Im Bann des Bösen 2 - Der Dimensionsreißer
Teil 1

Autor: Black-dragon1986


1. Gotteslästerung

Link hatte sich schon an viele Namen gewöhnen müssen. Als ‚Wüstenfuchs' wurde er von den Gerudo bezeichnet, ‚Feenjunge' hatte ihn Malon mal genannt und von den Weisen wurde er ‚Held der Zeit' gerufen. Die Trauung mit Zelda war nun schon zwölf Monate her und dennoch klang ‚Eure Hoheit' und ‚Prinz Link' immer noch ein wenig fremd in seinen spitzen Ohren, obwohl ihm Letzteres von Anfang an irgendwie gefiel. Aber dennoch: Er war wieder dort, wo er sein ganzes Leben hätte sein müssen. Hyrule war schon von Geburt an seine Heimat gewesen, doch während des großen Hylianischen Krieges verlor er Mutter und Vater und dadurch sein Zuhause.

Link hatte während seines einjährigen Amtes als Prinz von Hyrule schon viel auf die Beine gestellt. Es war zum Beispiel seine Idee ein verlassenes Haus in einer Nebenstraße in eine kleine Bibliothek umzuwandeln und mit Büchern zu versorgen, die in der riesigen Schlossbibliothek schon mal doppelt vorkamen. Link wusste, wie wichtig es war, die grundlegenden Kampftechniken zu kennen. Auch wenn die Zukunft friedlich aussah, so wurde doch jeder Kampffähige im Bogenschießen und im Schwertkampf unterrichtet. Auch Reitstunden waren nicht unüblich. Doch sollten keine Bediensteten den Schülern etwas beibringen, sondern Link selbst unterrichtete zweimal wöchentlich im Schlosshof. Jedoch war Links Unterricht so aufgelockert, dass es alle nicht als Pflicht, sondern als Freizeitvergnügen empfanden. Der letzte wichtige Punkt war, dass mit der Zustimmung der sieben Weisen seit Sommer - der vor sechs Monaten Hyrule nahezu überfallen hatte - Priester ausgebildet und der Magie kundig gemacht wurden, um den Göttinnen zu huldigen und in einer kleinen Kapelle Gottesdienste abzuhalten. Sie hatten durch ihre Gebete in der Zitadelle der Zeit seltsamerweise mehr Macht in ihrer Magie entwickelt, als sie von Zelda gelehrt wurden. Link hatte diesen Vorschlag auch zur Kirche von Termina geschickt und wartete nun auf den Boten. Er wusste zwar, dass diese Macht der Magie auch Nachteile hervorbringen konnte, jedoch würde er sich um aufkommende Probleme persönlich kümmern.

Link ging an diesem Morgen die Eingangshalle ungeduldig auf und ab und wartete auf die Antwort der Kirche von Termina, die heute eintreffen sollte. Das einzige, was man zu dieser Stunde in der Eingangshalle hören konnte, waren die Sohlen seiner neuen braunen Lederschuhe auf dem Parkettboden und das Schlurfen des Saums seines schwarzen Umhanges auf den Teppichen. Er war auf eine Kleidung umgestiegen, die einem Prinzen angemessener war. Sein Umhang wurde von einer roten Schließe gehalten. Er trug ein olivgrünes Hemd mit Schulterklappen aus Gold und dunkelblau gefärbten Samt, die den Umhang von seinen Schultern etwas abstehen ließen. Sie waren ähnlich aufwendig verziert, wie die Schwertscheide des Masterschwertes. Ein schwarzer Gürtel mit einer goldenen Schnalle hielt die dunkelbraune Hose, in die das Hemd gestopft war. Eine Kopfbedeckung war hier fehl am Platz und so trug er seine goldblonden Haare schon lange offen. Er hatte sich seine alten Sachen aufgehoben und zog sie nur zu den wöchentlichen und eigenen Trainingsstunden an. Link war durch sein Training kein sechs Fuß großer und zweihundert Pfund schwerer Muskelprotz geworden, dass wollte er auch nicht, er wollte nur auf alles vorbereitet sein. Zelda hatte schon öfters betont, dass er es nicht für sie - so dachte die Prinzessin manchmal - tun brauche. Doch Link war nicht einer von denen, die Zelda allein ihrer Schönheit wegen anhimmelten, sich in Schale warfen und versuchten - egal wie lange es auch dauerte - so stark wie möglich zu wirken. Er kannte ihre inneren Werte gut, sogar besser als ihre Eltern, und wegen diesen Qualitäten liebte er sie so sehr. Nein, Link tat es nicht allein für Zelda, er tat es für Hyrule. Seitdem Ganondorf erneut aufgetaucht war, überkam ihm das ungute Gefühl, dass dies nur der Tropfen auf dem heißen Stein gewesen war. Dieser Gedanke verblieb in ihm. Aber egal was kommen würde, er wäre bereit jene zu schützen, die er liebte und die das Gute vertraten. Und sei es unter Einsatz seines Lebens.

