Vor Beginn der Zeit…
Autor: Der Meistermineur

Vor Beginn der Zeit…

„…noch bevor weder Geist noch Leben existierten, stiegen drei goldene Göttinnen aus dem Chaos herab. Daraus entstand Hyrule. Din, die Göttin der Kraft…“
„Jaja, die Geschichte kenne ich schon in-und auswendig“ unterbrach der blauhaarige Junge den alten Mann mit dem Leierkasten.
„Din die Göttin der Kraft; Nayru, die Göttin der Weisheit; Farore, die Göttin des Mutes. Die kennt doch jedes Kind!“
Der Spielmann fuhr langsam mit der Hand über die Kurbel seiner Leier, ein paar schnelle Töne entstiegen ihr. „Möchtest du die Geschichte weiter erzählen?“, fragte der Alte in den plötzlich aufkommenden Wind hinein.
„Nein“, erwiderte der Junge „Mir stellt sich nur die Frage, warum es auf einer Welt, die von den guten Göttinnen erschaffen wurde, nur so viel Schlechtes geben kann?!“
Eine lange Pause entstand, in der die Beiden die zügig aufziehenden Wolken beobachteten. „Meinst du die Geschichte am Königshof? Die Ermordung und die Machtübernahme? Das ist ein von der goldenen Macht verblendeter armer Mann.“
„Nein, ich meine nicht nur die bösen Herrscher wie in diesem Fall. Von denen gibt es mehr als genug. Ich meine, warum werden Prinzessinnen entführt? Wieso müssen Menschen sterben, ganze Völker verschwinden?“
Wieder eine lange Pause, von fern hörte man einen Donner grollen. Ungewöhnlich in dieser sonst so trockenen Gegend.
„Nun, mein Junge, das ist der Lauf der Dinge. Schicksal, wenn du es so nennen willst.“ Zum sich immer mehr verfinsternden Himmel aufblickend, sprach der Junge weiter: „Und warum gibt es dann Albträume? Wieso Naturkatastrophen, Vulkanausbrüche oder Überschwemmungen? Warum werden Menschen verflucht? Warum sind die bösen Herrscher böse? Man sollte doch meinen, dass die Göttinnen dies alles hätten verhindern können.“ Schweigen. Nur das immer näher kommende Donnern unterbrach die Ruhe. Die Ruhe vor dem Sturm.
„Lass uns lieber ins Zelt gehen ich glaube hier draußen wird es bald ziemlich ungemütlich.“ sagte der Spieler und ging voran. Drinnen stellte er sein Instrument neben ein paar Krügen ab und ließ sich auf am Boden liegende Kissen nieder: „Deine Worte, Junge, sind hart. In der Zitadelle hättest du ihretwegen Ärger bekommen. Man zweifelt nicht an den Göttinnen!“ Nachdem auch der Junge herein gekommen, den Vorhang am Eingang zugezogen und sich ebenfalls auf Kissen gebettet hatte, sprach er langsam und mit Bedacht: „Ich sage ja gar nicht, dass die Göttinnen selbst fehlgeleitet sind. Ich sage ja nur, dass das, was sie geschaffen haben einen Makel aufweist. Und ich frage mich warum!“
Erste Regentropfen begannen auf das Zeltdach zu tropfen, erst sachte, dann immer stärker. Gerade als der Junge wieder ansetzen wollte zu sprechen, wandte der Alte seinen Blick von der Glut des kleinen Metallofens ab, der in der Mitte des Zeltes stand.
„Ich werde dir die Geschichte erzählen, welche dir die Antworten auf deine Frage geben wird. Drei Goldene Göttinnen stiegen aus dem Chaos hinab. Das kennst du ja.“
„Zu Genüge“
„Dachte ich mir. Nun, Chaos ist nun einmal nicht Nichts, es ist auch etwas…Seiendes. Ich hoffe, ich erzähle dir etwas Neues, wenn ich dir sage, dass die drei goldenen Göttinnen nicht die Ersten waren, die existierten. Vor ihnen gab es schon etwas, eben jenes Chaos.“
Der Junge richtete sich etwas auf, um den Alten besser in dem auf das Zeltdach trommelnden Regen und dem aufwallenden Donner hören zu können.
„Dieses seiende Chaos hat viele Namen: Albträume oder das Material, aus dem diese sind, Majora, Ganon, aber auch Gefühle wie Zorn, Hass und Neid entspringen diesem Seienden. Du erkennst also, dass dieser Makel allgegenwärtig ist. Seine Spur zieht sich durch die Geschichte dieses Landes wie ein schwarzer Faden. Eines ist sicher, dieses chaotische Seiende ist der Feind der Göttinnen, denn diese haben ihm seine einstige Alleinherrschaft streitig gemacht und entrissen. Dafür versucht es sich zu rächen!“
Lange Zeit saßen die beiden still in den Kissen, lauschten dem Regen und beobachteten die flackernden Schatten, die die ersterbende Glut an die Zeltwände warf.
