Assoziationsgeschichtenwettbewerb 2
CAMIR hat folgenden Oberbegriff / Thema gewählt: Irland
bereth sagt dazu: Grünstich, Bienenstich
Hylia sagt dazu: Kleeblatt, Schafe
HeyDay sagt dazu: Zigeuner, Auswandern
Crowbar sagt dazu: Bushmills Black Bush, Flogging Molly
Sirius sagt dazu: paradiesisch, Kneipenschlägerei
Senfsamen sagt dazu: Kobold, Kloster
pondo sagt dazu: Bierbrau-Inkompetenz, geile Titten
Sieben Fässer Bier
Featuring: Das Triumvirat des Bösen
(Ähnlichkeiten mit lebenden Personen, Politikern, Iren, Österreichern, Schafen, Bierfässern und Whiskeygläsern sind total beabsichtigt und nicht zufällig.)
Der Zapfhahn war wieder verstopft. Bereits das dritte Mal in dieser Woche! Und dabei hing doch das Geschäft vom funktionierenden Zapfen ab. Wie konnte man ein Pub führen ohne Bier?
Wutentbrannt trat Brian gegen die metallenen Fässer hinter der Theke.
Schon wieder konnte er einen Reparaturdienst kommen lassen und das für teures Geld hinbiegen lassen.
Sollte aus dem Zapfhahn kein Bier fließen, wäre am Abend die Kneipenschlägerei vorprogrammiert. Und das zertrümmerte Mobiliar ersetzen zu lassen, wäre noch kostspieliger.
In gewisser Weise stellte der kaputte Zapfhahn die momentane Situation seines schönen Landes viel besser dar, als jeder Karikaturist es je vermocht hätte. Das Ding war ruiniert und alle dilettantischen Versuche zur Reparatur brachten nur kurzfristig etwas, bevor sie endgültig versagten.
Auch wenn andere Elemente alles taten, Brian als jemanden darzustellen, der keine Ahnung von Geld hatte – so sagte man ihm gar nach, er hätte das Land im Alleingang ruiniert – entsprach das doch nicht der Wahrheit. Er konnte sehr gut mit Geld umgehen, nur nicht mit dem, das nicht seines war. Aber die Wahrheit war auch – er hatte verkackt und zwar so richtig. Er konnte sich nirgends mehr sehen lassen ohne ausgelacht zu werden. Die Welt war schon ungerecht.
Wie paradiesisch waren doch die Zeiten, als er als noch als Premierminister im Dienstwagen hatte vorfahren können und die Leute vor ihm Bücklinge machten. Inzwischen war er in Schimpf und Schande davongejagt worden* und selbst den Dienstwagen hatte man ihn abgenommen. Diese Zeiten waren jetzt wohl endgültig vorbei und gerade kürzlich hatte er schmerzlich feststellen müssen, dass er keinen einzigen passenden Anzug mehr hatte, so sehr hatte er vor lauter Frust zugenommen.
Um nicht auswandern zu müssen, hatte er die großartige Idee gehabt, unter falschem Namen das Pub „Zum Grünen Kobold“ zu eröffnen, ganz an der entlegenen Westküste Irlands.
Parteifreunde wussten wohl, wer der wahre Wirt des Pubs war, auch wenn sich Brian in der Zwischenzeit einen Bart hatte wachsen lassen. Doch gewisse Dinge sprachen sich einfach herum, gerade in seinen Kreisen. Ab und an kamen sie vorbei, wenn sie in der Gegend waren und es wurde bereits angedacht den nächsten Parteitag in seinem bescheidenen Lokal abzuhalten.
Im Prinzip war also alles wie früher: Er verdiente sein Geld mit dem Geld anderer Leute. Jammern half sowieso nichts.
Um sich ein wenig aufzuheitern, bevor er den Reparaturdienst anrief, sah er aus dem Fenster. Es regnete und die Nebel schienen sich nicht lichten zu wollen. Es war alles so undurchdringlich, dass er nicht einmal das nahe gelegene Kloster von Clonrichert sehen konnte, auf dessen Wiese sehr oft Schafe grasten. Aber es brachte nichts. Alles war grau und grau.
„Scheißtag**!“ fluchte er und wollte gerade zum Wandtelefon greifen, um das Unvermeidliche zu tun, als er hörte, wie sich die Eingangstür öffnete.
Ein kleines Glöckchen, das über der Tür angebracht war, verriet ihm, wenn jemand außerhalb der Geschäftszeiten kam – abends, bevor er offiziell öffnete, nahm er es für gewöhnlich ab.
Er hängte wieder ein und drehte sich dann um, um nachzusehen, wer ihn zu einer solchen Stunde aufsuchte.
Kaum hatte er den Gast erkannt, tat sein Herz einen Sprung.
Alle Wolken, all der Nebel, alle verstopften Zapfhähne dieser Welt, sie spielten keine Rolle mehr. Was da in seine bescheidene Gaststube geschwebt war nahm all den Kummer von ihm, obwohl, das musste Brian zugeben, es sehr schwer war zu schweben, wenn man vollkommen durchnässt war.
