The Legend of Zelda - Der Auserwählte
Andrea hat eine absolut tolle Vorgeschichte zur Ocarina of Time geschrieben - hier erfahrt ihr endlich alles über das Leben von Links Erzgegner Ganondorf!

Autor: Andrea


Ein Schatten fiel auf die feine Stickarbeit, welche die junge Frau vor ihrem Zelt sitzend mit sorgsamer Vorsicht knüpfte. Die Stoffe ihres Volkes waren auf der ganzen Welt begehrt und teuer. Der kunstvoll gewebte Stoff auf ihren Knien würde sie, ihren Mann und ihre kleine Tochter über den nächsten Winter bringen und so verwendete die junge Frau ihre ganze Konzentration darauf, dass der Faden nicht riss.`

Erst als sie den letzten Stich zu einem abschließenden Knoten getan hatte, sah die junge Frau auf und blickte in das immer gleichmütige Gesicht ihrer Schwester. Doch nun schien ein Hauch von Besorgnis auf ihm zu liegen. Die junge Frau lächelte: "Was ist, Impa? Was siehst Du mich so an?" Impa sah mit einem wehmütigen Blick auf ihre jüngere Schwester. "Es hat begonnen, Kaylie. Du musst Dein Kind rufen und sag' Deinem Mann, dass ihr ebenfalls aufbrechen müsst. Es bleibt nicht viel Zeit."

"Nein." Jähes Entsetzen lag in den Worten der jungen Frau. "Nicht jetzt schon. Sie ist doch noch ein Kind. Ich habe doch sonst nichts auf der Welt." Kaylie sah ihre Schwester an, deren klare rote Augen auf ihr ruhten. Sie erinnerten sie an lange Gespräche noch weit vor der Geburt des Kindes. Es war ihr Schicksal. Sie konnten ihm nicht entkommen. Das Mädchen war für mehr bestimmt und wenn sie bei ihnen blieb, würde die Gefahr für das Kind unermesslich sein, würde die Gefahr für sie alle unermesslich sein.

"Sag mir wenigstens, wohin", flüsterte die junge Frau und sah ihre Schwester bittend an. "Wohin bringst Du mein Kind?" "Es wird ihr gutgehen, Kaylie", sagte Impa schicksalsergeben. "Das verspreche ich Dir. Sie wird leben können wie eine Prinzessin. Man wird sie schützen und man wird sie verbergen und doch wird sie mehr Freiheiten haben, als sie es hier bei uns je könnte, wenn wir uns ihm entgegenstellen würden." Die junge Frau erhob sich langsam und mit augenscheinlicher Mühe. Die Zelte des Schattenvolkes standen ruhig in der hylianischen Steppe. Einige Leute arbeiteten in ihrem Kreis. Ein paar Kinder liefen sich haschend zwischen ihnen hindurch. Irgendwo wieherte ein aufgeschrecktes Pferd. Die junge Frau atmete tief durch und rief ihre Tochter: "Zelda. Zelda, komm zu Mami."

***

Warm flackerten die pechüberzogenen Fackeln in den Wänden und erleuchteten den Raum aus dem gelblichen Felsgestein der Wüste. Im Inneren des einstigen Tempels war es angenehm kühl. Kein Lichtstrahl der unerbittlichen Sonne drang hier herein.
Im zitternden Licht der wenigen Fackeln warf die große Statue der Göttin Shiva bizarre Schatten auf den steinernen Fußboden. Ihr Erbauer hatte sie im Mittelpunkt des alten Heiligtums aus dem hellen Stein der Gegend gehauen und sie mit Farben aus Lehm und zerriebenen Pflanzen bemalt. Zeitlos thronte sie seitdem mit verschränkten Beinen und in Kopfhöhe gehaltenen Armen. Ihre Handflächen waren gegen die steinerne Decke gerichtet, während ihr Gesicht ausdruckslos auf die hohe Doppeltreppe blickte, die über zwei Stockwerke nach oben führte.

Der Kult der einstigen Wüstengöttin war längst vergangen. Die Bewohner der Welt hatten sie vergessen. Kaum jemand aus den Völkern betete überhaupt noch, doch wenn, dann galten ihre Gebete den Göttinnen Farore, Din und Nayru, den Schöpferinnen der Welt.
Dennoch war Shivas Heiligtum nicht verlassen. Allerdings waren es auch keine Priester in leuchtend weißen Gewändern, die heute in dem Wüstenkoloss lebten. Auf der ausgestreckten Handfläche der Göttin Shiva saß ein Junge mit angewinkelten Knien und las mit in die Hände gestützten Kopf ein schweres ledergebundenes Buch. Ab und zu knisterten die Blätter aus altem Pergament, wenn er eine Seite umschlug. Er las schnell, denn er kannte den Inhalt des langsam zu Staub zerfallenden Buches genau. Seit er vor fünf Jahren zum ersten Mal von der Macht des geheimnisvollen Triforce erfahren hatte, hatte er dieses Buch immer und immer wieder gelesen, auf der Suche nach einem Anhaltspunkt über dieses göttliche Relikt, das dem Träger unendliche Macht versprach.

Der Junge schlug das Buch zu und erhob sich auf Shivas Hand, als er ein summendes Geräusch hörte, welches das Kommen seiner beiden Ziehmütter ankündigte. Mitten im Raum vor der uralten Statue der längst vergessenen Göttin, ballten sich zwei Lichtkugeln zusammen. Die eine bläulich schimmernd wie das Eis, die andere rötlich glänzend wie das Feuer. Sie drehten sich immer langsamer werdend um die eigene Achse und formten sich während dessen zu vertrauten Silhouetten.
Der Junge stand mit vor der Brust verschränkten Armen auf seinem erhöhten Platz und sah eher gelangweilt zu, wie sich aus der magischen Energie die Hexen Koume und Kotake materialisierten. Er hatte dieses Spiel schon Hunderte Male gesehen, ohne, dass es ihn je sonderlich beeindruckt hätte.

