Der Andere
Autor: Mister Knister

Der Andere

Aufgeregt rannte er den dunklen Gang hinab. Seine Laterne schien kaum vor die Füße, doch die Gefahr, über eine Wurzel oder alte Gebeine zu stolpern ignorierte er im Angesicht des Ziels. Zwei Wochen verbrachte er schon in dieser Höhle, die, obwohl von außen natürlich anmutend, etwas an sich hat, dass von Menschen- oder jemand anderes Hand geschaffen wurde. Allerlei Spuren fanden sich an den Wänden und Schriften, so alt, dass er seine Lexika brauchte, um sie zu lesen und auch so manche alte knartschende Tür fand sich provisorisch in den Stein gehauen. Außer Atem traf er am Ende des Ganges wieder auf eine Tür. Doch diese war mehr als ein Hölzerner Windschutz. Sie war mit Schlössern gesichert. Man benötigt passende Schlüssel und die richtigen Codes, um sie zu öffnen. Doch Taro hat gute Arbeit geleistet und sowohl die Schlüssel als auch die Zahlen- und Zeichenkombinationen ausfindig gemacht. Er fühlt sich fast wie Link, der Ewige Held, der in seinen verschiedenen Inkarnationen ebenfalls Abenteuer erlebte und Verließe und Höhlen durchforstete. Letzten Endes ist Taro auch genau deswegen hier, auf den Spuren Links. Schon als Kind waren ihm die Geschichten des Helden der Zeit oder dem Helden, in dem ein Wolf wohnt, am liebsten, wenn sein Großvater Jargon davon erzählte. Was ihm in seinem kindlichen Fernweh noch nicht auffiel, war die Lücke in den Erzählungen und Geschichten. Als Erwachsener verschrieb sich Taro ganz der Archäologie und studierte alles über Link und Zelda. Lange glaubte er, das sind Geschichten aus Ländern jenseits seines Horizonts oder gar Märchen. Bis er in der Bibliothek in Hyrule auf verstaubte Bücher stieß und mit allerlei Leuten redete, die behaupteten, ihm bei der Suche nach der wahren Geschichte weiter helfen zu können. Mit der Zeit konnte er so die Legende von Zelda rekonstruieren und stieß auf Beweise, dass sie wahr ist. Nur die eben benannte Lücke konnte er nicht füllen. Man weiß, dass einst Ganon aus der Wüste einen Krieg mit dem König Hyrules begann. Auf der Suche nach dem Relikt der Götter tobte lange der erste Triforce-Krieg, der erst nach vielen Niederlagen auf Seiten des Guten durch den Helden der Zeit gewonnen wurde. Ganon wurde verbannt doch brach mit der Zeit immer wieder das Siegel, dass ihn einsperrte. Mehr als einmal vereinte sich das Triforce in Form seiner Träger Zelda, Ganon und Link doch jedes Mal gelang es Link mit dem mächtigen Masterschwert Ganon in seine Schranken zu weisen. Das Masterschwert hatte Taro übrigens ebenfalls ausfindig machen können. Es war jedoch fest in einem Stein verankert, so dass nur Farbfotos seine Museumsgalerie schmücken. Sein Museum läuft gut. Es steht in Neu-Kakariko und wurde mit der Zeit und den vielen Relikten Links ein echter Publikumsmagnet. Doch zurück zur großen Lücke in der Geschichte. Nachdem Link nämlich zweimal Ganon besiegte, fehlt die Schilderung, wie es das dritte Mal passierte. Man erzählt, Hyrule wurde teilweise geflutet, um Ganon in dem Element des Wassergottes weg zu sperren. Das erklärt auch, warum Hyrule inzwischen von Seen und Flüssen durchzogen ist, wo einst friedliche Dörfer standen. Das Wasser steigt außerdem stets an. Taro hat ausgerechnet, dass in zweihundert Jahren das Hyrule, wie man es heute kennt, nur noch eine Legende sein wird, verschluckt tief am Boden eines Meeres, das tiefer und dunkler sein wird, als es das Hylia-Meer heute schon ist. Selbst das war vor etwa hundert Jahren nicht mehr als ein See, doch wurde der Hylia-See auserkoren, an seinem Grund das Gefängnis Ganons zu beherbergen. Warum der Pegel weiter steigt und Jahr für Jahr neue Felder schwemmt, das will Taro hier und heute herausfinden. Er will herausfinden, was vor einem Jahrhundert geschah, warum sein Großvater Jargon stets in bedrücktes Schweigen geriet, wenn Taro danach fragte. Taro vermutet seit einiger Zeit, dass Jargon Link persönlich kannte. Den Link von den vielen, der Ganon zweimal die Stirn bieten musste, eben der Link, dessen Ausgang im Dunkeln liegt.
Er steht nun direkt vor der verstaubten aber doch glänzenden Tür. Es dauert ein Weilchen, die Schlüssel in der richtigen Reihenfolge zu benutzen und dann auch noch die Zahlenschlösser einzustellen. Endlich geht sie auf, es ist tief dunkel in dem Raum hinter ihr. Auch als Taro einige Schritte hineingeht, erwidert nichts den Schein seiner Laterne. Er tastet sich durch den Raum durch und merkt spätestens als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben und er etwas vom schwarz gefärbten Raum erkennt, dass dies nicht mehr als ein Besenkammer großes Nichts ist. Nicht einmal Spinnen waren hier drin. Enttäuscht und etwas wütend, die Arbeit umsonst geleistet zu haben, denkt er noch einmal tief nach und geht alles durch, was er die letzten Zwei Wochen gelernt und entdeckt hat. Auf einmal fallen ihm die Verse ein, die an einer Art Altar geschrieben standen. Auf dem Altar stand etwas wie eine Figur Links, doch völlig verschmutzt und schwarz vor Ruß. Taro hatte sich nicht sauber bekommen. Doch das Gedicht, das dort stand hat er sich gemerkt:

