Die Legende der acht Herren

Autor: Shiek-kun


Es schien Ewigkeiten her, dass Link sein Heimatland vor unsäglicher Gefahr bewahrt hatte. Ganondorf, das personifizierte Unheil, war in den Abgrund der Hölle verbannt worden und das Siegel der Sieben Weisen wies immer noch nicht den kleinsten Riss auf. Das Land Hyrule erfuhr eine Ära des Friedens, alle Völker hatten ihre Streitigkeiten mit den Hylianern beigelegt. Dies war dem jungen König der Gerudo zu verdanken.

Für einen Gerudo war er in jeder Hinsicht ungewöhnlich. Sein Haar war nicht rot wie das all der anderen, sondern tiefschwarz. Auch seine Augen hatten nicht die typische gelb-orange Färbung, die den Leuten des Wüstenvolkes eigen war, in ihnen spiegelte sich stattdessen das Blau der See. Er war etwa sechs Fuß groß; also weder ein Hüne, noch besonders klein. Der Name dieses jungen Herrschers war Xerac. Er war ein gerechter König, der sich Frieden von Herzen wünschte. Und doch hegte er einen Groll gegen den König der Hylianer. Es war nichts Politisches, das man mit einem Gespräch aus der Welt schaffen konnte. Xeracs Vergangenheit spielte eine wichtige Rolle in dieser Angelegenheit, denn er machte Link für den Tod seiner Eltern verantwortlich.

Und da dieser Zelda geheiratet hatte, war sie nach einigen Jahren zur Königin geworden – und er zum König. Xerac konnte Link nur beschuldigen, was den Tod seiner leiblichen Mutter betraf. Für das Verschwinden seines Vaters hatte er jedoch Beweise. Leider konnte er Link nie des Mordes anklagen, denn ohnehin wusste jeder über dieses Verbrechen – und billigte es. Xeracs Vater war niemand anderes als Ganondorf. Er sprach nicht gerne über seine familiäre Situation, selbst in seinem eigenen Volk wusste kaum jemand über ihn Bescheid. Sie mussten ihn ehren, egal was er tat, wer er war, oder was er vorhatte. Xerac selbst hasste diese Tradition. Sie war darin begründet, dass der König der Gerudo der einzige lebende männliche Gerudo war.

Gegenwärtig entsprach dies nicht einmal den Tatsachen. Ganondorf lebte noch – auch wenn viele Leute das Gegenteil behaupten. Das kannte er. Menschen verdrängen unliebsame Dinge und ersetzen sie durch zweifelhafte Fakten, die ihnen dazu dienen sollen, sich eine Wirklichkeit zu schaffen, die ihnen gefällt. Er selbst war ein Opfer dieser Eigenheit. Liebend gern verdrängte er seine Herkunft, konnte sie schlussendlich aber nie leugnen. In seiner Heimat sprach er selten über seine Familie, außerhalb nie. Xerac hatte nicht vor vielen Dingen Angst, doch vor der Vorstellung, für seine Herkunft von den Hylianern, Zora, Goronen und Kokiri gefürchtet zu werden, grauste es ihn. Er sah um sich. Nach mehreren ereignislosen Wandertagen durch die riesige Hylianische Steppe war er dort angekommen, wo man ihn hinbestellt hatte. Kurz vor Antritt seiner Reise hatte er eine Botschaft von Link erhalten, in der man ihn bat, sich beim Schloss von Hyrule einzufinden. Er war erleichtert, dass niemand in ihm einen Mann der Wüste vermuten würde, wenn man ihn alleine sah. Zwar hatte er wie alle Gerudo runde Ohren, doch er verbarg sie geschickt mit seinem schulterlangen schwarzen Haar. Die braungebrannte Haut konnte man auch anders erklären.

Auch seine Kleidung war nicht sonderlich auffällig. Er trug ein schlichtes, schwarzes Hemd, darunter ein einfaches Kettenhemd. Das Hemd lag zwar eng an, aber nicht so eng, dass man den leichten Schutz sehen konnte. Dennoch zeichnete sich sein muskulöser Oberkörper darunter ab. Seine Hose, die man bei genauerem Hinsehen als typisch gerudisch erkennen konnte, war sandfarben. An seiner rechten Seite trug er eine unverzierte Schwertscheide, in dem ein altes Kurzschwert steckte. Zu seiner linken trug er einen Lederbeutel, in dem er einen Teil seines Vermögens aufbewahrte. Nicht zu viel, um Diebe aufmerksam zu machen – die Gerudo waren nicht die einzigen, die stahlen -, aber auch nicht zu wenig, um im Notfall unzureichende Geldreserven bei sich zu haben. Um seinen Hals trug er eine Kette, an der einige Tierzähne hingen. Den wertvollen, in einem Goldrahmen eingelassenen Rubin, der normalerweise ebenfalls daran befestigt war, hatte er in seinem Beutel verborgen. Es war das einzige, was ihm noch von seiner Mutter blieb. Jetzt stand er endlich vor dem hylianischen Stadttor, den Blick auf das ferne Schloss gerichtet, dessen Türme und Zinnen in den Himmel ragten.

Die weißen Steine verliehen dem Palast den Anschein vollkommenster Schönheit, trotz des leichten Regens, der trübe, graue Wolken mit sich brachte, strahlte die Burg unverändert. Anerkennend sah Xerac den Königspalast an, der ihm nie vergönnt sein würde. In der unerbittlichen Wüste lohnte es sich nicht, großartige Bauten zu schaffen. Der nie endende Wind würde selbst den härtesten Stein abtragen. So begnügte man sich bei den Gerudo mit leicht zu beschaffenden Materialien. Trotz der Tatsache, dass seine Heimat nicht den Eindruck von Luxus erweckte, war das Volk der Gerudo durchaus vermögend. Bei Xerac bekam der sarkastische Ausdruck »König der Diebe« eine seltsame Bedeutung. Die Gerudo waren ein Volk der Diebe. Er war ihr König. Streng genommen war er der Herrscher über einen Haufen von Verbrechern. Im Grunde war eine Gerudo aber keine Verbrecherin. Niemals stahl sie von den Hilflosen, sondern nur von Leuten, die vermögend genug waren, um sich Leibwächter leisten zu können, oder von solchen, die sich selbst Schutz genug waren. Unsanft wurde er von einer Gerudo aus seinem Gefolge in die Wirklichkeit zurück gerissen. »Herr?«, fragte sie zögerlich. »Was ist?«, verlangte Xerac zu wissen.

»Wir haben uns um eine Unterkunft für Euch gekümmert. Seine Majestät, Link von Hyrule, wäre erfreut, Euch seine Gastfreundschaft anzubieten.« »Sagt ihm, dass ich seine Einladung höflich annehme.« Er wandte sich ab und verzog das Gesicht. Er konnte diese Einladung nicht ablehnen, ohne wichtige diplomatische Beziehungen zu gefährden. Er ertappte sich selbst bei dem Gedanken, Krieg gegen die Hylianer zu führen. Entschieden verdrängte er diese Vorstellung. Einen zweiten Krieg konnte er seinem Volk nicht antun. Bereits im ersten unter seinem Vater hatten sie gelitten. Die Gerudo waren in vielen Teilen des Landes immer noch für ihre grausamen Taten in der ganondorf’schen Ära verhasst. »Herr?« Wutentbrannt drehte Xerac sich um. »Was ist denn nun schon wieder?!« Die Gerudo zuckte zusammen, fing sich aber sofort wieder. »Seine Majestät wünscht Euch sofort zu sprechen. Es ginge um eine Familienangelegenheit.« Unwillkürlich versteifte sich Xeracs Haltung. Weiß er etwa schon davon? Aber das kann doch nicht… »Ihr könnt euch nun entfernen.«, wandte er sich an seine Dienerinnen.

»Ich werde allein zum Schloss gehen.« »Aber Herr!«, begehrte eine der Dienerinnen auf. »Schweig! Ich wünsche nicht, in Hyrule aufzufallen!«, fuhr er sie an. »Wie ihr befehlt, mein Gebieter.« Sie deutete eine Verbeugung an. Xerac drehte sich von ihr weg und ging festen Schrittes durch das Stadttor. Auf dem Marktplatz herrschte das übliche Gedränge. Händler priesen lautstark ihre Waren an. Obst, Gemüse, Stoffe, Teppiche. Wer geduldig suchte, konnte selbst wertvollstes Geschmeide erstehen. Xerac jedoch überging all das. Er besah sich für gewöhnlich sehr gern die Ware, ohne etwas zu kaufen. Die Händler kamen seit seiner Krönung auch in die Festung, und die besonders guten Stücke blieben oft übrig. Zudem setzten die Händler in ihrer Not, die Ware loszuwerden, die Preise häufig noch ein ganzes Stück runter. Es war gut zu wissen, ob es sich dann überhaupt lohnen würde, die kühlen Gerudo-Behausungen zu verlassen. Dieses Mal beschäftigte sein Kopf sich jedoch mit wichtigeren Dingen. Wenn Link von seiner Vergangenheit wusste, konnten noch mehr davon wissen. Schon kurz darauf stand er vor dem Schlosstor. Die Wache versperrte ihm den Weg mit ihrem Speer. Xerac musterte sie. Der Wachmann trug die übliche Paraderüstung, die Xerac wegen des Helmes nicht erlaubte, Einzelheiten des Gesichtes des Gepanzerten zu erkennen. Trotz seiner Ausbildung war der Wachmann hager und die Rüstung schien ihm nicht sehr gut zu passen. Er war etwa einen halben Fuß kleiner als Xerac und anhand der Kleidung konnte man ihn als Offizier identifizieren. Im Gegensatz zu niedrigeren Rängen trug er den Adler, der Bestandteil des hylianischen Wappens war, auf blauem Grund. »Halt! Ihr könnt nicht passieren!« »Ich denke nicht, dass dies die geeignete Art ist, mit Gästen Seiner Majestät umzugehen, Offizier.«, erwiderte Xerac gelassen. »Warum sollte der König jemanden wie Euch«, der Offizier spie ihm das Wort regelrecht entgegen, »zu sich befehlen?«, entgegnete er verächtlich. »Die äußere Erscheinung mag die Wahrheit des Öfteren verbergen. Ich bin Xerac, König der Gerudo!« »Eure Kleidung zeugt nicht von Eurem königlichen Stand.«, wandte der Offizier unsicher ein. Xerac zuckte die Schultern. »Ich falle nicht gerne auf. Lasst Ihr mich nun passieren?« »Nein. Ich habe meine Befehle, niemanden durchzulassen, der nicht beweisen kann, wer er ist.« »Schön!«, brauste Xerac – scheinbar – auf. »Dann werde ich heimreisen und Eurem König das unmögliche Benehmen seiner Wachmänner darlegen!« Bei diesen Worten weiteten sich die Augen des Offiziers. Er zögerte kurz, doch als Xerac Anstalten machte, sich umzudrehen, nahm er den Speer beiseite. »Ihr dürft passieren.«

»Eine kluge Entscheidung, mein Freund. Warum hat es so lange gedauert, sie zu treffen?« Xerac klang ein unwilliges Knurren entgegen. »Es war ein sehr anregendes Gespräch, Offizier.« Er ging weiter. Innerlich musste er grinsen. Auf den ersten Blick hatte er erkannt, dass der Wachmann an seiner ruhigen Position hing. Hätte Xerac dem König von diesem Vorfall erzählt, wäre er Gefahr gelaufen, versetzt zu werden. So ließ er dem Gepanzerten keine andere Wahl. Vom Schlosstor war es kein weiter Weg zum eigentlichen Palastgebäude, wo niemand ihn aufhielt, sondern nur freundlich grüßte. Das Innere des Palais war nicht minder weitläufig, als es den Anschein hatte. Zu beiden Seiten des Eingangstores erstreckten sich Gänge, die schon bald um die Ecke bogen. Xeracs Hauptaugenmerk lag jedoch auf dem Korridor direkt vor ihm. Die großen Flügeltüren, die ihm gegenüberlagen, lagen am Ende eines Flures, der zu beiden Seiten von den Rüstungen der Ritter von vergangenen Tagen flankiert war. Die Panzer wiesen nicht den geringsten Rostfleck auf, waren jedoch bereits so alt, dass ein vernünftiger Mensch gar nicht auf die Idee käme, sie als Schutz zu gebrauchen. Auf den Marmorfliesen war ein scharlachroter Teppich gebreitet worden.

An der Decke hingen große Kronleuchter, die den gesamten Gang in ein warmes Licht tauchten. Hinter diesen Türen lag der Thronsaal, wo ihn Link erwarten würde. Xerac schritt durch den Gang, die Hylianer im Stillen dafür verdammend, dass sie ihren Luxus so offen zeigen konnten. Dann öffnete er die Flügeltüren und trat in den großen Saal ein. Am gegenüberliegenden Ende des Saales stand ein großer, goldverzierter Königsthron. Direkt daneben ein etwas kleinerer, auf dem für gewöhnlich die Königin Platz nahm. Der Bodenbelag war halbdunkel, die dunklen Fliesen mit hellen Durchsätzen lagen im Schattenspiel der hohen Fenster, deren Glasflächen mit Mosaikbildern geschmückt waren. Von der Decke hingen mehrere Kronleuchter und zwischen ihnen das königliche Wappen von Hyrule: Das Triforce auf rot-blau-grünem Grund, im Vordergrund der Adler. Etwa in der Mitte des Saales stand Link, gekleidet im traditionellen, rot-weißen Königsgewand. Seine blonden Haare schienen ungekämmt und der Blick aus seinen blauen Augen war freundlich, aber zugleich aufmerksam. Trotz der Tatsache, dass dies der Held ganz Hyrules war, war seine Statur die eines durchschnittlichen Hylianers. »Seid mir willkommen, Xerac.

Es liegt schon einige Jahre her, dass wir uns gesehen haben, mein Freund.«, begrüßte er ihn. »Drei, um genau zu sein. Und ich bin froh über jede Sekunde dieser drei Jahre. Und mein Freund seid Ihr auch nicht.«, entgegnete Xerac kühl. »Ihr mögt mich nicht, habe ich Recht? Aber ich kann es Euch nicht verdenken. Wie könnte man den Mann als seinen Freund bezeichnen, der den eigenen Vater auf ewig verbannte?«, antwortete Link, in seiner Stimme schien Traurigkeit zu schweben. »Ihr… Ihr wisst es?«, hakte Xerac verwundert nach. Link machte eine abwinkende Handbewegung, als wäre dieses Wissen nichts Besonderes. »Natürlich weiß ich es. Ganondorf war derjenige, der mich davon abhielt, Euch zu töten.« »Ihr wolltet mich töten?«, rief Xerac entsetzt aus. »Warum das?« »Ich hatte befürchtet, das Ganon sein dämonisches Wesen an Euch weitergegeben hätte. Bevor wir ihn verbannten, sagte ich ihm, dass ich auch den Rest seiner Familie auslöschen würde – um sicherzugehen. Aber er flehte mich an, Euer Leben zu verschonen. Es waren nicht einmal mehr Worte, die er als menschliches Wesen sprach – aber ich konnte ihm diesen letzten Wunsch nicht verwehren.«, erklärte Link. »Da ich schon hier bin, könnt Ihr mir sicher mitteilen, um was es bei dieser Versammlung geht.« »Tut mir Leid. Es ist eine Sache von zu großem Ausmaße, als sie nur Euch allein anzuvertrauen.«

»Wie Ihr meint. Ihr habt sicher nichts dagegen, wenn ich jetzt gehe?« »Keineswegs. Aber seid heute Abend pünktlich, ich habe nicht vor, Zeit zu verlieren.« Xerac drehte sich um, dann schritt er langsam aus dem Thronsaal. Nachdem die großen Türen hinter ihm zugefallen waren, fing er an, den Weg, den er gekommen war, zurückzurennen. Das kann nicht sein! Er wusste es die ganze Zeit! Und dennoch hat er mich behandelt wie jeden anderen auch. Warum? Er war immer noch in Gedanken versunken, als er auf dem Marktplatz beinahe eine Frau umstieß. »Könnt Ihr nicht aufpassen?!«, wurde er angefahren. »Entschuldigt meine Unachtsamkeit.« Xerac hob den Blick nicht, um die Frau anzusehen. Nach seiner Entschuldigung ging er einfach weiter. Link hatte sein Geheimnis abgetan, als wäre es Allgemeinwissen. Aber… traute er Link zu, mit seiner Vergangenheit hausieren zu gehen?

Das Schlimmste war, dass der König ihm nicht gesagt hatte, ob er Xeracs Mutter auf dem Gewissen hatte. Abwesend stieg er einige Stufen empor. Heller Glockenklang riss ihn aus den Gedanken. Er blickte auf. Vor ihm ragte die Zitadelle der Zeit auf, zugleich ein Bollwerk gegen das Böse, als auch höchster Tempel der drei Göttinnen. Die alten, verwitterten Steine wären für Militärs kein Hindernis, doch keine Armee des Landes würde es wagen, diesen Frevel zu begehen. Kurz zögerte Xerac, an diesem heiligen Ort zu wandeln. Er hatte eine tiefe, unerklärliche Furcht davor, die Zitadelle zu betreten. Dann verdrängte er diese Zweifel. Langsam schritt er auf das Tor des Heiligtums zu und kniete sich, kaum dass er die Schwelle betrat, nieder, um den stilisierten Namen des Göttlichen Trios zu murmeln und die begleitenden Gesten mit seinen Händen formen.

Wie bereits erwähnt war die Zitadelle der Zeit nicht nur ein Tempel des Göttlichen Trios. In ihm befand sich auch der Zugang zum Heiligen Reich, mehrfach versiegelt durch die Kräfte des Master-Schwertes, wie auch durch den mächtigen Granit des Zeitportales. Es gab niemanden mehr, der das Heilige Reich je durch diesen Weg betreten könnte. Doch das war für Xerac nicht von Belang. Er erhob sich wieder und öffnete eine der großen Türen. Dann schritt er ehrfürchtig durch die Halle, an den Seiten erhoben sich hohe Wände von weißem Stein. Auf dem Boden ein roter Teppich, der seine Schritte dämpfte. Aus hochgelegenen Fenstern drang das Licht hinein und die Schatten der Bäume, die um die Zitadelle wuchsen, trieben mit den Lichtstrahlen ihr ewiges Spiel. Am anderen Ende der Halle stand ein Altar vor einer mächtigen Wand. Hinter dieser Mauer befand sich die Kammer des Master-Schwertes, jedem wurde der Weg dorthin durch ein großes Portal verwehrt. Auf dem Altar schwebten wie durch ein Gotteswunder die Heiligen Steine, Insignien der Göttinnen.

Sie waren Artefakte, die drei der größten Völker Hyrules repräsentierten. Das Waldvolk der Kokiri, das Bergvolk der Goronen und das Wasserreich der Zora. Xerac ging direkt darauf zu, unmittelbar davor sank er erneut auf die Knie und murmelte ein Gebet für seine verstorbene Mutter. Die Litanei war teils durchsetzt mit alten Versen gerudischer Gebete, als diese noch andere Götter anbeteten. Die Gerudo nahmen es nicht sehr ernst mit der Doktrin der offiziellen Kirche, doch niemand wagte es, ihnen das vorzuhalten. »Ihr habt mein ganzes Mitgefühl.« Ruckartig wandte Xerac den Kopf.

Am Eingangstor stand eine Frau, die ihn mitfühlend anblickte. Sie trug ein langes Kleid, das bis zum Boden reichte und mit aufwendigen Stickereien verziert war. Der Saum war dunkel gehalten. Ihre Arme waren bis weit oben mit Samthandschuhen bedeckt. Um ihren Hals trug sie eine wertvolle Kette, auf ihrer Stirn ein Diadem, verziert mit einem Saphir. Ihre Gesichtszüge waren sanft. Xerac erkannte sie sofort. Es war Zelda, die Königin! »Ich brauche Euer Mitleid nicht! Was tut Ihr überhaupt hier?«, entgegnete er. »Ich bin Euch gefolgt, nachdem Ihr mich angerempelt habt. Ihr saht niedergeschlagen aus.«, antwortete sie ruhig. »Dazu habe ich auch allen Grund!«, fuhr er sie erbost an. Zelda legte den Kopf ein wenig schief und blickte ihn vorwurfsvoll an. Xerac senkte den Kopf. »Verzeiht, Eure Hoheit. Ich habe mich gehen lassen.« »Warum diese Ehrfurcht? Wir sind vom gleichen Stand, lasst uns miteinander reden, als wären wir Freunde.« »Aber Ihr…«, wandte er halbherzig ein. »Ich bin die hylianische Königin. Ihr seid der König der Gerudo, Ihr seid mir ebenbürtig. Erzählt, was betrübt Euch?« »Ich hatte soeben ein Gespräch mit Eurem Gemahl…«, begann er, wurde jedoch von Zelda unterbrochen. »Oh, ich verstehe. Es ging um Eure Herkunft, nicht wahr?« Erstaunt blickte Xerac sie an. »Link hat mich von Anfang an eingeweiht. Ich weiß, dass Ihr Ganons Sohn seid. Und…«

»Warum behandelt ihr mich dann wie einen von euch? Ich bin der Nachkomme des größten Feindes eures Landes, warum hasst ihr mich dann nicht?!«, brauste Xerac auf. »Wollt Ihr denn gehasst werden?« »Was?« Xerac blinzelte verdutzt. Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. »Ich habe Euch gefragt, ob Ihr gehasst werden wollt? Würde es Euch zufrieden stellen, behandelten wir Euch wie Abschaum?« »Nein, das nicht, aber…«, wandte Xerac ein, wurde jedoch erneut unterbrochen. »Dann stellt nicht solche Fragen. Wir behandeln Euch wie einen der unseren, weil Ihr das für uns seid; weil wir Euch vertrauen. Nicht die Abstammung legt fest, ob Ihr gut oder böse seid, sondern Eure Taten.

