Erinnerung
Autor: Bikerlady_forever

Erinnerung

Müde öffnete ich die Augen eine Klauenbreite, als sich etwas in den Schwingungen änderte. Wieder näherte sich jemand meiner Heimstatt, wieder jemand, der als vermeintlicher Held kam und als Toter blieb. Seit dieser Held der Zeit Volvagia getötet hatte, waren schon viele Jahre ins Land gezogen, aber seitdem diese Tage vorbei waren kamen viele grüngewandete Möchtegernhelden um das „böse Biest Varanor“ zu töten.
Entweder landeten sie in meinem Magen oder ich verbrannte sie zu Asche. Im Gegensatz zu Volvagia war ich ein richtiger Drachen, kein schlangenähnliches Ding, so wie mein verkommener Vetter, der schon immer ein Talent dafür hatte, sich die falschen Verbündeten auszusuchen.
Er hatte diese Dummheit mit seinem Leben bezahlt. Wahrscheinlich war er einfach zu jung gewesen, um zu erkennen, was für eine falsche Schlange dieser Gerudo war. Er hatte es auch bei mir versucht, aber ich hatte ihn fortgejagt. Schon damals lastete das Alter auf meinen Schwingen und ich hatte meine Rolle in der Geschichte Hyrules bereits gespielt, Jahrhunderte vorher, als ich noch Varanor, die heilige Flamme genannt wurde.
Wieder lauschte ich den Schwingungen meines Gebietes. Der neue Möchtegern kam schnell voran, vermutlich ritt er einen Rotfuchs. Die ritten sie meistens. Der Geschmack unterschied sich nicht von dem anderer Pferde, aber es musste alles genauso sein, wie bei diesem Helden. Haargenau. Dummköpfe.
Um einen Drachen zu erlegen braucht es weit mehr, als ein grünes Gewand und den Glauben, eine Reinkarnation zu sein. Viel mehr. Aber dieses Wissen und diese Fertigkeiten waren schon lange vor dem Auftritt des Helden der Zeit in Vergessenheit geraten. Genau wie die Rolle, die wir Drachen einst in der Geschichte Hyrules gespielt haben.
Es war schlicht und einfach paradox, wie sich das Verhalten des Volkes, dass seine Existenz uns verdankte, uns gegenüber verändert hatte. Vor Hunderten von Jahren war es nur unserer Stärke zu verdanken gewesen, dass Hyrule und seine Bewohner nicht ihre Freiheit verloren. Damals war ein gewaltiges Heer aus dem fernen Westen, aus einem Reich fernab der Wüste gekommen.
Hyrule hatte ihm nichts entgegenzusetzen. Zu dieser Zeit erinnerte man sich an uns Drachen und verhandelte mit uns, damit wir die Feinde vertrieben. Als Gegenleistung dafür sollten wir in Frieden leben können und vom Volk Hyrules mitversorgt werden. Das hätte Frieden zwischen unseren Völkern bedeutet. Vorher war es nur ein Waffenstillstand gewesen.
Unser Ältester ging auf dieses Angebot ein und schickte uns jüngere aus, das feindliche Heer zurückzuschlagen. Es war ein Leichtes für uns. So viele sie auch waren, gegen unser Feuer und unser Eis hatten sie nichts entgegenzusetzen. In nicht einmal einem Tag vernichteten wir das Heer vollständig.
Damit schien die Gefahr gebannt und wir wollten uns bereits zurückziehen und den neuen Frieden genießen, da kam der König Hyrules auf uns zu. Der genaue Wortlaut unserer Vereinbarung würde lauten, dass wir die komplette Gefahr für Hyrule bannen würden, nicht einfach nur das gegnerische Heer vernichteten.
„Großzügig“ machte er uns das Angebot, dass er den Vertrag als erfüllt ansehen würde, wenn wir das gegnerische Reich vernichten würden. Unser Ältester tobte vor Wut, aber ihm blieb nichts anderes übrig. Er hatte die Hinterlist der Menschen unterschätzt. Ein Charakterzug, der uns Drachen fehlt.
Er wählte einige von uns aus und schickte uns den weiten Weg in dieses fremde Reich. In uns allen tobte die Wut über die Hinterlist der Hylianer, aber ein Vertragsbruch kam nicht in Frage. Das ließ unsere Ehre nicht zu.
Und so flogen wir Meile um Meile über die Wüste und ein dahinterliegendes Meer. Der Weg war unglaublich weit und einige von uns schafften es nur mit Hilfe der Stärkeren. In dieser Zeit kamen ich und der Eisdrache Elanda uns näher. Vorher hatten wir uns nicht leiden können, aber diese Strapazen schweißten uns zusammen.
Als wir endlich das Meer überquert hatten, ruhten wir mehrere Tage aus, um unserer Aufgabe gewachsen zu sein. Dann begannen wir…
Das Reich war riesig, die Bevölkerung unzählbar. Es waren schlicht und einfach zu viele Menschen für dieses Reich. Der Boden war ausgelaugt, viele litten Hunger. In mir breitete sich ein merkwürdiges Gefühl aus, als ich Dorf für Dorf, Stadt für Stadt niederbrannte. Diese Menschen versuchten auch nur zu überleben. Eines Tages verbrannte ich ein Dorf, als mir ein kleines Kind vor die Klauen lief. Ich holte gerade Atem, als eine Frau dazukam und sich schützend über das Kind warf.
