rief Chijo zu: „Wir müssen irgendwie an den Armen vorbei! Solange sein Körper noch lebt, sind die Arme nicht von Bedeutung. Ich kümmere mich um die Arme, du versuchst zum Körper durchzukommen!“
Chijo nickte. Der Mann rannte auf die Arme zu und zwischen ihnen hindurch, um sie zu verwirren.
Währenddessen rannte Chijo in die Ecke des Raumes zum gekrümmten Körper des Monsters, den noch immer die violette Aura umgab. Chijo konnte sehen, wie die Wunden, die er dem Gegner zugefügt hatte, langsam verheilten. Schnell nahm er sich sein Schwert und rammte es dem Dämon mit voller Kraft in die Seite. Die Aura verschwand, der Inquisitor schrie laut auf. Die Hände wurden langsamer, doch dann hatte die Hand mit dem Schwert noch immer die Kraft, selbiges dem mysteriösen Mann mitten in den Bauch zu rammen. Sein Atem stocke, die Augen traten hervor. Er brach zusammen.
Chijo bemerkte das. Ohne nachzudenken schlug er weiter mit dem Schwert auf den geschwächten Körper ein. Trotz der beachtlichen Größe hatte der Dämon keine Energie mehr. Er und seine Arme gingen zu Boden und verabschiedeten sich in einem gleißenden Licht. Chijo rannte sofort zum Mann, der ohnmächtig auf dem Boden lag. Sein Körper war geradezu aufgeschlitzt worden, er war fast blutüberströmt. Maron stützte die noch immer leicht benommene Vivian und kam zu Chijo. Alle drei starrten auf die klaffende Wunde, die sich über den kompletten Oberkörper zog.

Kapitel 22: Enthüllungen

Zwar war der Kampf gewonnen, doch der Preis dafür war umso höher: reglos lag der Mann auf dem Boden, während das Blut langsam über seine schwarze Kleidung strömte. Chijo nahm seine Hand und versuchte, den Puls zu fühlen. „Lebt er noch?“ Vivian konnte sich kaum noch halten vor Entsetzen – sie war, im Gegensatz zu Chijo und Maron – solche Bilder des Grauens nicht gewohnt. Plötzlich weiteten Chijos Augen sich, während er noch einmal nervös auf die Pulsader drückte. „Er... er lebt noch!“
„Ja, aber wie lange noch?“, fragte Maron wenig beeindruckt und deutete mit den Kopf auf die große Wunde. „Nicht mehr lange“, entgegnete Chijo, „wenn wir nichts unternehmen. Hat denn niemand hier Verbandszeug oder so wa... Hey!!“ Chijo blickte schnell hoch. Über ihnen schwebte Mr. Shady, der wie immer mit den Glocken an seinem Hut spielte und das Geschehen interessiert beobachtete. Als er sah, dass die kleine Gruppe ihn bemerkt hatte, schwebte er langsam vor dem schwer verletzten Mann zu Boden und musterte ihn kurz. Dem folgte eine eindeutige Diagnose: „Joker.“ Vivian war verwirrt. „Bitte was?“ Shady wiederholte das Wort in der gleichen Monotonie wie vorher. „Joker.“ „Was ist damit?“, fragte Chijo. Shady rückte seinen Hut zurecht und blickte alle drei Menschen verständnislos an. „Seid ihr tatsächlich so dumm oder tut ihr nur so? Wenn ich etwas von Jokern rede, dann dürftet ihr ja wohl wissen, was zu tun ist. Schließlich soll ich euch behilflich sein.“ Maron dachte kurz nach.