Solange Ihr Euch auf unsere Seite stellt, werden wir Euch als Verbündeten betrachten.« »Das ist doch kein Grund!«, widersprach Xerac, obwohl er genau wusste, dass er sich selbst belog. »Ich könnte euch ebenso gut alles nur vorspielen und von einem Moment auf den anderen verraten!« »Denkt einmal an Naboru.« »Was hat die Weise der Geister damit zu tun? Es geht um mich, nicht um sie!« »Sie stammt aus Eurem Volke, aber obwohl wir Grund genug hätten, Euer gesamtes Volk für die Grausamkeiten Ganons zu verachten, nahmen wir Naboru in unsere Reihen auf und vertrauen ihr. Redet einmal mit ihr, wenn Ihr wollt. Als Gerudo wird sie Euch bestimmt helfen können. Und vielleicht traut Ihr Naboru ja mehr als mir. Ruft sie einfach, wenn Ihr es wünscht.« Sie drehte sich um und verließ die Zitadelle, ohne eine Antwort von Xerac abzuwarten. Er blieb einfach stehen, verwirrt, wütend, aber auch auf eine seltsame Art und Weise glücklich. Die Stunden vergingen und der Abend nahte. Als Xerac sich erneut zum Schloss aufmachte, wurde die Stadt bereits in orangefarbenes Licht getaucht. Er wollte unbedingt pünktlich sein, besonders auf die anderen Teilnehmer würde es keinen guten Eindruck machen, käme er zu spät.

Sein Gastgeber hatte beschlossen, den Garten des Schlosses, in dem er damals zum ersten Mal seine Gemahlin getroffen hatte, zum Ort der Versammlung zu machen. Von einer zuvorkommenden Wache wurde er geradewegs dorthin geführt. Er war beinahe allein, nur Zelda und Link waren schon anwesend. Xerac deutete eine Verbeugung an und warf dann den Blick um sich, darauf bedacht, ihren Blicken so gut es ging zu entgehen. Der Garten befand sich in einem Rund, er war völlig von Schlossmauern umgeben. An den äußersten Rändern befand sich eine kleine Vertiefung, die als Wassergraben fungierte. Zelda und Link standen auf einer kleinen Anhöhe, die am anderen Ende des Gartens an wenige Stufen anschloss.

In der Mitte des Gärtchens waren verschiedene Blumen gepflanzt worden. Xerac ging langsam zu einer Seite des Gartens und wartete darauf, dass die anderen Gäste eintrafen. Als erstes manifestierten sich die Weisen. Nacheinander erschienen farbige Lichtkugeln, die anschließend ihre normale Gestalt annahmen. Die gelbe Kugel, die den Anfang machte, wurde zu einem rundlichen alten Mann, der eine weite Robe trug. Die Ärmel dieses Talars waren so lang, dass die Hände des Mannes in ihnen verschwanden. Link begrüßte ihn. »Sei mir willkommen, Rauru.« »Ich freue mich, heute Abend zugegen sein zu können, alter Freund.«, antwortete dieser. Direkt darauf erschien eine grüne Sphäre, welche die Gestalt eines kleinen Mädchens annahm. Sie sah aus, als wäre sie etwa zwölf Zyklen alt, doch das mochte täuschen, denn sie war eine Kokiri, und dieses Waldvolk besaß ihr ganzes Leben lang die Gestalt von Kindern. Alles an ihr war grün. Ihre Stiefel, ihr Gürtel, ihre Tunika, ihre Haare, ihr Haarband. Nur ihre Augen waren von strahlendem Blau. »Wir haben uns lange nicht mehr gesehen, Salia. Es ist schön, dich wiederzutreffen.« »Das geht mir genauso, Link.« Unmittelbar danach tauchte ein roter Ball auf, der zu dem wahrscheinlich kräftigsten Goronen wurde, den Xerac je gesehen hatte. Seine Haut hatte das Braun einer Felswand und wirkte hart wie Granit.

Seine Haare und sein langer Bart standen wie Felsspitzen von seinem Gesicht ab. Seine Arme waren fast so lang wie sein ganzer Körper. »Ich bin froh, dich zu sehen, Bruder!« Sogar seine Stimme klang wie Fels. »Die Freude ist ganz meinerseits, Bruder.« Als nächstes erschien eine blaue Kugel. Aus ihr formte sich eine Zora. Die Zora waren Hybridwesen aus Mensch und Fisch. Sie kannten kein Schamgefühl, denn nie war ein Zora bekleidet. Auch die Zora die gerade erschien, stand in all ihrer Entblößtheit vor ihnen. Xerac hatte ein wenig Umgang mit Zoradamen gehabt und hatte sich angewöhnt, ihnen nur ins Gesicht zu blicken. Ihre Augen waren violett und sie trug ebenfalls violette Ohrenringe. Das einzige, was noch dazu kam, war eine goldene Kette mit dem zorischen Wappen. Ihre Schuppenhaut hatte – wie die Haut aller Zora – einen sanften Blauton. Sie war von zierlicher Gestalt, doch sie wirkte nicht schwach. Majestätisch schritt sie zu Link und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Auch wenn wir nun beide vermählt sind – ich werde dich nie vergessen,Liebster.«

Link fasste sich mit der Hand an die Wange und sah leicht verlegen aus. Xerac warf Zelda einen vorsichtigen Blick zu. Sie lächelte die Zora gönnerhaft an, als wäre sie dies bereits gewohnt. »Ruto, du weißt, dass du mich nicht mehr so nennen sollst. Wie geht es Laron?« »Wie immer. Er war leider verhindert, daher vertrete ich die Zora in zweierlei Hinsicht.« Während ihres Gespräches erschien die nächste Sphäre, diesmal von orangener Farbe. Sie nahm die Gestalt einer Gerudo an. Xerac erkannte sie, es war Naboru, die Weise der Geister und ehemalige Anführerin des Volkes der Gerudo. Sie hatte ähnlich braungebrannte Haut wie er, und ihre roten Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden worden. Er musste leicht lächeln, als er sah, wie viel Haut sie zeigte. Aber er achtete nicht mehr sonderlich darauf. So liefen alle Gerudo herum. »Naboru! Du hast lange gebraucht. Ich hoffe, es geht dir gut?« »Keine Sorge, es geht mir blendend.« Zum Abschluss tauchte eine violette Kugel auf. Aus ihr manifestierte sich ebenfalls eine Frau – allmählich fand Xerac, dass die Weisen unterbesetzt waren, was Männer anbelangte – die eine Rüstung trug. Auf dem Brustbein trug sie das Wappen ihres Volkes – ein geöffnetes Auge, an dem eine Träne herablief. Es war das Symbol des Schattenvolkes, die auch unter dem Namen Shiekah bekannt waren. Ihr Körper war muskulös, ihre Gesichtszüge wirkten hart.

Ihre Augen waren braun, und ihr Haar war silbrig-grau, obgleich sie nicht alt wirkte. »Willkommen Impa.«, begrüßte Link sie. »Ich hoffe, es geht euch gut?«, fragte sie, an Link und Zelda gewandt. Beide nickten. Link ergriff nun wieder das Wort. »Gut. Mir deucht, dass wir nun alle versammelt sind. Als erstes jedoch möchte ich euch jemanden vorstellen. Er ist zum ersten Mal bei einer solchen Versammlung teil. Naboru kennt ihn sicher schon, doch da seine Krönung erst wenige Jahre zurückliegt, weiß ich nicht, ob ihr anderen einander bereits bekannt gemacht wurdet.« Er deutete auf Xerac, als er weitersprach. Still flehte dieser, dass Link nicht sofort mit der gesamten Wahrheit herausrückte. »Dies ist Xerac, der König der Gerudo. Vielleicht mag ein Teil der Anwesenden schockiert sein, wenn ich gleich weiterspreche, doch ich will euch versichern, dass dieser junge Mann mein vollstes Vertrauen genießt! Der neue König der Gerudo ist der Erbe des alten Königs. Xerac ist Ganondorfs Sohn.« Ein ersticktes Keuchen erfüllte den Hof, als Link die Worte aussprach. »Bruder, das kann nicht dein Ernst sein! Der Nachkomme Ganondorfs in unseren Reihen? Dass ich nicht lache!«, rief der impulsive Gorone. Die meisten anderen nickten nur, einzig Impa und Naboru hielten zu Xerac. »Der Junge kann nichts dafür, dass Ganon sein Vater war! Viel wichtiger ist, dass er sich auf unsere Seite schlägt, anstatt uns für unsere Tat zu verurteilen!«, ermahnte Impa die Übrigen. »Außerdem bin auch ich aus Ganons Gefolge zu euch gestoßen, habt ihr das vergessen?

Dennoch traut ihr mir. Warum also verurteilt ihr ihn, ohne sich ein Bild von ihm gemacht zu haben?«, ergänzte Naboru. Ruto lachte kurz auf. »Als ob er es ernst meinen würde! Der spioniert uns bestimmt nur aus!« Xeracs Körper zitterte immer heftiger. Sosehr er auch versuchte, diese törichten Gefühle – er war ein Mann, keine Memme! – zurückzuhalten, wollte es ihm einfach nicht gelingen. Er hatte zwar mit dieser Reaktion gerechnet, dennoch erschütterte es ihn. Verzweifelt versuchte er, seine bebende Lippe zu beruhigen. Er würde keine Tränen vergießen, soviel stand fest! Nicht hier, nicht vor ihnen! Link wollte gerade zur Ruhe ermahnen, als es einfach aus Xerac herausbrach. »Ruhe!« Seine Stimme bebte, doch noch war sie fest. »Ich habe verstanden. Wenn ihr mir nicht vertrauen könnt, hat meine Teilnahme an dieser Versammlung keinen Zweck!« Er drehte sich um und schritt davon. Link schrie noch »Stopp!« und auch Impa und Naboru riefen, er solle dableiben, aber er hörte es nicht mehr. Oder wollte es nicht hören. Er rannte einfach weiter. Inzwischen riss er sich nicht mehr zusammen, denn immerhin war es spät und die Straßen waren leer, er ließ die Tränen der Wut und Enttäuschung einfach fließen.

Er war geflüchtet, geflohen vor dem, was er war, davongelaufen vor denen, deren Vertrauen er sich so sehr wünschte. Aber sie verurteilten ihn für seine Herkunft, machten ihn zu einem Feind, nur weil sein Vater der Feind gewesen war. Zelda hatte ihn belogen, alle hatten ihn belogen. Ja, er hatte sich sogar selbst belogen, vom dem Zeitpunkt an, an dem er beschloss, der Einladung zu folgen und sich seiner größten Angst zu stellen: der Ablehnung durch andere. Wie ein Lauffeuer würde sich nun verbreiten, dass er Ganondorfs Sohn war, bald würde sich ganz Hyrule gegen ihn wenden und ihn hassen. Mit tränenüberströmtem Gesicht sank er auf die Knie und spürte das weiche Gras der Hylianischen Steppe. Dorthin war er gerannt, an einen Ort, wo niemand ihn stören würde, wo er seinen Gefühlen freien Lauf lassen konnte. »Warum, Din? Warum, Nayru? Warum, Farore? Warum tut ihr mir das an?«, schluchzte er, den Blick gen Himmel gerichtet. Der Mond stand bereits hoch Himmel und blickte auf ihn nieder, als würde er ihn verspotten. Zornig ballte er die Hände zu Fäusten und schlug auf den Boden ein. »Womit hab ich das verdient? Naboru!« Er hatte an Zeldas Worte denken müssen. Ruft sie einfach, wenn Ihr es wünscht.

Wo blieb sie dann? Er erhob sich, um auf Naboru zu warten. Als plötzlich eine orangene Kugel dicht vor seinen Augen auftauchte, schrak er zusammen, wich einen Schritt zurück, stolperte und landete ziemlich unsanft auf seinen vier Buchstaben. »Das wurde ja auch mal Zeit, ich dachte schon, du rufst nie…«, tadelte sie ihn, während sie ihre normale Gestalt annahm. »Was?« »Link hat resolut unser Treffen unterbrochen, bis du zurückkehrst. Er meinte, er könne nicht ohne deine Anwesenheit darüber reden, weil es auch dich beträfe. Du hättest das Gesicht Darunias sehen müssen.«, erklärte sie. »Darunia?«, fragte Xerac langsam. Den Namen hatte er nicht gehört. »Was? Ach, haben sie wieder einmal nur ›Bruder‹ zueinander gesagt? Darunia ist der Gorone. Ich glaube, am liebsten hätte er Link zerrissen. So wie er reagiert hat…« Sie grinste breit. »Warum tun sie das? Warum vertrauen sie mir nicht? Ist es so entsetzlich für sie, Ganondorfs Sohn zu sein? Warum glauben sie, mich nur deshalb gleich als Feind abstempeln zu können?«, wollte Xerac von ihr wissen. Einen kurzen Moment lang sah Naboru ihn an, sie schien zu überlegen. Dann seufzte sie tief. »Ich wusste, dass du das fragen würdest, aber eine Erklärung habe ich auch nicht wirklich dafür. Ich vermute, dass es daran liegt, dass du der Sohn eines – sagen wir Halbdämonen, denn wir wissen selbst nicht, ob Ganondorf überhaupt noch menschlich war – bist, der möglicherweise dieses Dämonische geerbt hat.« »Das wüsste ich doch!«, rief Xerac aus. Doch dann wurde er unsicher. »Oder?«

»Das wissen wir nicht genau. Es kann sein, dass deine dämonische Seite noch schlummert. Zum Beispiel hier.« Beim letzten Satz piekte sie ihm mit dem Finger in den Bauch. »Hey!«, entrüstete er sich. »Oder hier.« Sie zog an seinen Wangen. »Was soll das?« »Vielleicht auch hier?« Sie trat ihm auf den Fuß. »Schluß damit!« Sie lief hinter ihn. »Hm… Doch hier?« Sie verpasste ihm einen kräftigen Tritt in den Hintern. Nach einem kurzen, halb unterdrückten Schmerzenslaut schlug er nach ihr, traf sie jedoch nicht. Sie stand einige Schritte hinter ihm und lachte ihn aus.

»Was sollte das eigentlich?«, fragte er, während er sich das schmerzende Hinterteil rieb. »Ich dachte, das muntert dich ein wenig auf. Außerdem liebe ich es, andere Leute zu necken.« Sie grinste ihn schelmisch an, wurde jedoch sofort wieder ernst. »Doch genug gespaßt. Können wir jetzt zurück zum Treffen? Link wartet bestimmt auf uns.« »Und was, wenn sie wieder anfangen?«, fragte er, mehr als Vorwand. »Werden sie nicht. Wie ich Impa kenne, droht sie allen Folter an, sollten sie dir keine Chance geben.« Xerac musste lachen. Dann nickte er, und sie kehrten zum Schloss zurück.

Wenige Minuten später erhellte sich Links Miene, als er Xerac und Naboru sah. Darunia fixierte den Gerudokönig mit einem grimmigen Blick, doch dieser stolzierte hocherhobenen Hauptes an ihm vorbei. »Jetzt, wo wir wieder alle anwesend sind, können wir ja fortfahren. Ihr alle wisst, dass ich vor etwa fünfzehn Jahren Ganondorf versiegelte. Für immer, wie wir alle dachten. Doch seinen unheilvollen Einfluss konnten wir nicht verschwinden lassen. Viele von Ganondorfs damaligen Anhängern träumen immer noch von einer Welt der Finsternis, wie Ganondorf sie geschaffen hätte. Doch um dieses Ziel zu erreichen, brauchen sie einen neuen Anführer.« »Und ich denke mal, dieser Anführer soll ich sein?«, unterbrach Xerac Link. »Fast richtig. Von dir weiß ich, dass wir dir vertrauen können, sonst hättest du dich ihnen schon lange angeschlossen. Mir macht etwas anderes Sorgen. Sie wollen nicht seinen Sohn als Anführer, sondern Ganondorf persönlich.« »Aber das geht nicht! Ganon ist für immer versiegelt! Selbst wenn er das Siegel brechen könnte, würden wir das rechtzeitig merken!«, warf Salia ein. »Das weiß ich, Salia. Jedoch wird durch euer Siegel nur sein Körper versiegelt. Sein Geist jedoch könnte sich frei bewegen.« »Humbug.

Der Geist ist an den Körper gebunden.«, winkte Darunia ab. »Ja, das dachte ich auch, Bruder. Ganons Untergebene haben einen Weg gefunden, seinen Geist aus dem Heiligen Reich zu befreien und in einen anderen Körper zu übertragen. Dieser Gastkörper soll jemand aus Ganons Blutlinie sein.«, fuhr Link unbeirrt fort. »Was nur auf mich zutrifft…«, murmelte Xerac. »Das können die doch nicht wirklich versuchen wollen, oder?«, fragte Rauru skeptisch. »Was passiert dann eigentlich mit dem anderen Geist?«, wollte Ruto wissen. Bevor Link zu einer Antwort kam, erhob Impa ihre Stimme. »Entweder der Geist ist stark genug und kann neben Ganondorf im selben Körper existieren, oder er wird vertrieben und muss für immer als Verlorene Seele umherirren.« Xerac schluckte. Das waren wahrlich keine tollen Aussichten. In beiden Fällen würde er tatenlos zusehen müssen. Dennoch war ersteres angenehmer, er würde wenigstens überleben können. »Ursprünglich wollten Ganons Anhänger meinen Körper nehmen, doch sie fanden heraus, dass Ganon sich in einem Körper aus seiner Blutlinie besser halten können würde. Seither suchen sie nach dir, unser Vorteil ist es, dass du Ganondorf weder ähnlich siehst, noch gerne über deine Herkunft redest.«

»Und was machen wir jetzt mit ihm?«, fragte Naboru. »Xerac wird zur Festung der Gerudo zurückkehren und so tun, als wäre alles beim Alten. Wenn du hier bleibst, könnten sie Verdacht schöpfen, deshalb bist du dort wesentlich sicherer als hier. Wir werden dich über alles unterrichten, also sei unbesorgt.« Xerac nickte, obwohl er sich nicht verstecken, sondern helfen wollte. Sein Blick fiel auf Naboru. Sie sah bekümmert aus. »Naboru, du weißt, was ich von dir verlange?« Sie nickte. »Gut. Dann ist die Versammlung beendet. Xerac, ich möchte, dass du dich gleich morgen früh auf den Weg machst. Halte dich nicht länger hier auf, als nötig. Sprich mit niemandem über das, was sich hier getan hat. Wenn etwas Wichtiges passiert, schicke ich Naboru vorbei. Sie kann sich in der Festung bewegen, ohne Verdacht zu erregen.« Xerac wandte sich zum Gehen. Keiner der Weisen sprach ein Wort, als er an ihnen vorbeilief.

Er hatte den Hof schon fast verlassen, als er am Arm festgehalten wurde. Halb wütend, halb überrascht drehte er sich um. Vor ihm stand die Weise der Schatten, sie lächelte. »Mach dir keine Sorgen. Solange niemand weiß, wessen Sohn du bist, bist du in Sicherheit.« Stumm dankte er ihr für diese Aufmunterung, er hatte es bitter nötig. Er schaute noch einmal Link an, dann Zelda. Beide erwiderten seinen Blick, dann nickten sie. Jetzt endlich wandte Xerac sich zum Gehen. Vor dem Schloss erwarteten ihn schon die Gerudo-Kriegerinnen, die mit ihm gekommen waren. Während der Versammlung hatte Link Anweisung gegeben, sein Gefolge zum Schloss zu bringen. »Herr, was habt Ihr?« In der Stimme der Gerudo schwang Besorgnis mit. »Nichts. Wir kehren morgen in aller Frühe in die Festung zurück.«, erwiderte Xerac. »Ja, Herr.« Die Gerudo beäugte ihn. »Kira, was schaust du mich so an?«, fragte Xerac misstrauisch.