Willst Du mich finden,
Du, der mich Sucht
Musst Du verschwinden,
Wie ich einst, verflucht.

Tritt ein in die Schleuse
Und schließe die Tür
Dreh dich im Kreise
Und finde zu mir.

Die Antwort der Frage,
Die Du Dir jetzt stellst,
Sind keine Nächte, keine Tage
Aber ein Loch! In das Du fällst.


Taro wird etwas mulmig, jetzt wo er sich erinnert. Was die Schleuse sein soll, hat er sich schon lange gefragt und ihm scheint, dieser gesicherte leere Raum ist eine Schleuse. Er kommt sich fast etwas albern vor, sich jetzt im Kreis zu drehen, wo doch hier drin nichts als stickige Luft zu sein scheint, doch was soll's, es schaut eh niemand zu. Wie vom seltsamen Gedicht befohlen, schließt er die Tür und dreht sich im Dunkeln. Er hat etwas Angst und beim Drehen scheint der Raum noch dunkler zu werden. Er umklammert die Laterne fest mit seinen Händen, doch sie gibt plötzlich kein Licht mehr, sie brennt einfach nicht mehr. Taro ist beschäftigt mit seiner Laterne, bis er aufschaut und dabei fast zu Tode erschrickt. Vor ihm eröffnet sich plötzlich ein Gang. Er ist lang und schimmert seltsam. Dort wo eben noch die Tür war und dahinter die ausladende Höhle findet sich nun ein Korridor wie aus Glas gemacht. Taros Knie zittern und ihm kommt der kalte Schweiß auf die Stirn doch er fasst seinen Mut zusammen und wagt erste Schritte in den unwirklichen Raum. Bei jedem Aufsetzten seines Lederstiefels klirrt es sanft, wie aus weiter Ferne. Auch hallen alle Geräusche seltsam. Immer erschlossener nun schreitet Taro voran. Nach einer Weile betritt er eine Halle, die unglaublich prächtig wirkt in ihrer Gestalt wie aus blassen Glas. Doch sie hat auch etwas bedrückendes an sich, als ob in diesen grauen Räumen die Farben verschwunden sind. Er blickt vorsichtig an sich herab und erschrickt, als sein roter Kittel plötzlich in einem müden grau erscheint. Wo ist er hier nur gelandet, fragt sich Taro. Um Klarheit zu finden geht Taro ein wenig umher. Hinter jeder Säule scheinen weitere zu kommen, er findet außer der Tür duch die er kam keine Begrenzungen oder Wände. Schließlich findet er etwas anderes als Säulen vor. In der Mitte des Raumes (wenn es denn in diesem Raum überhaupt eine Mitte gibt) steht ein riesiges Denkmal. Treppenstufen steigen empor und ganz oben ist ein mächtiger Thron aufgestellt. Auf diesem Thron sitzt eine Statue. Taro erkennt sofort, dass das Link abbildet. Er kletter aufgeregt die Stufen hinauf und betrachtet die kunstvolle lebensgroße Figur. Das Material aus dem sie ist, muss unermesslich viel wert sein, hart wie Stein, schimmernd wie Glas und doch dunkel wie die Nacht. Der Stein-Link hat sein Masterschwert mit seinen Händen umklammert und sein Gesicht ist fein ausgearbeitet. Die spitzen Ohren und das markante Gesicht wirken fast lebensecht. Als Taros neugierige Blicke bei den Augen ankommen, wundert er sich, dass sie geschlossen sind. Alle anderen Abbilder Links hatten heroisch