Kotake hob den Blick ihrer großen gelblichen Augen zu dem Jungen empor. "Komm sofort da herunter, Ganon", kreischte sie mit einer quiekenden Stimme. "Ja, genau", schloss sich ihre Zwillingsschwester Koume keifend an. "Sofort. Wie oft haben wir Dir schon gesagt, dass Du dort oben nichts verloren hast."
Ganon legte sein Buch auf der Hand der Göttin Shiva nieder, so dass es das Triforce verdeckte, das auf ihre Handfläche in leuchtendem Gelb gemalt war. Dann nahm er zwei Schritte Anlauf, rannte und sprang in die Tiefe. Koume und Kotake schrien wie im Chor schrill auf. Die Statue der Shiva überragte einen ausgewachsenen Mann dreimal an Höhe. Aus den Ärmeln der Hexen schossen grünliche Lichtkugeln, die den Sturz des jungen Ganon wenige Handbreit vom kalten steinernen Fußboden auffingen. Ganon rollte sich sicher auf dem grünen magischen Licht ab und blieb vor den beiden Hexen stehen.

"Bist Du von allen Geistern verlassen?", quietschte Kotake zornig. "Willst Du Dich umbringen?", fiel Koume in ihr Gekreische ein. "Was wollt Ihr?", fragte Ganon ruhig. Er hatte erneut seine Arme vor der Brust gekreuzt und wirkte breitbeinig vor den beiden Hexen stehend beinahe herausfordernd.
"Oh, wir bringen Dir Geschenke mit, Ganon." Koumes Stimme klang besonders hässlich, wenn die Hexe versuchte, freundlich zu sein. "Ja, schau her." Kotake breitete ihre alten faltigen Arme aus und erzeugte vor dem jungen Ganon eine grelle weiße Energiekugel.

Der Junge kniff seine bernsteinfarbenen Augen geblendet zusammen. Vor ihm materialisierte sich in der Luft schwebend eine dunkle Rüstung. Sie bestand ganz aus schwarzem Leder mit langen Ärmeln und Beinen. Von der Brust bis zu den Hüften war ein dunkelbraun bemaltes helleres Lederhemd darüber genäht. Knapp über den Knien setzten ebenso gearbeitete Stulpen an. Für die Schultern und die Knie selbst gab es mit Metall besetzte Aufsatzstücke und vervollständigt wurde das Kleidungsstück durch ein weiß gewebtes Tuch mit hellblauem und rotem Zickzackmuster. Es wehte ähnlich eines Umhangs über die Schultern nach hinten und die Wahl der beiden Farben war von den beiden Hexen sicherlich nicht zufällig vorgenommen worden. Blau war Kotakes Farbe, Rot die Farbe von Koume.

"Und dies gehört dazu." Koume erhob ebenfalls ihre Arme. Ganon erwartete dieses Mal die grelle Lichtkugel und kniff bereits vorher die Augen leicht zusammen. So konnte er erkennen, wie sich aus dem hellen Weiß schwere dunkle Stiefel materialisierten und Handschuhe für die Handgelenke. Über beide war derselbe blau und rot verzierte Stoff genäht, wie er schon den Umhang zierte. "Lass sehen, wie sie Dir steht", kicherte Kotake mit hoher Stimme.

Die beiden Schwestern ergriffen sich an der Hand und die Rüstung und die dazugehörigen Teile verschmolzen zu einem einzigen hellen Lichtball. Er schwebte von den Hexen gelenkt langsam durch die Luft auf Ganon zu. Als die Energiekugel seinen Körper berührte, verwandelte sie sich in ein weißes Licht, das sich wie der kühle Wüstensand in der Nacht anfühlte. Es schlich über den Körper des Jungen und hüllte ihn in sich ein. Ganon schloss die Augen und spürte das Kribbeln am ganzen Körper, als sich die Rüstung um ihn schloss. "Fein, fein", quietschte Koume. Trotz ihres hohen Alters von weit über hundert Jahren, klang sie kindisch wie ein kleines Mädchen, das eine Puppe ankleidete.

"Sieh es Dir an", befahl Kotake mit ebenso quiekender Stimme. Ganon öffnete die Augen. Vor ihm reflektierte eine aus dem Nichts erschienene senkrecht stehende Wasserfläche sein Spiegelbild. Die schwarze Rüstung passte ihm wie für ihn angefertigt. Trotz seines noch jungen Alters wirkte er in ihr stolz und mächtig. Für einen Gerudo war Ganon hochgewachsen und muskulös. Er hatte sich seit seiner frühen Kindheit viel im Kampf geübt. Die Gerudos waren ein kriegerisches Volk und sie legten viel Wert darauf, ihre Kinder früh im Waffengebrauch zu unterrichten.

"Und wozu das alles?", erkundigte sich Ganon bei seinen Ziehmüttern, einen gleichgültigen Ton bewahrend. "Ach, diese Sterblichen", keifte Koume mit einem Anflug von Verzweiflung. "Ständig vergessen sie alles." "Heute ist es auf den Tag fünfzehn Jahre her, seit Du geboren wurdest", setzte Kotake zu einer Erklärung an. "Ich kann mich noch gut daran erinnern", kicherte Koume schrill. "Die Aufregung bei den Gerudos. Hundert Jahre muss das Volk der Kriegerinnen warten, bis ein Mann bei ihnen geboren wird. Und dann geschieht es unter diesen Omen."

"Gewitter und Sturm", griff Kotake die Worte ihrer Zwillingsschwester auf. "Ein orangenes Leuchten über der Wüste." "Die Geburt des Kindes ist der Tod der Mutter." "Zeichen der Macht." "Und?", erkundigte sich Ganon gelangweilt.
"Die Vorsehung machte Dich schon vor Deiner Geburt zum König der Gerudos, Ganon", sagte Koume und schwebte zu Ganons Seite. Der Spiegel zeigte kein Bild von ihr an, wie es bei Unsterblichen üblich war. "Wenn ein Mann das fünfzehnte Lebensjahr anbricht, steht ihm der Thron und die Herrschaft über alle Gerudos zu. Darauf hin haben wir Dich erzogen, seit Du mit fünf Jahren in unsere Obhut gegeben wurdest." "Und was für ein niedliches Kind Du doch warst. Haare wie das Feuer und diese glänzenden orangen Augen." "Aber von Magie wolltest Du nichts wissen." Koume schüttelte ratlos ihren Kopf, was sie wie einen habgierigen Aasgeier wirken ließ.