Link konnte plötzlich Absätze hören. Er drehte sich um und sah in Zeldas hübsches Gesicht. "Guten Morgen, meine Liebe", sagte er mit einem warmen Lächeln, gab ihr einen Gutenmorgen-Kuss und hielt sie an den Händen. Zelda trug ihr rosa Kleid schon lange nicht mehr. Sie blieb bei ihrer für Link anfangs noch ungewohnten Kleidung. Somit waren beide schon allein an ihrer Kleidung als Paar zu identifizieren. Sie hatte ihm im vergangenen Jahr gelehrt, die Macht des Triforcefragmentes zu nutzen. "Noch keine Nachricht?", fragte sie erstaunt. Link schüttelte den Kopf: "Sie lassen sich diesmal Zeit." Plötzlich wurde die Eingangshalle ganz still. Die Beiden wurden durch Aufforderungsrufe der Schlosswachen hellhörig. "Ich muss sehen, was da los ist", meinte Link, riss die Eingangstür auf und lief, von Zelda gefolgt, zur Zugbrücke des Schlosses. Dort sah er, wie zwei Reiter davon abgehalten wurden, das Schloss zu betreten. "Was ist hier los?", donnerte es, so dass die Wachen zusammenfuhren und Link erstaunt ansahen. Er hatte die Reiter bereits erkannt. "Schön euch beide mal wiederzusehen", sagte Zelda, die neben Link stand. Es war ein Jahr her, als Jillseponie, Jill oder Pony, und Elbryan, Nachtvogel der Hüter, das letzte Mal im Schloss auftauchten und die Wachen schienen beide vollkommen vergessen zu haben. Die beiden ritten an den zitternden Wachen vorbei und glitten vor dem Königspärchen von den Pferden. Es folgten einige freundschaftliche Umarmungen.

"Wie geht es deinem Vater?", fragte Link Jill, als auf den Weg zu den Schlossställen waren. Sie besaß nun anstatt eines Kampfstockes "Beschützer", ein elfisches Langschwert. "Es geht ihm jeden Tag besser", antwortete Jill und ihre Augen begannen fröhlich zu funkeln. "Das freut mich", sagte Zelda. "Eure Hoheit, Eure Hoheit!", ertönte plötzlich eine Stimme. Link fuhr herum. "Neuigkeiten aus Termina?", fragte er hoffnungsvoll den heraneilenden Boten. "Das ist die gute Nachricht", keuchte der Überbringer, als Link ihm die Schriftrolle förmlich aus den Händen riss. Er beachtete zunächst nicht die Worte des Boten, sondern überflog kurz das Pergament. Seine Mine erhellte sich. "Sie nehmen den Vorschlag an!", er freute sich. "Wie gesagt, das war die gute Nachricht", wiederholte der Bote und hielt Link eine weitere Rolle hin, "Sie ist von der hylianischen Kirche, streng vertraulich und von äußerster Dringlichkeit." Link zögerte. Es war ihm nicht ganz geheuer, dass ihm der Vertreter Raurus etwas so Wichtiges mitzuteilen hatte. Plötzlich überkam ihn eine gewaltige Neugierde und er hätte in seiner Eile fast das Pergament zerrissen. Während er die Nachricht entrollte, schickte er mit einem Handwink den Boten weg. Er ging vor den erwartenden Gesichtern hin und her, als er die Zeilen las. Nach einer Weile hing sein rechter Arm herab, seine Hand zerdrückte fast das Papier, während seine linke Hand ihm öfters nervös durch das Haar fuhr. "Wir müssen in die Stadt", sagte er schließlich und ging zu den Ställen, um sein Pferd und das von Zelda zu holen. Epona ging es prächtig. Sie genoss mehr Pflege, Fürsorge und Ausritt als normalerweise. Zeldas Pferd hieß Greystone, etwas unpassend für einen Schimmel. Doch er kam nicht nur mit den Stuten zurück, sondern auch mit seiner heiligen Klinge und Pfeil und Bogen.

"Was ist eigentlich geschehen?", fragte Zelda, als sie auf ihr Pferd stieg und seine Waffen entdeckte. "Das, was kommen musste", erklärte Link, "Irgend ein Priester hält es für nötig, sich gegen die Kirche aufzulehnen, und hat seinen eigenen Kult gegründet." Alle sahen ihn misstrauisch an. "Und was ist an einem Kult so schlimm?", fragte Elbryan, der schon auf Symphony thronte. "Eigentlich nichts", fuhr Link fort und stieg in den Sattel, "müsste man meinen. Jedoch scheint er den Göttinnen auf irgendeine Art und Weise nicht freundlich gesonnen. Angeblich hält er bald wieder eine ‚überzeugende' Rede. Wir sollten uns das mal näher ansehen! Ich glaube nicht, dass wir ihn oder seinen ‚Gott' mit Worten umstimmen können!" Die beiden Paare trabten schnell los.

Als sie den Marktplatz erreichten, stand ein Mann auf dem Brunnenrand und rief die Mengen zu sich. Zelda, Link, Pony und Elbryan ließen sich Pferd gleiten und schoben sich mit ins Gesicht gezogenen Kapuzen unauffällig durch die Massen nach vorn, um besser hören zu können, was der ehemalige Diener der Göttinnen zu sagen hat. Doch als die Vier ihn näher ansahen, überkam Link eine leichte Übelkeit. Der Priester war zwar kerngesund, doch Link wusste dass dieser Mann einmal ein paar Augen besessen hatte, denn er hatte den Priester selbst eingestellt, und dies konnte für Link nur eines bedeuten und die Bestätigung für seine Gedanken würde er bekommen, früher als ihm lieb war.

"Hört mir zu", begann der Mann auf dem Brunnen den Leuten zuzurufen, "Meine Brüder und Schwestern, achtet meine Worte. Wir, die Mitglieder des Kultes, wurden als die Empfänger eines gar hochheiligen Wunders ausersehen, ein Wunder, das man weder ignorieren, noch abtun kann. Mir, Gaal... mir, dem die Gnade erwiesen wurde, seine Augen zu verlieren! Mir wurde die Wahrheit gezeigt, die den Sehenden verwehrt blieb. Die Göttinnen, die ihr verehrt, sind falsch! Sie sind nur Götzen, die erschaffen wurden, um den Reichtum der Kirche zu vermehren! Ihr dürft nicht mehr länger auf sie hören!" Kreel, ein Priester aus der Zitadelle der Zeit, den Zelda selbst unterrichtet hatte, trat heran. "Hört auf!", schrie er Gaal an, "Das sind gotteslästerliche Reden! Nayru, Din und Faore haben stets ihre Mildtätigkeit und Macht offen gezeigt. Ihre Gegenwart steht vollkommen außer Frage!" Ein allgemeines Gemurmel und Geflüstere überfiel die Menschenmenge.