Von all seinen ehemaligen Parteifreunden erfreute es ihn am meisten, sie zu Gesicht bekommen, seine ehemalige Stellvertreterin. Die Frau mit der er durch Dick und Dünn gegangen war, die Frau die ihn dazu verleitet hatte vor noch eingeschalteten Mikrofonen zu fluchen, die Frau mit den entsetzlich langen Beinen und noch viel kürzeren Röcken. Insgeheim hatte er immer gehofft, dass ihre Ernennung ihm ihrer Dankbarkeit versichern würde, doch daraus war nie etwas geworden. Aber auf der anderen Seite – sie waren ja beide verheiratet. Anerkennend stellte er fest, dass sie zudem noch immer geile Titten hatte, was ein weiterer Ernennungsgrund gewesen war. Politisch war sie ja nun doch eher inkompetent gewesen, um es milde auszudrücken.
Er setzte sein freundlichstes Lächeln auf, ja er erstrahlte geradezu.
„Mary, ich freue mich dich mal wieder zu sehen!“
„Was ein Sauwetter!“ war zunächst ihre lapidare Antwort.
Er nickte, nahm er ihr den triefenden Mantel ab und rannte in die nahegelegene Küche, um Handtücher zu besorgen, damit sie sich trocknen konnte. Während sie sich also Haare und Körper rieb, kam er gleich zum Geschäftlichen:
„Was führt dich denn hier her?“ Es kostete ihn Mühe nicht zu starren, als sie ihre Beine vorstreckte um sie zu trocknen.
„Ich wollte dir helfen. Es ist kein Geheimnis dass dein Geschäft nicht besonders gut geht. Für die Leute im Ort bist du nur ein dahergelaufener Zigeuner, der mehr auf Touristen abzielt. Bei einem so klischeehaften Namen für das Pub ist das aber auch kein Wunder.“
„Er schien mir damals eine gute Idee…“ murmelte er kleinlaut.
„Ja klar. Und warum hast du nicht noch ein Kleeblatt auf das Schild gemalt? Wenn man es von weitem sieht könnte man sowieso glatt meinen, es hätte einen Grünstich, so sehr dominiert eine gewisse Farbe!“
„Bei unserer Partei hat grün immer gut funktioniert…“ hielt er ein wenig eingeschnappt entgegen. Wie kam es, dass sie plötzlich anfing zu denken?
„Wir haben die Wahl verloren! Haushoch! Vielleicht erinnerst du dich ja!“
Er winkte ab.
„Schon gut, schon gut! Also, wie willst du mir helfen?“
Sie wechselte die Sitzposition, sodass es Brian gelang, kurzfristig unter ihren Rock zu schauen. Ganz zufällig natürlich.
„Dein Pub ist auf Touristen ausgelegt. Also sorgen wir dafür, dass es unter Touristen bekannt wird!“
„Aha…“ Er konnte nicht behaupten ihr folgen zu können.
„Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass die Finanzministerin Österreichs hier Urlaub macht. Wenn es uns also gelingt, sie für dein Pub zu begeistern, wäre das doch ein Publikumsmagnet sondersgleichen.“
„Und wie wollen wir das anstellen?“
„Die Europäer auf dem Festland unterstellen uns immer eine gewisse Bierbrau-Inkompetenz. Also sollten wir gar nicht erst versuchen, ihr Guinness hinzustellen. Servier ihr lieber gleich einen guten Whiskey, wie Bushmills Black Bush oder so. Und dann noch eine CD von einer Irischen Band im Hintergrund laufen lassen, was weiß denn ich, The Dubliners, Flogging Molly, so was in der Art. Wenn du schon auf Klischee machst, dann richtig.“
Er dachte einen Moment nach. Es war wahr, sein Pub lief schlecht, aber bei seiner momentanen Pension war das eigentlich egal. Dennoch kratzte es an seiner Ehre.
„Kannst du diese Ministerin denn dazu bringen hier überhaupt abzusteigen?“
„Aber natürlich. Was glaubst du denn, warum ich überhaupt herkam? Morgen abend wird sie da sein. Bekommst du das hin, bis dahin etwas vorzubereiten?“
Bevor er in der Lage war, darauf einzugehen, fügte sie noch etwas hinzu.
„Ich bin durch den Regen so vollkommen durchweicht. Könnte ich vielleicht deine Dusche benutzen?“
Die letzte Frage ließ Brian die Kinnlade runterklappen und bevor sein Verstand sich einschaltete, hörte er sich schon sagen:
„J-ja…!“
36 Stunden später
Als Brian erwachte tat ihm alles weh, wie bei einem Bienenstich, nur am ganzen Körper. Langsam setzte er sich auf und stellte fest, dass er nackt war. Doch damit nicht genug. Mary lag neben ihm, ebenfalls nackt, wie er unter der Bettdecke zu erkennen glaubte. Sein Kopf schmerzte und er hatte das Gefühl sich gleich übergeben zu müssen. Er blickte erneut auf seine ehemalige Stellvertreterin und sofort schlich sich eine Frage in sein Bewusstsein:
Haben wir…?