„Ja, ich hab’s! Passt mal auf: wir haben doch zwei Joker – das wurde uns vor dem ersten Kampf erklärt. Und einer davon bot die Möglichkeit, einen Verletzten zu heilen. Solange also sein Puls noch da ist, können wir diesen Joker einlösen.“ Shady blickte betrübt zur Seite: „Da gibt man sich solche Mühe beim Erklären der Regeln... und dann hört kein Mensch zu. Bedankt euch bei eurem Gedächtnis dafür. Denn mehr hätte ich euch nicht gesagt.“ Chijo schaut etwas grimmig drein. Prompt sprach er die Worte aus: „Wir setzen unseren ersten Joker und wollen, dass dieser Mann hier geheilt wird!“ Kaum, dass er diese Worte ausgesprochen hatte, geschah etwas, dass wahrlich seltsam aussah. Die Wunde schien sich von innen nach außen scheinbar selbsttätig zu verschließen, es wirkte, als würde jemand zwei Reißverschlüsse in verschiedene Richtungen bewegen. Nach kurzer Zeit sah alles so aus, als hätte nie ein Kampf stattgefunden.
Langsam schlug der Mann die Augen auf. Er blickte erstaunt in die Runde und setzte sich auf. Chijo lächelte. „Moment mal... was ist hier passiert? Der Feind... dieses Schwert... ich hab’s nicht verhindern...“ „Ruhig bleiben. Es ist alles in Ordnung.“, sagte Maron leise und half ihm beim Aufstehen. Prompt ergriff Mr. Shady, der bisher eher im Abseits gestanden hatte, das Wort und erklärte die nächsten Schritte: „Ein herzzerreißendes Wiedersehen. Nichtsdestotrotz muss die Reise weitergehen, falls ihr Rezor und Kentaro jemals gegenübertreten wollt. Euer verbliebener Joker erlaubt es euch, einen zu schwierigen Gegner gegen einen anderen auszutauchen. Sobald ich weg bin, wird sich eine Tür öffnen, welche in die zweite Halle führt. Ganz nebenbei noch ein kurzer Tipp: die Joker können beim dritten Gegner nicht benutzt werden. Ich würde an eurer Stelle also nicht allzu sparsam mit diesem letzten Bonus umgehen. Bye!“
In seiner obligatorischen dunklen Rauchwolke verschwand er. Chijo kratzte sich verzweifelt am Kopf. „Das kommt mir langsam komisch vor. Wir verfolgen die beiden, weil wir sie töten wollen – und dann werden wir freundlich zu einem Turnier geleitet und bekommen sogar noch Tipps. Irgendwas stimmt hier nicht.“ Während er nachdachte, knirschte es Hintergrund: die Wand schob sich wie in Zeitlupe zur Seite und gab den Blick auf eine zweite Halle frei. Maron war fest entschossen, weiterzugehen. „Komm, Chijo! Das ist Rezors normales Verhalten. Als ich noch zu seiner Armee gehörte, hat er mir einmal erzählt, dass er damit prüfen will, ob jemand es wert ist, gegen ihn anzutreten. Sein Verhaltensmuster.“ Trotz dieser Erklärung blickte Chijo weiterhin misstrauisch in Richtung der zweiten Halle. „Ach, was soll’s! Ich habe sowieso nur mein Leben zu verlieren!“ Diese Worte kamen von dem Mann, der gerade erst geheilt und mit leerem Blick geradeaus schaute.
