Assoziationsgeschichtenwettbewerb 2
HeyDay hat folgenden Oberbegriff / Thema gewählt: Teeparty

bereth sagt dazu: Mahjongg, pseudointellektuell
Hylia sagt dazu: Hafen, England
CAMIR sagt dazu: Hutmacher, Hammer
Crowbar sagt dazu: Märzhase, Earl Grey
Sirius sagt dazu: Tassenmangel, Nervosität
Senfsamen sagt dazu: Alice im Wunderland, Queen Elizabeth II.
pondo sagt dazu: Monokel, nordamerikanische Vollidioten

London 1940

Als Mr. Erskin seinen Besuch empfing war es schon später Nachmittag. Die Damen hatten sich unglücklicherweise verspätet, und der Tee war schon kalt. Mit wackeligen Beinen öffnete der Gastgeber seine Türe. „Mary meine Liebe! Schön dich zu sehen! Komm herein, komm nur herein!“ sprach seine trockene, alte Stimme. Dann blieb sein Blick auf dem jungen Mädchen hängen, das schüchtern herein trat. „Ohhhooo, Mary, wen hast du mir denn hier mitgebracht?“ „Das ist meine Nichte Sybil. Ich war der Meinung, dass du sie einmal selbst kennen lernen solltest.“ Mr. Erskin packte seinen Gehstock ein wenig fester, wobei sein Arm umso mehr zu zittern anfing, rückte sein Monokel zurecht und ging einen Schritt auf Sybil zu. Seine dürren Beinchen wollten sich grade zum Handkuss beugen, als die ältere der beiden Damen, die Mr. Erskin Mary nannte, zu ihm eilte um ihn wieder aufzurichten. „Sybil besteht nicht unbedingt auf einen Handkuss. Sie ist eine moderne Dame, du kannst ihr gerne die Hand reichen.“
Bei diesen Worten richtete sich der Alte verwundert auf. Seine Augen weiteten sich als er Begriff was man ihm grade gesagt hatte, so dass seine Sehhilfe vom Auge glitt und langsam anfing, an der Halterung hin und her zu baumeln. „So so, eine moderne Dame?! Das haben wohl diese nordamerikanischen Vollidioten eingeführt, was? Mary, ich sage dir, die bringen uns hier nichts als Ärger mit ihren modernen Trends. Sie wären gut beraten, hier in London geblieben zu sein! Wenn unsere Queen Victoria in Zukunft so etwas zum Standard werden lässt, ja, dann ist es mit unserem feinen England aus!“ Er drehte sich langsam weg und ging in den Salon während er so sprach. Bald vernahm man nur noch undeutliches Murren. „Tante, meint er nicht eher die voraussichtliche Queen Elisabeth II?“ sagte Sybil leise. „Lass ihn nur reden, es bringt ja doch nichts.“ Kam die leicht verbitterte Antwort.
Die Damen folgten dem alten Herren in den Salon, der sehr chaotisch wirkte. Überall lagen Bücher herum und altes Geschirr stand auf dem Tisch. „Setzt euch, so setzt euch doch!“ forderte Mr. Erkins seine Gäste auf während er selbst einen Stuhl heranrückte und sich am Tisch niederließ. „Entschuldigt die Unordnung. Ich habe das Hausmädchen lange nicht mehr gesehen. Ich werde sie wohl entlassen müssen, wenn sie sich das nächste mal blicken lässt …“ Bevor die Damen sich setzten, wandte sich die Tante zu dem jungen Mädchen: „Bereite doch bitte Tee. Ich bezweifel, dass Mr. Erskin es noch richtig schafft.“ „…. Wie ich schon sagte: Die Mädchen von heute halten sich alle für schlau. Dabei sind sie alle nur pseudointellektuell. Sogar mein Hausmädchen ist so!“ plapperte der alte Herr vor sich hin, während Sybil sich in die Küche begab. In der Küche herrschte ein noch größeres Chaos. Es sah aus, als wäre hier lange nicht mehr aufgeräumt worden. Nach langem suchen fand Sybil eine alte Teedose auf der asiatische Zeichnungen abgebildet waren. Die Dose erinnerte sie an ein Spiel namens Mahjongg, bei dem sie einmal zugesehen hatte, als sie noch jünger war. Sie öffnete die Dose und schaute sich den Inhalt genauer an: Es war Tee. Er roch nicht sehr intensiv aber es schien ihr Earl Grey zu sein, somit würde sie nichts falsch machen, wenn sie ihn zubereiten würde. Sybil letzte Wasser auf und schaute sich nach sauberen Tassen um. In der ganzen Küche war nichts zu sehen, so beschloss sie, ihre Tante zu fragen.