Dieses Bild…stach mir ins Herz. Ich schluckte mein Feuer wieder herunter und betrachtete die beiden Kauernden vor meinen Klauen. Erst in diesem Moment wurde mir klar, was ich getan hatte. Diese Menschen waren unschuldig und ich tötete sie. Von ihnen würde nie jemand eine Bedrohung für Hyrule sein, sie waren bereits besiegt. Sie hatten sich selbst vernichtet.
Ich verließ das Dorf ohne noch einmal zurückzusehen. Elanda fiel die Veränderung in meinem Verhalten auf. Als ich ihr mein Herz ausgeschüttet hatte, schloss sie ihre wunderschönen Saphiraugen und dachte nach. Dann lächelte sie mich an und sagte, dass es wohl Zeit für uns wäre, zurückzukehren.
Am nächsten Morgen verließen wir die Gruppe und kehrten nach Hyrule zurück. Unser Ältester hörte sich meine Geschichte an und nickte dann einfach nur. Er hatte Verständnis für meine Situation und meine Gedankengänge. Mit einem Lächeln entließ er Elanda und mich. Wir suchten uns einen Platz am Fuß des Todesberges, nah genug an der Spitze, damit es warm genug für mich war und nah genug am Fuß, damit Elanda nicht unter der Hitze litt. Dort gruben wir uns eine Höhle in den Fels und ließen uns dort nieder. Die Goronen störten sich nicht an uns und wir uns nicht an ihnen.
Nach einigen Wochen kamen die anderen ebenfalls zurück, sie waren ausgebrannt und erschöpft. Aber endlich war der Vertrag erfüllt und wir erhielten tatsächlich Vieh von den Hylianern. So lebten wir lange Zeit in Frieden und Ruhe.
Ich genoss die Zeit mit meiner wunderschönen Elanda. Eines Tages kam ich von einem Jagdzug zurück, da überraschte sie mich mit sieben Eiern. Drei blaue, drei rote und eines, dessen Farben ineinander zu verlaufen schienen. Das war der glücklichste Tag in meinem Leben. Beschwingt und voller Hochgefühl verbrachte ich die nächsten Tage damit, die Höhle für die Jungen und Elanda herzurichten. Sie brauchte mehr Platz als vorher und den schaffte ich ihr gerne.
Dann kam der dunkelste Tag in der Zeit der Drachen. Der Sohn des Königs übernahm das Königreich und er hatte kein Interesse daran, uns weiter zu versorgen. Als ich dann eines Tages von unserem Ältesten zurückkam, beschlich mich bei der Landung ein seltsames Gefühl. Schnell eilte ich die Höhle…
Der Anblick…war zu viel. Elanda lag schützend mit blicklosem Blick über den zerbrochenen Eiern. In ihrer Brust klaffte ein gewaltiges Loch. Ganz langsam kroch ich zu ihr und stupste sie an, ich konnte nicht begreifen, dass sie nicht mehr da war. Irgendwann legte ich mich neben sie und rührte mich nicht mehr.
Die Wunde war von einer Waffe gerissen worden, einer Waffe, die die Hylianer besaßen. Langsam kroch heiße Wut durch meine Adern und irgendwann mitten in der Nacht brüllte ich schließlich laut und wütend. Dann verließ ich die Höhle fluchtartig und warf mich in die Luft. Mit schnellen Flügelschlägen flog ich zur Burg Hyrules.
Wie ein Sturm brach ich über die Burg und die Stadt herein. Immer wieder schickte ich meinen Feueratem über die Steine, ich spürte keine Gnade mehr, nur noch Wut. Ich wollte alles zerstören, diese verdammten Hylianer vernichten. Erst als nur noch die Grundmauern standen, kehrte ich der Ebene den Rücken und flog weit in die Wüste hinein, bis in das Ödland, welches ich jetzt meine Heimat nannte.
Seit diesem Tag lebe ich hier, nur gestört von Möchtegernhelden oder dem verrückten Gerudo. Ich hatte seit Jahrhunderten keine anderen Drachen mehr gesehen, aber es zog mich auch nicht mehr zu ihnen hin. Mit Elanda war ein Teil von mir gestorben.
Traurig schloss ich die Augen, als ich wieder ihr Bild vor mir sah. Sie war schon so lange tot, aber die Erinnerung war immer noch lebendig und trieb mir die Tränen in die Augen. Mittlerweile wünschte ich mir nur noch den ewigen Frieden, aber ihn mir von einem Möchtegern geben zu lassen war unter meiner Würde.
Apropos Möchtegern, wo war der Bursche eigentlich gerade? Ah, direkt vor meiner Höhle, das machte es ja einfach. So musste ich ihn nicht suchen. Vorsichtig hob ich den Kopf und sah hinaus.
Grüne Kleidung, ein Rotfuchs und jede Menge Angst. Resignierend seufzte ich, wann würden sie endlich aufgeben? Wann würde ich endlich für immer schlafen können? Es war so lange her, mehr als fünf Jahrhunderte bald, aber die Erinnerung an diesen Helden hielt sich augenscheinlich genauso gut, wie meine Erinnerung an Elanda.
Mit einem Ächzen erhob ich mich und schob meinen Körper aus der Höhle heraus. Einem weiteren tragischen Ende entgegen.




Ende


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