Gaal wandte sich zu Kreel um. Dieser erkannte einen drohenden Blick an den Gesichtszügen und hielt inne. "Meint ihr wirklich, Priester?", zischte Gaal und wandte sich nun wieder der Menge zu, "Ich bitte euch alle, zu überdenken, ob das, was der Priester spricht, die Wahrheit ist. Nun gut, seine falschen Göttinnen gewähren ihm scheinbar Macht, um Zauber zu wirken. Doch unterscheidet er sich dadurch wirklich von einem x-beliebigen Magier? Ich sage euch, ihr werdet von der Kirche belogen. Sie behaupten, dass es die Göttinnen gibt! Und in Wahrheit wollen sie nur eure Rubine, um sie in ihre eigenen Taschen zu stecken!" - "Oh, nein!", mischte sich eine Frau aus der vorderen Menge ein, "Was du da sagst kann nicht wahr sein! Die Göttinnen haben uns immer beschützt!" Gaal zeigte auf sie und wandte sich an die Hylianer. "Glaubt ihr das wirklich? Haben sie euch vor Krankheiten geschützt oder dafür gesorgt, dass Harmonie und Frieden auf Hylia herrscht?" Elbryan sah zu Link rüber. "Das warst wohl eher du!", sagte der Hüter lächelnd. "Nein, das haben sie nicht!", fuhr Gaal fort, "Sie belügen euch und vernebeln eure Sinne, damit ihr die falschen Götzen anbetet, die sie erschaffen haben! Ich habe mich von ihren lügnerischen Augen befreit und kann endlich die Wahrheit erkennen! Ich kann euch die Wahrheit verkünden!" - "Ihr lügt!", mischte sich ein Hylianer ein, "Ihr lügt! Die Göttinnen existieren!" Kreel trat ebenfalls zwei Schritte vor. "Solche Reden stellen eine abscheuliche Beleidigung der Göttinnen dar! Das werdet ihr teuer bezahlen - " - "Ruhe!", unterbrach ein Mann, "Hört euch an, was er zu sagen hat!" Gaal schien durch die Menge zu blicken. "Ich flehe euch an", rief er, "verleugnet ihre falschen Göttinnen! Sie haben nichts für euch getan! Lasst sie hinter euch zurück und begleitet mich auf den wahren Pfad, dem wahren Pfad des wahren Sehens!" Die Hylianerin aus der ersten Reihe sah in misstrauisch an. "Was soll das heißen?", fragte sie wütend, "sollen wir uns vielleicht selbst die Augen ausstechen? Das ist nicht dein Ernst!" - "Was sollen wir denn nun machen?", fragte ein anderer, "An wen sollen wir uns wenden, wenn es keine Göttinnen gibt?" Gaal räusperte sich. "Doch!", rief er, "Es gibt einen Gott, einen echten, wahrhaftigen Gott! Das Blicklose Auge ist unter uns! Er schenkt den Gläubigen die Gabe, wahrhaftig zu sehen und den Pfad zu Göttlichkeit zu erkennen. Er bietet euch Schutz und Labsal!"

Kreel kniff die Augen zu einem Schlitz zusammen und wandte sich dann der Menge zu. "Hört nicht auf ihn! Er träufelt Gift in eure Seelen!" - "Bah!", wurde er wieder unterbrochen, "Was haben deine Göttinnen schon groß für mich getan?" Die Hylianerin aus der ersten Reihe drehte sich zu dem Mann um. "Wage es ja nicht, in diesem Tonfall mit dem Priester zu sprechen! Du erzürnst die Göttinnen!" - "Hörst du nicht, was er sagt?", mischte sich eine andere ein, "Es gibt keine Göttinnen, die beleidigt werden könnten! Ich schlage vor, wir schauen mal, was dieses Blicklose Auge anzubieten hat!" Wieder begann ein allgemeines Gemurmel. "Jawohl!", rief einer, "Ich wünsche zu sehen!" Gaal schüttelte lächelnd den Kopf: "Aber nein, meine Freunde... Glaubt mir, ihr wollt nicht ‚sehen'! Vergesst doch, was die Jahre voller Lügen euren Augen gelehrt haben! Ihr wollt ‚wissen' und ihr wollt ‚lernen'. Und das sind die Wahrheiten, die euch das Blicklose Auge anbietet. Keine dieser sogenannten Göttinnen wird euch ein derartig offenes und wahres Geschenk machen. Kommt, erlebt das Wunder der Wahrheit. Kommt und seht das Blicklose Auge, den wahren Gott, der unter uns weilt!" Kreel sah besorgt in die Menge. In seinen Augen war schon einer, der sich diesem Kult anschließt, einer zuviel. "Nein!", rief er, "Geht nicht mit ihm!" Ein Hylianer sah ihn wütend an. "Ich mache, was ich will! Ich will die Wahrheit! Zeige mir das Blicklose Auge!" Gaal nickte zustimmend. "Nun kommt! Wer wahrhaft zu den Gläubigen gehören und die Pracht des Blicklosen Auges, das die Wahrheit bringt, schauen will, möge zu mir kommen!" Er sprang vom Brunnen. "Nun kommt, meine Gläubigen! Folgt mir!" Eine kleine Menge verschwand unter Gaals Führung in einer Nebenstraße. Die Masse stob auseinander, teils mit entsetzten Blicken, teils mit schüttelnden Köpfen.