"Und nichts von Büchern und vom Kämpfen schon gar nicht. Gar kein richtiger Gerudo." "Alles, was Du konntest, war Flöte spielen und durch die Gegend reiten." "Und Energiekugeln auf Leute werfen, wenn Du grantig warst." Kotake kicherte auf ihre unangenehme Art. "Kein Wunder, dass die Gerudos heilfroh waren, als wir ihnen anboten, Dich zu erziehen." "Komm zum Wesentlichen", erwiderte Ganon ungerührt. "Ach, es ist so schwer, zu sehen wie die Kinder groß werden und aus dem Haus gehen." Koume lachte schrill auf und drehte sich in der Luft schwebend einmal um sich selbst.

"Komm zur Sache, Hexe, oder wir werden sehen, wieviel ich von Euch gelernt habe." "Ja, ja", quiekte Kotake. "Ist ja schon gut. Lass mich sehen, wo wir stehen geblieben waren." "Mit fünfzehn Jahren muss ich meinen Thron fordern", half ihr Ganon gefühllos weiter. "Was willst Du mehr wissen?", erkundigte sich Koume verwirrt. "Geh einfach hin und fordere ihn." "Oh, Koume, Du dumme Schwester", keifte Kotake sichtlich erregt. "Du hast die Hälfte vergessen. So kann er doch nicht gehen. Es ist noch nicht perfekt." "Hör auf, mich dauernd zurechtzuweisen", erwiderte Koume zeternd. "Ist es meine Schuld, wenn der Junge mich dauernd durcheinander bringt."

"Was fehlt noch?", fragte Ganon kurz angebunden. "Dies hier." Kotake griff unter ihren weiten blauen Umhang und zog ein schmales Holzkästchen hervor. Was auch immer es enthielt, es musste ein Gegenstand sein, den die Hexe nicht durch Magie herzaubern konnte, sonst hätte sie darauf verzichtet, dieses Ding mit sich herumzuschleppen. Ganon wusste um die Faulheit der beiden Schwestern, die sich ein Leben ohne Magie nicht mehr denken konnten. Seit Ganon sich erinnern konnte, hatte keine von ihnen jemals einen einzigen Schritt auf dieser Erde auf normale Art getan. Sie schwebten mit Hilfe ihre Magie durch die Welt und sahen auf alles Nicht-Magische von oben herab.

Ganon nahm Kotake das Kästchen ab, das sie ihm entgegenhielt. Langsam öffnete es der junge Gerudo. Auf grünen Samt gebettet lagen zwei Schmuckstücke in der kleinen Schachtel. Das eine sah aus wie eine Art Diadem. Es bestand aus fünf kreisrunden Scheiben aus blauem Edelmetall, die zur Mitte hin immer größer wurden. Jede von ihnen fasste einen rötlichen Edelstein, der durchsichtig wie Wasser das Licht in sich brach. Ganon stellte das Kästchen auf dem großen Fuß der Göttin Shiva ab und nahm den Anhänger heraus. Mit einem leichten Klicken ließ er sich um den Hals legen. Die rötlichen Steine wogen schwer auf der Brust.

"Es ist der Königsschmuck der Gerudos", erklärte Kotake, ohne einen Blick von Ganon zu lassen. Sie wirkte wie ein Raubtier auf dem Sprung. "Er wird von Generation zu Generation unter den Königen vererbt." Ganons Hand griff nach dem zweiten Schmuckstück, das noch in dem Kästchen auf seinem Polster aus grünem Samt ruhte. Es sah aus wie eine Art Kette mit einem großen Anhänger, der den Stücken des Diadems vollkommen glich. Blaues Metall fasste einen großen roten Edelstein, der noch sauberer und klarer zu sein schien als die anderen Steine.

"Was ist das?", erkundigte sich Ganon schließlich ratlos. Koume verdrehte ihre Augen. "Gib her." Sie entriss Ganon den Stein und legte ihm das Schmuckstück mit eigener Hand an.
Im ersten Moment glaubte der junge Gerudo, die Hexe wolle ihm den Anhänger über den Kopf streifen. Aber als er die Kette um seinen Kopf spürte und den klaren roten Stein auf seiner Stirn, wusste er, dass es sich um ein Schmuckstück handelte, das die Gerudomythologie als das 'Dritte Auge' bezeichnete. Man trug den Stein auf der Stirn, direkt über der Nase. Zusammen mit den eigenen Augen bildete der Königsschmuck ein Dreieck, das Ganon unvermittelt an das Zeichen des Triforce erinnerte, das seine Träume füllte. Er hatte nie viel Wert auf die Herrschaft über die Gerudos gelegt, einem Volke aus Frauen, die nicht mehr als Diebinnen und Kriegerinnen waren. Aber um das Triforce zu finden, brauchte er viele Augen und Ohren und die Macht zu Befehlen.
"So, fertig", wisperte Koume schrill. "Jetzt geh, und fordere Deinen Thron, Ganon", erklärte auch Kotake. "Oh, das lasse ich mir nicht entgehen." Koume hob ihre Arme und gleich darauf verwandelte sich ihre alte Gestalt in das gleißende Licht einer roten Energiekugel. "Warte auf mich." Kotake verwandelte sich in eine blaue Lichtkugel. Zusammen glitten sie durch den Raum in Richtung Tür und schossen förmlich durch die gelblichen Wände des Felsentempels.

Ganon drehte sich noch einmal zur Statue der Göttin Shiva um. Er hob seine Hand, so dass sie auf die steinerne Hand der Göttin zeigte, auf der er selbst noch vor kurzem gesessen hatte. Dann schnippte er befehlend mit den Fingern und das Buch kam in einer geraden Linie auf ihn zugesaust. Schwungvoll fing Ganon die ledergebundenen Seiten auf. Er hielt das Buch an seine Brust gepresst. Dann folgte er den beiden Hexen durch die hohe Tür aus dem Raum.



Schwüle Hitze lag auf der Stadt der Gerudos. In der Mittagssonne stöhnten die Kriegerinnen, welche am Fuße der Stadt patrouillieren mussten. In den steinernen Häusern, die wie Vogelnester an den Steilfelsen klebten, war es jetzt angenehm kühl. Aber draußen war die Sonne über der Wüste gnadenlos. Ihre Strahlen heizten den Sand auf und ließen die Luft zum Flimmern bringen.

Besonders schlimm traf es die Wächterinnen am Tor. Ihnen schlug die geballte Hitze der Wüste entgegen, die das Stadttor nicht aufzuhalten vermochte. Dennoch standen sie tapfer da. Sie waren allesamt noch junge Frauen, die sich erst bei den älteren zu beweisen hatten. Wer jammerte oder die Hitze nicht ertrug und zusammenbrach, konnte damit rechnen vielleicht bis zu seinem Lebensende in der Küche stehen zu müssen und nie an einem der großen und berühmten Beutezüge der Gerudos teilzunehmen. Und das wollte jede von ihnen um jeden Preis verhindern.