Chijo wandte sich ihm zu: „Ja, du! Wer bist du überhaupt? Ich habe nichts dagegen, dass du Leute aus Notsituationen rettest, aber dann mit ihnen zu gehen, nur, um dich von irgendwelchen dämlichen Monstern, die ein völlig bescheuerter Idiot mit einem noch viel dämlicheren Typen ausgedacht hat, abschlachten zu lassen und unnötig Joker zu verbrauchen? Jetzt sag sofort deinen Namen und deine Herkunft, sonst lasse ich dich hier zurück!!!“
Der Mann schien durch Chijo aufgeschreckt worden zu sein. Er schaute die Gruppe einmal an, dann in die Ecke, wo noch immer die Blutlache des Inquisitors zu sehen war. Dann öffnete er unsicher den Mund: „Nun, ich kann es wohl nicht länger verschweigen... Deine Anschuldigungen, Chijo, sind falsch. Ich habe euch nur aus einem Grund gerettet und begleitet: ich wusste, dass ihr mich irgendwann zu Rezor führen würdet. Und das aus einem denkbar simplen Grund. Auch mir liegt viel an der Erhaltung von Dabana. Auch ich habe das Ziel, Rezor und Kentaro aufzuhalten. Auch ich bin ein Kämpfer für das Gute. Mit einem Unterschied: ich kenne Rezor schon wesentlich länger als ihr!“ Diese Worten ließen Chijo verstummen. „Seit wann?“, fragte Maron schnell. Der Mann überlegte kurz. „Um es genau zu sagen – bitte erschreckt euch nicht: seit frühester Kindheit. Oder um genau zu sein – ich bin Savon, Rezors bester Freund seit seiner Kindheit!“

Kapitel 23: Höllenengel

Chijo nickte zufrieden. „Savon also. Würdest du uns auch einmal dein Gesicht zeigen?“ Er deutete auf Savons Kopf, der – bis auf die Augen – komplett durch ein schwarzes Tuch verhüllt war. Doch er war dagegen. „Ich weiß nicht, ob ihr es versteht... es ist noch zu früh, mich ganz zu zeigen. Vertraut mir – und wartet ab.“ Maron unterbrach den Dialog: „Wir sollten in die nächste Halle gehen. Rezor lässt uns bestimm nicht raus, wenn wir hier stehen bleiben.“ Die anderen nickten und sie gingen gemeinsam in die zweite Halle, welch identisch mit der ersten war. Plötzlich ertönte eine Stimme – auch hier befand sich ein Lautsprecher an einer Seitenwand: „Zweiter Kampf, erster Versuch: Team Chijo VS. Höllenengel!“ Das Tor fiel hinter ihnen zu. Nur Augenblicke später wurden die Wände langsam rot, es wurde heiß. Chijo und die anderen gingen weiter in den Raum hinein. Plötzlich bildete sich um sie ein großer Flammenkreis. Die Wände waren inzwischen zu reinem Feuer geworden und loderten hell auf. Teile des Bodens rissen auf und darunter sah man das Magma blubbern. Es knisterte und flackerte, doch kein Gegner war anwesend. Plötzlich bebte der Raum.
Und da: aus der Feuerwand schnellte blitzschnell etwas mit großen, dunkelroten Flügeln in den Raum. Die Lava spritzte auf Chijo und die anderen herunter und sie hatten Mühe mit dem Ausweichen. Schließlich stoppte die Kreatur und spannte ihre Flügel. Die roten Pupillen in den großen Augen ließen sie wahnsinnig wirken. Ein schlanker, durchtrainierter Körper, eine schwarze Lederhose und zwei mit Klingen besetzte Bumerangs in den Seitenhalftern. Dazu die elfenartigen Ohren und ein Umhang, der aus Feuer zu bestehen schien. Maron hatte den starken Verdacht, dass Rezor ab jetzt wesentlich härtere Geschütze auffahren würde.
Mitten durch das Inferno zischten plötzlich die Klingenbumerangs und hätten Vivian beinahe getroffen. Ihr Gegner hatte angegriffen, ohne das sie es überhaupt bemerkt hatten. Schnell zückte Chijo sein Schwert. „Komm runter!!!“, schrie er dem Höllenengel zu. Der flatterte nur noch kurz in der Luft, um seine Waffen wieder aufzufangen und ließ sich dann zur Gruppe herunter. Er griff schnell in den Flammenkreis und hatte prompt ein Schwert in der Hand. Chijo war bereit. Im nächsten Augenblick trafen beide Klingen aufeinander. Chijo versuchte einen tiefen Schlag, doch sein Gegner konterte. Ein hoher Schlag. Wieder nichts! Ein horizontaler Stich – erfolglos. Der Höllenengel wehrte jegliche Attacke ab. So ging es hin und her – griff der eine an, konterte der andere und umgekehrt. Schließlich trafen die Klingen erneut aufeinander. Chijo sah keinen Ausweg mehr. Er machte schnell einen Sprung rückwärts und hielt das Schwert horizontal hinter sich. Dann rannte er in Richtung seines Kontrahenten und führte dabei die Wirbelklinge aus. Doch womit er nicht gerechnet hatte: der Höllenengel griff erneut ins Feuer und holte ein Schild heraus, mit welchem er den Angriff mühelos abwehrte. Chijo prallte ab und ging zu Boden, ließ sein Schwert los. Er konnte nicht mehr. Diese Hitze um ihn herum... sie machte Konzentration unmöglich. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und sah, dass sein Gegner direkt vor ihm stand – das Flammenschwert über Chijos Kopf. Er schluckte leise.