Der einzige, der noch am Brunnen stand, war Kreel und hinter ihm eine andere bekannte Gestalt auf einem weißen Pferd. "Liana!", rief Elbryan fröhlich. Diese dirigierte Helexa auf die Vier zu, machte aber nicht gerade einen freundlichen Eindruck. Kreel ging ebenfalls auf die Gruppe zu. "Eure Hoheit", sagte er und wollte sich gerade verbeugen, doch Link hielt ihn davon ab. "Nicht in der Öffentlichkeit und vor allem nicht unter solchen Umständen", mahnte er leise. Der Priester nickte verständnisvoll. "Ihr habt doch mit Sicherheit diesen Narr auf der Straße gehört", stellte Liana fest, als sie vom Pferd sprang. "Wenn es wahr ist", fuhr Kreel fort, "was er sagt, dann wird - " - "Es wird ein empfindliches Gleichgewicht gestört", unterbrach die Elfe, "Was für ein Kult das auch immer sein mag: Wenn er lügt, kann er nur dazu dienen, diejenigen zu verletzen, die ihm folgen!" Der Priester sah Liana erstaunt an. Ihre Auffassungsgabe war beeindruckend. "Unser Volk kann die geringste Machtverschiebung, von welcher Art auch immer, wahrnehmen, Priester", antwortete Liana auf Kreels verdutzte Mine. Auch wenn Link ihm etwas über die Elfen erzählt hatte, so hatte er sie sich doch anders vorgestellt. "Ich muss die Vorkommnisse untersuchen", entschied Link, "Es steht bei euch, ob ihr mitkommt." Er sah der Reihe nach in alle Gesichter. "Wir kommen auf jeden Fall mit", sagte Elbryan, welcher einen Arm um Pony gelegt hatte. "Ich weiche dir nicht von der Seite", Zelda sah ihm in die Augen und küsste ihn zärtlich, "das habe ich vor einem Jahr geschworen!" Liana nahm ihren Bogen und den Köcher aus Helexas Satteltasche. "Ich bin dabei." - "Kreel", Link wandte sich zu dem Priester, "wende dich so schnell wie möglich an den Vertreter Raurus und sag ihm, dass wir uns um das Problem kümmern." Die Gruppe ging zu den Pferden, holte ihre Waffen und ließ die Pferde von einer Stadtwache zurück ins Schloss bringen. "Jetzt bleibt eigentlich nur noch die Frage, wo sich dieser Kult versteckt hält", sagte Link. Liana sah zu Elbryan. "Vielleicht nützt deine Kette ja etwas!", meinte die Elfe, "Dieser Kult kann eigentlich nur feindlich sein!" Der Hüter nickte. Er nahm das lilafarbene Medaillon wie ein Kompass in die Hand, schloss die Augen und bündelte seine Gedanken auf den Kult. Da spürte er, wie sich in seiner Hand etwas bewegte. Doch es war nicht in seiner Hand... Es war der sich lichtende Nebel im Medaillon. Elbryan schlug seine Augen auf und sah in das Lila. Der weiße Punkt befand sich in der Mitte und versank nach unten. "Die Kanalisation", stellte Elbryan fest, "Sie müssen sich irgendwo unter uns aufhalten." Zelda lächelte: "Ein Glück, dass sich die Abwasserrohre an den Seiten der unterirdischen Wände befinden und erst letztens gewartet wurden." Sie schauten sich unauffällig um, ob sie auch niemand erkannt hatte und verschwanden in einer Seitenstraße. Link führte sie durch mehrere Gassen, bis sie eine unbewohnte und unscheinbare Nebenstraße erreicht hatten. Die Fünf stellten sich um den Abwasserzugang und schauten sich noch ein letztes Mal um.

Die Stadt würde sie erst in ein paar Stunden oder vielleicht sogar Tagen zurück haben. Link zog das Gitter zur Seite. Erst stiegen Pony und Elbryan hinab und sicherten die unmittelbare Umgebung. Ihnen folgten Liana und Zelda. Zum Schluss ließ sich Link in den quadratischen Bodenausschnitt gleiten, spähte kurz über den Rand und zog das Gitter über den Ausgang. Schwungvoll kletterte er das kurze Stück Leiter nach unten und gesellte sich zu den anderen. "Wo ist eigentlich Navi, wenn man sie mal braucht?", scherzte Elbryan, da es hier unten ziemlich dunkel war. "Die Fackeln müssten entzündbar sein", erklärte Link, deutete auf die eisernen Gitter an den Wänden und sah Zelda an. Doch diese hatte es schon längst erkannt. Kurz darauf schoss ein faustgroßer Feuerball aus ihren Händen und zündete alle Fackeln im vorbeizischen an. Wortlos gingen sie den Gang entlang. Irgendwo hörte man immer einen Wassertropfen auf eine Pfütze treffen oder das Tippeln von Rattenpfoten. Sie kamen an einer Abzweigung vorbei, nahmen davon aber keine Notiz. Schließlich blieben sie vor einer alten Tür stehen.

"Die ist zu!" stellte Elbryan nach langem Gerüttel fest, "Und da vorne geht es auch nicht weiter." Zelda sah Liana an. "Ich habe mein Triforce-Fragment sicherheitshalber unseren Anführer überlassen. Er kann mit dieser Macht besser umgehen als ich." Link starrte auf seinen linken Handrücken. "Dann muss ich wohl ran", seufzte er und schloss seine Augen. Er dachte noch einmal daran, was Zelda ihm gelehrt hatte, wie er die Kraft einsetzten, welche Möglichkeiten ihm dieses uralte Relikt der Göttinnen verleihen konnte. Unerwartet sah er alle nacheinander an. "Ich werde auch meine Stimme verändern müssen. Er kennt uns alle. Jill, Elbryan und Liana, euch ist er schon mehrmals über den Weg gelaufen und kennt daher eure Stimme. Zelda und mich kennt er länger. Es wäre einfach zu gefährlich mit unseren normalen Stimmen aufzukreuzen." Link konzentrierte sich wieder. Er stand mit herunterhängenden Armen da.