»Herr, ich mache mir Sorgen um Euch.« »Sorgen? Um mich? Warum das?« »Ihr seht aus, als sei etwas Schreckliches geschehen.« »Es ist alles in Ordnung. Können wir nun gehen?« »Ja, Herr.« Xerac wandte sich von ihr ab und ging los. Ich muss lernen, meine Gefühle zu verbergen…, dachte er bei sich. Die Nacht verging ereignislos, am nächsten Morgen befahl Xerac in aller Frühe den Aufbruch. Auch auf der Heimreise geschah nichts, das einer Erwähnung wert wäre. Niemand griff ihn an, oder versuchte gar, ihn zu entführen, sein Geheimnis schien im Dunkel geblieben zu sein. Doch wie lange noch? Wie lange wird es noch dauern, bis mir nichts als die Flucht übrig bleibt, um nicht als Wirtskörper für meinen Vater zu enden? Er seufzte tief. Er wusste ja noch nicht einmal mehr, wem er noch vertrauen konnte, besonders bei den Kriegerinnen der Gerudo musste er vorsichtig sein.

Ihm war bekannt, dass zu Ganons Zeiten viele der Wüstenbewohner seinem Vater bedingungslos gedient hatten, wer wusste schon, ob sich unter seinem Volk immer noch getreue Diener verbargen? Zurück in der Gerudo-Festung – es war später Nachmittag, einige Tage nach dem Treffen – nahm er jene Gerudo beiseite, die ihm sehr nahe stand. »Kira, bereite mir ein Bad. Danach möchte ich, dass du meine Haare schneidest.« Er tat es nicht gern, doch er musste die Leute, die er immer um sich hatte, auf ihre Loyalität prüfen. »Wie Ihr befehlt, Herr.« Sie eilte davon, er trottete hinterher. Ein Bad war jetzt genau das Richtige. Wenigstens, um für kurze Zeit alle Probleme, die er mit sich herumschleppte, zu vergessen. Er wartete geduldig vor dem Baderaum, bis Kira fertig war. Es dauerte eine Weile, aber das kannte er zur Genüge.

Sie nahm ihre Pflichten immer sehr ernst und entschuldigte sich ohne Unterlass, wenn sie glaubte, etwas falsch gemacht zu haben. Gerne hätte er ihr gesagt, dass er mehr für sie empfand, doch noch hatte er es nicht über sich gebracht. Endlich öffnete sich die Tür und Kira trat heraus. »Euer Bad ist bereitet, Herr. Ich werde vor Eurem Gemach auf Euch warten.«, sagte sie, während sie eine leichte Verbeugung andeutete. »Gut.«, war alles, was Xerac erwiderte. Er trat in den Raum, schwere Parfümwolken schwebten durch das Zimmer, erzeugt von dem angenehm duftenden Schaumbad. Er schloss die Tür hinter sich ab, um ungestört zu sein, obgleich das unnötig war. Sofort zog er die verschwitzten Kleidungsstücke aus, die er schon wieder seit Tagen am Leib trug. Auf Reisen war für einen Wechsel der Kleidung meist keine Zeit. Erleichtert lockerte er seine verspannten Muskeln, wobei ein Lächeln über seine Lippen glitt. Von klein auf hatte er Kämpfen gelernt – kein Wunder in einem Volk von Dieben.

Was für ein König wäre ein Gerudo gewesen, der nichts vom Kämpfen verstand? Doch kaum dachte er daran, dass er so wenigstens seinen Feinden gegenüber nicht völlig hilflos sein würde, verschwand das Lachen schlagartig von seinem Gesicht. Sofort verdrängte er diesen Gedanken wieder. Er stieg in die Wanne. Wie erwartet hatte das Wasser genau die richtige Temperatur. Kira kannte ihn schon seit Jahren, kannte jede seiner Eigenarten. Er hatte nichts anderes erwartet… Mit einem tiefen Seufzer ließ er sich weiter ins Wasser gleiten, er sehnte sich nach dieser angenehmen Wärme. Es war die einzige, die er in seinem Leben erhielt, jeder zeigte ihm gegenüber nur Gehorsam und Ergebenheit, nie wusste er, ob die Leute ihn mochten oder fürchteten. Schon früh hatte er sich daher mit einer Wand umgeben, die seine Gefühle und Probleme verbarg. Die Zeit verging, das Wasser kühlte langsam ab, doch Xerac blieb in der Wanne. Er war sich nicht sicher, ob er Kira wirklich dieser Prüfung unterziehen wollte.

Immer sorgte sie für das, was für ihn am Besten war und er wollte sie nun so demütigen. Doch so sehr er auch versuchte, einen Beweis für ihre unbestreitbare Treue zu finden, er scheiterte. Immer wieder fragte er sich, ob es nicht doch die Furcht vor einer Strafe war. Ob es nicht doch nur eine List war, um ihn einzuwickeln. Ihm fielen unzählige Dinge ein, die sie bezwecken könnte. Ihm blieb ganz einfach nichts anderes übrig… Erst als er am ganzen Körper zu zittern begann, stieg er endlich aus dem Wasser und hüllte sich in ein Tuch. Er wusste genau, was er tun musste. Eilig trocknete er sich ab, kleidete sich neu an, verließ anschließend den Baderaum und schritt zu seinem Gemach. Schon von weitem konnte er Kira sehen, wie sie dort stand und auf ihn wartete. Er schritt vorbei, öffnete die Tür und bat sie herein. Sie schloss die Tür hinter sich, während Xerac sich auf einen Stuhl setzte. Alles, was er sagte, war: »Fang an.« Kira gehorchte und begann, seine Haare zu schneiden. Sie wusste genau, auf welche Länge er sie gestutzt haben wollte, kein Wort wurde gesprochen. Nur das »Schnipp-schnapp« der Schere klang durch das Gemach, bis Kira fertig war. Xerac erhob sich und reichte ihr eine Schüssel.

Erstaunt blickte sie ihn an. »Sammle die Haare auf und wirf sie in diese Schüssel.« »Wie Ihr befehlt, Herr.«, erwiderte sie gehorsam. Er verschränkte die Arme und wartete, bis sie fertig war. Er wies sie an, sich zu überzeugen, dass sie kein Haar vergessen hatte, dann forderte er sie auf: »Verbrenn sie!« »A-Aber Herr!«, wandte Kira ein. »Du sollst sie verbrennen!«, befahl er, mit einer Eiseskälte in der Stimme. Kira war wie erstarrt, sie rührte sich nicht vom Fleck. »Das war ein Befehl!«, fuhr er sie noch einmal an. Endlich gehorchte sie. Er wartete, genau wie sie, bis jedes einzelne Haar zu Asche verbrannt war… Dann jagte er sie fort. Xerac wartete, bis sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, dann warf er sich auf sein Bett und vergrub das Gesicht in den Kopfkissen. Stumme Tränen liefen über sein Gesicht. Er wusste genug über Invokationen, um zu wissen, dass ein Haar, oder Blut des Opfers, oder irgendein persönlicher Gegenstand benötigt wurde, um die Beschwörung durchführen zu können. Ihre Reaktion konnte nur bedeuten, dass sie ihre Chance gesehen hatte, um an sein Haar zu gelangen. Er zweifelte. Konnte es nicht auch die Überraschung über einen derart merkwürdigen Befehl gewesen sein? Oder der Schreck darüber, wie seine Stimme sich verändert hatte? Immer noch liefen ihm Schauder über den Rücken, wenn er nur daran dachte, wie kalt sie geklungen hatte. Besaß er doch mehr von seinem Vater, als er zugeben mochte? Über das Nachdenken wurde er schläfriger, bis er schließlich einnickte.

Doch es war kein erholsamer Traum, den er hatte. Schattengestalten mit den Umrissen seines Vaters verfolgten in über eine Einöde, die keinerlei Vegetation aufwies, soweit das Auge reichte nur Sand und Stein. Mit der Zeit wurden es mehr Schatten, aus allen Richtungen kamen sie, versuchten ihn einzukreisen, bis es so viele waren, dass es ihnen auch gelang. Panisch suchte er nach einem Ausweg, doch er konnte keinen finden. Einen Augenblick bevor sie ihn berühren konnten, schrak er auf. Schweißgebadet saß er aufrecht in seinem Bett, noch nicht einmal im Schlaf ließ ihn seine Angst in Frieden, von seinem Vater benutzt zu werden. Er zuckte zusammen, als es laut an der Tür klopfte. Er erhob sich, strich sich das Haar aus dem Gesicht und öffnete sie. Vor ihm stand eine seiner Dienerinnen, doch es war nicht Kira. »Was ist?«, fragte er unfreundlicher als beabsichtigt. Trauer erfüllte ihn, als er sah, wie die Gerudo ihn verängstigt anblickte. »Ich wollte Eurer Hoheit nur ausrichten, dass der Tisch bereitet ist, doch wenn ich störe…«, begann sie in unterwürfigem Tonfall.

»Nein, ist schon in Ordnung. Ich habe Hunger und ein wenig Ablenkung kommt gerade richtig.« Erst jetzt hatte Xerac gemerkt, dass sein Magen sich eindringlich beschwert hatte. »Wenn Euer Hoheit mir dann folgen würde?« Er folgte der Gerudo hinunter in den Speisesaal. Kaum hatte er ihn betreten, als er Kira neben seinem Stuhl sitzen sah. Schüchtern lächelte sie ihn an. Seine Miene hellte sich ein wenig auf, vielleicht hatte er sich doch getäuscht und es war nur die Überraschung gewesen, wegen der Kira so reagiert hatte. Er schritt gemächlich durch den Saal und setzte sich auf seinen Platz. Er hatte die Sitzfläche kaum berührt, als Kira ihm bereits fragend eine Flasche Wein entgegenhielt. Er nickte und sie goss ihm ein Glas ein.

Unmittelbar darauf wurde der erste Gang aufgetragen. Es wäre müßig, hier die Unmengen an Gerichten aus ganz Hyrule aufzuzählen, die serviert wurden. Eine Dienerin füllte den Teller ihres Königs und Kira nahm neben Xerac Platz. Während des Mahls unterhielt sie sich mit ihm, warf immer wieder ein »Es ist, wie Ihr sagt, Gebieter.« oder ein »Wie recht Ihr doch habt, Herr!« in den Raum. Jedes Mal, wenn sein Glas sich leerte, fragte sie ihn, ob sie ihm erneut eingießen solle. Langsam aber sicher stieg ihm der Wein zu Kopf und schließlich fing Kira an, ungefragt nachzugießen. Als Xerac leidlich angeheitert war, beugte sie sich zu ihm und flüsterte ihm zu: »All deine Versuche sind nutzlos. Du wirst nicht verhindern können, dass wir dich als Gefäß für Ganons Geist benutzen werden, Xerac, Sohn des Ganon.« Er erstarrte, das Glas fiel ihm aus der Hand und zersplitterte. Der kostbare Wein verteilte sich auf dem Boden. Also doch! Er stand auf, Kira tat es ihm gleich. Xerac wollte gehen, als plötzlich jemand hinter ihm stand und ihm mit einer Keule auf den Hinterkopf schlug. Er spürte den Schmerz, dann sackte er zusammen. Kurz bevor die Wellen der Bewusstlosigkeit über ihm zusammenschlugen, konnte er Kiras Gesicht sehen, auf dem ein hämisches Grinsen lag. Ein Schatten huschte über ihr Gesicht und verschwand wieder. Allmählich dämmerte es Xerac. Sie war besessen…

 

Als er wieder zu sich kam, spürte er harten Steinboden unter sich. Sein Kopf schmerzte entsetzlich, aber das hatte er erwartet. Er verzog das Gesicht, als er mit der Hand über seinen Hinterkopf tastete. Wer auch immer ihn da erwischt hatte, er wusste, wie man mit dieser Keule umging. Langsam stand er auf, er war noch immer etwas benommen. Er blickte sich um, doch im Halbdunkel der Kerkerzelle war dies ein schwieriges Unterfangen. Es gab nur ein Fenster, vielleicht breit genug, um einen Lichtstrahl von wenigen Zoll durchzulassen. Xerac jedoch würde dort nicht durchkommen, egal, wie er sich drehen und wenden würde. Gegenüber dem Fenster befand sich eine stählerne Tür, den Geräuschen dahinter zu urteilen, war eine Flucht dort ebenfalls unmöglich, wenn man einmal die Tatsache unbeachtet ließ, dass er die Tür ohnehin nicht öffnen könnte. Resignierend setzte er sich wieder hin, er musste warten, bis man ihn holen kam, um über sein Schicksal zu bestimmen. Viel Hoffnung hatte er nicht. Seine Gegner waren stark genug, um jeden Widerstand im Keim zu ersticken.

Am Ende würden sie seinen Körper als Gefäß für Ganon benutzen und er war ohne Zweifel nicht stark genug, um neben Ganon im selben Körper existieren zu können. Er würde als Verlorene Seele enden und fragte sich bereits, was das wohl für ein Gefühl sein würde. Er schalt sich selbst. Es brachte ihm rein gar nichts, sich jetzt schon aufzugeben, das würde ihn nur schwächer machen, als er ohnehin im Vergleich zu seinem Vater schon war. Er musste sich selbst Mut zusprechen, vielleicht wäre er dann sogar stark genug, um Ganon aus seinem Körper zu vertreiben. Er horchte auf, als er Schritte auf dem Gang hörte. Es klackte leise, der Schlüssel wurde umgedreht und die Tür geräuschvoll aufgezogen. »Habt Ihr gut geruht, Euer Hoheit? Ich hoffe doch, dass der Boden nicht zu unbequem war?«, wurde er gehässig gefragt. Xerac blickte nicht auf, er rührte sich nicht einmal. Es war Kira, die hinter ihm stand, doch ihre Stimme strahlte nun nicht mehr Freundlichkeit und Wärme aus, sie troff vor Kälte und Hass. Hatte er ihr sonst gerne beim Sprechen zugehört, erschauderte er nun nur bei dem Gedanken daran, dass sie weiterspräche. »Sieh mich an!« Er kam der Aufforderung nicht nach, wollte Kira nicht sehen, ahnte bereits, was mit ihr geschehen war. »So. Du willst also trotzig sein, ja? Gut, dann werde ich tyrannisch sein!« Sie ging auf ihn zu, riss ihn am Hals hoch und zwang ihn, ihr in die Augen zu sehen. Starr vor Schreck konnte er den Blick nicht mehr abwenden. Was er dort sah, hatte kaum noch Ähnlichkeit mit der Kira, die er kannte.

Der Dämon, der von ihr Besitz ergriffen hatte, sah nun keine Notwendigkeit mehr darin, seine Verkleidung aufrechtzuerhalten, also näherte er Kiras Aussehen langsam seinem eigenen an. Ihre ehemals braunen Augen hatten einen blutroten Ton angenommen, spitze Eckzähne ragten ihr aus dem Mund, Eckzähne, wie sie allen Dämonen eigen waren. Die Hände erinnerten schon mehr an Pranken, er konnte fühlen, wie sich die krallenähnlichen Fingernägel in sein Fleisch bohrten und auch der begleitende Schmerz pochte durch seinen Hals. Er spürte, wie warmes Blut an seinem Hals hinablief, sein Blut. Sie grinste ihn an, dann lockerte sie ihren Griff und ließ ihn fallen. Hart prallte er auf dem Boden auf, den Blick immer noch starr auf Kira gerichtet. Genüsslich leckte sie sich Xeracs Blut von den Fingern. »Glaub nicht, dass ich mit dir umspringe, als wärst du ein rohes Ei! Auch wenn du für die Beschwörung benötigt wirst, werde ich keine Gnade zeigen! Und was deine Freundin betrifft… In kurzer Zeit wirst du keinen Grund mehr haben, so traurig dreinzuschauen.

Bald wird nichts mehr von ihr übrig sein!« Sie lachte. »Abgesehen davon wirst du so oder so keine Gelegenheit dazu haben. Heute Nacht findet die Invokation unseres Meisters statt, also genieße die letzten Stunden, die du noch hast. Scheue dich nicht, es dir gemütlich zu machen.« Unter einem markerschütternden Lachen verließ sie die kleine Zelle und verriegelte die Tür hinter sich. Xerac war immer noch wie gelähmt. Nur weil Kira ihn kannte, war so etwas Schreckliches mit ihr geschehen. Er wünschte sich, nicht hier zu sitzen, einfach aufzuwachen und festzustellen, dass er gar nicht Ganons Sohn war, sondern ein ganz normaler junger Mann, der kein Geheimnis um seine Herkunft zu machen brauchte. Doch er zwang sich, wieder zur Vernunft zu kommen. Es hatte sicher seinen Grund, dass er der Nachkomme Ganondorfs war, vielleicht hatten Din, Nayru und Farore ja Großes mit ihm vor. Während er versuchte, sich das einzureden, kehrten seine Gedanken zu Kira zurück. Er musste daran denken, dass er möglicherweise selbst etwas Dämonisches in sich trug, das nur darauf wartete, aufzuwachen und ihn zu beherrschen. Er schauderte, als er sich vorstellte, wie er aussehen würde, wenn es aus ihm hervorbrach. Verzweifelt versuchte er, den Gedanken zu verdrängen, sich auf das Wichtige zu konzentrieren – zum Beispiel, wie er hier rauskam, aber er konnte kaum klar denken.

Sowieso wusste er, dass es keinen Fluchtweg gab. Die Mauern waren undurchdringlich. Die Tür würde ihn nur noch tiefer ins Verderben führen. Und das Fenster war mehr als zu schmal für ihn. Plötzlich bemerkte er ein Glitzern von der Decke her. Er schaute nach oben und sah eine Fee dort in Kreisen um seinen Kopf schweben. »Wird ja auch Zeit, dass du mit deinem Gejammer aufhörst.«, meckerte sie ihn an. »Ich hab doch gar nichts gesagt!«, versuchte er sich zu verteidigen. »Aber gedacht. Und das ist schon schlimm genug. Aber genug davon. Hallo, ich bin Taya, Link hat mich geschickt, auf dich aufzupassen, und jetzt lass uns überlegen, wie wir dich hier rausbringen.«, sprudelte es aus ihr hervor. »Hallo. Ich bin Xerac.« »Ich weiß. Und jetzt fang an, nachzudenken, du Depp!« Xerac grummelte missmutig vor sich hin. »Ich sagte denken, nicht murren.« Meine Lage wird immer besser…, dachte Xerac. Wahrscheinlich hat Link einfach keinen Nerv mehr für diese durchgeknallte Fee gehabt und sie mir auf den Hals gejagt… »Hallo, Taya an Xerac! Schon einen Fluchtweg gefunden?« »Nein.« »Das hab ich mir gedacht!«, tadelte sie. »Was glaubst du–«, begehrte er auf. »Mecker nicht. Der einzige Fluchtweg scheint das Fenster zu sein.« Xerac lachte gequält auf. »Klasse. Jetzt erzähl mir noch, wie ich da durchpassen soll, dann können wir sofort losgehen.« »Du hast wirklich gar keine Geduld, oder? Hetz mich gefälligst nicht so.« »Hallo?! Schon gemerkt, dass die mich als Gefäß für Ganon verwenden wollen?!« Taya seufzte, dann zog sie engere Kreise um Xerac, wobei immer mehr Feenstaub auf ihn niederrieselte. Der Staub kitzelte ihn in der Nase, und während er ununterbrochen niesen musste, merkte er nicht, wie er immer mehr schrumpfte, bis er so groß war wie Taya. Zu guter Letzt brachen aus seinem Rücken kleine Feenflügel hervor.

»Du bist doch völlig übergeschnappt! Hab ich dich darum gebeten, mich in eine Aushilfsfee zu verwandeln?!« »Kleiner, du nervst.« Sprach’s und flog davon. Xerac blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen, wobei er ohne Unterlass vor sich her grummelte. Nachdem sie eine Weile geflogen waren – am Anfang tat Xerac sich noch schwer und Taya weigerte sich, den Flug zu beenden, bevor er fliegen könne, »Wer weiß, vielleicht brauchen wir das Können noch mal.« – und außer Reichweite ihrer Häscher waren, beendete Taya den Zauber. Erleichtert atmete Xerac tief ein. »Mach… das… nie wieder, klar?« »Ist ja gut. Aber du musst zugeben, dass der Zauber die einzige Möglichkeit war, die wir hatten. Und was Besseres ist mir auf die Schnelle nicht eingefallen…« »Aber was machen wir jetzt? Zurück in die Gerudo-Festung kann ich nicht. Dort werden sie als erstes suchen.« »Wir gehen zu Link.« »Zurück ins Schloss? Aber er hat doch gesagt…«, wandte Xerac ein. »Du bist nicht auf dem neuesten Stand der Dinge.