Er konnte nirgendwo um das Bett herum Kleider erkennen, was ein leidenschaftliches Entkleiden am vorigen Abend unmöglich machte und auch sonst schien ihm das alles höchst unwahrscheinlich, auch wenn er sich seiner Illusion nur ungern berauben ließ.
Langsam kehrte die Erinnerung an den vorigen Abend zurück...
Die österreichische Finanzministerin war tatsächlich in sein Pub gekommen, gemeinsam mit einem Mann, der für sie dolmetschte. Auf Marys Rat hin, hatte Brian auch Besorgungen für dieses Ereignis vorgenommen und den besten Whisky und, einige CDs besorgt sowie Kerzen eingekauft um eine wohlige Atmosphäre aufzubauen. Bis die Dame dann kam, brannten die meisten der Kerzen auch schon und auch sonst fühlte er sich vorbereitet genug.
Bis die Finanzministerin in Flammen aufging wohlgemerkt.
Entgegen sonstiger Gewohnheiten war sein Pub an diesem Abend sehr gut besucht. Es schien sich herumgesprochen zu haben, dass ein besonderer Gast da sein würde und da war man neugierig, wie er sich schlagen würde. Anfang lief auch fast alles nach Plan. Mary hatte die Begrüßung übernommen und sogar hier und da ein paar deutsche Wörter benutzt, die dem Gast allerdings ein Stirnrunzeln entlockten. Die Dame, die sich als Maria Fekter vorstellte, ließ sich dann auch an die Bar führen und… bestellte ein Bier.
Ein Kloß manifestierte sich in Brians Magen! Er hatte vor lauter Vorbereitungen vergessen den Reparaturdienst anzurufen und der Zapfhahn war noch immer defekt. Während er also Mary bat, den Gast mit Konversation hinzuhalten – in Smalltalk war sie immer gut gewesen – tat er sein Bestes trotz allem ein Glas Bier abzufüllen.
Warum er gedacht hatte, dass es eine gute Idee war, erneut gegen das Bierfass zu treten, um die Verstopfung im Zapfhahn zu lösen, wusste er selbst nicht mehr so genau. Aber dass das Fass in die Luft flog, damit hätte er in seinen kühnsten Träumen nicht gerechnet.
Von da an ging alles bergab.
Ein Regen von Bier ergoss sich über die Gäste, Frau Fekter fing an zu schreien und stieß, als sie wild wedelnd aufsprang, die Whiskeyflaschen um, die Brian extra für sie auf den Tresen gestellt hatte. Kreischend lief sie hin und her, wie ein aufgescheuchtes Huhn, während die Pubbesucher die noch nicht von Alkohol durchtränkt waren, entweder flohen, Platz machten oder ebenfalls wie aufgescheuchte Hühner herumliefen. Dies führte dazu, dass nach kurzer Zeit irgendjemand die Kerzen umstieß, die natürlich genau in den ausgelaufenen Whiskey fielen und diesen entflammten.
Das setzte eine absurde Kettenreaktion in gang, die damit endete, dass die Kleider der Finanzministerin brannten, Brian sich auf sie stürzte, um die Flammen zu löschen, Mary die Feuerwehr rief, und dann versuchte das Feuer mit dem vorhandenen Bier zu löschen. Kurz: es war ein enormes Chaos und als die Feuerwehr endlich anrückte, war zwar das meiste gelöscht, aber die Laune der Ministerin stand erst recht in Flammen. Wütend stampfte sie in den Überresten ihrer Kleider aus dem Pub, gefolgt von dem übersetzenden Mann und beobachtet von dem Rest der Besucher.
Brian konnte nicht mehr viel denken an jenem Abend, erinnerte sich aber daran, dass er sich seiner bierdurchtränkten Kleidung entledigte, bevor er ins Bett ging. Mary tat vermutlich genau dasselbe, was ihrer beider Nacktheit erklärte. Ein wenig enttäuscht, dass das alles war, war Brian ja dann schon, als er sich erinnerte. Frustriert ließ er sich zurück ins Bett sinken. Die verdammte Decke unter der sie schlief nahm ihm auch den Rest von Freude. Und sein schönes Pub war jetzt auch ruiniert.
Womit weder Brian, noch seine Freunde gerechnet hatten, war, dass dieser kleine Vorfall dafür sorgte, dass sein Etablissement jetzt besonderen Zuspruch fand, denn immerhin wurde in den Zeitungen ausgiebig davon berichtet, was der österreichischen Finanzministerin widerfahren war. Besonders dankbare Österreicher, die es gut fanden, dass er sie angezündet hatte, zählten zu seinen Gästen. Er hätte nicht geglaubt dass diese ganze Geschichte noch irgendeinen Vorteil hätte haben können, aber genau so war es. Einmal in ihrem Leben hatte Mary ihm einen guten Rat gegeben. Sollte er jemals wieder in die Politik einsteigen, würde er sicher wieder mit ihr zusammenarbeiten. So wie damals.
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* Neutralere Quellen würden sagen: Er hatte eine demokratische Wahl haushoch verloren, aber mit solchen Kleinigkeiten hielt sich Brian selten auf.
** Brian spricht natürlich englisch. Des besseren Verständnisses wegen wurde dies übersetzt.