„Du meinst also, dass wir nur ein Spielball dieser Macht sind? Ich im Augenblick mit meinem Unglauben und meiner Wut also nur ein Mittel zum Zweck bin, um den Göttinnen eins auszuwischen. Habe ich das richtig verstanden?“
Der Spielmann atmete tief ein: „So darfst du das nicht sehen Zwar entspringen deine Gefühle diesem Chaos, aber dennoch finden die Göttinnen finden immer wieder einen Weg, um das Chaos zu ihren Gunsten zu manipulieren; lass mich dir ein Beispiel nennen:
Hier in diesem Land, in Kakariko, lebte einst ein alter Mann. Noch viel älter als ich es bin. Eines Tages sah er einen drohenden Schatten auf den die Stadt umgebenden Bergen. Er versuchte die Bewohner zu warnen, doch diese taten seine Worte als das Gerede eines Greises ab. Viele Tage beobachtete der Alte das Wesen, wie es um das Dorf herum schlich und lauerte. Er konnte nicht verstehen, warum die Anderen nicht die Dunkelheit zwischen den Felsen, den Schatten in den Schluchten sehen konnten. Die Dörfler jedoch meinten, es sei normal, dass in Schluchten Schatten und zwischen den Felsen Dunkelheit herrsche.
„Aber nicht solch eine Dunkelheit!“, beharrte der Alte: „Das sind keine normalen Schatten, keine normale Dunkelheit. Das sind verdorbene Wesen und Finsternis!“
Der Dorfvorsteher schüttelte nur den Kopf: „Wir alle sehen nichts Beunruhigendes, warum sollten wir uns von einem Alten, der wahrscheinlich kaum noch sehen kann, ängstigen lassen?“ Mit diesen Worten wandte er sich um und ging. Der Greis jedoch sah aus den Augenwinkeln eine Bewegung am Berg, ganz in der Nähe des Dorfes. Er schrie auf und zeigte in diese Richtung. Doch als sich der Andere umwandte und dem Fingerzeig mit den Augen folgte, versank die Sonne hinter den Bergen und das Tal fiel in Zwielicht.
„Schatten, hmm? Etwas völlig Unnatürliches!“, brummte der Dorfvorsteher und ging ins Dorf zurück. Der Alte jedoch stand noch lange da und beobachtete die Stelle, auf die er gezeigt hatte.
Plötzlich vernahm er ein dumpfes Rauschen hinter seinem Rücken, drehte sich langsam um und sah…die Lichter der paar Bauernhäuser durch die Bäume schimmern. Jetzt erst bemerkte der Alte, dass die Nacht hereingebrochen war und die Schatten allgegenwärtig waren. Angst befiel ihn und er begann zu laufen. Schon nach wenigen Schritten hörte er wieder dieses dumpfe Rauschen, als ob ein kalter Windhauch durch einen toten Wald fahren würde. Dieses Geräusch veranlasste ihn, noch schneller zu rennen, schneller als man es seinen alten Beinen zugetraut hätte. Zum Glück lag seine Hütte leicht abseits, so dass er nicht den ganzen Weg ins Dorf zurücklegen musste, um seine sichere Heimstadt zu erreichen. Hastig schlug er die schwere Holztür zu und verriegelte sie fahrig. Dann trat er an das kleine Fenster und sah wieder nur die Lichter der, nun nahen, anderen Höfe. „Licht!“ Er brauchte Licht. Auch in seiner Hütte waren die Dunkelheit und die Schatten allgegenwärtig. Hastig warf er einige Bündel Reisig auf die Glut im Kamin und entzündete eine Öllampe. Nun, mit dem Licht auf seiner Seite, trat er wieder an das Fenster und sah…nichts. Er prallte zurück. „Es ist vor dem Haus!“ dachte er, zog die Vorhänge zu und stellte sich mit dem Rücken an den Kamin. In diesem Augenblick vernahm er wieder das Rauschen. Dann sah er, wie hinter den Vorhängen ein Schemen hervor kroch, einem Schatten gleich und doch plastisch. Das Wesen glitt an der Wand herunter und über den Fußboden auf ihn zu. „Es ist langsam“, dachte der Alte und begann sich in Richtung Tür zu bewegen. „Ich darf es nur nicht aus den Augen verlieren!“ Mit einer Hand hinter dem Rücken entriegelte er die Tür und stieß sie mit der Ferse auf. Der Schatten war inzwischen gefährlich nahe und so beschleunigte der Alte seinen Schritt, den Blick stets auf das Etwas gerichtet, was da auf ihn zu glitt. „Ich muss ins Dorf, zu den Anderen“, dachte er und durchquerte den Hof. Plötzlich traf sein linker Fuß auf Widerstand und er kippte nach hinten. „Der Brunnen!“, dann umfing ihn eisige Dunkelheit. Prustend tauchte er auf, wischte sich das Wasser aus den Augen und schaute im Brunnen nach oben, nur um zu sehen, wie der Sternenhimmel Stück für Stück von Schwärze verschlungen wurde.“