Bevor ich losflog, um dich zu suchen, sagte er: ›Bring ihn her, Taya!‹ Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber wir gehen jetzt sofort zum Schloss. Folge mir einfach.«, erklärte Taya ihm. Sie flog los, Xerac folgte ihr. Den ganzen Weg über sprachen sie kein Wort, er wollte im Moment auch nicht reden. Er wusste genau, was er Link sagen würde. Er würde ihm klar machen, dass er sich nicht mehr nur verstecken wollte, nicht mehr nur fliehen, sondern mitkämpfen, sich dem Bösen entgegenstellen. Er wollte anders sein als sein Vater. Und das konnte er nicht durch Flucht. Er hoffte, dass Link es verstehen würde, ihm erlauben würde, an seiner Seite zu kämpfen, um Ganon ein für alle Mal zu erledigen. Schon bald hätte er Gewissheit. Nach wenigen Stunden standen sie vor den Toren der Stadt Hyrule. Festen Schrittes überquerten Xerac und Taya die Brücke und er begab sich zum zweiten Mal in seinem Leben zum Schloss. Doch dieses Mal brauchte er es nicht zu betreten. Link stand bereits vor dem Eingangstor, ungeduldig auf sie wartend. Als er sie sah, lief er ihnen entgegen. »Xerac, ist alles in Ordnung?«, rief er von weitem. »Ja, sicher!« Kurz darauf stand Link direkt vor ihnen. »Naboru sagte mir, dass sie dich geschnappt haben.« »Stimmt ja auch. Aber dank Taya konnte ich entkommen. Einen Moment mal. Woher wusste Naboru das?« Kaum hatten die Worte seinen Mund verlassen, erinnerte er sich an das Treffen. ›Naboru, du weißt, was ich von dir verlange?‹ »Ich verstehe. Du wolltest, dass sie unsere Feinde ausspioniert.« Link nickte. »Bist du verrückt?!«, brüllte Xerac ihn an.

»Ich bin mir sicher, dass es ihr gut geht.«, wandte Link ein. »So, bist du das? Dann erzähle ich dir mal was. Kira, eine Gerudo aus meinem Gefolge, wurde von einem Dämon in Besitz genommen. Man konnte es nicht merken, sie verhielt sich wie immer.« »Naboru ist die Weise der Geister, es wird bei ihr nicht so einfach sein.« »Wir werden sehen. Aber soweit ich weiß, wird das Siegel entscheidend geschwächt, wenn Weise ihre Macht verlieren.« »Das ist richtig, aber…« »Warum bringst du sie dann in solche Gefahr?!«, fuhr er Link an. »Xerac, jetzt beruhige dich. Alles ist in Ordnung. Sie meldet sich jeden Abend hier und berichtet. Zelda würde erkennen, wenn sie besessen wäre.« Taya stupste Xerac an. »Wolltest du ihm nicht etwas sagen?«, flüsterte sie ihm zu. »Link…«, begann Xerac. »Ja?« »Ich habe genug davon, mich nur zu verstecken. Ich will euch helfen.« Link blickte ihn lange und durchdringend an. »Ich weiß, dass es hart ist, aber uns bleibt nichts anderes übrig. Solange du in Sicherheit bist, haben wir eine reelle Chance.« »Nichts weißt du! Ich wurde zum Kämpfen ausgebildet, und alles was ich jetzt tue, ist davonzulaufen! Du hast keine Ahnung, wie sich das anfühlt!« »Und selbst wenn es so wäre, ist es mir gleich. Du wirst nicht kämpfen.«, erwiderte Link kühl. Hasserfüllt blickte Xerac Link an, dann drehte er sich auf dem Fuße um und ging fort.

Seine Schritte führten ihn in die hylianische Bibliothek, die größte überhaupt. Er wollte herausfinden, wie er Ganon aufhalten konnte, und dann selbst losziehen. Er würde Link zeigen, dass er auf sich selbst aufpassen konnte. Unter lautem Gezeter flog Taya in die Halle, die angefüllt mir Bücherregalen war. Dicke Bücher, dünne Folianten. Schmöker, Wälzer, Lexika. Atlanten, wissenschaftliche Abhandlungen, Chroniken, Romane. Wer suchte, konnte hier wirklich alles finden. »Nein! Was immer du vorhast, ich verbiete es dir, hast du verstanden?« Xerac beachtete sie nicht, sondern durchwühlte weiter die Regale. »Ich rede mit dir! Also rede du auch mit mir!« Er drehte sich um. »Ich werde Ganon aufhalten. Und du wirst mitkommen.« »Waas? Vergiss es!« »Spiel mir nichts vor. Link hat dir aufgetragen, auf mich aufzupassen, und als Fee bist du an Versprechen gebunden. Und ihr Feen versprecht bekanntlich gerne viel.« Wie eingefroren schwebte Taya in der Luft. Er hatte sie durchschaut… »Na schön, wie du willst. Solltest du jedoch jemals loswollen, würde ich dir empfehlen, in dem Regal dort hinten nachzusehen.« Sie flog auf ein Regal zu, das ohne Zweifel vorher nicht dort gewesen war, in welchem ein einzelnes Buch stand, das den Titel ›Schattenkraft‹ trug. »Das klingt wie ein Roman.«, schnaubte Xerac. »Es ist einer.«, bestätigte Taya. Verwirrt blickte er sie an, schlug das Buch aber trotzdem auf. Nach kurzem Lesen wusste er soviel, dass es darin um einen Helden ging, der auszog, das Böse zu besiegen. Im Buch wurde kein Name genannt, doch Xerac begriff.

Das Buch handelte von Links Taten. Er schlug das Ende auf – und er hatte Recht. »Wie soll mir das helfen, Taya? Da hat sich einfach jemand die Mühe gemacht, Links Heldentaten in einem Roman zu verarbeiten.« »Sieh dir das Erscheinungsdatum an.« Er tat wie geheißen und ließ den Schmöker beinahe fallen. »Das ist schon über fünfhundert Jahre her! Aber alles ist genauso, wie es später wirklich geschehen ist!« Bei Xerac klingelte es. Wenn er ein anderes Buch dieses Autors finden könnte… Zum Beispiel die Fortsetzung dieses Romans… Zielstrebig durchsuchte er die Halle, die Regale und alle Nebenräume. Endlich zog er ein Buch hervor, hob es siegessicher in die Höhe. Auf dem Einband war in verschnörkelten Buchstaben zu lesen: ›Rückkehr der Schatten‹. Er wollte das Buch aufschlagen, doch Taya schrie: »NEIN!« Mitten in der Bewegung hielt Xerac inne und starrte Taya an. »Tu das nicht! Wenn du anfängst, das Buch zu lesen, wirst du niemals damit aufhören! Das Buch wird deine Erlebnisse schildern, und wenn du anfängst zu lesen, kommst du bis zu der Stelle, an der du beginnst, das Buch zu lesen. Dann wird alles noch einmal erzählt, und noch einmal, und noch einmal…

Und das bis ans Ende aller Tage!« Verschreckt wollte Xerac das Buch von sich werfen. »Die Rückseite des Buches allerdings darfst du lesen. Mehr nicht, ist das klar?« Er nickte. Dann drehte er den Wälzer um. Der Große Schatten war bezwungen, doch Seine Fragmente irrten durch das Land. Sie versuchten, sich zu vereinigen, doch ihnen fehlte die Kraft… Nur einer besaß die nötige Macht, die Schatten zu verschmelzen: Der Nachkomme. So begann eine Reise, um den Schatten endgültig zu vernichten. Der Schlüssel zum Sieg waren die Steine und die Klinge. »Was in Nayrus Namen soll das bedeuten? Die Steine und die Klinge… Vielleicht… Ich hab’s! Damit sind die drei Heiligen Steine und das Master-Schwert gemeint!« »Gratuliere. Und was bringt uns das jetzt?«, bemerkte Taya zynisch. »Ich muss zu Zelda! Sie kann uns bestimmt weiterhelfen!« Ohne sich noch einmal umzudrehen, rannte er los. Er wusste genau, wo er die Königin finden konnte. In der Zitadelle der Zeit, vor dem Zeitaltar. Er hatte das heilige Gebäude kaum betreten, da erblickte er sie schon. Zelda hatte ihn gehört und drehte sich um. Als sie ihn erkannte, lächelte sie. »Farore sei Dank! Dir geht es also gut?« »Ja, ich bin in Ordnung.

Zelda, ich brauche deine Hilfe. Die Heiligen Steine und das Master-Schwert haben irgendetwas mit der Lösung unseres Problems zu tun.« Sie blickte ihn erstaunt an. »Ich weiß nicht, woher du das zu wissen glaubst, doch ich kann spüren, dass es dir ernst ist. Nimm die Steine, und bring sie zu ihren ehemaligen Besitzern zurück. Den Kokiri-Smaragd zum Spross des Deku-Baumes.« Sie reichte ihn einen grün leuchtenden Stein, der die Form des Wappens der Kokiri besaß. »Den Goronen-Opal zum Führer der Goronen.« Den roten Stein, von der Gestalt des Emblems der Goronen, nahm er als nächstes entgegen. »Den Zora-Saphir zum Herrscher über die Zora.« Als letztes bekam er den blauen Stein, der von gleichem Aussehen war wie das Zeichen der Königsfamilie der Zora. Jetzt befanden sich alle Heiligen Steine in Xeracs Besitz. »Diese drei werden dir sicher weiterhelfen können. Mögen die Göttinnen dich beschützen.« Zelda drehte sich um und schwieg. »Ich werde dich und Hyrule nicht enttäuschen.« Leisen Schrittes verließ er die Zitadelle, Taya schwebte hinter ihm her. Sie hatte ihn erst zu Ende des Gesprächs gefunden. Empört flog sie um ihn herum. »Was fällt dir ein, mich zurückzulassen? Ich bin deine Schutzfee, schon vergessen?«

»Tut mir Leid Taya, aber ich hatte es wirklich eilig und es hätte zu lange gedauert, dir alles zu erklären.« »So ist das, ja? Taya ist zu blöd, um die Probleme der großen Leute zu verstehen? Es dauert zu lange, ihr beizubringen, wie die großen Leute ihre Probleme lösen können?!« Der Glanz um Taya färbte sich zornesrot, und als Xerac nach ihr griff, flog sie in die Höhe, außerhalb seiner Reichweite. »Taya, komm wieder her! Komm schon, sei doch nicht so! Du bist keineswegs zu dumm dazu, das weißt du genau!« Sie ignorierte ihn. Xerac war nicht mehr zu Lachen zumute. Er streckte die Hand nach Taya aus. »Taya! Komm her!«, befahl er ihr. Und langsam kam sie seiner Hand näher, ließ sich darauf nieder und blieb sitzen. Kurz blieb er stehen, verwundert darüber, dass sie so folgsam gewesen war. Taya schüttelte sich. »Was hast du gemacht?« »Nichts…« »Das kann nicht sein! Das war ein Zauber des Gebietens!«, rief sie. »Aber ich kann doch keine Magie wirken, ohne es zu wissen! Oder?« Lange blickte Taya ihn an, dann sagte sie: »Dein Erbe.« »Was?« »Auch Ganondorf war ein Magier.« Stumm, erschrocken und verwirrt starrte Xerac Taya an. »Hallo? Geht es dir gut?« Er lachte innerlich auf. Gut gehen? Ihm? Mit jedem Tag, der verstrich, merkte er, dass er mehr von seinem Vater hatte, als er je ahnte. Zuerst die Eiseskälte in seiner Stimme, jetzt wirkte er plötzlich Befehlsmagie…

»Xerac, das hat nichts zu sagen! Es zeigt nur, dass du eine magische Begabung hast, mehr nicht. Befehlsmagie ist keine schwarze, sondern graue Magie. Sie hat sich aus anderen Zaubern entwickelt, die ihre Wurzeln in der Weißmagie hatten, wird jedoch häufig zu bösen Zwecken benutzt, da man sich mit ihrer Leute gefügig machen kann. Hättest du jedoch Flüche oder Todeszauber eingesetzt, würde ich mich mehr sorgen, als wenn du dich in einen Baum verwandelst.« »Wieso das?« »Weil die erste Selbstverwandlung meist schrecklich schief geht. Soll heißen, du hättest Jahre in Baumgestalt verbracht, wenn nicht sogar dein ganzes Leben.« Xerac musste schlucken. »Deswegen werden Selbstverwandlungen als letztes gelehrt.« Sie war erleichtert, als sie sah, dass seine Miene sich aufgehellt hatte. »So, als erstes brauche ich ein Schwert, stimmt’s Taya?« »Ich glaube schon. Obwohl… wenn du uns wegstirbst, haben unsere Probleme sich erledigt.« Er starrte sie ungläubig an. »Das war doch nur ein Scherz! An deinem Humor muss ich noch arbeiten, das ist ja fürchterlich…« Er lachte. »Na also, geht doch. Und das üben wir jetzt noch ein wenig, dann sind wir diesen missmutigen Gesichtsausdruck bald los.« Jetzt lachten beide. Xerac war froh, Taya an seiner Seite zu haben, ohne sie wäre schon längst wieder in seiner Lethargie versunken, gefangen in dieser unheimlichen Gleichgültigkeit.

Zudem säße er immer noch in dieser dunklen Kerkerzelle… Er wusste in etwa, wo in Hyrule ein Waffenschmied war. Er war bereits ein- oder zweimal dort gewesen, und die Qualität dort hatte ihn beeindruckt. Dennoch hatte er bisher nichts dort erstanden, denn er war mit seinen gerudischen Waffen sehr zufrieden. Jetzt hatte er allerdings seine Waffen nicht dabei, und unbewaffnet die Stadt zu verlassen war noch nie jemandem gut bekommen. Und wenn die Waffe nur eine rostige Mistgabel war, sie vermochte einem das Leben zu retten. Nach kurzer Zeit standen sie vor der Waffenschmiede. Es war ein kleines Gebäude, das ärmlich aussah. Die Farbe war von den Wänden abgeblättert und einige Dachpfannen fehlten. Über das schäbige Haus war Xerac jedes Mal wieder erstaunt. Er wusste, wie hochwertig die Ware hier war, an der Stelle des Schmiedes hätte er die Schäden längst ausbessern lassen. Sie betraten die Stube und die Ladenglocke läutete. Kurz darauf kam aus den hinteren Räumen – wohl die Arbeitsräume, denn man konnte ein rotes Glühen sehen – ein etwas kleinwüchsiger Mann.

Er klopfte sich den Ruß von den Kleidern, unter denen sich seine imposanten Muskeln spannten, dann begrüßte er sie, seine Stimme war rauchig und er sprach einen Dialekt des Hylianischen. »Seid gegreeßt, men Nam is Grafor. Man konnt sachen, mir wart das Schmeden vorbestimt, deen men Nam heeßt übertrachen ›Amboss‹. Sacht, war sucht Ihr?« Xerac hatte ziemliche Schwierigkeiten, ihn zu verstehen, er war nun einmal kein gebürtiger Hylianer. Taya jedoch hatte kein einziges Wort verstanden. »Ich suche ein Schwert. Es sollte kurz und leicht sein, aber dennoch wirkungsvoll. Vielleicht habt Ihr ja gerudische Ware?« Xerac fluchte auf seine Unvorsichtigkeit. »Gerudisch? Seid Ihr een Gerudo?«, fragte Grafor. »Nein, aber ich komme mit den Säbeln am besten zurecht.« Innerlich musste Xerac lachen. Jeder wusste, dass die Säbel der Gerudo von Goronen geschmiedet wurden. Gerudische Waffen waren Dolche oder Wurfdolche, andere Dinge schmiedeten sie nicht. Grafor lachte. »Nee, Ihr seid keen Gerudo.

Die wissen, dat ihre Säbel von Goronen geschmedet werden. Die Säbel hab’ ich net. Aber ich könnt’ Euch ein goronisches Kurzschwert anbieten.« »Ein Kurzschwert?« Xerac tat, als würde er zögern. »Ich ziehe die Säbel vor. Mit einem Kurzschwert bin ich nicht so erfahren…« »Dat is keen Problem. Seht Euch meene Ware erst eenmal an.« Der Schmied zog eine Klinge hervor, die Xerac innerlich jubilieren ließ. Tatsächlich war es keine hylianische Schmiedearbeit, sondern von der Kunst, wie sie nur Goronen zu beherrschen vermochten. Das Schwert schien leicht wie eine Feder im Sommerwind, doch man konnte auch die Tödlichkeit dieser Waffe sehen.

Der Stahl war beidseitig scharf, ganz nach goronischer Tradition, anders als die hylianischen Waffen, die eine scharfe und stumpfe Seite hatten. Der Griff war perfekt ausgearbeitet, weder so klein, dass man ihn nicht mit der ganzen Hand umschließen konnte; was dazu führen würde, dass die Waffe nach unten sänke; noch so groß, dass er beim Gehen hinderlich sein würde. »Wie viel soll dieses Meisterstück kosten?«, fragte Xerac. Der Schmied zögerte einen kurzen Moment. »Zweihundert Rubine.« Taya keuchte. »Ja, ich sach mal so, een chutes Stuck hat seen Preis, nicht?«

Xerac blickte den Schmied ungläubig an. Zweihundert Rubine für dieses Meisterwerk? Das schien ihm wie Ramschhandel. Als der Schmied Xeracs Gesichtsausdruck sah, machte er den Mund auf, um seinen Preis zu senken. Doch sein Kunde zückte bereits den Geldbeutel, also schloss Grafor den Mund wieder. Als Xerac etwa fünfhundert Rubine auf den Tresen legte, riss er den Mund weit auf. Taya sah aus, als würde sie auf Xeracs Kopf Trampolin springen wollen, während Grafor nahe dran war, sich vor Xerac niederzuwerfen und ihn anzubeten. In Hyrule stehen jedoch sowohl Blasphemie, als auch Körperverletzung unter Strafe, daher rissen sowohl die kleine Fee, als auch der Schmied sich zusammen. »Herr, dat kann ich net annemen. Dat is veel zu veel.« »Keineswegs. Das dürfte dem Wert des Schwertes ansatzweise entsprechen. Nehmt es und schmiedet so weiter. Ich werde Eure Kunst bei jeder Gelegenheit weiterempfehlen. Doch nun hätte ich gerne eine passende Schwertscheide. Ließe sich das einrichten?« Der Schmied nickte eifrig, und kam nach kurzer Zeit zurück. »Dat macht dann fünfzich Rubine.« Xerac nickte, zahlte und verließ den Laden dann. Taya flog ihm fassungslos hinterher. »Sag mal, was denkst du dir dabei?« »Du meinst das mit dem Schwert? Ich erkenne den Wert eines Schwertes, wenn ich es sehe! Außerdem ist es mein Geld!«

Für einen kurzen Moment schien Taya etwas erwidern wollen, doch sie ließ es sein. Langsam schlenderten sie aus der Stadt. Sie hatten es nicht eilig, ohne Xerac konnten Ganons Anhänger nichts ausrichten. Er selbst schwieg. Er war nun siebzehn Jahre alt, dasselbe Alter, in dem sich Link damals Ganon entgegengestellt hatte. Immer wieder prallten die Heiligen Steine unsanft gegen seinen Rücken und erinnerten ihn an die Bürde, die er auf sich geladen hatte. Er rief sich die Karte Hyrules vor Augen. Die Verlorenen Wälder, in denen sich das Kokiridorf befand, waren am weitesten von der Stadt Hyrule entfernt. Dort würden sie als erstes hingehen. Er schätzte den Weg ab. An einem Tag war es nicht zu schaffen, es war jetzt etwa gegen Mittag. Würde er reiten, wären sie schneller. Doch er ritt nicht gern, und entschied sich lieber für den Fußmarsch. Plötzlich stellte sich ein Gedanken bei ihm ein, der ihm ganz und gar nicht gefallen wollte. »Taya, was ist eigentlich mit dem Fluch der Wälder? Gibt es den noch?« »Selbstverständlich! Aber keine Sorge. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass es die Herkunft ist, die das Volk der Feenkinder überleben lässt. Es ist der Begleitschutz einer Fee, der sie am Leben hält.«

»Dieser Fluch ist unlogisch… Link hatte in seiner Kindheit auch keine Fee, dennoch hat er sich nicht in eine Pflanze verwandelt.« »Nun, als Link in den Kokiri-Wald gebracht wurde, war er noch ein Baby. Seine Mutter brachte ihn zum Deku-Baum und er erkannte, dass Link ein Kind des Schicksals war, und gewährte ihm Schutz im Wald.«, erklärte Taya. »So ist das also.« »Wenn ich darüber nachdenke, was du nur ohne mich machen würdest?« »Ganz einfach. Ich würde mir eine andere Fee suchen.« Lachend lief er vor Taya weg. »Du! Warte nur, bis ich dich in die Finger kriege!« Es war gegen Abend, als sie an den Überresten einer alten Mauer Rast machten. Xerac legte einige der umherliegenden Steine in einem Kreis und stapelte trockenes Holz dort auf. Mit einem Stock, den er schnell zwischen den Händen rieb, erzeugte er die Wärme, die nötig war, um das Brennmaterial zu entzünden. Anschließend stieß er Stöcke in die Erde, auf die er gepökeltes Fleisch gesteckt hatte. »Taya, bleib du eben hier, beim Feuer. Ich gehe uns Wasser holen. Ich werde es nachher brauchen.« Er lachte gequält. »Fleisch zu pökeln, ist die unangenehmste Art, es haltbarer zu machen. Der Geschmack leidet sehr darunter.« Beim nahe gelegenen Bach füllte er das kühle Nass in die Wasserschläuche. Dann kehrte er zum Lagerplatz zurück. Das Fleisch wurde langsam dunkler, es war bald gar.