Plötzlich fasste er in Brusthöhe auf seinen Handrücken. Ein mysteriöser Wind kam auf und schien es nur auf Link abgesehen zu haben. Sein Umhang und seine Haare wehten nach oben und der Rest der Kleidung zuckte an seinem Körper, als ob sie lebendig wäre. Plötzlich wurde er in ein gelbliches Schimmern getaucht. Sein Umhang löste sich in Tausende winzig kleiner Lichtkugeln auf und materialisierte sich in Kopfhöhe zu seiner alten, jedoch schwarzen Mütze. Links Kleidung schien einen Moment lang flüssig und verformte sich zu einer Art Schattenrüstung. Seine sonst grüne Tunika war rabenschwarz und sein Schultergürtel, Lederstiefel und Handschuhe waren dunkelbraun. Der Gürtel und die Riemen an seinen Handschuhen, welche durch die Titanhandschuhe ersetzt wurden, waren dunkelrot und der sonst weiße Bodysuit war eine Mischung aus hell- und mittelgrau. Seine Ohrringe waren ebenfalls schwarz. Der Wind war schon abgeklungen und Link stand immer noch mit geschlossenen Augen vor den anderen, da veränderte sich seine Haarfarbe am Ansatz in ein Mittelbraun und die dunkle Farbe floss regelrecht bis in die Haarspitzen hinein. Das gelbliche Schimmern verschwand. Dann öffnete er blinzelnd seine Augen. Seine Iris war nicht mehr das gewohnte klare blau, sondern von einem eigenartigen roten Leuchten ersetzt worden, die magische Kraft der Schließe des Umhanges. Er hatte fast die Gestalt seines dunklen Ichs, welches damals im Wassertempel auf ihn lauerte, angenommen, doch er war nach wie vor auf der Seite des Guten.

"Wie kommst du zu dieser Kleidung?", fragte Pony, die irgendwie die peinliche Stille unterbrechen wollte. "Ich habe... während meiner Verwandlung an unsere Aufgabe gedacht", sagte Link mit tieferer Stimme, "Der Kult muss ein düsteres Geheimnis verbergen." Er starrte auf die Tür. Einmal durchatmend ging er auf sie zu, legte die Handflächen auf das kalte Eisen und begann zu schieben. Link drückte immer stärker gegen die Tür, konnte schon jede Muskelfaser in seinem Körper spüren doch die Tür blieb unbeeindruckt. Er stöhnte unter dem scheinbar immer größer werdenden Widerstand. "Verflucht", keuchte er, drückte ein weiteres Mal gegen die Tür und ließ dann mit einem kraftlosen Seufzer von ihr ab, "ich bekomme sie einfach nicht auf." Nach einer kurzen Atempause sah er in ratlose Gesichter. "Ich habe etwas gespürt", räumte er ein, "Eine Art Zauber. Irgendjemand will davon abhalten, die Tür zu passieren. Wir sollten -" - "Sh!", schnitt ihm Liana das Wort ab, "Da kommt jemand!" Sie versteckten sich in einer Nische in der Nähe der Tür. "Bist du dir vollkommen sicher?", hakte Zelda nach. Sie vertraute Liana und kannte ihre Fähigkeiten, aber dennoch waren Elfen selbst in schlimmsten Situationen zu Scherzen aufgelegt. Liana nickte nur und spähte um die Ecke, die rechte Hand am Bogenschaft. Link schaute ebenfalls um die Ecke, hatte jedoch Angst, dass man das rote Glühen seiner Augen erkennen konnte. Da fühlte er, an nichts als die Gegenwart denkend, etwas in seiner linken Hand und da kam ihm ein Gedanke. Er konzentrierte sich kurz auf das Gute der Kraft des Triforcefragmentes und da war das Glühen in seinen roten Augen verschwunden.

Link starrte auf Lianas geschulterten Bogen. Er war sich nicht sicher, was er von dieser Waffe halten sollte, vor allem, da sie bis jetzt noch nie zum Einsatz gekommen war. Der gesamte Bogenschaft war eine einzige Verzierung und die Sehne glänzte selbst hier in den dunklen Kanälen golden.
"Da kommen sie", flüsterte die Elfe. Aus der vorher unbemerkten Abzweigung traten ein paar Hylianer. Sie trugen seltsame Roben, ähnlich der Kleidung von Gaal. "Mitglieder des Kults", murmelte Link und drehte sich dabei zu den anderen um. Jeder befürchtete, dass sie in ihre Richtung kommen und es ein Blutvergießen geben würde. Es kamen immer mehr Anhänger aus dem Gang, bei zehn hörte ihre Anzahl auf zu wachsen. Doch zum Glück der Gruppe gingen sie in die andere Richtung, in Richtung Hyrule. "Das war knapp", sagte Elbryan sichtlich erleichtert. "Sieh mal einer an", meinte Liana erstaunt, "selbst ich hielt diesen Gang für unwichtig!" Vorsichtig traten sie aus der Nische und sahen sich in alle Richtungen um. Angeführt von Link schlichen sie sich im Schatten der Wand entlang zu der Abzweigung. Er spähte um die Ecke und gab den anderen ein Signal zum folgen. Es folgte eine weitere Ecke, um die sie bogen. Vor ihnen befand sich ein seltsamer Raum. An den Wänden befanden sich als Verzierung Torbögen, die nach oben hin spitz zuliefen, und in den Bögen standen Staturen von Hylianern. Der Boden war mit einem schachbrettartigen Muster verziert und von der Decke hingen in den Ecken Staturen von Wesen, die Link noch nie zuvor gesehen hat. Verwundert liefen sie durch die Halle, die Waffen stets bereithaltend. Als sie am anderen Ende des Raumes angelangt waren, hörten sie seltsame Geräusche. Doch kamen diese seltsamen Laute nicht aus dem nächsten Raum, sondern aus der Halle, in der sich die Gruppe gerade befand. Vorsichtig drehte sich Liana um. Ihre feinen Sinne schienen etwas Beunruhigendes bemerkt zu haben. "Es sind schon wieder diese Spinnenviecher", flüsterte sie den anderen grimmig zu. Link und Elbryan waren schon ein eingespieltes Team und jeder zog sein Schwert. Liana griff nach ihrem Bogen, Jillseponie nach "Beschützer" und Zelda konzentrierte sich und wartete ab. Plötzlich hatte die Gruppe ein Mitglied gegen ein anderes ausgetauscht, denn jetzt stand an Zeldas Stelle Shiek und hielt seine Kette bereit. Da krochen auch schon die ersten Arachnos aus ihren Verstecken, blaue Arachnos. Von einer leisen, aber schönen Melodie untermalt, bohrte sich ein Pfeil in das Auge einer Spinne. Link, der wusste, dass dieses Geschoss nur von Liana kommen konnte, machte Elbryan deutlich, ihm Rückendeckung zu geben und stürzte sich mit dem Masterschwert auf den nächstbesten Arachno. Pony unterstützte ihn im Nahkampf.