Als sie den Salon betrat saßen die beiden Älteren noch unverändert da. Mr. Erkins kauerte auf seinem Stuhl und starrte vor sich hin, unentwegt vor sich herplappernd. „Tante, ich kann keine Tassen in der Küche finden.“ „Hm, dass hier Tassenmangel herrscht, habe ich mir fast gedacht. Nimm Tassen vom Tisch und wasche sie bitte.“
Kurze Zeit später, war der Tee neu angerichtet und die kleine Gesellschaft saß stillschweigend am Tisch. Der alte Herr hatte mittlerweile wieder eine normale Haltung eingenommen und beäugte Sybil neugierig. Dann begann er zu sprechen: „Ich habe mir neulich einen neuen Zylinder vom Hutmacher aus der Chesterlane gekauft. Mary könntest du ihn bitte herholen?“ Die Angesprochene erhob sich seufzend und ging aus dem Salon um kurz darauf mit einem zerknitterten, staubigen Zylinder hereinzukommen. „Hier ist der Hut, er ist sehr hübsch Mr. Erkins. Ist der Hutmacher aus der Chaster Lane derjenige am Hafen?“ sie überreichte dem Alten seinen Zylinder, der ihn stolz entgegennahm und daraufhin auf seinen Kopf setzte. „Ja ja Mary, dass ist er. Er fertigt wirklich wunderhübsche Hüte. Liebe Sybil, was sagst du zu meinem neuen Zylinder?“ Ein unsicherer Blick flog zur Tante und ihre Stimme überschlug sich fast vor Nervosität. „Ich… ich finde, er, er erinnert mich an das Buch „Alice im Wunderland“.“ „Na so was. Ich kenne dieses Buch gar nicht. Erzähl mir doch mehr davon!“ „Also, da ist dieses Mädchen Alice, und sie trifft auf den Märzhasen, der sich andauernd beklagt, dass er zu spät ist…“ „So ein Blödsinn junges Fräulein! Wer käme denn auf die Idee so ein Buch zu schreiben?“ schritt der Alte dazwischen. Sybil wollte widersprechen, aber da spürte sie die Hand ihrer Tante auf ihrem Arm und sie schwieg. Ihr Gastgeber hingegen starrte schon wieder vor sich hin. „Sybil, könntest du bitte unsere Mäntel holen? Es ist schon spät.“ Das Mädchen stand auf und verließ den Tisch, da erwachte der Alte wieder aus seiner Starrheit. „Mary, ein wirklich reizendes Mädchen! Sie scheint mir sehr aufgeweckt und wird sich sicherlich noch gut entwickeln und dann diese Albernheiten vergessen. Du weißt ja, dass ich noch eine Heiratsangelegenheit für meinen Sohn Joshua benötige. Ich möchte bald noch einmal genauer darüber sprechen. Aber denk über mein Angebot nach!“ Die Tante nickte stumm und mit Tränen in ihren Augen.
Als Sybil mit den Mänteln wiederkam verabschiedeten sich die Frauen sogleich. Draußen schaute das Mädchen ihre Tante fragen an: „Warum hat er dich Mary genannt?“ „Ach mein Kind, dein Großvater ist dement. Er erkennt weder seine eigene Tochter, noch seine Enkelin. Er wollte dich sogar mit deinem Vater Joshua verheiraten obwohl er im Krieg gefallen ist. Mr. Erkins lebt in der Vergangenheit und bald wird er gar nicht mehr leben. Aber Sybil, ich war der Meinung, du solltest ihn auch einmal kennen lernen bevor es mir uns allen dahin geht.“
Wie der Schlag eines Hammers krachte eine Bombe einige Straßen weiter ein. Die Sirenen begannen zu läuten und die Tante nahm Sybil bei der Hand und die beiden liefen eilig Heim.
London 1940.