Während es die Sonne immer tiefer sank, stärkte sich Xerac ausgiebig am gebratenen Fleisch – wenn auch mit verzogenem Gesicht. Nach dem Mahl unterhielten sie sich noch ausgiebig. »Taya, darf ich dich mal was fragen?«, fing Xerac an. »Sicher doch.« »Wo kommst du eigentlich her? Ich meine, bist du aus Hyrule?« »Nein. Mein Heimatland ist Termina. Es ist bereits einige Zeit her, da kam Link – eigentlich gezwungenermaßen – in unsere Heimat. Mein Bruder, Tael, und ich haben Horror Kid begleitet. Es stahl Links Okarina, worauf er uns folgte. Er holte uns ein und Horror Kid verwandelte ihn in einen Deku. Dort wurde ich von Tael und ihm getrennt, also half ich Link. Am Ende trennten wir uns wieder, doch ich musste immerzu an ihn denken. Nach einigen Jahren fasste ich den Entschluss, nach Hyrule zu kommen. Gedacht, getan. Hier bin ich nun also.« »Das ist aber doch sehr ungewöhnlich, oder?«, hakte Xerac nach. »Nein, ist es nicht. Laron, der derzeitige König der Zora ist auch ein Termianer.«, widersprach Taya. »Genug von mir. Erzähl mir doch von dir.« »Alles, was ich weiß, ist, dass ich im Alter von sechs Jahren in der Gerudo-Festung von Derane, meiner Ziehmutter, aufgegabelt wurde. Ich war völlig verwahrlost.

Sie nahm mich bei sich auf und zog mich auf. Sie wusste genau, dass ich die Thronfolge antreten würde, also bildete sie mich entsprechend aus. Sie sorgte dafür, dass ich ein Kampftraining bekam, sie kümmerte sich einfach um alles. Kurz nach meinem vierzehnten Geburtstag, etwa eine Woche nach meiner Krönung; also vor knapp drei Jahren, starb sie. Sie war schon alt gewesen und schon seit einiger Zeit hatte sie sich gequält. Für sie war es eine Erlösung, für mich war es ein Schock. Die acht Sonnenzyklen, die ich mit ihr verbrachte, waren die glücklichste Zeit meines bisherigen Lebens. Da ich der König war, konnte ich meine Gefühle – oder besser durfte – nicht zeigen. Also fraß ich alles in mich hinein. Die Trauer, den Zorn, einfach alles. Mit der Zeit lernte ich, meine Gefühle zu verbergen, ich baute eine Mauer um mich auf, um all den Empfindungen um mich herum entgegenzuwirken. Manchmal wünschte ich, ich wäre kein Gerudo, nicht einmal ein König.«, erzählte Xerac. »Das wünschen wir uns alle von Zeit zu Zeit. Hör mal, es ist schon spät. Wie wäre es, wenn wir uns jetzt schlafen legen?«, fragte sie ihn. Er nickte nur. Bevor er einschlief, musste er noch lange daran denken, dass er sich seit Ewigkeiten niemandem mehr in diesem Maße anvertraut hatte. Nicht einmal Kira hatte er je all das erzählt – wahrscheinlich wusste sie das meiste ohnehin.

Mit der Zeit wurde er schläfrig, schloss die Augen und glitt in den wohlverdienten Schlummer. Früh am nächsten Morgen standen sie auf, packten das ein, was sie noch brauchten, und marschierten wieder los. Xerac erinnerte sich noch daran, in der Nacht einen Alptraum gehabt zu haben, doch dummerweise konnte er sich den Einzelheiten nicht mehr entsinnen. Er wusste nur, dass es – wie so oft – um seinen Vater gegangen war. Es stellte sich heraus, dass es nicht mehr allzu weit bis zum Eingang in die Wälder war, doch es störte sie nicht sonderlich. Sie betraten das Gehölz und überquerten eine Brücke, die sie direkt ins Dorf der Feenkinder führte. Die kleine Siedlung war idyllisch, Vogelzwitschern war zu hören, die Bewohner lebten in Einklang mit der Natur, denn sogar die Behausungen waren direkt in Bäume gehauen worden. Einige der Einwohner waren schon auf und er begrüßte sie. Immer wurde er zurückgegrüßt, jedes Mal begleitet von einem freundlichen Lachen. Er ertappte sich bei dem Wunsch, hier aufgewachsen zu sein, anstatt in der Festung der Gerudo. Die Feenkinder schienen keinerlei Probleme zu haben, sie lebten fröhlich von einem Tag zum anderen und kümmerten sich nicht viel um das Danach. Schon von weitem hatte man den Wipfel eines riesigen Baumes an der Ostseite des Dorfes sehen können, zielstrebig schritt Xerac darauf zu.

Nachdem er durch einen kleinen Bach gewatet war, der quer durch das Dorf floss, stand er vor einem Kokiri, der rotbraune Haare hatte. Es war Mido, der wie üblich den Zugang zum Hain des Deku-Baumes versperrte. »Halt! Du kommst hier nicht durch! Wer bist du überhaupt?«, rief er Xerac schon von weitem entgegen. »Ich bin Xerac, König der Gerudo.«, antwortete der Angesprochene, ohne eine Miene zu verziehen. Also dasselbe Spiel wie bei der Wache noch einmal, dachte er bei sich. »Ein König, ja? Siehst nicht wie einer aus. Und selbst wenn es so wäre… Vorbeilassen tu ich dich nicht. Du hast ja nicht einmal einen Schild.« »Ich brauche keinen Schild. Geschickte Kämpfer können auch mit ihrer Waffe blocken. Und jetzt lass mich endlich vorbei, Mido.«, antwortete Xerac, vortäuschend, dass er leicht genervt war. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass Wachen sich – je genervter der Eindringling ist – immer mehr in Widersprüche verstrickten. In Wahrheit war er vollkommen ruhig. »Du kennst mich? Wahrscheinlich hat dieser feenlose Versager, Link, dir von mir erzählt.« Man konnte sehen, dass Mido nachdachte. »Gut, du kannst passieren. Unter einer Bedingung! Du musst den Kokiri-Smaragd vorzeigen.« Mido grinste siegessicher. Fast hätte Xerac aufgelacht, riss sich aber zusammen und spielte den Ahnungslosen. »Den Kokiri-Smaragd? Wie soll ich etwas bei mir haben, von dem ich nicht einmal weiß, wie es aussieht?« Mido deutete auf das Symbol auf einer Tasche auf seinem Hemd.

»Siehst du das hier? Das ist die goldene Fassung des Smaragdes. Und das hier«, er deutete auf den Halbkreis, den die Einfassung bildete, »ist der Ort, an dem der Edelstein sitzt.« »Hm… Das kommt mir doch sehr bekannt vor. Warte mal kurz.« Xerac schnallte seinen Rucksack ab und öffnete ihn. Er steckte die Hand hinein und holte den Smaragd heraus. »Meinst du, das könnte als Heiliger Stein des Waldes durchgehen?« Mido hatte ungläubig die Augen aufgerissen. »Wo- Wo hast du das her?« »Ach, hab ich auf dem Weg gefunden.« Midos Miene wurde noch ungläubiger. »Dachtest du wirklich, ich sei so blöd? Ich bin Gerudo, kenne die Geschichten über den Herrn der Zeit und folglich auch die Heiligen Steine. Und jetzt lass mich gefälligst durch.« Knurrend machte Mido den Weg frei, um Xerac weitergehen zu lassen. In dem kurzen Gang, der den Hain des Deku-Baumes von dem Dorf trennte, säbelte er im Vorübergehen drei Dekuranhas nieder, die ihre Fähigkeiten eindeutig überschätzt hatten. »Mistviecher.«, knurrte er, als er die erste Pflanze vernichtet hatte.

Als er den Gang verließ, sah er bereits den imposanten Baum. Jedoch wusste er, dass dieser bereits lange tot war, der Schuldige war natürlich niemand anderes als sein Vater. Vor dem großen Baumriesen wuchs ein kleines Bäumchen, auf das Xerac zuging. Es war der Spross des Deku-Baumes, der Wächter der Wälder. Stumm blieb er stehen, als er ihn erreichte. Langsam schlug der Baum die Augen auf – Xerac fragte sich insgeheim, wie so etwas möglich war – und sprach ihn an. »Du musst Xerac sein, der König der Gerudo. Ich habe schon von dir gehört. Wie ich sehe, ist Taya bei dir. Das erklärt, warum du vom Waldfluch verschont bliebst.« Die Stimme des Baumes klang steif und hölzern. Xerac deutete eine Verbeugung an. »Ehrwürdiger Deku-Baum, ich trage den Kokiri-Smaragd bei mir. Mein Wunsch ist es, ihn in Eure Obhut zurückzugeben.« »Diese Bitte sei gewährt. Halte den Stein des Waldes in die Höhe.« Xerac befolgte die Anweisung und der Smaragd verwandelte sich in eine grell leuchtende, grüne Lichtkugel, die im Baum verschwand. »Ich hätte noch eine Bitte, Ehrwürdiger. Könnt Ihr mir mein Schicksal enthüllen? Es ist immens wichtig für den Fortbestand des Hyrules, wie wir es kennen.«

»Tut mir Leid, das kann selbst ich nicht.« Xeracs Gesichtsausdruck verwandelte sich in eine Miene der Enttäuschung. »Doch die Geister des Waldes werden dir helfen können. Du findest sie beim Eingang des Waldtempels. Wenn du die Heilige Lichtung erreichst, kniee dich auf dem Podest nieder, das die Symbole des Triforce und des Waldes trägt und sprich ein Gebet, um die Geister zu rufen.« Anschließend verstummte der Baum wieder. Xerac drehte sich um und verließ den Hain. »Taya, wie gelange ich zu dieser Lichtung?« »Du musst die Verlorenen Wälder durchqueren. Sei unbesorgt, ich kenne den Weg und werde dich führen.« Ohne länger zu zögern betraten sie die weitläufigen Wälder. Obwohl es helllichter Tag war, herrschte im Wald eine dämmrige Dunkelheit. Das dichte Blätterdach über ihnen ließ kaum einen Lichtstrahl durch. Taya flog voraus und Xerac beeilte sich, ihr zu folgen, um sich nicht zu verlaufen. Es dauerte nicht lang, da standen sie gemeinsam auf der Heiligen Lichtung, vor dem Eingang des Waldtempels. Der Tempel selbst war für Xerac unerreichbar, denn die Treppe, die vor langer Zeit dazu gedient hatte, das höhergelegene Heiligtum zu erreichen, war nicht mehr.

 

Nur Überreste und Stützpfeiler zeugten noch davon, dass dort je etwas hochgeführt hatte. Xerac kniete sich auf dem Podest nieder und murmelte eine alte Litanei, die in seinem Volk überliefert wurde. Er wusste nicht genau, ob die Waldgeister auf ein Gebet der Wüstengötter reagieren würden, er konnte nur hoffen. Kaum hatte er das Gebet beendet, als auch bereits die Geister des Waldes erschienen, alte vergessene Götter, die ihre ehemalige Pracht verloren haben. Die Geister neigten dazu, in Reimen zu sprechen, und auch Xerac musste in Reimen antworten. »Mit Worten der Wüste riefst du uns her Der letzte Ruf kam uns schon vor so langer Zeit. So frage uns jetzt, und dann nimmermehr.« »O Geister des Waldes, so ihr mir denn zeigt, Welch Wissen vor mir die Zukunft verschweigt, Entlass’ ich euch gern ins Vergeh’n.« »Welch edles Herz uns hier befragt Und uns mit wohlgewählten Worten sagt, Es wolle gern sein Schicksal seh’n. Dieser Wunsch, er sei gewährt Doch sei gewarnt, ob des großen Schmerz’ Den oft, so oft erfährt Ein armes, sterblich’ Herz.« Kaum hatten die Waldgeister den letzten Satz beendet, als schon grässliche Schmerzen Xeracs Körper durchzuckten. Gepeinigt schrie er auf und wand sich auf dem Boden, doch die Pein wollte nicht vergehen. Doch die Götter waren ihm gnädig, da er schon bald das Bewusstsein verlor…

Als er wieder erwachte, befand er sich nicht mehr auf der Waldlichtung, sondern in einem Raum, der völlig im Dunkeln lag. Vor ihm konnte er im schwachen Fackelschein einiger Schalen, die mit Opferflammen gefüllt waren, einen Altar erkennen. Es schien jedoch keine Opfergabe zu geben. Hinter ihm trat ein Dämon in den Raum. Er verneigte sich leicht und sprach in die Schatten hinein. Erst jetzt sah Xerac eine Gestalt, die völlig mit der Düsternis verschmolz, dank der schwarzen Robe, die sie trug und der dazugehörigen Kapuze, die bis tief ins Gesicht gezogen war. »Herr, ich bringe schlechte Neuigkeiten. Unsere Häscher haben erneut versagt.« Die Gestalt trat aus den Schatten heraus und schlug die Kapuze zurück. Xerac erschrak. War das… Link? Nein… der Mann hatte braune Haare und andere Gesichtszüge. Dennoch war eine Ähnlichkeit nicht zu leugnen. Kurz wandte der Mann Xerac den Kopf zu, doch er schien ihn nicht sehen zu können. »Unfähige Trottel! Wir müssen den Herrn des Todes so schnell als möglich in unsere Reihen aufnehmen, doch dazu brauchen wir den Herrn des Lebens! Sucht und findet ihn, bevor der der Herr der Zeit erkennt, dass ein Kampf unvermeidbar ist!«, fuhr er den Dämon an. »Ja, Herr…« Der Dämon verließ den Raum. Der Mann griff sich eine Fackel, entzündete sie an einer Schale und hielt sie in Richtung der hinteren Wand. Im flackernden Schein des Feuers konnte man einen Wandteppich mit alten hylianischen Schriftzeichen erkennen. Der Schwarzgekleidete strich sanft mit seiner Hand über den Gobelin.

»Auf den Seiten von Gut und Böse ist bereits ein Herr erwacht. Der Herr der Zeiten, Link; und meine Wenigkeit, der Herr der Ewigkeit. Sind alle Herren des Bösen erwacht, werden die Welten in ewiger Finsternis versinken, wenn die Herren des Guten versagen. So steht es hier, und so soll es geschehen!« Lauthals fing er an zu lachen, doch Xerac wurde erneut schwarz vor Augen. Wie von weit entfernt konnte er Tayas Stimme hören. »Xerac, wach auf! Ist alles in Ordnung? Wach auf!« Als er wieder die Augen öffnete, war er zurück auf der Waldlichtung. Auch den höllischen Schmerz spürte er wieder. Vorsichtig richtete er sich auf, blieb aber auf dem Boden sitzen. Immer noch fühlte er die Anwesenheit der Geister des Waldes. »Hast den dunklen Pfad der Zukunft bestritten, Hast gesehen, was sie dir wird bringen, Hast des Wissens scheues Ross geritten, Hast erkannt das letzte Ringen Von Böse und Gut.« »Nun weiß ich, was das Böse schon tut. Doch was sollen wir, die Guten, nun machen? Wie sollen wir uns vorbereiten auf die Schlachten, Zu fechten mit den Kräften, die uns zu eigen?« »Dies können wir dir nicht zeigen. Dafür du musst zu Feuer und Wasser geh’n.« »Denn ihr werdet nun vergeh’n.«

»Das, was uns mit euch verbindet, Harter Körper, fester Leib, Ist’s, was uns so lange schon entschwindet, Und nur Vergessen ist, was bleibt.« Für den Bruchteil einer Sekunde war es Xerac und Taya möglich, einige durchscheinende Gestalten mit zarten Gesichtszügen, hellsilbernem Haar und grünen Augen zu sehen, die ihnen freundlich zulächelten. Im selben Moment wurden sie von einer tiefen Ruhe erfüllt. Danach lösten die Gestalten sich auf und auch das Gefühl der Anwesenheit der Geister verschwand. »Das ist unglaublich.«, flüsterte Taya. »Wir sind die ersten, die je die Geister des Waldes erblickten durften.« »Und wir werden auch die letzten sein. Es gibt sie nicht mehr.«, bemerkte Xerac tonlos. »Wo hast du gelernt, so zu sprechen? Ich meine, das hätte ich nie von dir erwartet.« »Ich bin anscheinend immer für eine Überraschung gut.« Xerac grinste. »Von einem König wird erwartet, dass er ein gewisses Sprachniveau halten kann. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Dramen und Gedichte mir innerhalb unzähliger Lektionen über die gerudische und hylianische Sprachgeschichte in etwa acht Jahren regelrecht eingeprügelt wurden.«, erklärte er. »Im Moment würde mich etwas anderes interessieren. Was hast du gesehen? Du warst etwa eine Viertelstunde ohne Bewusstsein. Ich hab mir Sorgen gemacht!« »Als der Schmerz anfing, dachte ich wirklich, ich müsse sterben«, gab Xerac zu, »aber nachdem ich mein Bewusstsein verlor und wieder aufwachte, fand ich mich an einem ganz anderen Ort wieder.

Ich sah einen Mann, der etwas mit dieser ganzen Geschichte zu tun hat. Er bezeichnete sich selbst als ›Herr der Ewigkeit‹ und erzählte etwas von den Herren von Gut und Böse.« »Ist die Legende doch wahr?« »Welche Legende?«, hakte Xerac nach. »Es heißt, dass sich, lange nachdem ein mächtiger Schatten verbannt sei, eine neue Gefahr anbahne. Der Schatten würde auferstehen und gemeinsam mit den Herren des Bösen versuchen, die vier Welten von Hyrule, Termina, Holodrum und Labrynna in Finsternis zu stürzen. Doch für jeden der bösen Herren solle auch ein Herr des Guten existieren. Licht und Finsternis würden gegeneinander kämpfen und das Schicksal aller Welten werde in dieser Schlacht besiegelt. Obsiegt das Böse, wird ewige Finsternis herrschen. Doch siegt das Gute, wird ein neues Zeitalter eingeleuchtet.