So starrten die Wächterinnen am Tor oft stundenlang angestrengt über die vor Hitze flackernde Luft der Wüste, ohne je mehr zu sehen als den wirbelnden Sand. Vielleicht benötigte die junge Gerudo deshalb so lange zu erkennen, dass etwas aus der Wüste kam. Sie stand schon den ganzen Tag auf ihrem Posten auf dem Stadttor, bereit das Tor aufzuziehen, wenn man es ihr befahl. Sie hatte nie erwartet, jemals etwas anderes von hier oben zu sehen als die Wüste. Nur selten verließ jemand die Stadt in dieser Richtung und noch seltener kam jemand auf diesem Weg zu ihr.

Die zwei grellen Lichtkugeln, die zielstrebig durch den aufgewirbelten Wüstensand schossen, bildeten eine so seltene Ausnahme, dass die junge Gerudo kurz zögerte und sich die Augen rieb, bevor sie ihre Beobachtung den beiden Wächterinnen unten am Tor meldete. "Ehla, da kommt etwas auf uns zu."

Die angesprochene Gerudo lenkte ihren Blick durch die hölzernen Pfosten den Tors. Auch sie konnte die beiden Energiekugeln sehen, die sich schnell auf sie zubewegten. "Ramira", befahl sie dann. "Geh und sage der Ältesten Bescheid. Die Hexen kommen." Ramira nickte stumm und lief los, während die beiden anderen Gerudos gespannt auf die Wüste starrten. Die beiden Lichtkugeln bewegten sich sehr schnell, aber nicht so schnell, wie man vielleicht erwartet hätten. In gebührendem Abstand vor dem Tor blieben die Lichter stehen und die Hexen materialisierten sich in einer leichten Drehbewegung aus ihnen hervor. Zwischen ihnen lag eine augenscheinliche Leere. Doch war diese nicht zufällig, sondern sorgsam bemessen: Zwischen die beiden Hexen trat aus dem Sandsturm der Wüste ein hochgewachsener Krieger wie eine Erscheinung aus dem Nebel.

Die beiden jungen Gerudo blickten wie erstarrt auf den jungen Mann, der zwischen den beiden Hexen zum Stehen kam. In seiner dunklen Rüstung wirkte seine Haut seltsam grünlich, aber die roten Haare und die bräunlich-gelben Augen wiesen ihn eindeutig als Gerudo aus. Auch die Nase war unzweifelhaft die eines Gerudos. Für einen Hylianer wäre sie zu spitz zulaufend gewesen. Ehla, die unten am Tor stand, blinzelte nervös, als sich in ihr die Erkenntnis durchsetzte, dass vor dem Tor ein Gerudo stand, ein Gerudomann. Und das bedeutete…

"Öffne dem König der Gerudos das Tor, Du unnützes Ding", keifte eine der Hexen und funkelte Ehla böse an. "Ist das vielleicht eine Art, den großen Ganon zu empfangen", fiel die andere in demselben Ton ein. Ehla wirkte wie betäubt. "Halte Deinen Mund, Koume", hörte sie den jungen Gerudo sagen. Er sah die junge Kriegerin aus unendlich tiefen Augen an, so dass ihr schwindelig wurde. "Ich brauche niemand, der mir ein Tor öffnet."

Mit einer demonstrativen Geste streckte Ganon seine Arme nach vorne und hob sie langsam in die Höhe. Laut knarrend hob sich das Holzgitter des Tores in derselben Bewegung, die Ganons Arme abzeichnete. Die metallische Kette, welche das Tor hielt, drehte sich sauber auf, ohne dass die junge Gerudo auf dem Tor die Kurbel betätigt hätte. Mit einem lauten Knall schlug das Gitter gegen den obersten Pfosten und erzitterte unter einer gewaltigen Kraft.

Der junge Gerudo ließ seine Arme sinken. Dann betrat er mit festen Schritten die Stadt. Ehla wich entsetzt vor ihm gegen die hohe Felswand zurück, welche an das Tor anschloss. Ganon beachtete sie jedoch nicht weiter. Seine Augen waren auf die Häuser aus grauem Stein gerichtet, die geschickt in die gegenüberliegende Felswand gebaut waren. Bilder und Wortfetzen jagten durch seinen Kopf. Verstreute Erinnerungen an eine weit entfernte Kindheit im Hof dieser Häuser.

Über das mit schwarzen Platten ausgelegten Plateau zu Füßen der Häuser liefen einige Frauen zusammen. Die meisten von ihnen trugen violette Kleidung in einer Art Pluderhosen und zum Schutz gegen den Sand feine weiße Tücher über Mund und Nase. Sie alle besaßen rote Haare und dieselben leuchtenden Bernsteinaugen wie Ganon. Zehn Jahre waren vergangen, seit er zum letzten Mal jemanden aus seinem Volk gesehen hatte. "Gegrüßet seist Du, Ganon." Eine alte Frau mit strahlend braunen Augen und von der Sonne gegerbtem Gesicht kniete in gebührendem Abstand vor Ganon nieder. Die anderen Frauen schlossen sich dieser Geste an. Das gesamte Volk der Gerudos kniete vor ihrem König. In seinem Rücken konnte Ganon förmlich Koumes und Kotakes Zufriedenheit spüren.

"Steht auf", befahl er trocken. Seine Augen waren auf die alte Gerudo vor ihm gerichtet. "Wie lautet Dein Name, Älteste?" "Arida, Herr." "Du hast mein Volk bisher geführt?" "Ja, Herr, zusammen mit meiner Tochter." Die Älteste hielt vor Ganon ihre Augen niedergeschlagen, als blende sie seine Anwesenheit.