Doch der Höllenengel kam nicht zum Attackieren. Savon hatte sich Chijos Schwert gegriffen und war damit auf den Flammendämon losgegangen. Er war geschickt im Schwertkampf, sogar sehr. Denn die Kreatur hatte nun weitaus schwieriger – vielleicht lag es aber auch daran, dass sie wegen Chijo bereits erschöpft war. Maron rannte zu Chijo und half ihm auf die Beine. Auch ihr war heiß, doch sie konnte ihren alten Freund nicht im Stich lassen. Sie stützte ihn und trug ihn aus der Gefahrenzone.
Unterdessen beschäftigte Savon ihren Feind weiterhin. Der Dämon konnte sein Schild nicht mehr halten und ließ es fallen, woraufhin es sofort schmolz und nichts als ein erstarrter Klumpen übrig blieb. Chijo schaute Savon euphorisch zu. Endlich spürte er wieder diese gewaltige Aura, die ihn zuerst so erschaudern ließ. Dieser Mann – wer auch immer er sein mochte – war ein unglaublicher Kämpfer. Wenn man nur seine Bewegungen sah – jeder Schritt schien im Voraus geplant, jede Aktion beabsichtigt. Ja, sogar Fehler seinerseits fügten sich perfekt in diese unglaubliche Abfolge von Attackieren und Kontern ein. Es war fast schon mehr ein Tanz denn ein Kampfstil. Der Dämon konnte nicht mehr mithalten. Als Savon einen Stich mitten in den Bauch landete, ließ der Höllenengel sein Schwert fallen und ging auf Knie. Ebenso wie das Schild schmolz auch das Schwert zu einem unansehnlichen Brocken zusammen.
Der Gegner war wehrlos. Trotz der unglaublichen Hitze hielt Savon tapfer durch. Mit einem letzten Schwertstreich jagte er die Klinge mitten in den Kopf der Kreatur hinein. Ein kurzer Aufschrei – die Feuerwände erloschen, der Flammenkreis löste sich auf – sogar der Boden schloss sich wieder. Der Höllenengel kniete stocksteif vor Savon. Dann, völlig unvermittelt, fiel der linke Arm ab, klatschte auf den Boden wurde augenblicklich zu Stein. Genauso der andere Arm. Und dann der Kopf. Schlussendlich verabschiedete sich der Rest des Körpers in einer gigantischen Explosion.
Es herrschte bedrückende Stille. Der zweite Gegner war bezwungen, die zweite Prüfung bestanden. Nur noch ein Kampf trennte sie von Rezor und Kentaro. Die Halle sah inzwischen wieder exakt wie vor dem Kampf aus. Prompt bildete sich vor der Gruppe eine Rauchwolke, aus welcher Mr. Shady trat. „Gratulation... Ihr habt euch tatsächlich tapfer geschlagen. Der Inquisitor war stark, aber langsam. Der Höllenengel war stark und schnell. Doch der dritte und letzte Gegner wird noch eine weitere Stärke bieten. Er ist schnell, stark – und unverwundbar!“ Mit diesen Worten öffnete sich die Tür in die nächste Halle. Shady sprang auf eine dunkle Wolke, die wie von Geisterhand unter ihm erschienen war und schwebte auf ihr in die nächste Halle. Chijo war überrascht. Aus der Ferne hörte er Shady rufen. „Kommt her und stellt euch eurer letzten Herausforderung – mir!!!“
Chijo schluckte. Dieser vermummte Typ war also ihr letzter Gegner. Doch trotz allen Mutes, eine Sache beunruhigte ihn. Was meinte Shady bloß mit „unverwundbar“?