Eine Ära des ewigwährenden Friedens.« »Ganondorf scheint der Herr des Todes zu sein. Ich, sein Sohn, bin offensichtlich der Herr des Lebens – welch Paradoxon. Aber er sprach davon, dass sowohl der Herr des Lebens, als auch der Herr des Todes auf ihr Erwachen warten. Warum warten?« »Vielleicht bedingt das Erwachen eines Herrn auch die Erweckung seines Gegenstücks?«, rätselte Taya. »Das würde bedeuten, dass sie dich nicht opfern, sondern deine Kräfte wecken wollten! Erwachte der Herr des Lebens, täte dies auch der der Herr des Todes! Der Anwuchs von Ganons Kräften würde ihn befähigen, das Siegel der Weisen zu brechen! Diese Wechselbeziehung hat einen Vorteil, aber auch einen Nachteil. Wir können weder in die Unterzahl, noch in die Überzahl geraten. Und ehe ich es vergesse, das würde auch deine magische Begabung erklären! Die Herren sollen nämlich über eine stark ausgeprägte magische Begabung verfügen.« »Am Besten wäre es, wenn wir zum Schloss zurückkehren und Link davon erzählen. Gemeinsam können wir die Herren einfacher finden.« »Nein. Überleg doch: Wenn wir eine große Suchaktion starten, machen wir unsere Feinde nur auf uns aufmerksam. Außerdem… Ich vermute, dass wir die Möglichkeiten Hyrules bereits ausgeschöpft haben.« »Warum das?«

»Nun, die Legende spricht von vier Welten. Es gibt angeblich acht Herren auf jeder Seite. Demnach wäre es logisch, wenn diese Herren gleichmäßig auf die Welten aufgeteilt wären, also zwei pro Welt. In Hyrule wissen wir von Link und dir.« »Als erstes sollten wir die Steine zurückbringen. Dann machen wir uns auf den Weg nach Termina und suchen die nächsten Herren.« »Genau. Wenn wir uns jetzt auf den Weg machen und uns beeilen, können wir heute in Kakariko übernachten.« »Wir können doch auch die Abkürzung nach Goronia nehmen. Oder zuerst zu den Zora gehen.« »Ich bin dagegen. Wir kehren sozusagen Links Taten um, in dem wir die Heiligen Steine wieder trennen. Seinen zweiten Stein hat er in Goronia bekommen, davor hat er Kakariko durchquert. Wir werden denselben Weg nehmen.« Xerac verzog das Gesicht. »Das macht keinen Sinn, Taya.« »Muss es ja auch nicht. Und vergiss nicht: Die Waldgeister sagten, wir sollen zu Feuer und Wasser gehen. Die Reihenfolge, in der sie es sagten, wird ihren Grund gehabt haben.« »Du suchst die haarsträubendsten Begründungen dafür, oder? Sogar vor Interpretationen schreckst du nicht zurück.« »Darf ich das nicht?«

Auf Tayas kleines Gesicht legte sich ein Lächeln. Sie verließen die Heilige Lichtung, durchquerten die Verlorenen Wälder und verabschiedeten sich von den Kokiri, die ihnen gern noch weitere Gastfreundschaft anboten, aber freundlich zurückgewiesen wurden. Die Kinder des Waldes spürten, dass ihre Gäste es eilig hatten und hielten sie nicht länger auf. In der Hylianischen Steppe beschleunigten sie ihre Schritte noch etwas mehr, um bei Einbruch der Nacht Kakariko erreicht zu haben. Es war gegen Abend, die Sonne neigte sich dem Horizont zu und überzog die Steppe mit orange-goldenem Licht, als sie das Dorf betraten. Sie brauchten nicht lange zu fragen, schnell wurde ihnen eine Unterkunft für die Nacht angeboten. »Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass wir noch einen Gast beherbergen.«, bemerkte die Frau freundlich. »Nein, überhaupt nicht. Wir bleiben ohnehin nur diese eine Nacht.«, antwortete Xerac höflich. Er atmete auf. Wieder einmal erkannte niemand ihn als Gerudo. Den Göttinnen sei Dank für seine außergewöhnliche Haar- sowie Augenfarbe! Ihre Gastgeberin servierte schon sehr bald das Abendessen, das hervorragend schmeckte. Taya versuchte gerade, Xerac davon zu überzeugen, früh zu Bett zu gehen, als der Fremde sich zu ihnen gesellte. »Habt ihr etwas dagegen, wenn ich mich zu euch setzen möchte?«, fragte er vorsichtig. »Nein, gar nicht. Setzt Euch.«, erwiderte Xerac. Der Fremde bot einen seltsamen Anblick. Er trug eine fröhliche, bunte Maske, die sein gesamtes Gesicht verbarg. Auch seine Kleidung war ihn hellen, warmen Tönen gehalten.

In der Ecke, in der er zuvor saß, stand ein Rucksack, der ihm gehören musste. An ihm waren Masken befestigt. Die Statur des Fremden war schwer zu erkennen, ob der weiten Kleidung, die er trug. »Wo wir schon die Nacht zusammen verbringen, wird es mir sicher nicht verwehrt sein, euch nach euren Namen zu fragen?« »Mein Name ist Xerac, und das«, er deutete auf Taya, die sich gerade auf seiner Schulter niedergelassen hatte, »ist Taya, meine Schutzfee.« »Man sieht selten Feen außerhalb des Waldes. Ein Kokiri könnt ihr nicht sein.« Xerac lachte. »Nein, ein Kokiri bin ich wahrlich nicht! Das Schicksal hat Taya zu mir geführt. Sie hat mir schon des Öfteren aus der Klemme geholfen. Aber wollt Ihr uns nicht Euren Namen sagen?«

»Mein Name ist nicht von Belang, wenn ich diese Maske trage. Es genügt, wenn ihr mich als ›Der Maskenhändler‹ kennt.« Taya mischte sich ein. »Das finde ich nicht fair! Ihr verlangt nach unseren Namen, doch nennt uns nicht Euren eigenen!« »Wie ich schon sagte, mein Name ist nicht länger von Bedeutung. Vielleicht wird irgendwann die Zeit kommen, da er wieder einen Sinn erlangt. Gestattet Ihr mir noch eine Frage, Xerac?« Auch Xerac war leicht verstimmt. »Fragt. Doch ob es eine Antwort gibt, liegt an ihrem Sinn.« »Ihr seht nicht aus, als wärt Ihr von hier. Wo kommt Ihr her? Und was treibt Euch in diese Gegend?« »Das waren zwei Fragen. Und ich werde nur eine beantworten. Sucht Euch die wichtigere aus.«, antwortete Xerac. »Was treibt Euch hierher?« »Die Königin hat uns mit der Aufgabe betraut, die Heiligen Steine ihren Hütern zurückzugeben. Unser Ziel ist die Stadt der Goronen.« »Wie wäre es, wenn ich Euch begleite?« »Warum sollten wir das zulassen?« »Ich bin Händler und weit in der Welt herumgekommen. Jedes Volk hat andere Sitten.

Ich bin mit ihnen vertraut, Ihr sicher nicht.« Für einen kurzen Moment war Xerac versucht, diesen Irrtum richtig zu stellen, aber Taya kam ihm zuvor. »Da habt Ihr Recht. Xerac, sag ja. Es sei denn, du bist dir sicher, als Botschafter des Königs keine diplomatischen Schwierigkeiten zu schaffen.« »Gut. Ihr dürft uns begleiten. Aber lasst uns nun schlafen. Wir brechen morgen früh auf.« Am nächsten Morgen standen Xerac und Taya früh auf, weckten den Maskenhändler und ließen eine für den Aufenthalt angemessene Geldsumme zurück. Dann begaben sie sich zum Tor, das zum Todesberg führte. »Während des Weges könnt Ihr uns doch sicher ein wenig über die Goronen erzählen?«, wandte Xerac sich an den Maskenhändler.

»Lasst doch diese Förmlichkeiten. Wir werden bestimmt noch eine Weile miteinander reisen. Aber gerne erzähle ich euch etwas über die Goronen. Wie ihr sicher wisst, sind sie Steinfresser, die nahe des Kraters des Berges leben. Vor den Ereignissen mit Ganondorf war Darunia ihr Führer, doch seit dieser anderes Verpflichtungen als Weiser hat, ist sein Sohn, den er nach Link benannt hat, ihr Oberhaupt. Wir werden sicher keine Probleme haben, unser Anliegen vorzubringen.« Der Pfad, der sie den Berg hinaufführte, war steinig und steil, und sie brauchten bis zum Mittag, um Goronia zu erreichen. In der Bergluft schwebten viele Ascheteilchen, die Xeracs Hals reizten und ihn zum Husten brachten. Asche war doch etwas ganz anderes als Sand, dachte er bei sich. Nach unzähligen harmlosen Hustenanfällen befanden sie sich vor dem Eingang der Bergstadt. Xerac hoffte inständig, dass dort ein besseres Klima herrschte. Sie warteten nicht länger und betraten die Stadt des Steinvolkes. Sie war in mehrere Ebenen aufgeteilt. Auf der obersten Ebene, direkt über der Mitte der Stadt, wurde eine Plattform durch Seile in der Höhe gehalten. »Dort lag einmal der Goronen-Opal, bevor Ganondorf die Höhle der Dodongos versiegelte und Darunia den Stein in Verwahrnis nahm.

Wir müssen jetzt allerdings ganz nach unten, denn dort lebt der Anführer der Goronen.«, erklärte der Maskenhändler. An den Seiten der Höhe, in der sich die Stadt befand, konnte man über Treppen in die unteren Geschosse gelangen. Sie folgten den Stufen ganz nach unten, begegneten dabei so manchem Goronen, der sie interessiert musterte, und sahen dann direkt vor sich einen Eingang, der zum Zimmer des Goronenführers führen musste. Sie betraten es und fanden einen Goronen vor, der für einen kurzen Moment erstaunt schien, sich aber schnell fasste. »Was wünscht ihr, Reisende?«, begehrte er zu wissen. »Auf Geheiß der Königin von Hyrule sollen wir den Heiligen Stein des Feuers in Eure Obhut übergeben.

Auf dass er wieder in den Händen der Goronen ruhe, und das für alle Zeit.« Xerac zog den Stein hervor und reichte ihn Link. »Doch wir haben noch eine weitere Bitte.« »Sie sei euch gewährt. So sprecht denn.« »Wir ersuchen Eure Erlaubnis, die Geister des Feuers um Rat fragen zu dürfen, was das Schicksal Hyrules betreffe, denn dunkle Zeiten stehen uns bevor.« »So es denn um das Wohle Hyrules geht. Doch zuvor müsst ihr dies überziehen.« Er reichte ihnen feuerrote Mäntel. Sie zogen sie über ihre normale Kleidung, fragten aber dennoch nach dem Grund. »Die Geister des Feuers leben im Todeskrater. Mit eurer normalen Kleidung werdet ihr dort jedoch nicht lange verweilen können. Folgt mir nun.« Nach diesen Worten schob er die Statue hinter sich beiseite, und schritt durch einen Geheimgang, der direkt ins Herz des Bergs führte. In seinem Krater überquerten sie erst die Brücke, um zum Feuertempel gelangen zu können. Sie war inzwischen repariert worden. Trotz der hitzeresistenten Kleidung erschien die Hitze beinahe unerträglich, selbst für Xerac, der hohe Temperaturen aus seiner Heimat gewohnt war. Erneut kniete Xerac auf dem Podest nieder, das sich vor dem Tempel befand und sprach die Zeilen, mit denen er auch schon die Waldgeister gerufen hatte. Kaum war die letzte Silbe von seinen Lippen gewichen, da konnte man ihre Anwesenheit auch schon fühlen.

»Riefst uns mit dem uns geweihten Element, Das ein jeder von uns seit jeher kennt. Sprich, was begehrest du? Sprich schnell, Wir hören nur noch einmal zu!« »Wahrlich, es ist mir Vergäll! Das ihr müsst vergehen, Schon bei den Waldgeistern mussten wir’s sehen! Doch verhindern lässt’s sich nicht, Höret, wie mein reines Herz nun spricht! Mein einz’ger Wunsch es ist, Zu sehen, welch Geheimnis Sich in der Zukunft geschickt und voll List, Noch vor mir verbirgt in Finsternis.« »Ein reines Herz hast du wahrlich, Doch noch bist du schwach und sterblich. Deine heil’gen Kräfte werden erweckt, Wenn die letzte Schlacht beginnt, Wenn keiner der Herren sich mehr versteckt, Und Ganon aus seinem Gefängnis entrinnt.« Erneut war es ihnen für einen Augenblick möglich, die Geister zu sehen. Stämmige Gestalten mit feuerrotem Haar und ebensolchen Augen, deren Gesichtszüge grimmig wirkten, aber trotzdem vertrauenserweckend waren. Alle öffneten den Mund, um ein Klagelied anzustimmen, das immer leiser wurde und schließlich erstarb.

Eine Zeit lang wurde kein Wort gesprochen. Es dauerte eine Weile, bis der Maskenhändler sich ein Herz fasste und die Stille brach. »Was hat das alles zu bedeuten? Welches letzte Ringen? Und was habt ihr damit zu schaffen?« »Das, mein Freund, gehört zu keiner Angelegenheit, die zu Euren gehört.« Xerac hatte es immer noch nicht geschafft, den Maskenhändler zu duzen. »Alles, was vor, zwischen und nach unserer Aufgabe lag, liegt oder noch liegen wird, gehört nicht zu den Dingen, die Ihr wissen müsst.« »Vertraut ihr mir denn nicht?« »Wie könnten wir jemandem vertrauen, der uns seinen Namen verschweigt?«, gab Xerac zurück. »Ich sehe schon, euer Misstrauen ist groß. Ihr werdet sicher Gründe haben, und ich vertraue darauf, dass sie Hyrule Gutes bringen werden. Ich werde euch auch zu den Zora begleiten. Vielleicht habe ich ja noch Gelegenheit, meine Vertrauenswürdigkeit unter Beweis zu stellen.« »Wir werden sehen. Doch nun lasst uns aufbrechen.« Das Oberhaupt der Goronen hatte noch kein Wort gesagt, und er schwieg auch weiterhin. Stumm begleitete er sie aus dem Krater und nahm anschließend die Mäntel entgegen. Nur zum Abschied murmelte er ein »Gute Reise«.

Taya, Xerac und der Maskenhändler machten sich auf den Rückweg nach Kakariko. Auf dem Weg wurde nur wenig gesprochen, denn die Stimmung zwischen den Gefährten hatte sich bedenklich abgekühlt. Vor allem Xerac und Taya dachten viel nach. Mit Xeracs Kräften wäre es ein Leichtes gewesen, die anderen Herren zu finden. Doch nach dem Gespräch mit den Feuergeistern wussten sie, dass sie nicht warten durften, bis seine Kraft erwacht war. So allerdings würde es die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen werden. Und wie sollten sie erst nach Holodrum und Labrynna gelangen? Der Maskenhändler versuchte, die angespannte Situation aufzulockern. »Kopf hoch, Freunde! Wenn ihr optimistisch bleibt, kann gar nichts schiefgehen!« Ungläubig starrte Xerac ihn an. »Angenommen, ich strotze vor Optimismus, gehe in den Kampf gegen einen Troll und werde erschlagen. Ist dann auch nichts schiefgegangen?« »Jetzt sei doch nicht so spitzfindig! Das ist wieder etwas ganz anderes!« »Eben nicht!« »Eben doch! »Nein!« »Ja!« »Schluß jetzt, ihr Beiden!«, fuhr Taya dazwischen.

Beide verstummten und blickten sie an. »Streitereien helfen uns jetzt auch nicht weiter. Die Geister des Wassers wissen bestimmt noch einen Rat.« »Du hast Recht, Taya.«, stimmte Xerac ihr zu. »Wir sollten uns jetzt noch nicht unnötig den Kopf zerbrechen. Irgendjemand wird uns schon helfen können.« »Helfen? Wobei?«, versuchte der Maskenhändler es erneut. Xerac lächelte ihn selbstgefällig an. »Warum trägst du diese Maske?« »Stell keine Gegenfragen!« »Weich du mir nicht aus!« Taya seufzte genervt. »Männer!«, murmelte sie. Nachdem Xerac und der Maskenhändler aufgaben, und beschlossen, beide nichts zu sagen, fing der Gerudo wieder an zu grübeln. Bilder aus seiner Erinnerung stellten sich ein, Bilder von seiner Ziehmutter. Bilder davon, wie sie ihm von seiner Herkunft erzählt hatte. »Dein Vater war – oder vielmehr ist, denn er lebt leider immer noch – der ruchlose Ganondorf. Er war unser König, doch er war grausam und niederträchtig. Es verlangte ihn nach dem Triforce, um mit seiner Kraft seine finsteren Ziele zu verwirklichen.

Zum Glück gelang es dem Herrn der Zeit, einem mutigen Jüngling, der sich in der Farbe des Waldes kleidet, Ganon zu bezwingen und in den Abgrund der Hölle zu verbannen. Hier wird sich niemand darum scheren, wessen Sohn du bist, denn du bist der legitime Thronerbe. In Hyrule hingegen wage es niemals, den Namen deines Vaters preiszugeben! Sie hassen Ganon und werden sicher auch dich hassen.« »Aber warum sollten sie das tun, Mutter?« »Ganon war ein Dämon, und so besitzt auch du sicher dämonische Kräfte.« »Dämonen sind böse, oder Mutter?« »Ja, das sind sie, Xerac.« »Bin dann auch ich böse?« Sie fuhr ihm durch seine Haare. »Nein, mein Lieber. Du bist gewiss nicht böse.« Sie wurde wieder ernst. »Doch in dir, da mag etwas schlummern, was böse ist. Du darfst es nie freilassen.« »Ich werde daran denken, Mutter.« Von diesem Gespräch hatte er jede einzelne Silbe im Gedächtnis behalten. Und bis vor kurzem hatte er diesen Ratschlag immer befolgt, selbst seinen eigenen Leuten hatte er nichts davon erzählt. Zu seinem Glück, wie er nun erkannte, denn hätte er es nicht so gehandhabt, wäre er schon lange in die Fänge der Feinde geraten. Aber vielleicht hätte er Kira viel Leid erspart…

Er schüttelte energisch den Kopf. Andere Dinge waren jetzt wichtiger. Er war entschlossen, dem Maskenhändler nichts von seiner Herkunft zu erzählen. Noch konnten sie nicht sicher sein, ob sie ihm vertrauen konnten. Und er wollte auf keinen Fall ein Risiko eingehen. Er war sicher, dass Taya ebenso dachte wie er. Sie wusste genau, was von ihrem Erfolg abhinge. Die Zeit verging, und am späten Nachmittag hatten sie Kakariko erreicht. »Lasst uns heute Nacht hier verweilen.«, schlug der Maskenhändler vor. »Gern«, erwiderte Xerac, »doch dann trennen sich unsere Wege hier. Taya und ich werden heute noch ein Stück weiterreisen. Je eher wir das Reich der Zora erreichen, desto besser.« Xerac wusste nicht genau, wie der Händler unter der Maske reagierte, aber er schien einen Augenblick zu zögern. Dann nickte er. Also durchquerten sie das Dorf, ohne innezuhalten. Bis zum Zora-Fluss war es kein weiter Weg, durch der Weg an den ausgedehnten Ufern des Flusses selbst war länger, als sie gedacht hatten. Es wurde langsam dunkel und sie beschlossen, die Nacht am Ufer zu verbringen. Xerac wandte sich an den Händler. »Hol du Feuerholz. Unser Proviant ist groß genug, und ich nehme an, du bist auch nicht völlig ungerüstet für eine Nacht unter freiem Himmel. Wir werden ein gemütliches Lagerfeuer anzünden und die Nacht hier verbringen.« Der Maskenhändler tat wie geheißen und trug einen Stapel trockenes Holz heran. Taya hatte sich auf Xeracs Schulter gesetzt und wartete. Das Mahl war für die Umstände hervorragend und sie gerieten ins Schwatzen. Auch wenn eine lockere Atmosphäre herrschte, achteten Taya und Xerac sehr darauf, sich nicht zu verplappern.

Es wurde immer später und sie wurden langsam müde. »Lasst uns zu Bett gehen. Wir müssen morgen früh ausgeruht sein.«, meinte Xerac plötzlich. Die beiden anderen stimmten ihm ohne Umschweife zu. Eine Wache hielten sie nicht für notwendig. Ungemein leichtsinnig, wenn man es recht bedachte. Es war mitten in der Nacht, als der Maskenhändler plötzlich durch Geräusche wach wurde – er hatte einen sehr leichten Schlaf. Er blieb liegen, als ob nichts wäre, aber er öffnete die Augen ein wenig, um sich umzusehen. Das Feuer brannte nicht mehr, aber die Glut, die noch übrig war, reichte, um die Umgebung in ein Dämmerlicht zu versetzen. In ihrem Lager schlichen ihm unbekannte Gestalten umher – und das beunruhigte ihn. Das war nicht vorgesehen gewesen. Wer in Nayrus Namen waren diese Figuren? Als er sah, wie die Figuren ihr Hab und Gut durchwühlten, begriff er.

Sie waren in einen Banditenüberfall geraten. Er verfluchte seine Unvorsichtigkeit. Er hätte dafür sorgen müssen, dass eine Wache aufgestellt wurde! Still fragte er sich, wie er nun dafür sorgen konnte, dass Xerac und Taya ebenfalls aufwachten. Er sah nach links. Sie lagen nicht weit von ihm entfernt, er konnte wahrscheinlich so tun als würde er schlafen, und sich in eine günstigere Position bringen. Dann könnte er sicher Xerac vorsichtig wecken. Gedacht, getan. Er schloss die Augen wieder vollständig. Anschließend gab er leise Geräusche von sich, die ganz danach klangen, dass er einen Alptraum hatte. Nach einer weiteren kurzen Verzögerung wälzte er sich einmal nach links. Als er Xeracs Körper an seinem Rücken spürte, drehte er sich langsam wieder darauf. Dann wartete er und lauschte. Er hörte, dass die Banditen tuschelten. Verdacht schienen sie noch nicht geschöpft zu haben. Sie dachten immer noch, er würde schlafen. Nachdem der Maskenhändler eine kurze Zeit gewartet hatte, stieß er Xerac mit der Hand in die Seite und zischte: »Wach auf! Na los, aufwachen!« Xerac stöhnte unwillig und wollte sich wegdrehen – was ihm unmöglich war, denn der Maskenhändler drückte ihn mit sanfter Gewalt nieder –, blieb aber ansonsten still. »Bist du wach? Lass die Augen zu und sag nichts! Drück meine Hand zweimal, wenn du wach bist!«, zischte er ihm zu.