"Dann ist es Deine Aufgabe, mir die Insignien meiner Macht auszuhändigen." Ganon sprach diese Worte mit einer inneren Anspannung aus. Wenn es stimmte, was man über den Königsschatz der Gerudos erzählte… Seine Augen blickten bestimmt auf die Älteste, die bei seinen Worten unsicher zu werden schien. "Wir dachten, die Zeremonie sollte am Abend stattfinden", sagte die zögernd. Und unter Ganons strengem fragenden Blick fügte sich schnell hinzu. "Dies sollte lediglich ein Vorschlag sein. Es ist dann kühler hier und außerdem sind wir nicht vollzählig. Meine Tochter ist mit einigen von uns auf Beutezug und wird erst in einigen Stunden erwartet…"

Sie verstummte ratlos. Ganon blickte sie in stummer Gleichgültigkeit an. "Wann die richtige Zeit ist, bestimme ich. Und was die Abwesenheit Deiner Tochter angeht: Würde sie meine legitime Herrschaft anzweifeln, wenn sie hier wäre?" Die Gerudo sank vor Ganon erneut in die Knie. "Nein, Herr. Vergebt mir meine Worte." Ganon lenkte seinen Blick nach hinten zu Kotake, die leise gekichert hatte. Sein strenger Blick ließ sie verstummen.

"Dann gibt es also keinen Grund mehr, die Zeremonie zu verschieben", stellte Ganon fest. "Nein, Herr. Keinen." Die Älteste erhob sich wieder mit der Langsamkeit des hohen Alters. Dann drehte sie sich schnell zu einigen jüngeren Frauen um. "Ihr habt die Worte Eures Königs gehört. Geht und holt den Schatz der Gerudos."

Die Angesprochenen eilten von dannen. Die übrigen Gerudos verharrten in ungeduldigem Schweigen. Ganons Augen blickten anscheinend gleichgültig gegen die hohen Häuser aus Stein, die seinem Volk gehörten. In einem dieser Häuser war er zur Welt gekommen. Auf ihren flachen Dächern hatte er oft gesessen wie er es noch heute auf der Hand der Göttin Shiva tat. Jedoch war es lange her und nicht mehr als ein Traum. Ganons Augen senkten ihren Blick, als die beiden von Arida geschickten Gerudos aus den Häusern zurückgeeilt kamen. Eine von ihnen trug eine elfenbeinerne Kugel. Ihr galt Ganons ganze Interesse. Mit dem feinen Geschick eines wahren Meisters hatte jemand diese Kugel filigran ausgehöhlt, ohne sie zu zerstören. Feine Schnitzereien gaben den Blick in ihr Inneres frei. Ein sanfter goldener Lichtstrahl glomm in ihr. Ganon nahm das gläserne Singen mit einem siegessicheren Hochgefühl wahr. Es stimmte also, was man sich über den Schatz der Gerudos erzählte.

Die Älteste nahm die Kugel aus Elfenbein der jungen Frau ab und trat zu Ganon. Ihre Hände hoben sich der Sonne entgegen, als opfere sie die Kugel dem Gestirn. Dann hielt Arida sie mit angewinkelten Armen Ganon entgegen. "Dem König der Gerudos", intonierte ihre volle Stimme in tiefer Ergebenheit. "Ganon-dorf." Ganon streckte seine Hände nach der Kugel aus. Im Auge des Betrachters sahen er und Arida für den Bruchteil eines Augenblickes aus wie zwei gleichgeformte Teile eines in Stein gehauenen Standbildes. Dann löste sich das Licht aus der elfenbeinernen Kugel in Ganons Hände. Goldenes Licht breitete sich wie eine Nebelaura um den jungen Gerudo aus. Das singende Geräusch des alten Gerudo-Reliktes wurde schneller und glich einer geworfenen, sich auf dem Boden drehenden Münze.

Ein greller Strahl goldenes Licht durchfuhr Ganons Körper. Es fühlte sich warm an und ließ alles um ihn herum in Bewegungslosigkeit verharren. Das Licht brach aus seinem Gefängnis aus Elfenbein und drang in ihn ein. Violettes Leuchten füllte Ganons Blick. Es fühlte sich stark an. Es fügte sich ihm, wurde ein Teil von ihm. Die Kraft verschmolz mit ihm untrennbar.

Dann erstarb das Leuchten. Die filigrane Kugel aus Elfenbein war leer. Aber in seinem Blick spürte Ganon das Licht der Macht. Seine Hände fühlten sich seltsam an. Ganon senkte langsam seinen Blick. Auf seinen Handaußenflächen zeichnete sich wie eingebrannt ein goldenes Dreieck. Unterteilt in vier weitere Dreiecke verhieß es ihm die Macht des Triforce.

Ganon hob seinen Blick. Die Gerudos lagen vor ihm im Staub. Ihre Gesichter gegen den Boden vor ihm verneigt. Koume und Kotake schwebten triumphierend in der Luft hinter ihm. In einem inneren Impuls ballte Ganon seine rechte Hand zur Faust und konzentrierte sich. Violettes Licht sammelte sich. Mit seinen Gedanken formte Ganon eine Energiekugel ähnlich denen, wie sie die beiden Hexen verwendeten.

Mit einer Bewegung der Hand schleuderte Ganon die Kugel auf Kotake. Sie sauste durch die Luft und traf die Hexe. Violettes Licht explodierte. Wie eine von innen ausgebrannte Gestalt schwebte Kotakes durchlöcherter Körper kurz noch in der Luft. Dann war die Hexe verschwunden.

Koume schrie mit ihrer hässlich kreischenden Stimme kurz auf. Dann traf sie die zweite Energiekugel. Ein freudiges Glänzen füllte Ganons Augen. Langsam ließ er seine Hand sinken und sein Blick glitt über die vor ihm niedergeworfenen Gerudo-Kriegerinnen zu den steinernen Häusern, in denen er aufgewachsen war. Ein verschlagenes Lächeln spielte um die Mundwinkel des jungen Gerudo. Fast unendliche Macht stand ihm jetzt zur Verfügung. Er konnte nun alles tun, was er tun wollte. Er trug die Kraft des heiligen Triforces in sich. Die Vorstellung, was sich alles mit ihr ausrichten ließ, erfüllte Ganons Gedanken, als er einen letzten versichernden Blick auf die Stelle warf, an der zuvor Koume und Kotake geschwebt hatten.



Absolute Stille schien sich über der bläulich schimmernden Scheibe auszubreiten. Feine Wasserschleier stürzten an ihrem Rand lautlos in die unendliche Tiefe. Aus dem äußeren Kreis der Scheibe schossen sechs blaue Lichtsäulen gegen den offenen Himmel. Der ganze Raum war mit einem blauen Licht erfüllt. Zur Mitte der Scheibe hin war es ein helles Blau, in den Weiten, außerhalb davon, beinahe ein Schwarz. Dieser Ort war nicht real. Ganon brauchte dazu keines der alten Bücher gelesen zu haben, um dies zu erkennen. Der Tempel des Lichts, die Heimstätte des Triforce, existierte auf keiner Karte. Kein Weg gab es zu ihm, außer, wenn man ein Teil des Triforces berührte.