Kapitel 24: Chamäleon

Maron zögerte nicht lange und begab sich in die letzte Halle., woraufhin Chijo, Vivian und Savon ihr folgten. Mr. Shady schwebte dort seelenruhig auf seiner düsteren Wolke. Nachdem die Gruppe eingetreten war, fiel das gewaltige Steintor erneut hinter ihnen zu – das letzte Mal.
Shady sprang von der Wolke herunter, die daraufhin verpuffte. „Ich will nicht gegen euch kämpfen... ich mag euch... aber ich muss... meine Seele kann sicher einer höheren Macht nicht widersetzen. Nun denn... seit bereit!“ Er generierte in seinen Händen eine Scheibe aus Energie, die er in Richtung der Gruppe schleuderte. Sie sprangen zur Seite und rollten sich am Boden ab, während die Energiescheibe den Boden aufbrechen ließ. Maron schaute auf. Shady hatte jetzt zwei dieser Scheiben – und er ließ sie umgehend los. Chijo musste Vivian schnell zur Seite ziehen, ansonsten hätte der Angriff sie hart getroffen. Auch die Wände waren jetzt beschädigt. Alle blickten aufgeregt zu Mr. Shady.
Doch der wollte scheinbar nicht mehr angreifen. Regungslos stand er dort und schien auf etwas zu warten. Plötzlich – als ob ein Unsichtbarer ihn mit Mehl überschüttet hätte – verfärbte sich seine gesamte Kleidung schneeweiß. Ebenso seine Hände, Füße und sogar sein kaum erkennbares Gesicht. Maron blickte erstaunt auf die leuchtend weiße Gestalt. „Was wird das?“ Doch da passierte es noch einmal: Shady verfärbte sich erneut. Nur wurde er diesmal pechschwarz. „Was soll das? Damit beeindruckst du uns nicht!“, schrie Chijo ihm zu. Shady verfärbte sich wieder weiß und schnippte kurz mit dem Finger. Daraufhin wurde die komplette Halle komplett schwarz. Nicht einmal die Umrisse der Wände oder die Türen waren zu erkennen. Man glaubte fast, im Nichts zu stehen – würden nicht an den Türen sowie an den Wänden rote Zeichen aufleuchten, die der Gruppe eine ungefähre Ahnung davon gaben, wo sie sich befand. Sie blickten zu Mr. Shady. Doch er schien urplötzlich verschwunden. Chijo schaute sich im Dunkel um. War er tatsächlich weg? Mit einem Mal hörte er einen Schmerzenschrei und gleich daraufhin wurde Savon neben durch die Luft geschleudert. Noch bevor er reagieren konnte, hatte es auch Chijo erwischt. Er knallte mit dem Kopf gegen die Wand. Scheinbar von weit weg ertönte ein schallendes Gelächter.
Maron half den beiden schnell wieder auf die Beine. Irgendwo war Shady noch, ganz sicher. Vivian stand grübelnd neben Savon. „Aber wenn... wenn er... dann müsste ja...“ Savon wandte sich ihr zu: „Was überlegst du da?“ „Ich entwickle nur eine Theorie. Wenn sie stimmen sollte, dann haben wir einen wirklich schwierigen Gegner vor uns...“ Chijo bemerkte, wie etwas neben seinem Ohr vorbeizischte. Er schnellte herum und glaubte, einen leichten Windhauch gespürt zu haben, als würde etwas nach oben schweben. Er zeigte nach oben: „Schaut alle dorthin!“ Ohne langes Zögern richteten sich die Blicke der Gruppe auf den Punkt, den Chijo mit dem Finger angepeilt hatte. Urplötzlich wurde der Raum völlig weiß – nur die Zeichen an den Wänden leuchteten weiter. Es war fast wie im Dunkel. Man hätte vermuten könne, man sei im Nichts. Doch das war weniger wichtig. Denn für kurze Zeit sah man in der Luft schwebend einen pechschwarzen Schatten, der aber schon nach kurzer Zeit wieder verschwand. Keine zwei Sekunden später wurde Maron scheinbar heftig von etwas getroffen und ging zu Boden. Vivian stand neben Chijo und nickte. „Eindeutig...“ „Was ist eindeutig?“ Chijo war neugierig.