Er wartete einen Moment, bis seine Hand zweimal gedrückt wurde. »Gut. Öffne die Augen, aber nicht weit, nur ein wenig, und sieh dich um.« Xerac befolgte seine Anweisung und sog scharf die Luft ein. »Lass das! Mach sie nicht auf dich aufmerksam! Wo hast du deine Waffe?« Mit einer Kopfbewegung deutete Xerac auf einen Fleck unweit von ihnen. »Sie scheinen dort noch nicht gesucht zu haben. Was machen sie grad? Ich kann sie jetzt nicht sehen.«, zischte er dem Maskenhändler zu. »Sie scheinen gerade nicht auf uns zu achten.

Wie schnell kannst du aufstehen und deine Waffe holen?« »Schnell genug. Und auch leise genug.« »Gut. Dann geh sie holen. Ich werde dasselbe tun. Ich habe allerdings nur Dolche, mit denen ich ihnen Schmerzen bereiten kann, töten kann ich sie damit nicht. Töte so viele von ihnen wie möglich! Die Überlebenden lassen wir fliehen – vorausgesetzt, es gibt welche.« »In Ordnung.« Beide erhoben sich so lautlos wie irgend möglich. Der Maskenhändler hatte seine Dolche bereits gezückt, Xerac brauchte nur Sekunden mehr, dann hatte er sein Kurzschwert in der Hand. Jetzt waren auch die Banditen auf sie aufmerksam geworden. Es waren sechs Stück, alle etwa gleich gekleidet. Kurz schauten sie ihre vermeintlich schlafenden Opfer verblüfft an, dann zogen sie ihre Waffen. Die meisten von ihnen besaßen Dolche, nur einer trug ein kurzes Schwert.

Als Xerac einen leichten grünlichen Schimmer sah, der auf ihren Waffen lag, warnte er den Maskenhändler. »Pass auf! Ihre Waffen sind vergiftet! Lass dich nicht verletzen!« »Leichter gesagt, als getan! Aber ich werde darauf achten!« Die Banditen taten den ersten Schritt. Jeweils zu zweit stürmten sie auf Xerac und den Maskenhändler zu. Ihre Angreifer hieben sofort mit ihren Dolchen zu, wurden jedoch von Xeracs Kurzschwert abgeblockt. Einer der Banditen bekam von dem Gerudo einen Faustschlag, der ihn erstmal taumeln ließ. Dem anderen verpasste Xerac einen Schwerthieb, der ihm eine ansehnliche Wunde auf der Brust zufügte. Mit der flachen Seite des Schwertes schlug er dem Galgenvogel, der sich erschrocken seinen Brustkorb besah, die Dolche aus der Hand. Schnell bückte er sich, ergriff sie, und warf sie in den Fluss. Aus dem Augenwinkel sah er eine Bewegung und hob gerade noch rechtzeitig sein Schwert, um die Dolche des zweiten Schurken zu stoppen. Er warf einen schnellen Blick auf den Maskenhändler. Dieser schlug sich wacker. Einen der Banditen hatte er bereits niedergestreckt, er lag am Boden und wand sich vor Schmerzen, trotz er nur wenige Wunden besaß. Immer noch kämpfte der Händler mit zwei Halunken, der fünfte war hinzugekommen. Xerac sah nach dem noch überbleibenden Banditen, der nirgends zu entdecken war. Dann kümmerte er sich wieder um seinen letzten Gegner. Er wartete nicht lange, und zog dem Schurken mit dem Schwert übers Handgelenk.

Dann auch über das andere. Der Bandit kümmerte sich nicht länger um Xerac, sondern versuchte verzweifelt, die Blutung zu stoppen, doch das Blut floss in einer beträchtlichen Geschwindigkeit aus seinem Körper. Der erste Bandit war schon geflohen. Auch der Maskenhändler hatte seine restlichen Gegner niedergestreckt, sie lagen auf dem Boden und schrieen vor Schmerzen. »Wo ist der letzte?« »Ich weiß es nicht! Vielleicht ist er schon geflohen!« »Ganz gewiss nicht! Das war ihr Anführer!« »Was hast du eigentlich mit deinen Waffen gema–« Weiter kam er nicht, ohne Vorwarnung war der sechste Bandit aus einem Gestrüpp gesprungen, das Kurzschwert vorgestreckt.

Xerac spürte den kalten Stahl in seinen Körper eindringen, spürte, wie er sein Fleisch durchstieß und auf der anderen Seite wieder hervorragte. Mit einem Ruck riss der Anführer der Schurken das Schwert wieder heraus, dann machte er einen Satz nach hinten und war in der Dunkelheit verschwunden. Nur sein hämisches Gelächter hallte noch über das Lager. Geschockt starrte Xerac auf die Wunde in seinem Brustkorb, instinktiv presste er die Hand darauf. Warmes Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor, tropfte auf den Boden und färbte seine Hose und sein Hemd langsam rot. »Xerac! Verdammt!«, brüllte der Maskenhändler. Von den Schmerzensschreien der Banditen, als auch vom Gebrüll des Händlers erwachte Taya. Als sie Xerac sah, ward sie starr vor Schreck und. Allmählich wurde sein Blick glasig und er sackte zu Boden. Der Händler eilte zu ihm und warf einen Blick auf die Wunde. Mit der Zeit färbte sich auch das Gras unter Xerac rot. Tränen liefen an Tayas Gesicht herab.

Der Maskierte fluchte, dann riss er sich einen Streifen Stoff vom Mantel, den er ins Wasser tauchte und um Xeracs Brust legte. Auf dem Rücken des Verletzten band er so straff, aber auch so behutsam er konnte, den Strang fest. Für Taya weder sicht- noch hörbar, murmelte er einen Spruch, der keine Wirkung zu zeigen schien. Nur wer ganz genau hinsah, konnte erkennen, dass Xeracs Oberkörper sich nicht mehr hob und senkte, und auch, dass kein Tropfen Blut mehr aus seiner Wunde floss. »Taya, wir dürfen keine Zeit verlieren!

Um das Lager kümmern wir uns später. Wir müssen Xerac zu den Zora bringen!« Taya nickte leicht, dann deutete sie auf die drei Banditen, die sich immer noch dem Boden wälzten, aber wesentlich leiser schrieen. Anschließend blickte sie den Händler an. Er verstand sie, ohne dass sie sprechen musste. »Sie sind keine Gefahr. Das Waffengift wird sie langsam töten und dabei entsetzliche Schmerzen leiden lassen. Ich weiß, es ist grausam, doch auch sie trugen vergiftete Waffen. Deswegen ist auch Eile geboten! Komm jetzt!« Seine Stimme duldete keinen Widerspruch. Er hob Xeracs leblosen Körper hoch, schulterte ihn und trat den Weg zum Reich der Zora an. Taya beleuchtete ihm den Pfad, so gut sie eben konnte. Am Wasserfall, der den Eingang ins Reich der Zora markierte, stand Wachablösung an. Laron, der König der Zora, hatte nach Herrschaftsantritt veranlasst, die Kaskade ständig zu teilen, um jedem Zutritt gewähren zu können. Am Anfang waren Proteste laut geworden, ob der fehlenden nächtlichen Sicherheit.

Laron hatte kurzerhand diejenigen, die am lautesten nach Abhilfe verlangten, mit Nachtwache bedacht. »Komm in die Gänge, Irol! Ich will schlafen gehen!«, rief der Zora, der gerade Wache hatte, seiner Ablösung zu. »Ist ja schon gut! Irgendwas Besonderes heute?«, rief dieser zurück. »Nein, bisher nicht! Viel Spaß noch!« Der Ungeduldige ging seiner Ablösung entgegen, klopfte ihm auf den Rücken und ging weiter. Irol murmelte ihm noch etwas nach, dann richtete er seine Augen auf das Gebiet vor dem Wasserfall. Es dauerte eine Weile, dann sah er plötzlich einen Lichtschein hinter der Biegung, bis zu der sein Blick reichte. Das Licht näherte sich, dann kam es um die Ecke. Aus den Erzählungen kannte Irol das Wesen, das er erblickte. Es war eine Fee, deren hellgelber Schein den Weg vor ihr beleuchtete. Sie flog immer wieder hin und zurück, und dem Zora erschien das Ganze verdächtig. Er ließ die Fee nicht aus den Augen, bis noch etwas um die Biegung trat. Ein Mann, der bunte Kleidung trug – er sah aus wie ein Spielmann – und auf seinen Rücken einen zweiten Mann schleppte, der sich kaum rührte. Alarmiert verließ Irol seinen Posten und eilte auf die Reisenden zu. Taya und der Maskenhändler konnten das Rauschen des Wassers bereits hören, doch noch nicht sehen. Ohne innezuhalten, gingen sie weiter, der Rettung entgegen.

»Ist es noch weit, Taya? Ich bin erledigt. Xerac ist schwerer, als ich gedacht hätte.«, fragte der Händler. In Wahrheit belog er Taya. Er war lange nicht am Ende seiner Kräfte, der Grund für sein Drängen war ein anderer. Sein Spruch hatte die Wirkung verloren, und der Maskierte konnte die Nässe spüren, die unter Xeracs notdürftigem Verband hervordrang. Auch trug Xeracs stetiges Stöhnen vor Schmerz nicht gerade dazu bei, seine Nerven zu beruhigen. Xerac durfte nicht sterben! Auf gar keinen Fall! »Nein, ich denke nicht. Nach der nächsten Biegung müssten wir den Großen Wasserfall erreicht haben.«, antwortete Taya, ebenso beunruhigt. Sie flog ein Stück voraus, gerade soweit, dass der Maskenhändler noch erkennen konnte, wohin er trat. Dann kam sie zurück, Erleichterung schwang in ihrer Stimme mit. »Beeil dich! Unser Ziel ist hinter der nächsten Biegung! Und ich habe schon einen Zora gesehen, Hilfe ist nah!« Der Maskenhändler beschleunigte seine Schritte, er wusste nicht, wie lange das Gift in Xeracs Körper noch brauchte, um ihn zu töten. Und er hatte auch kein Bedürfnis danach, es herauszufinden… Er trat um die Ecke und endlich konnte er den Wasserfall sehen.

Erleichtert holte er das letzte bisschen an Kraft, das er noch besaß, aus sich heraus – es schien, dass er seine Kondition gänzlich falsch eingeschätzt hatte – und lief auf die nahe Hilfe zu. Der Zora, den Taya erwähnt hatte, kam bereits auf sie zugelaufen. »Was ist passiert? Wie schwer ist er verletzt?«, rief er dem Händler zu. »Wir wurden überfallen! Ich glaube, mein Freund ist hier sehr schwer, wenn nicht sogar tödlich verletzt! Die Waffen der Banditen scheinen vergiftet gewesen zu sein!«, rief er zurück. Der Zora sog scharf die Luft ein. »Bringt ihn hinein! Wir werden uns um ihn kümmern!« »Könnt ihr einen Mann den Fluss entlangschicken, unser Hab und Gut einsammeln?

Wir mussten es zurücklassen, um unseren Freund so schnell hier herzubringen, wie es nur ging.« »Kein Problem.« Er wandte sich an den ersten Zora in seiner Nähe. »Tres! Hol das Eigentum dieser Reisenden vom Ufer des Flusses hierher!« Tres nickte, ging los, und der andere Zora führte sie hinein. Gemeinsam brachten sie Xerac hinein. »Wir sind noch nicht am Ziel! Er muss in die Quelle. Ihre Wasser sind heilend.« »Die Wasser von Zoras Quelle sind heilend?«, fragte der Händler verdutzt. »Ja, allerdings. Jedoch nur auf dem Grund der Quelle, was noch Schwierigkeiten bereiten wird. In seinem jetzigen Zustand können wir ihm keine Zora-Rüstung anziehen.« »Es wird so gehen.«, erwiderte der Händler. »Seid Ihr verrückt?« »Vertraut mir. Er wird nicht ertrinken.« «Auf Eure Verantwortung.« Zwei Zora packten zusätzlich mit an, und zu viert trugen sie Xerac zur Quelle.

Während sie am Königsthron der Zora vorbeikamen, warf der Händler einen Blick auf den König, Laron. Dieser warf ihm einen musternden Blick zu. Bei der Quelle angekommen, legten sie Xerac ins flache Wasser. Er stöhnte immer noch vor Schmerz. Die Sorge um ihn war bei Taya und ihrem Begleiter noch größer geworden. Der Zora wandte sich den beiden anderen zu. »Danke für eure Hilfe.« »Das haben wir doch gern gemacht, Irol.« Anschließend gingen sie. Der Maskenhändler wandte sich an Irol. »Wie lange wird der Heilungsprozess dauern?« »In etwa eine Viertelstunde. Warum fragt Ihr?« »Für meine Maßnahmen gegen sein Ertrinken muss ich das wissen.« Er beugte sich über Xerac und zeichnete ein verschlungenes Symbol in die Luft über dessen Mund und Nase. Dabei murmelte er einen kurzen Spruch. »Los jetzt! Bringt ihn nach unten. Wir haben nur die Viertelstunde Zeit!« Irol ergriff Xerac und zog ihn weiter an die Mitte der Quelle und tauchte mit ihm hinab, einen leichten rötlichen Faden hinter sich herziehend.. Der Maskierte und Taya verbrachten einige bange Minuten an der Oberfläche, bis Irol wieder auftauchte, den prustenden Xerac im Schlepptau. Er fluchte. »Eine Viertelstunde, ja? Es hat keine fünf Minuten gedauert, da lief er schon blau an!« Der Händler erschrak. »Wie geht es ihm?« »Ich nehme an, dass das Gift in seinem Körper neutralisiert ist.

Aber noch hat seine Wunde sich nicht geschlossen. Kannst du versuchen, mir noch einmal fünf Minuten zu geben?« »Sein Körper sperrt sich gegen meine Kräfte! Ich kann es versuchen, doch ich kann die Dauer nicht abschätzen!« »Darum kümmere ich mich. Es ist schon einmal gut gegangen. Ich bin ein schneller Schwimmer.« Dem Maskenhändler blieb keine andere Wahl. Zum wiederholten Male schlug er das Zeichen und murmelte den Spruch. Erneut tauchte Irol mit Xerac herab. Langsam schlug er die Augen auf. Er spürte sofort, dass er auf einem weichen Bett lag. Für einen kurzen Moment sah er nur verschwommen, er wusste zwar, dass sich dort Gesichter über ihn beugten, doch er erkannte sie nicht. Gedämpft drangen Stimmen an sein Ohr. »Xerac. Wie geht es dir?«, sagte eine helle Stimme zu ihm. Endlich klärte sich sein Blick.

Er erkannte die Maske des Händlers, sah Tayas zarte Gesichtszüge auf ihn herunterblicken, registrierte zwei weitere Gesichter, Mienen von Zora. Einer von ihnen hatte eine hellblaue Schuppenhaut, der andere einen leichten Stich ins Grünliche. Beide waren völlig nackt, doch niemand störte sich daran, da bei Zora die primären Geschlechtsmerkmale nicht sichtbar sind. Jeder von ihnen war muskulös. Der Gerudo versuchte, sich aufzurichten, doch als ein plötzlicher Schmerz seinen Brustkorb durchzuckte, hielt er inne. Er fühlte sich entsetzlich. Leise ächzte er. »Es geht mir eigentlich ganz gut. Abgesehen von dem Schmerz.« Er drückte seine Hand gegen die nackte Brust, als würde der Schmerz dadurch abklingen. »Immerhin etwas. Wir dachten schon, wir hätten dich verloren.« »Ich erinnere mich schwach. An den Überfall, daran, wie der Anführer sein Schwert durch mich gestoßen hat.

Wie lange ist das nun her?« »Etwa zwei Tage.« »Zwei Tage? Es kommt mir vor wie wenige Stunden.« »Uns wären ein paar Stunden auch lieber gewesen.« Er grinste schief. »Nachdem du das Bewusstsein verloren hast, habe ich die Wunde notdürftig verbunden und dich hierher getragen. Zum Glück konnten die Zora das Gift neutralisieren und dich gesund pflegen.« »Gift? Du meinst das Waffengift?« »Ja. Ich will nicht daran denken, was sonst passiert wäre.« »Ich auch nicht. Meine Kleidung ist sicher vollkommen nutzlos?« »So könnte man es sagen, ja. Ich glaube nicht, dass es besonders angenehm ist, das eigene, wenn auch eingetrocknete Blut am Leib zu tragen.« »Sicher nicht. Zum Glück habe ich für solche Fälle vorgesorgt.« Er wandte sich an die Zora. »Ich danke euch für eure Hilfe. Ohne euch wäre ich nicht mehr hier.« »Es war uns ein Vergnügen.« »Ich nehme an, meinen Namen kennt ihr bereits? Darf ich eure wissen?« Der Zora mit den blaugrünen Schuppen lachte. »Ja, deinen Namen kennen wir. Ich bin Laron, und das hier«, er deutete auf den Zora neben sich, »ist Irol, ihm verdankst du dein Leben.« Xerac nickte Irol zu. »Habt Dank.« Er winkte ab. »Das war doch selbstverständlich.« Der Gerudo wandte sich wieder Laron zu. »Wie lange schätzt Ihr, muss ich noch hier bleiben?« »Einige Tage sicherlich. Die Wasser der Quelle haben zwar enorme Heilkräfte, doch die verlorene Stärke geben sie nicht zurück. Du hast viel Blut verloren, und auch das Gift hat deinen Körper geschwächt. Wir werden sehen.

 

Um ehrlich zu sein, ich hatte nicht damit gerechnet, dass du so schnell wieder fit bist.« Auch Xerac verfiel ins Du. »Das klingt vielversprechend. Laron, kann ich dich um etwas bitten?« »Sicher. Worum geht es?« »Zum einen geht es um den Zora-Saphir. Wir haben ihn dabei, und sollen ihn dir überreichen. Zum anderen… ich muss die Wassergeister sprechen.« »Die Wassergeister? Dies ist ein ungewöhnlicher Wunsch, selbst für einen König.« »Woher weißt du, dass ich ein König bin?« Er warf einen Blick auf Taya, die den Kopf schüttelte. »Ruto hat es mir erzählt. Sie hat übrigens auch nach dir gesehen, als du bewusstlos warst.« »Wo ist sie jetzt?« »Sie begab sich sofort zum Schloss von Hyrule.« Xeracs Haltung versteifte sich leicht. Link wusste also jetzt, wo er war. Er wusste nicht, ob er nun denken sollte, dass das gut war, oder ob es eher ein Problem darstellte. Er entschied sich, später darüber nachzudenken. Für den Moment musste er sich damit abfinden und auch damit rechnen, dass Link versuchen würde, ihn aufzuhalten.

Er warf dem Maskenhändler einen langen Blick zu. Er musste zugeben, dass er sich in ihrem neuen Gefährten getäuscht hatte. Er hatte Xerac das Leben gerettet, der Gerudo mochte nicht daran denken, was passiert wäre, wären sie alleine gewesen. Er war sich sicher, ihm vertrauen zu können. Er hatte sich entschieden. Er würde dem Maskenhändler alles über ihre Aufgabe erzählen. »Xerac, vielleicht bist du ja nun bereit, mir mehr über eure Aufgabe zu erzählen. Ich denke, ich habe meine Vertrauenswürdigkeit hinreichend bewiesen.« »Allerdings. Dennoch wüsste ich auch gerne deinen Namen.« »Den ich noch nicht sagen kann. Es tut mir Leid, doch ihr könnt sicher sein, dass es nicht meine Absicht ist, etwas vor euch zu verbergen.« Xerac überlegte einen kurzen Moment lang. Dann entschied er sich, dem Maskenhändler auch etwas zu verschweigen: Seine Herkunft. »Gut. Ich werde dir alles über unsere Aufgabe erzählen. Doch das werde ich erst tun, wenn wir die Wassergeister besucht haben. Kannst du solange noch warten?« »Sicher. Ich bin froh, dass du dich entschlossen hast, mir davon zu erzählen. Und eines Tages werde ich ganz gewiss auch meinen Namen verraten können. Sei versichert, dass sich all meine Geheimnisse auflösen werden. Eins nach dem anderen.« Laron mischte sich wieder ein. »Es wäre am Besten, wenn du jetzt wieder zur Ruhe kommst.