Ein Arachno sprang unbeirrt auf Shiek zu und drängte ihn immer mehr auf die andere Seite des Raumes. Plötzlich vernahm Shiek ein aufgeregtes Hüpfen hinter sich. Er brauchte sich noch nicht einmal umzudrehen, um zu wissen, dass es sich um eines der Spinnentiere halten musste. Shiek achtete auf die immer näher kommenden Geräusche um im richtigen Moment zur Seite zu springen. Sein Plan ging auf, denn die beiden Arachnos prallten in der Luft zusammen und ihre Beine verhakten sich. Shiek feuerte noch eine Salve Wurfnadeln auf beide Gegner, sodass sie reglos am Boden liegen blieben.
Währenddessen hatte Elbryan einen Arachno, der ihm dummerweise zu nahe gekommen war, mit einem Pfeil an die gegenüberliegende Wand genagelt und mit Sturmwind zugeschlagen. Er konnte Link zwar zu dem Zeitpunkt keine Rückendeckung geben, aber dieser kam auch ganz gut allein zurecht.
Mit tatkräftiger Unterstützung von Lianas Elfenbogen hatten Pony und Link kaum Probleme mit ihren Gegnern. Sie gingen immer auf die neu auftauchenden Arachnos los, welche meist noch nicht einmal ihre Situation einschätzen konnten und somit blind in die Klingen und Pfeile der Kämpfer liefen. Der Kampf endete genauso schnell, wie er begonnen hatte und die Gruppe, nun wieder mit Zelda als Unterstützung, setzte ihren Weg fort. Doch Liana war nicht zufrieden.

Es war noch irgendetwas vorhanden, das sie nicht sehen konnte oder jedenfalls noch nicht. Die Elfe drehte sich deshalb immer wieder nervös um, konnte jedoch nichts ungewöhnlich ausfindig machen. Der Rest der Gruppe merkte Lianas wachsende Nervosität und achtete somit umso mehr auf die unmittelbare Umgebung.
"Was zum...", Link blieben die Worte im Halse stecken. Vor ihm tat sich ein Abgrund auf, der so tief war, dass das Schwarz sogar in den Augen wehtat. Als sich die Augen der Gruppenmitglieder an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannten sie, dass der gesamte Raum, wenn man diesen quadratischen Abgrund überhaupt so nennen konnte, von Brettern überspannt war. Es führten Wege direkt zu der anderen Seite, zu den anderen beiden Wänden und zu allen vier Ecken. Lücken schien es jedoch seltsamerweise nicht zu geben und so konnte man die ganzen Balken als stabilen Fußboden bezeichnen. Doch das war eigentlich nicht das, was Link beim Betreten des Raumes meinte. Die Gruppe sah mehrere rot glühende Punkte in der Luft schweben, die sich auf sie zubewegten. Sie starrten unentschlossen auf die näherkommenden Punkte und wussten nicht recht, ob es nun eine Gefahr, ein Phänomen oder ein Freund war, obwohl man letzteres in diesem unterirdischen Gefilde zu gut wie ausschließen konnte. "Ich mach' uns mal Licht", sagte Jill, griff in den Beutel mit den Edelsteinen und holte den Diamanten hervor. Sie ließ sich in den Stein fallen. Es dauerte diesmal einige Zeit, bis sich eine brauchbare Menge an magischer Energie in dem Stein sammelte. Dann entfesselte sie die Kraft des Steines und ein Strahl reinen Lichts durchquerte den Raum. Doch neben der Tatsache, dass der Raum nun erleuchtet war, verschwanden mit einem ohrenbetäubend hohen Ton mehrere rote Punkte. "Das sind Schattenscheusale!", bemerkte Pony und lenkte das Licht von einer Seite des Raumes zur anderen. Manchmal konnte man ihre Form erkennen: Durchsichtige, schwarze Gestalten, aufrecht gehende Dämonen. Das Kreischen der Kreaturen wurde mehr als nur nervend. Liana war die erste, die sich ihre Ohren zuhalten musste, damit ihre Trommelfelle nicht platzten. Der letzte Todesschrei erfüllte den Raum, dann wurde alles still. Nachdem sie wieder einigermaßen gut hören konnten setzte die Gruppe ihren Weg fort.