Savon half gerade Maron wieder auf die Füße, als Vivian zur Erklärung die Sachlage erklärte. „Shady ist die ganze Zeit hier... Jetzt weiß ich auch, was er uns mit dem Verfärben am Anfang zeigen wollte. Das, womit wir es hier zu tun haben, ist ein klarer Fall von Mimikry. Hell im Weißen, dunkel im Schwarzen. Wir können ihn nicht erkennen... jedenfalls nicht mit dem bloßen Auge.“
Alle anderen schienen sehr erstaunt. „Aber warum konnten wir ihn dann eben sehen?“, fragte Savon. Daraufhin hörte man erneut ein lautes Lachen von irgendwo aus dem großen Raum. „Die Farbe der Halle hat sich gewandelt, als wir ihn alle auf einmal angesehen haben. Dann braucht er eine kurze Zeit, um sich wieder zu verfärben. Wir müssen – Ahh!!!“ Noch bevor sie zuende reden konnte, wurde Vivian wie von Geisterhand in die Luft gehoben und auf den Boden geworfen. Erneut war das Lachen zu vernehmen. Chijo war verzweifelt. „Das ist unmöglich. Dieser Typ hat alle Trümpfe in der Hand..“ „Nein!“ Vivian stand wieder auf und schaute durch den Raum. „Wir müssen alle unsere Blicke auf ihn richten. Gemeinsam. Nur dann wechselt der Raum die Farbe!“ Chijo konzentrierte sich. Auch Mr. Shady musste eine Aura haben... wenn er sie nur orten könnte, wäre es kein Problem.. aber im Gegensatz zu der von Savon waren alle anderen bloß ein laues Lüftchen. Irgendwie musste es doch möglich sein... denn Mr. Shady könnte jederzeit wieder unerkannt angreifen. „Er spielt mit uns. Wir müssen alles geben, sonst überleben wir diesen Kampf nicht!!“

Kapitel 25: Sieg und Niederlage

Von irgendwo her konnte die Gruppe erneut Shadys Lachen vernehmen. Chijo konzentrierte sich weiterhin: Shady musste einfach eine Aura haben, sonst wäre er niemals so mächtig. Plötzlich zischte etwas an ihm vorbei und nur Sekundenbruchteile später schrie Maron laut auf. Chijo drehte sich zu ihr um. Es schien fast, als hätte ein Unsichtbarer sie von hinten gepackt, denn ihr Hals drückte sich ohne ersichtlichen Grund immer enger zusammen. Sie rammte ihren Ellbogen nach hinten und traf etwas, woraufhin der Druck nachließ und sie wieder normal amten konnte. Erneut ein Windhauch – direkt an Chijo vorbei. Er war noch immer vollkommen konzentriert. Plötzlich hatte er sie: Shadys Aura! Er konnte sie ganz deutlich spüren! Schnell zeigte er auf eine Ecke des Raumes: „Schaut alle dorthin. Jetzt!!“ Schnell schauten Savon, Vivian und Maron in die Richtung, die Chijo angedeutet hatte. Und wie von Geisterhand wechselte der Raum die Farben! Es war erneut pechschwarz geworden – nur in der Luft eine weiße Gestalt! Blitzschnell sprang er in die Höhe, direkt auf den weißen Umhang zu: jetzt war Mr. Shady dran! Chijo war fast da, als sein Gegner direkt vor seinen Augen verschwand! Doch darauf achtete er nicht – er spürte die Aura noch immer an derselben Stelle. Jetzt war er auf einer Höhe. Schnell nahm er die Faust hoch und schlug zu: getroffen!! Er spürte, dass Mr. Shady durch den Schlag zu Boden geschleudert wurde. Also ging er schnell wieder runter und schlug, ohne nachzudenken, weiter auf die Stelle, wo er den Geist vermutete. Es zeigte Wirkung. Nach kurzer Zeit waren Schmerzensschreie zu vernehmen – Chijo hörte sie ganz deutlich vor sich. Er hatte Mr. Shady endlich festgenagelt. Erneut schlug er zu. Dann, ganz plötzlich, verschwand die Dunkelheit um ihn herum und vor ihm wurde die Gestalt von Mr. Shady sichtbar. Chijo wich langsam zurück und schaute sich das Wesen vor ihm an. Zitternd und reglos kniete er dort und blickte zu Chijo hoch. „Du hast mich... Keine Frage, du bist stark... Aber reicht es.. auch für... ihn ...?“ Mit diesen Worten löste sich Mr. Shady in einem dunklen Rauch auf.