"Ich grüße Dich, Ganon, König der Gerudos." In der Mitte der blauen Scheibe stand die stämmige Gestalt eines alten Mannes in einem roten Umhang. Sein Gesicht war eingerahmt von einem dichten Backenbart. Ein paar funkelnde blaue Augen betrachteten Ganon prüfend. "Du bist der erste, der seinen Weg hierher gefunden hat. Weißt Du, wo Du Dich befindest?" "Im Tempel des Lichts", antwortete Ganon verärgert über den belehrenden Unterton des Mannes ihm gegenüber. "Ich habe das Triforce berührt. Wo sonst sollte ich mich befinden, wenn nicht im Tempel des Lichts?" Überrascht über die etwas rüde Antwort legte der Mann seine Stirn in Falten. "Ich sehe, Du kennst die Sage des Triforce. Mein Name ist Rauru. Ich bin hier, um Dich im Gebrauch der Macht zu unterweisen."

Ganon schnaubte belustigt. "Unterweisen." Um seinen Mundwinkel spielte ein gehässiges Lächeln, während sein Blick Rauru abwertend betrachtete. "Ich brauche niemanden, der mich in irgend etwas unterweist. Die Macht des Triforce war für mich bestimmt. Ich weiß, wie ich mit ihr umzugehen habe." Raurus Blick verhärtete sich bei Ganons Worte. "Ich muss Dich warnen. So einfach ist es nicht." Ganon wischte den Einwurf mit der Hand beiseite. "Spar Dir Deine Worte, Alter. Sag mir lieber, ob es wahr ist, dass Du mir über alles Auskunft geben musst, was das Triforce betrifft." "Ja, das muss ich." Der Weise des Tempels des Lichts schien über seine Antwort nicht sonderlich glücklich zu sein.

"Es ist nur ein Teil", stellte Ganon in den Raum. Rauru nickte. "Das Triforce besteht aus drei Teilen: Sie stehen für Kraft, Weisheit und Mut. Die Göttinnen haben sie nach der Schöpfung der Welt zurückgelassen." "Das war nicht meine Frage." Ganon schien ungeduldig. "Wo befinden sich die anderen beiden Teile?" "Sie sind nicht für Euch bestimmt."

Ganon lachte. "Das entscheide ich." "Es gibt bereits zwei Träger, die das Schicksal auserwählt hat. Solange sie leben, kann niemand das gesamte Triforce besitzen." Ein wenig amüsiertes Lächeln glitt über Ganons Gesicht. "Ja, solange sie leben. Sag mir, alter Mann, wo kann ich sie finden." Über soviel abgrundtiefe Gedanken schnappte Rauru nur entsetzt nach Luft. "Das kann unmöglich Euer Begehren sein."

"Du bist verpflichtet, mir Antwort zu geben", antwortete Ganon kalt. "Also?" Rauru schien sich widerstrebend zu winden. Dicke Schweißperlen standen auf seiner Stirn, aber letztendlich musste er dem Auserwählten auf jede Frage wahrheitsgemäß antworten. "Ich verfluche Euch, Ganon", sagte er mit stimmlosem Entsetzen. "Es wird Euch kein Glück bringen. Aber ich muss Eure Frage beantworten. Nun denn. Der Träger des Triforce der Weisheit ist ein junges Mädchen aus dem Volk der Shiekah. Das Triforce der Macht ist bestimmt für einen hylianischen Jungen. Sie sind beide noch Kinder. Der Junge ist erst vor wenigen Tagen geboren."

"Sehr rührend", kommentierte Ganon kaltherzig. "Zeig sie mir!" Rauru trat von der Mitte der bläulichen Scheibe zurück, auf der sie standen. Die Luft vor ihnen begann zu flimmern.

Vor Ganon und dem Weisen zeichnete sich in der Luft das Bild einer offenen Steppenlandschaft ab. In einiger Entfernung konnte Ganon einige hohe Bäume erkennen, die in der Graslandschaft merkwürdig Fehl am Platz wirkten. Zwischen ihnen lagerte eine Gruppe seltsam gekleideter Gestalten, die anscheinend damit beschäftigt waren, ihr kleines Lager abzubrechen. Ganon nahm auf einigen Satteldecken und vereinzelt auch auf Kleidungsstücken das Symbol eines blutrot gezeichneten tränenden Auges wahr. Es war das Zeichen der Shiekah, des Schattenvolkes.

Die Perspektive, die sich Ganon und Rauru bot, schwenkte zu den Pferden, die unruhig zwischen den umhereilenden Shiekah standen und von derselben Nervosität erfasst zu sein schienen, die auch das Schattenvolk ergriffen hatte. "Sie wissen um Eure dunklen Pläne", sagte Rauru, ohne Ganon mit einem Blick zu würdigen. "Ihr werdet das Leben des Mädchens nicht bedrohen können."

Ganon hielt mit seinem Blick das Bild fest fixiert, das sich ihm bot. Neben den Pferden stand ein kleines Mädchen. Es war kaum drei Jahre alt und sah mit großen rötlichen Augen in ihre Richtung. Fast schien es, als könne es Ganons Anwesenheit fühlen, denn es presste eine kleine braune Stoffschildkröte fester an sich. "Wir werden sehen", ging Ganon auf Raurus Worte ein. "Jetzt zeigt mir den Jungen."

In innerlicher Zerrissenheit, hob Rauru seine Hand und das Bild vor Ganon begann zu verschwimmen und sich neu zu formen. Nachdem sich das leichte Flackern wieder gelegt hatte, schwebte in der Mitte des Tempels des Lichts das Bild eines kleinen Dorfes mit hölzernen Hütten, eingezäunt von einem brüchigen Palisadenwall. Ganon erkannte am Horizont die steinernen Zinnen einer Burg. Das so friedlich wirkende kleine Dorf musste irgendwo in der hylianischen Steppe liegen, wohl nicht weit entfernt vom Lager der Shiekah. Das würde für ihn bedeuten, dass er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte.