Der Spielmann machte eine Pause und entzündete eine kleine Talgkerze. Das Aufflammen des Dochtes tauchte sein Gesicht für einen Augenblick in tiefe Schatten. Dann erhob er wieder seine Stimme:
„Hastig schaute sich der Alte um und sah eine schmale Öffnung in der Brunnenwand, kroch hinein und fand sich in einem niedrigen Gewölbe wieder. Noch einmal blickte er um sich und bemerkte zu seiner Verwunderung, dass er sehen konnte. In völliger Dunkelheit. Konnte es sein, dass er eine Gabe hatte, dass nur er den Schatten sehen konnte? „Es ist mein Schicksal die Gefahr zu bannen, nur ich kann sie sehen, nur ich kann gegen sie vorgehen!“ Doch wie? Neben dem Loch, durch das er sich gezwängt hatte, entdeckte er eine eiserne Kurbel. „Man kann den Raum verschließen, ich kann die Kreatur hier einsperren….und mich gleich dazu.“ Noch als er diesem Gedankengang folgte, ertönte wieder das Rauschen und langsam füllte sich der Eingang mit Schwärze. Hier konnte nun selbst der Alte nichts mehr sehen. „Dort wo ich nichts mehr sehen kann, dort ist mein Feind“, dachte er und begann diesen in den Raum zu locken, weg vom Eingang. Dann beschrieb er einen Bogen, immer darauf bedacht, dass die Kreatur hinter ihm war. Als sie sich in der Mitte des Gewölbes befand, hastete er zum Ausgang, zur Kurbel. Nun, mit dem Rücken zum Raum stehend, konnte er nur noch hören, wie das Wesen rauschend näher kam. Er zerrte an der Vorrichtung, doch diese war alt und ließ sich nicht bewegen. Nach einigen fruchtlosen Versuchen die Kurbel zu drehen, spürte er eine eisige Kälte in seinen Füßen. Sie kroch langsam die Beine empor, um sich schließlich über seinen Rücken auszubreiten „Jetzt hat es mich“, dachte er und unternahm einen letzten Versuch. die Kurbel zu drehen. Da fühlte er die Kälte über den Hals auf seine Wangen kriechen: „Alles umsonst…“ Dann legte sich eisige Dunkelheit um ihn, er spürte einen stechenden Schmerz in seinen Augen und fühlte, wie die Kälte in seinen Kopf sickerte. Langsam kippte er zur Seite, die Kurbel immer noch fest umklammert. Während er fiel, gab sie mit einem Ruck nach. Das Letzte, was er hörte, war das Knirschen einer sich schließenden Steintür…“
Der Junge war kreidebleich geworden: „Sprichst du von der Gestalt, die erst vor kurzem Kakariko in Brand gesetzt, aber letztendlich doch erschlagen wurde?“ Und nachdem er sich einigermaßen gefangen hatte, fragte er: „Und wo haben hier die Göttinnen ihre Finger im Spiel gehabt?!“
Der Alte lächelte, mittlerweile war das Gewitter weiter gezogen, nur noch das Tröpfeln des Wassers, welches vom Zeltdach lief, machte ein Geräusch. „Wenn damals nur der Alte den Schatten sehen konnte, wie hätte man dann heute gegen ihn kämpfen sollen, ganz ohne seine hellseherischen Fähigkeiten? Irgendwie, und ich glaube, hier haben die Göttinnen ein bisschen nachgeholfen, entstand aus den Augen des Alten ein magisches Artefakt, welches den Träger praktisch mit den Augen des Alten sehen lässt. Du siehst, hätte das Chaos damals nicht getötet, gäbe es heute keine Waffe gegen diese Bedrohung. Wäre das Schattenwesen im Brunnen geblieben und hätte nicht die Stadt verwüstet, wäre es dem Held es niemals möglich gewesen das „Auge“ in seine Hände zu bekommen und es zu besiegen! Man kann also sagen, dass in allem was das Chaos tut, schon sein Untergang besiegelt ist.“
Der Junge war nun fast überzeugt: „Aber manchmal bedroht das Chaos nicht nur Dörfer und Städte, sondern ganze Länder!“
„Ich weiß, worauf du anspielst“, sagte der Alte und beobachtete den dünnen Streifen Mondlicht der nun durch eine Ritze der Zeltplane fiel. „In diesem Fall erheben sich die vom Chaos geknechteten Geister des Landes und wenden das Unheil ab. Ich denke, du weißt was ich damit sagen will?!“
Der Junge war mittlerweile vor das Zelt getreten und betrachtete den Mond: „Ja, letztendlich hat immer das Gute Bestand!“


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