Maron schaute wie gebannt auf die leere Stelle. Sie hatten es tatsächlich geschafft. Plötzlich ertönte von oben ein Geräusch: in der Decke öffnete sich ein Durchgang, und gleich darauf hob sich eine große Wendeltreppe aus dem Boden. „Los, gehen wir rauf!“ Vivian ging zur Treppe und nahm vorsichtig die ersten Stufen. „Kommt her!“ Savon, Chijo und Maron folgten ihr. Sie alle mussten sich gut am Geländer festhalten, um nicht abzurutschen. So erreichen sie die nächste Etage, welche nun überraschend leergefegt wirkte. Nirgendwo war jemand zu sehen, nicht einmal ein Anzeichen von Leben. Savon blickte kurz an die Decke: „Dort ist etwas...“ Kaum, dass er diese Worte ausgesprochen hatte, sprang ein schemenhaft erkennbares Wesen vom Dachgebälk in die Mitte des runden Raumes. Seine Gestalt erinnerte ein wenig an die eines menschlichen Skorpions, doch sein Körper schien aus einem seltsamen, spiegelnden Element zu bestehen.
Seine blutroten Augen glitzerten böse. Chijo war enttäuscht. „Rezor hat uns versprochen, dass nach drei Prüfungen Schluss ist! Was wird das?“ Maron schaute auf einen kleinen Tisch. Mit einem Mal ging sie darauf zu und nahm einen Brief in die Hände, dessen Schrift noch ganz frisch zu sein schien. „Hey, hört euch das mal an: Kentaro hat uns eine Nachricht hinterlassen. Er schreibt, sie würden zum Archiv fliegen, um dort den nächsten zu holen...“ Savon horchte auf und schnappte sich den Brief. Mit großen Augen überflog er die Zeilen. „Unglaublich... dann soll dieses Monster uns aufhalten. Denn das Ziel der beiden ist kein gewöhnliches Archiv... Es ist ein Archiv des Lebens!“
Alle schauten Savon entgeistert an. „Das ist ein heiliger Ort inmitten der Wälder von Dabana. Hier wird die Lebensgeschichte eines jeden Menschen aufbewahrt und von einem alten Mann, der nur als ‚Eremit der Zeit’ bezeichnet wird, gehütet. Dieser Mann muss einer der Sechs sein, die Rezor und Kentaro suchen. Aber was noch schlimmer ist: sie werden das Archiv verwüsten wollen. Und das hätte im schlimmsten Fall zur Folge, dass komplette Epochen der Menschheitsgeschichte ausgelöscht werden könnten. Also, wir haben wenig Zeit. Lasst und dieses Monster fertig machen!“
Gemeinsam blickten sie auf das schattenhafte Wesen. Es hatte zwei gewaltige Scheren, mit denen es bereits leise schnappte. Nun ging es um Sekunden!