Zufrieden folgte Ganons Blick dem Bild vor ihm durch die ausgetretenen Pfade des Dorfes, auf dem vereinzelt Schweine und Hühner herumliefen. Durch eine Reihe von Gemüsebeeten wurde Ganons Blick auf ein kleines windschiefes Haus gelenkt, durch dessen offenes Fenster man ins Innere sehen konnte. In sorgsamer Entfernung vom geöffneten Fenster stand ein kleines wackeliges Kinderbett aus abgegriffenem Holz. In ihm lag ein Neugeborenes, in weißes Laken eingeschlagen wie ein kleines Bündel. Anscheinend zufrieden blickte es dösend mit strahlend blauen Kinderaugen gegen die hölzerne Decke über ihm. Doch unvermittelt verzog das Kind seinen kleinen Mund zu einer weinerlichen Schnute und begann herzzerreißend zu schreien. Eilige Schritte waren daraufhin auf dem knarrenden Holzfußboden zu hören. Durch das Fenster konnte Ganon sehen, wie eine junge Frau an das Bettchen trat und das Kind auf den Arm nahm. "Scht, mein kleiner Schatz", sagte sie mit sanfter Stimme. "Wer wird denn gleich weinen? Die Mama ist ja schon da."

Sie wiegte das Kind auf dem Arm und trat ans Fenster. Für eine Hylianerin war sie direkt hübsch, schoss es Ganon durch den Kopf. Es wäre ein Leichtes, sie unter vielen anderen Frauen wiederzuerkennen. Allerdings würde das kaum nötig sein, denn Ganon wusste, in welchem Haus er zu suchen haben würde. Mit einer leichten Handbewegung ließ Rauru das Bild verblassen. "Habt Ihr gesehen, was Ihr sehen wolltet?" "Ja, ich bin Dir zu Dank verpflichtet, alter Mann." Ganons Worte strotzten geradezu vor Ironie. Rauru ging nicht darauf ein. "Wenn das alles war, was Ihr von mir wissen wolltet", sagte er fast tonlos, "werde ich Euch jetzt in Eure Welt zurückbringen."

Ganon hob mit einem hämischen Lächeln die Hände in einer wegwerfenden Bewegung. "Tue Dir keinen Zwang an, alter Mann." Rauru schloss die Augen und Ganon spürte die Energie des Triforce durch seinen Körper strömen. Obwohl Raurus Augen geschlossen waren, bestand nicht der geringste Zweifel, dass seine Worte Ganon galten, als der Weise zum letzten Mal sprach: "Wir werden uns wiedersehen, König der Gerudos, wenn Euch die Macht entrissen wird, die ihr jetzt so schändlich entweiht. Dann werde ich Euch für ewig bannen. Denkt an meine Worte." Das Bild des Tempels des Lichts verblasste vor Ganons Augen. Als letzte Antwort auf Raurus Drohungen begann der junge Gerudo zu lachen.



"Ich weiß nicht, wie Du dazu Deine Zustimmung geben konntest." Die Stimme der jungen Gerudo klang scharf und aufgebracht. Sie stand der Ältesten gegenüber mit in die Hüften gestützten Armen und ihre Augen funkelten Arida zornig an. Die Älteste war leicht zurückgewichen. "Aber Kind. Er ist Ganondorf. Er ist nach seiner Geburt dazu bestimmt, König der Gerudos zu sein."

"Und das beinhaltet, dass wir ein friedliches Dorf überfallen sollen?" Die Stimme der jungen Gerudo war wütend. "Wir sind ein Volk der Kriegerinnen und Diebinnen. Wir töten nie ohne Grund. Mir ist egal, ob er ein Mann ist. Ich habe ihn nicht zum König gemacht, und selbst wenn ich das getan hätte, würde ich ihm jetzt den Gehorsam verweigern. Ich bin eine Gerudo, verdammt noch mal. Ich bestimme selbst über mein Leben." "Aber Naboru." Arida klang verzweifelt. Argumentierend hob die Älteste kraftlos ihre Arme. Die Blicke aller Gerudos die mit Arida auf Ganons Befehl hin in die hylianische Steppe geritten waren, lagen auf der Ältesten, die ihre Arme wieder ratlos sinken ließ. Es war schwer, gegen Naboru zu argumentieren. Ihre Tochter war stolz und extrem dickköpfig. Die Tatsache, dass Ganon an eine hochstämmige Kiefer gelehnt ein Stück von ihnen entfernt stand und anscheinend unbeteiligt Naborus zornigen Worten zuhörte, machte die Angelegenheit nicht gerade einfacher.

Ein Stück unterhalb des Platzes, den Ganon für die Sammlung seiner Kriegerinnen ausgewählt hatte, standen in friedlicher Sorgfalt die hölzernen Hütten eines kleinen Dorfes. Sie waren ahnungslos des Überfalls, der ihnen bevorstand. Aber alles war dafür bereit.

Die Gerudos waren versammelt, kampfbereit mit ihren messerscharfen Säbeln, die jede von ihnen perfekt beherrschte. Darauf trainiert, ruhig und lautlos zu verharren, standen die Pferde in einer sorgsamen Reihe. An ihren Sätteln hingen Pfeil und Bogen, die Waffe des Gerudovolkes. Niemand verstand es so gut, von einem reitenden Pferd aus ein bewegliches Ziel zu treffen wie die Gerudos. Sie waren wie geschaffen für Ganons Pläne. Niemand wagte, seine Autorität und das Recht seines Befehls in Frage zu stellen - außer Naboru. Ganon wandte sich mit einem beinahe real wirkendem Schulterzucken an Arida. "Ich verstehe die Aufregung Deiner Tochter nicht", sagte er anscheinend ruhig. "Man könnte fast meinen, ich würde mein Volk zu etwas zwingen. Aber ich habe meine Worte ernst gemeint. Jeder, der sich mir nicht anschließen will, kann gerne gehen. Ich werde dies hier auch alleine tun und wenn ich dabei ums Leben kommen sollte."

Arida schnappte entsetzt nach Luft: "Die Göttinnen mögen mir beistehen." Sie sah zu ihrer Tochter, die mit entschlossenen Schritten zu ihrem Pferd gegangen und aufgesessen war. Die Zügel locker in der Hand, saß Naboru thronend auf ihrem Pferd und schien auf irgend etwas zu warten. Die Gerudos sahen unsicher von ihr zu Ganon, der wie unbeteiligt neben ihrer Ältesten stand. Einige von ihnen wechselten ratlose Blicke und flüsterten miteinander.