2. Der Kult der Augenlosen

Die Gruppe betrat den seltsamen, wenn auch kleinen Raum. Auf dem Boden vor ihnen prangte eine augenähnliche Verzierung. Die Treppe, die ein paar Stufen nach unten führte war, wie der gesamte Boden, mit eigenartigen Bögenmustern verziert. Rechts von ihnen standen hintereinander zwei pyramidenförmige, in die Höhe gezogene Steinblöcke. Hinter den Steinblöcken befand sich eine weitere Treppe, die ein paar Stufen nach oben führte. Die oberste Stufe war auf der senkrechten Seite mit einem eigenartigen Muster verziert, fast schon kryptische Schriftzeichen. Es sah nicht nach einer vorübergehenden Einrichtung aus. Erst jetzt sah die Gruppe, dass das andere Treppchen von zwei augenlosen Wachposten bewacht wurde. Doch die zwei waren nicht allein im Raum.

"Halt, wagt es nicht, diesen heiligen Boden zu betreten", mahnte eine Stimme vor ihnen, niemand anderes als Gaal, der Anführer des Kultes, "Nur diejenigen, die dem Blicklosen Auge dienen, dürfen sich hier aufhalten. Ich bin Gaal, Hohepriester des einen Gottes!" Link drehte sich zu den anderen um und sah in auffordernde Gesichter. Er wandte sich zu Gaal. "Wer ist denn das Blicklose Auge?", fragte Link vorsichtig. "Das Blicklose Auge hat uns die Erleuchtung gebracht!", bekam er als Antwort. Gaal hielt sie nun tatsächlich für Fremde. "Nur durch die Entfernung unserer Augen können wir den Schleier der Lügen und der Täuschung beiseite ziehen. Er ist der Älteste und Weiseste einer Rasse, die euch möglicherweise unter dem Namen ‚Betrachter' bekannt ist. Wir, die ihm dienen, scharen uns mit Freude um ihn, denn seine Macht wird uns beschützen. Wenn ihr Weise seid, dann dient auch ihr ihm, so wie ihm dienen." Liana hüpfte unruhig von einem Bein auf das andere. "Ah, ein Augentyrann", sagte sie schließlich mit verstellter Stimme, "das sind intelligente Wesen, über was für Mächte er jedoch ohne seine Augen verfügt..." - "Ohne seine Augen ist der Eine Gott stärker, nicht schwächer", unterbrach Gaal, "Er hat Berge erschüttert und mühelos jene Narren vernichtet, die es wagten, ihn zerstören zu wollen. Nur jene, die ihm dienen, werden immer sicher sein." Link war im Moment von unglaublicher Neugierde erfüllt. "Nun, wie wird man ein Diener?", fragte er, ohne direkt zu wissen, worauf das ganze hinauslaufen wird. Doch das sorgte ihm gerade nicht besonders. "Der Eine Gott hat gefordert", fuhr Gaal fort, "dass seine Jünger eine höhere Stufe der Weisheit erreichen... man muss das entfernen, was behindert und verunglimpft. Die unheiligen Augen werden während der heiligen Weihe aus dem Kopf entfernt. Wer überlebt und sich als gläubig erweist, den nimmt das Blicklose Auge in seinen Dienst auf." Link starrte den Priester mit Ekel und Entsetzen erfüllt an. Dem Rest der Gruppe ging es nicht anders. "Und was...", begann er, musste jedoch schlucken, "wenn ich meine Augen nicht entfernt haben will?" Gaal stützte sein Kinn mit der rechten Hand ab. "Hmmm", murrte er, "Es ist ein Zeichen von Schwäche, die Erleuchtung zu verweigern. Würdet ihr bereitwillig ohne Arme, ohne Füße umherziehen wollen? Ich glaube nicht. Das Blicklose Auge könnte Fähigkeiten wie die eurigen gebrauchen. In eurem Fall...könnte man unter Umständen eine Ausnahme machen. Es...es gibt etwas, das ihr tun könnt, was der Großartige nicht vermag, trotz seiner unermesslichen Macht. Unterstützt ihn darin und ich werde euch in unseren Kreis aufnehmen, auf dass ihr die Gegenwart des Blicklosen kennen lernt." Link sah sich mit besorgtem Gesicht zu den anderen um. "Also gut, was willst du von uns?", fragte er. "Dieser heilige Boden", begann Gaal zu erklären, "ist ein Teil einer größeren, uralten Einrichtung. Es ist gefährlich für den, der sich in die tieferen Gefilde wagt. Das Blicklose Auge weiß von einem wertvollen Gegenstande in diesem Gebiet. Wenn ihr bereit seid, in diese Gefilde hinabzusteigen und diesen Gegenstand für ihn zu finden, könntet ihr Ihm euren Wert beweisen. Tut das und ich werde euch in unseren Kreis aufnehmen, auf dass ihr die göttliche Gegenwart des Einen kennenlernt." Link beriet sich durch Blickkontakt und Gesten mit den anderen und nahm schließlich die Aufgabe an. "In meinen Augen seid ihr würdige Gläubige", meinte Gaal, "Hier ist der Schlüssel. Sobald ihr das Zepter habt, bringt es mir und wir werden es gemeinsam dem Blicklosen Auge bringen." Mit diesen Worten gab er Link einen unscheinbaren Schlüssel und verschwand mit den beiden Wachen.