geöffnete Augen. Was erzählt mir diese tragische Figur nur, fragt sich Taro gedankenverloren als plötzlich die Lider des dunklen Linkes aufschnellen. Rote glühende Augen treten hervor und bohren sich in Taros Blick. Er erschrickt und fällt rücklings die Treppe hinab. Statt wie befürchtet eine harte Unterlage zu sein und Taro sämtliche Knochen zu brechen, gibt der Boden, auf dem er landet, weich nach wie eine Wiese. Er hat sich kaum gesammelt und versucht aufzustehen, da steht vor ihm die dunkle Link-Statue. Das Schwert in der Hand und mit einem Blick auf den Augen, der Taro bis ins Mark erschüttert, mustert sie ihn. Link öffnet den Mund und mit einer klare aber bedrohlichen Stimme sprich er zu Taro. „Neugieriger Mensch, was wagst Du hier!”
Taro stockt der Atem und ihm fällt auf, dass die kleine Link-Statue nicht schmutzig gewesen war, sondern Schatten-Link darstellt, den scheinbaren Schlüssel seines Rätsels. In seinem Kopf schließt sich langsam der Kreis, wie alles zusammengehört. In verschiedenen Schriften fand er Andeutungen über Parallelwelten und einen dunklen Link, doch er wusste damit nichts anzufangen. Ohne Angst, schließlich ist er hier, das Geheimnis herauszufinden, tot oder lebendig, fragt er stotternd Schatten-Link: “Wer bist Du und was machst Du hier? Hast Du Ganon besiegt? Ihn in den tiefen See gesperrt?” Schatten-Link wirkt ziemlich erstaunt über die konkreten Fragen und antwortet: “Lass mich Dir erzählen, was geschah. Du scheinst mir in den Dingen meiner Vergangenheit gelehrt zu sein. Nunja, tatsächlich war ich es, der Ganon besiegte, oder es zumindest versuchte. Nachdem er totgeglaubt war, tauchte er wieder auf. Wir konnten es uns nicht recht erklären, doch er hatte das Twilight unter seiner Kontrolle und damit eine unglauliche Streitmacht. Ein Krieg brach erneut aus, doch wissen nicht viele von ihm, denn er fand im verborgenen statt. Nicht nur die Dimensionen wurden von Ganon kontrolliert, sondern auch die Zeiten. Er tauchte in unseren Erinnerungen plötzlich auf, weil er in der Vergangenheit Unheil angestellt hat mit seinen Zeitsprüngen. Vergangene Siege kippten und so kam es, dass wir die Kontrolle verlierten. Er war schlicht zu mächtig. Wir hatten jedoch einen unter uns Gefährten, der Rat hatte. Er wusste von einer Maske, die vor unserer Zeit verloren gegangen war. Geschichten früherer Auserwählter erzählten von ihr und so machten wir uns auf die Suche, nach der Maske der grimmigen Gottheit. Wir fanden sie in einem fernen Land, von dem Du wohl noch nie etwas gehört hast, seltsame Leute dort. Mit ihr besaßen wir jedoch den Schlüssel, das Twilight und die Zeit zu betreten. Das Problem war, dass diese Maske ungeheuer mächtig war, wie ein ungezähmtes Ross. So war klar, dass das alles Opfer mit sich bringt und ich habe mich bereit erklärt, dieses Opfer zu bringen. Ich setzte die Maske auf und ich wurde mächtig und stark wie nie zuvor ein