Arida schien sich aufzuraffen. "Wollt ihr den König der Gerudos alleine seinem sicheren Tod entgegengehen lassen? Ihr seid doch Gerudos…" Ganon ergriff sie sanft am Arm und schüttelte den Kopf. Dann richtete er sich in seiner schwarzen Rüstung an die zögernden Gerudo-Kriegerinnen. Die Edelsteine seines Königsschmucks leuchteten in der mittäglichen Sonne. Trotz seiner erst fünfzehn Jahre hatte Ganon etwas Stolzes und Starkes an sich, als sein Blick über die Gerudos streifte.

"Es ist eine einfache Entscheidung", sagte er und seine Hand zeigte in Naborus Richtung. "Sie oder ich." Die jungen Frauen sahen sich betreten an. "Es tut mir leid, Naboru", brach schließlich eine von ihnen das angespannte Schweigen und ihr Blick mied die Augen ihrer einstigen Anführerin. "Er ist mein König." Einige murmelten zustimmend.

Ein weiteres junges Mädchen ergriff das Wort. "Yamira hat Recht. Ich bin eine Gerudo. Wie könnte ich unserem erwählten Herrscher widersprechen?" Die meisten der Kriegerinnen nickten beifällig. "Davon abgesehen", fügte eine weitere Gerudo hinzu, "haben wir uns vor niemandem zu verstecken. Ich werde ihm folgen." "Ich auch", sagte ihre Nachbarin in die beifällige Zustimmung der anderen Gerudos. "Wie könnte ich mich anders entscheiden?"

Naboru ließ ihr Pferd durch einen leichten Schenkeldruck wenden und ritt erhobenen Hauptes schweigend aus dem Kreis der übrigen Gerudos, die wieder verstummt waren. Der trockene Boden der hylianischen Steppe staubte unter den Hufen ihres Pferdes, als Naboru es in fliegenden Galopp übergehen ließ. Wie eine tobende Staubwolke ritt die ehemalige Anführerin der Gerudos in Richtung Wüste von dannen. Ganon sah ihr nur kurz nach. Seine bernsteinfarbenen Augen konzentrierten sich schnell wieder auf das Wesentliche. Die versammelten Gerudos sahen ihn erwartungsvoll an. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, dann hatte er die unbegrenzte Macht.

In dem friedlichen Dorf, dessen Schicksal durch die Entscheidung der Gerudos besiegelt worden war, wartete das zweite Teil des Triforces auf ihn, in den Händen eines kleinen, wehrlosen Neugeborenen. Er würde ein leichtes werden, diese Macht an sich zu reißen und dann würde das kleine Mädchen aus dem Schattenvolk daran glauben müssen. Ganon spürte, wie eine kribbelnde Vorfreude ihn erfüllte. Dieses Triforce war wie für ihn geschaffen. Es gehörte ihm und niemand würde es ihm nehmen können. Niemand könnte ihn daran hindern, es zu erwerben. Niemand.

***

Mit schwerem Flügelschlag flog eine dunkle Eule über den strahlend blauen Himmel der hylianischen Steppe. Hinter ihr quollen zähe Rauchschwaden in den Himmel empor wie eine drohende Säule. In ihren Klauen trug die Eule ein winziges weißes Bündel mit der Vorsicht einer besorgten Mutter.

Ihr Flug führte sie über hohe Bäume, die zwischen steinernen Wänden standen wie ein undurchdringlicher Wall. Kein lebendes Wesen konnte diesen Wall überwinden, ohne dafür bezahlen zu müssen. Die verlorenen Wälder waren verzaubert. Für diejenigen, die in ihm leben konnten, ohne dass sie sich in Pflanzen verwandelten, waren sie ein magischer Schutz vor der Welt.

Die Eule überflog die in Bäume gearbeiteten Häuser, die ein kleines Walddorf bildeten. Ein paar ihrer Bewohner blickten erstaunt gegen den Himmel und verfolgten den Flug der Eule, die weit in das heilige Gebiet des größten Baumes des Waldes flog. Dort schwebte sie zu Boden und setzte das kleine weiße Bündel ab, das sie von der hylianischen Steppe hierhergebracht hatte. Dann erhob sie sich wieder in die Luft, kreiste noch einmal über dem großen alten Baum und flog dann mit rauschendem Flügelschlag davon.

Die kleinen Bewohner des magischen Waldes ließen ihre Arbeit stehen und liegen und liefen zusammen. Der Weg zu ihrem heiligen Baum war durch die Luft leicht zu erreichen, auf dem Erdboden mussten sie eine enge Schlucht durchqueren, die zu bewachen immer die Aufgabe eines von ihnen war. "Hast Du das gesehen, Mido?", fragte eines der grünhaarigen Mädchen aufgeregt den Wächter des heiligen Deku-Baumes. "Bin ich blind?", knurrte Mido. Er kratzte sich am Kopf und sah ratlos in die Schlucht, die den Wald vom heiligen Deku-Baum trennte. "Ich werde nachsehen gehen", erklärte ein anderes kleines Mädchen.

Mido hielt sie nicht auf, aber vor die anderen trat er mit ausgebreiteten Armen. "Nein. Ihr nicht. Nur Saria darf zum Deku-Baum." Die anderen sahen dem grünhaarigen Mädchen nach, das durch die dunkle Schlucht den Wald hinter sich ließ und die heilige Lichtung des alten Baumes betrat. Das kleine weiße Bündel am Fuße des Baumes bewegte sich zappelnd und Saria kam vorsichtig näher. Mit angehaltenem Atem ging sie neben dem Bündel in die Knie und schlug das Tuch auseinander. "Bei den heiligen Kokiri", entfuhr es ihr. Über Sarias Kopf knarrte es leicht, als der alte Deku-Baum wie aus einem Schlaf erwachte und seine hölzernen Augen zu ihr herabrichtete.

"Schau, Deku-Baum", sagte Saria erstaunt. "Es ist ein kleines Kind." Das Kind sah sie mit wasserblauen Augen unschuldig an. Dann gähnte es nur leicht und nuckelte an dem weißen Tuch, in das es geschlagen worden war. "Ich weiß", sagte die knarrende Stimme des Baumes gütig. "Es ist einer der Auserwählten, Saria. Die Weisen haben ihn in meine Obhut gegeben. Ab heute ist er ein Kokiri und sein Name sei Link."