Und das geht am einfachsten, wenn niemand bei dir ist, dem du etwas erzählen, den du etwas fragen, oder mit dem du reden kannst.« Er lächelte. »Deswegen werden wir jetzt gehen. Schlaf einfach ein bisschen.« Xerac nickte. Es dauerte weitere drei Tage, bis Xerac sich vollständig erholt hatte. Mehr oder weniger hatte er in diesen Tagen nur geschlafen oder gegessen, er wusste schon fast nicht mehr, was Traum und was Realität gewesen war. Dann kam Laron zu ihm. »Ich denke, du kannst jetzt wieder aufstehen. Wie fühlst du dich?« »Viel besser. Die letzten Tage waren sehr erholsam. Auch wenn ich fürchte, dass ich einen Großteil davon verschlafen habe.« Xerac musste grinsen. »Aber das war teilweise auch der Sinn der Sache, oder?« »Ja, allerdings. Taya und dein maskierter Freund haben mir den Saphir schon gegeben. Wenn du willst, gehen wir jetzt direkt zu den Geistern des Wassers.« Xerac stand auf, wenn auch noch vorsichtig. Er war derzeit etwas wackelig auf den Beinen, doch das legte sich bald. Laron ging vor, er schlug den Weg zur Quelle ein, wo der Maskenhändler und Taya bereits warteten.

Froh darüber, dass Xerac wieder auf den Beinen war, besserten sich ihre Mienen schlagartig. Dann setzen sie ihren Marsch fort. »Wo leben die Wassergeister eigentlich?«, fragte Xerac. »In einem versteckten Raum innerhalb der Eishöhle. Link hat ihn nie entdeckt.«, erwidertete Laron. »Wie sollen wir da hinkommen? Ich meine, die Plattformen aus Eis, die Link benutzte, gibt es nicht mehr.« »Es gibt einen geheimen Pfad zum Höhleneingang, den wir Zora benutzen. Wir werden auch ohne eisige Platten hineingelangen.« Laron stand direkt vor einer Wand und tastete mit seiner Hand darüber. Sanft strich er über den Steine, bis er einen besonderen Stein fand. In ihm war – winzig klein – das Wappen der Zora eingraviert. Laron ließ seine Hand darauf liegen und murmelte etwas auf Zorisch, das Xerac nicht verstehen konnte. Er hatte sich flüchtig mit der Sprache der Wasserwesen beschäftigt, es schien ihm eine archaische Variante zu sein. Unerwartet fing die Felswand vor ihnen an, laut zu knirschen, dann versank sie langsam im Boden und gab einen Pfad frei, dem sie anschließend folgten. Der Weg endete an der Seite des Eingangs der Eishöhle. Schon beim ersten Schritt in dem Tunnel merkte Xerac, das die Eishöhle diesen Titel längst nicht mehr verdiente. Er erinnerte sich, dass Link erzählt hatte, hier wäre alles gefroren, und bei jedem Schritt würde man weiter nach vorne rutschen und aufpassen müssen, nicht hinzufallen. Jetzt war es warm und feucht und jedes Mal, wenn man den Fuß aufsetzte, trat man in Pfützen oder in Schlamm. Auch von den Ungeheuern, denen Link entgegen treten musste, war nichts mehr zu sehen. Nichts hielt sie auf dem Weg zum letzten Raum der Höhle auf, der Kammer, in welcher der Herr der Zeit damals die Serenade des Wassers gelernt hat. »Und wo sind jetzt die Wassergeister? Dies ist doch der letzte Raum, oder?«, fragte Xerac. »Geduldet euch.«, antwortete Laron.

Er lief im Raum umher, und tippte verschiedene der Kristalle an. Der helle Klang der Schwingungen, in die der Kristall bei Berührung versetzt wurde, erfüllte den Raum und nachdem er einige bestimmte Kristalle angetippt hatte, tat sich ein neuer Pfad auf. »Ihr habt die Ehre, als erste Nicht-Zora diese Halle betreten zu dürfen. Sie wird einmal in jeder Generation zur Krönung genutzt.« Die Halle war nicht besonders groß, aber am Ende konnte man einen verschütteten Eingang sehen. Laron bemerkte natürlich, dass dieser Zugang Xeracs Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. »Früher war hier der Wassertempel, bis ein Erdbeben das Tor zerstörte. Das Podest des Triforce, das sich hier befindet und zur Teleportation dient, ist deshalb auch schon lange inaktiv. Der neue Tempel wurde dann im Hylia-See erbaut. Aber deswegen seid ihr ja nicht hier. Ruft die Wassergeister.« Xerac nickte Laron zu und kniete sich zum dritten und letzten Mal auf dem Podest nieder und sprach das Gebet. Sofort zeigte sich eine Reaktion. »Wald und Feuer besuchtest du, doch nicht alles hast du erfahren. Das Wissen, es steht dir zu, drum höre unsere wahren Worte. Auch wir werden bald vergehen.

»Sagt mir, an diesem heil’gen Orte, was ist meine Aufgabe in diesem Spiel? Was ist mein Ziel? Doch… Darf ich euch sehen?« Kaum hatte Xerac die Worte ausgesprochen, als sich vor ihnen mehrere Gestalten mit hellblauer Gewandung und blauen Augen materialisierten. Sie lächelten ihnen zu. »Wir grüßen Dich, Xerac, der Du bist der König der Gerudo, der Sohn des verruchten Ganon und der Herr des Lebens, einer der Acht Herren des Guten. Wir werden Dir alles offen legen. Die Zeit, die uns noch bleibt, ist dank den Zora größer als die unserer Brüder und Schwestern.« Xerac sah sie verdutzt an. »Aber… Müssen wir gar nicht reimen?« »Nein. Uns ist vorgeschrieben, die Begrüßung zu dichten, doch danach ist es uns frei gestellt.« »Gut. Dann möchte ich schon gerne wissen, was ich überhaupt machen soll.« »Du musst die übrigen Herren aus Termina, Labrynna und Holodrum zusammenführen.

Doch Du wirst sie nicht alleine finden können. Du brauchst Gefährten, die Dich auf deiner Reise unterstützen werden, die Dich vor und aus Gefahren retten können. Sicherlich bist Du in der Lage, Dich alleine zu verteidigen, doch die Fährnisse werden nicht immer von körperlicher Gestalt sein.« »Könnt ihr mir auch sagen, wen ich mitnehmen soll?« »Sieh Dich um. Alle deine Gefährten sind hier versammelt. Taya, die Fee. Laron, der Zora aus Termina. Euer geheimnisvoller Freund, der noch für einige Überraschungen gut sein wird. Sowohl im Guten, als auch im Bösen. Viel mehr können wir Dir nicht sagen. Auch wir werden jetzt gehen müssen. Doch wir bereuen es nicht, denn es war schön, über all die Jahrhunderte noch beachtet zu werden.« Laron mischte sich ein. »Jetzt verstehe ich. Der himmlische Chor bei der Krönungszeremonie, der aus dem Nichts zu kommen scheint. Das seid ihr!« »Das stimmt, junger Zora. Es tut uns Leid, nun diese wundervolle Tradition zerstören zu müssen, doch uns fehlt die spirituelle Kraft unserer Anhänger.

Doch wir sind unseren Schwestern Din, Nayru und Farore nicht böse. Auch sie wird in ferner Zukunft dasselbe Schicksal ereilen. Wenn ihr sie trefft, sagt ihnen, dass wir sie bis zuletzt geliebt haben. Sie hätten nie einen Grund gehabt, sich in fremden Welten zu verstecken. Es ist Zeit, sich zu verabschieden. Herr des Lebens, tritt vor.« Xerac tat wie geheißen. Eine der Gestalten, eine wunderschöne Frau ging auf ihn zu. Sie beugte sich über ihn und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Der Gerudo wurde leicht rot und hielt sich die Hand an die Wange, dann rief er: »Ich werde dafür sorgen, dass wieder genug Leute an euch glauben, damit ihr weiterexistieren könnt! Ich weiß, dass ihr nicht vollständig erlöschen werdet! Ich werde euch und euren Brüdern und Schwestern die Kraft zurückgeben! Das schwöre ich bei meinem Namen!« Die Wassergeister lächelten ihm zu. »Das ist sehr freundlich von dir. Wir hoffen, dass du Erfolg haben wirst.« Dann waren sie verschwunden. »Laron, bist du bereit, uns zu begleiten?« »Ich weiß nicht. Ich kann hier doch nicht einfach weg. Ich bin hier der König, ich habe Verpflichtungen.« »Ruto hat dich geheiratet, also ist sie die Königin. Sie kann sich auch einmal um ihr Königreich kümmern.

Doch eine Sache beschäftigt mich. Warum sollen wir dich mitnehmen? Was wissen die Wassergeister, das wir nicht wissen?« »Ich kann die Aura eines Wesens spüren.« »Und was ist daran so toll?« »Die Aura eines magisch Begabten unterscheidet sich von anderen. Und jeder der Herren besitzt magische Kräfte.«, erklärte Taya. »Einen Moment!«, wandte der Maskenhändler ein, »Woher sollen wir wissen, dass wir Xerac vertrauen können? Wie ihr gehört habt, ist er Ganons Sohn!« »Das weiß ich schon längst.«, bemerkte Taya trocken. »Und ich weiß es auch. Ruto hat es mir gesagt. Dennoch denke ich, dass wir ihm vertrauen können. Sonst hätte er schon längst Gelegenheit gehabt, etwas zu tun. Er ist der Herr des Lebens und uns damit weit überlegen. Die Frage ist, ob wir dir vertrauen können!«, erwiderte Laron. »Natürlich könnt ihr das! Ich habe ihm das Leben gerettet!« »Aus Hilfsbereitschaft oder aus Selbstnutzen? Was hast du vor? Und wer bist du?« »Ich kann es euch nicht sagen. Aber ich habe nicht vor, euch zu schaden, das könnt ihr mir glauben!« »Ich glaube dir gar nichts.«, erwiderte Laron kalt. »Sag uns deinen Namen.« »Ich darf und kann ihn noch nicht sagen!« »Dann kann und will ich dir nicht vertrauen!« »Schluß jetzt damit!«, brüllte Xerac, »Ich kann nicht verhindern, dass ihr euch hasst, aber ihr werdet friedlich miteinander umgehen! Ich vertraue euch beiden und ihr werdet lernen, einander zu vertrauen!« Stille. Niemand wagte es, ein Wort zu sagen. Erst Taya traute sich. »Dann wäre das ja geklärt. Können wir jetzt endlich nach Termina gehen?« Xerac nickte, dann ging er langsam los.

Laron und der Maskenhändler folgten, aber mit einem gebührenden Abstand zueinander. Sie hatten Zoras Reich inzwischen verlassen und waren auf die Hylianische Steppe zurückgekehrt. Ständig stupste Taya die anderen an, forderte sie auf, einen Zahn zuzulegen und nicht so zu trödeln, schließlich hänge das Schicksal der Welt von ihnen ab. Xerac grinste. Ihm konnte sie nichts vormachen, sie wollte schnell nach Termina zurück, in ihre Heimat. Er hätte nicht so fröhlich geklungen, wäre Eile geboten. »Bald Taya, bald. Erst müssen wir zu Zelda, uns verabschieden. Oder möchtest du, dass sie sich Sorgen macht?« »Jetzt vergiss sie doch endlich und lass uns nach Termina gehen.« Aber er war eisern. Schmollend verkroch Taya sich in die Kapuze seines Mantels und gab keinen Mucks mehr von sich. Auch Laron hatte seit ihrem Aufbruch geschwiegen. Xerac ließ ihn in Ruhe, obgleich ihm etwas Kummer bereiten schien. Der Maskenhändler jedoch versuchte, ihn aufzumuntern. Der Zora ignorierte ihn hartnäckig, nur einmal gab er einen Kommentar ab. »Wenn dir soviel daran liegt, mich aufzumuntern, nimm doch deine Maske ab.« »Warum denn das?« »Dein Gesicht muss unglaublich hässlich sein, wenn du es unter dem Ding verstecken musst.

Vielleicht hätten wir dann wenigstens etwas zu lachen.« Mit diesen Worten ging er ungerührt weiter und ließ den Maskenhändler stehen. Anschließend herrschte wieder eisiges Schweigen, zwischen Laron und dem Händler konnte man regelrecht die Luft gefrieren sehen. So kamen sie in Hyrule an. Die Wache am Stadttor musterte diese bunt zusammengewürfelte Truppe, hielt sie aber nicht an. Xerac vermutete, dass Zelda wieder in der Zitadelle der Zeit wäre und begab sich dorthin. Er hatte Recht, aber sie war nicht allein. Link war bei ihr. »Oh, Mist…«, murmelte Xerac. »Hallo, Xerac. Man hat lange nichts von dir gehört. Jedenfalls nicht aus Hyrule, wo du bleiben solltest. Stattdessen habe ich gehört, dass du bei den Kokiri, bei den Goronen, ja sogar bei den Zora warst. Was hast du dazu zu sagen?« »Also…«, druckste er. »Ich kann mir schon denken, was du wolltest. Einen Weg finden, um Ganondorf endgültig aus dem Weg zu räumen, nicht wahr? Und natürlich allein, damit ich dich nicht mehr wie ein kleines Kind behandle, oder?« »Nein, natürlich nicht!« Link winkte ab. »Versuch gar nicht erst, mir etwas vorzumachen.« »Gut, ja, ich wollte ihn alleine beseitigen! Und? Was ist daran so schlimm?« »Verdammt, du bringst dich in unnötige Gefahr!« »Wenn ich nicht gewesen wäre, würden alle hier noch im Dunkeln tappen!«, rief Xerac zornig. »Was soll…«

»Ich habe nämlich herausgefunden, worum es hier wirklich geht!« Link lachte auf. »Das weiß ich doch längst! Sie wollen dich opfern, um Ganon zurückzuholen.« »Falsch! Sie wollen mich nicht opfern, sondern meine Kräfte wecken!« »Deine Kräfte? Was für Kräfte?« »Meine Fähigkeiten als Herr des Lebens!« Link lachte noch lauter. »Du glaubst doch nicht wirklich an dieses Märchen von den Herren des Guten und des Bösen und der letzten Schlacht, die sie ausfechten?« »Doch, daran glaube ich. Du bist nämlich einer von ihnen, der Herr der Zeit!« »Und selbst wenn es so wäre. Was würde es ihnen bringen, deine Kräfte zu wecken?« Jetzt kam Taya aus ihrem Versteck hervor. »Seine Erweckung würde auch das Erwachen des Herrn des Todes nach sich ziehen. Und der Herr des Todes ist Ganondorf.« Zelda erschrak. »Das würde bedeuten, dass er aus dem Siegel ausbrechen könnte, nicht wahr, Taya?« »Genau. Schließlich ist auch schon einer der Herren des Bösen erwacht, der Herr der Ewigkeit, Links Gegenstück.« »Und was hat das mit euch zu tun?«

»Wir haben die Heiligen Steine zu ihren ursprünglichen Wächtern zurückgebracht und die Geister des Waldes, des Feuers und des Wassers um Rat gebeten. Sie haben uns gesagt, worum es hier geht, wann die Schlacht stattfindet, und was wir tun sollen.« »Merkwürdig. Warum hat Naboru nie etwas davon gesagt.« »Weil Naboru ein kleines Licht in den Reihen des Bösen war und nur selten alles zu hören bekommt.«, tönte es vom Eingang der Zitadelle. Alle drehten sich um und erblickten die Weise der Geister. Ihr Haar war zerzaust und ihre Kleidung ziemlich in Mitleidenschaft gezogen. Sie sah wirklich mitgenommen aus. »Naboru! Was ist mit dir passiert?«, rief Zelda aus. »Nichts weiter. Ich musste nur einen hochrangigen Dämon dazu bringen, mir zu vertrauen. Und diese Monster haben einen sehr ausgeprägten Fortpflanzungstrieb…« »Naboru! Hast du mit einem Dämon geschlafen?!« Sie hüstelte. »Naja… in gewissem Sinne schon.

Aber ich hoffe inständig, dass ich jetzt nicht in anderen Umständen bin.« Zelda war nahe dran, in Ohnmacht zu fallen. »Ich denke, das ist jetzt auch unwichtig. Naboru hat die ganze Geschichte bestätigt. Ich werde mit Laron, dem Maskenhändler und Taya in die anderen Welten gehen, die Herren ausfindig machen und zusammenführen.« »Und wie wollen wir ihre Kräfte wecken?«, fragte Zelda. Xerac erschrak. Daran hatte er noch gar nicht gedacht. Er überlegte, was er jetzt sagen sollte und alle blickten ihn gespannt an. »Das Master-Schwert…«, murmelte er irgendwann vor sich hin.

Als er die verständnislosen Blicke bemerkte, erklärte er es ihnen. »Link hat seine Kräfte als Herr der Zeiten doch durch das Tragen des Master-Schwertes erhalten. Vielleicht ist das bei den anderen Herren nicht anders?« Link verstand als erstes. »Das heißt, wenn wir alle Herren zusammen haben, müssen wir sie nacheinander das Schwert ziehen lassen.« »Deswegen stand auf dem Buch auch, Der Schlüssel waren die Steine und die Klinge! Durch die Steine habe ich das alles erst erfahren. Und die Klinge weckt die Kräfte der Herren!« »Moment mal. Das würde aber auch bedeuten, dass die Schlacht niemals stattfinden kann, wenn wir die Kräfte der Herren des Guten nicht wecken.«, warf Link ein. »Immerhin können Kreaturen der Finsternis das Schwert nicht einmal berühren. Dann wäre es doch das Beste, das alles einfach zu ignorieren.« Jetzt mischte sich der Maskenhändler zum ersten Mal ein. »Aber dann werden wir immer unter dem Bösen zu leiden haben! Diese Schlacht wird ewigen Frieden bedeuten, sollten wir gewinnen.« »Oder aber ewige Finsternis, wenn wir versagen.« »Jetzt, wo ich schon soviel darüber weiß, jetzt, da sich mein Schicksal mir offenbart hat, da kann ich doch nicht einfach nur wegschauen! Ich werde gehen und die Herren finden! Und wenn niemand mich begleiten will, werde ich das auch alleine tun!«, ließ Xerac verlauten.

»Vergiss das mal gleich wieder. Mich wirst du nicht mehr los.«, wandte Taya ein. Auch Naboru stellte sich auf Xeracs Seite. »Lasst es uns versuchen. Wir müssen einfach unser Bestes geben.« Alle sahen Link an. Er nickte. »Dann ist es beschlossen! Auf nach Termina! Auf zur Rettung der vier Welten!«, rief der Maskenhändler. So kam es, dass kurze Zeit später vier Gestalten durch den nebligen Wald hinter Schloss Hyrule wanderten. Ein Zora, ein Gerudo, ein Händler und eine Fee, auf der Suche nach dem Weg, der in die Welt Termina führte. Sie mussten erkennen, dass auch Taya und Laron sich nicht ganz sicher waren. Der Weg von Termina nach Hyrule schien einfacher gewesen zu sein. Öfters mussten sie innehalten, damit ihre Führer sich einigen konnten. Und es dauerte nicht lange, da konnten sie den Nebel hinter sich lassen. Ein alter, hohler Baum ragte vor ihnen auf. »Das ist der Weg. Hier sind wir richtig.«, sagte Taya. Laron nickte. »Seid vorsichtig. Ihr werdet nach kurzem Weg in die Tiefe stürzen. Der Fall ist nicht lang, und ihr werdet weich landen.« Sie traten in den Baum und Laron hatte nicht gelogen. Schon bald endete der Weg in einem Loch. Mutig sprangen sie hinab, auf die Worte des Zora vertrauend.

Er behielt Recht und sie landeten auf einer Deku-Blume. Sie sprangen einzeln, um nicht aufeinander zu fallen. Es dauerte nicht lange, da standen sie alle wieder unten. Laron ergriff das Wort. »Der restliche Weg ist nicht mehr sonderlich weit. Wir werden einige Brücken überqueren, dann sind wir auch schon fast da.« Taya erinnerte sich noch an den Weg, den sie damals mit Link zurückgelegt hatte. Für sie war es leicht gewesen, die Abgründe zu überqueren und Link konnte dank seiner Deku-Gestalt die Blumen benutzen.

Als der Weg häufiger benutzt wurde, hatte man Brücken gebaut, die aber nur bedingt vertrauenswürdig waren. Immerhin erfüllten sie ihren Zweck. Die Gruppe hielt sich nicht länger dort auf, als nötig und zügig kamen sie zu dem Dimensionsportal, das in den Uhrturm führte. Laron konnte es kaum mehr erwarten, ebenso wie Taya, und beide rannten voraus. Xerac und der Maskenhändler beeilten sich, hinterher zu kommen. Im oberen Bereich des Uhrturms öffnete der Zora schon die große Doppeltür. Durch den Spalt konnte man bereits eine Stadt sehen. Laron stieß die Tür weiter auf und rief: »Willkommen in meinem Heimatland! Willkommen in Termina!«