Hylianer oder Mensch wurde und machte mich auf die Jagd nach Ganon. Ich fand ihn und es gab einen Kampf. Wir trugen ihn im Twilight aus und Du darfst raten, wo sich das Tor zu unserem Schlachtfeld befinden. Genau, am Boden des Hylia-Sees. Einst war dort ein Zora-Schrein doch Ganon baute ihn um zu einem Tor zur anderen Welt und das haben wir, damit mein ich mich und die Sieben Weisen, verschlossen. Es ging dabei ein Teil von mir verloren, wie Du selbst erkennst. Nun lebe ich nicht mehr in deiner Welt. Auch nicht in deiner Zeit...” Das musste Taro erst einmal verdauen, doch er war sich sicher, dass Schatten-Link keineswegs für die gute Sache kämpfte. Link sah sein Schatten-Ebenbild stets als Gegner, den es zu besiegen galt, so stand es geschrieben. Und als würde die feuerroten Augen Taros Gedanken lesen können, fuhr er fort: “Du fragst dich, warum ich die Seite gewechselt habe? Du musst wissen, ich, “Link”, bin ein Geist, der durch die Zeit reist. In verschiedenen jungen Männern werde ich wiedergeboren. Beim Benutzen der Maske der grimmigen Gottheit ging etwas von mir ins andere Reich - das Schattenreich oder Twilight - über. Der Teil, den Du und andere als Helden kennen, lebt noch, doch nicht in mir. Andere Auserwählte werden in Zukunft wieder auftauchen. Und hier bin ich nun, ich warte, lange schon, doch die Zeit spüre ich nicht, ich durchwaate sie. Ich werde gelenkt, durch den Erschaffer der Maske. Wer oder was es war, weiß ich nicht, das weiß niemand so recht. Die Maske entstand weit vor unserer Zeit, wer weiß, ob es die grünen Ebenen Hyrules damals schon gab. Wenn Du nun glaubst, dass ich für Ganon kämpfe, irrst du, ich kämpfe nur für den einen, meinen Puppenspieler. Auch die Weisen wussten keinen Rat, ich wurde gewissermaßen ausgestoßen. Meine Seele reist nun auf einem Weg, dessen Ziel ich nicht absehen kann. Doch ich bin mir sicher, dass diese Dritte Kraft nichts Gutes für die Welt bedeutet, meine Menschenseele, die auch gerade mit Dir Spricht, hofft darauf, erlöst zu werden. Diese Macht und doch Ohnmacht von sich zu werfen. Als ich Dich vorhin sah, glaubte ich, Er sein gekommen, der Eine, der mich besiegen wird und damit meine Unruhe stillt. Doch nunja, Du bist es nicht. Taro, ich erzähle es Dir, weil dir eh niemand glauben wird. Für die Weisen wurde ich zum Gegner. Sie wissen es zu verhindern, dass die Welt und die Bewohner Hyrules von mir erfahren, einer Kraft, gegen die man keine Waffe hat, keinen Schild, der meine Macht abwehrt, kein Schwert, das mich durchzubohren vermag. So gehe nun hin Taro, beende deine Arbeit, ich werde warten!” Mit diesen Worten, die in Taro einen Schauer auslösten, jedoch auch Mitleid weckten, Mitleid für diesen Mann, gefangen in der Dämmerung, ohne Willen und wer weiß, welche Last der Schuld sich in Zukunft noch auf Schatten-Link legen wird, nur der Puppenspieler weiß es...

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