"Komischer Vogel", bemerkte Zelda, als der Priester verschwunden war. Sie starrten sich alle gegenseitig an. Jedem Einzelnen von ihnen war dieser Ort mehr als zuwider, doch sie mussten dieses Zepter finden, damit ihnen nicht bald die Augen fehlen. Keiner von ihnen würde sie sich freiwillig entfernen lassen und lieber im Kampf sterben, als für den Rest des Lebens blind durch die Gegend zu laufen. Vor allem: Was hätte Hyrule von einer blinden Regierung, und das im wahrsten Sinne des Wortes? Link betrachtete den Schlüssel. Eine seltsame Aura umgab ihn. "Zu welchem Schloss passt bloß dieser Schlüssel?", fragte Pony. Link entgegnete nichts. Er fühlte etwas, das vom Schlüssel ausging. "Es ist das gleiche Gefühl wie vorhin an der Tür", gab er zu. Alle wussten, was das zu bedeuten hatte. Also machten sie kehrt.
"Was ist eigentlich ein Augentyrann?", fragte Elbryan Liana, als sie über die Bretter des Raumes gingen. Die Elfe überlegte kurz: "Ähm... Betrachter und deren Rasse zugehörige Kreaturen sehen aus wie eine Kugel mit einem riesigen Zentral-Auge und vielen kleineren Augen, die an Stielen aus der Kugel herausgucken. Der kugelförmige Körper der Betrachter wird magisch in der Luft gehalten, wodurch er frei umher schweben kann. Betrachter und deren Abarten greifen hauptsächlich mit Magie an, obwohl einige Mutationen dieser Kreaturen außerdem noch kräftig zubeißen können. Jedes der Augen eines Betrachters besitzt die Fähigkeit zu zaubern. Die kleinen Betrachter lähmen hauptsächlich oder verursachen schwere Wunden, während größere Betrachter auch... Todeszauber aussprechen können." Link gefiel die Antwort überhaupt nicht. Auch wenn er nun genauer über den Feind, mit dem sie es zu tun haben, Bescheid weiß, so kannte er nun auch die Gefährlichkeit des Gegners. Mit jeder Minute wuchs seine Sorge um die Gruppe.

Sie gingen den Weg zurück, den sie gekommen waren, bogen an der Abzweigung zum Hauptgang nach links ab und folgten den Weg zur Tür. Vorsichtig drehte Link den Schlüssel im Schloss herum. Die Tür war nun offen. Als Link gerade nach der Klinke griff, wurde er von Jill aufgehalten. "Warte", sagte sie und suchte die Ritzen ab. "Hab ich es doch gewusst", meinte Pony, als sie einen dünnen Faden aus einer Spalte zog, "Eine Falle!" Sie brauchte nicht lange, um sie zu entschärfen und die Gruppe betrat den Raum. Es war ein schlichter Raum, trotzdem waren sie auf mögliche Gegner gefasst. Doch zu ihrer Überraschung gab es von einer Gefahr keine Spur - genauso wie von einer weiterführenden Tür. Alle waren erstaunt. Das Zepter musste wirklich eine ungeheure Macht besitzen, da diese Räume ja schon so gut wie versiegelt waren. "Das haben wir gleich", lächelte Link, zog sein Masterschwert und bearbeitete die Wände mit dem Schwert. Die eine Wand klang anders, doch Link klopfte erstmal weiter. Als er sich dann schließlich mit der einen Stelle sicher war, steckte er sein Schwert zurück, trat ein paar Schritte zurück und starrte die Mauer an. Er öffnete und schloss ein paar Mal seine Fäuste, verlagerte dabei ab und zu sein Gewicht von einem Bein aufs andere und betrachtete die Stelle an der Wand, ob nicht irgendwo eine Lücke in der Bauweise war. Doch es gab darauf keinen noch so kleinen Hinweis. Also ging er die fünf Meter zu der Wand hinter sich rückwärts, konzentrierte sich auf die ausgewählte Stelle, nahm mit einem Kampfschrei Anlauf und sprang einen Meter vor der Mauer hoch, die Hände nach vorn ausgestreckt. Den Bruchteil einer Sekunde später rollte er sich auf dem Fußboden ab und die Wand hatte nun ein durchgehbares Loch erhalten.

Als die Gruppe eine Treppe nutzte, vernahmen sie eine Stimme. "Ahh... seid auf der Hut, meine Freunde! Jemand ist uns zuvorgekommen, ich kann es spüren!" Link, der Gruppenanführer, sah den älteren und hageren Mann als erster. "Beruhige dich!", sagte er, "Ich bin hier, um das Zepter für deinen Gott zu suchen." Der Mann schüttelte verzweifelt den Kopf. "Nein!", rief er, "Du darfst es nicht tun! Du kannst das Zepter nicht dem Betrachter geben. Es ist ein Artefakt von ungeheurer Macht!" Link musterte ihn. "Aber, deine Augen sind weg", meinte Link vorsichtig, "Warum sagst du das, wenn du Diener des Kults bist?" Der Alte schüttelte erneut den Kopf. "Nein, das sind wir nicht", sagte er und deutete auf einen Nebenraum, "Oder vielleicht wäre es richtiger zu sagen, dass wir nicht länger Anhänger sind." - "Warum sollen wir das Zepter Gaal nicht aushändigen?", hakte Link nach. Der Mann begann zu erzählen: "Als ich Hohepriester des Blicklosen Auges war, entdeckte ich, dass der einzige Zweck hierher zukommen darin lag, das mächtige Artefakt von unten zu erlangen. Dies ist ein Gegenstand von solch zerstörerischer Macht, dass bestimmt, er solle nie wieder angewendet werden. Er wurde in zwei Stücke geteilt und eine Hälfte wurde hier verborgen. Es ist gegen Störungen von außen durch mächtige Magie und Bestien geschützt, die in den Höhlen leben. Viele Anhänger des Betrachters haben ihr Leben gelassen beim Versuch, es wiederzuerlangen. Ich weiß, dass der Betrachter die andere Hälfte des Zepters besitzt! Wenn er auch diese Hälfte an sich bringt, wäre er fähig, furchtbare Zerstörungen zu entfesseln!" Link überlegte nicht lange. "Wenn das wahr ist", sagte er und seufzte, "muss der Kult vernichtet werden. Wir werden das Zepter nicht holen." Der alte Mann schüttelte nur verneinend den Kopf. Elbryan verstand den Wink: "Du sagtest doch gerade, dass der Betrachter den Gegenstand nicht kriegen soll!" Der Mann seufzte. "Wir haben selbst versucht, uns die zweite Hälfte des... Dimensionsreißers zu beschaffen, um mit seiner zerstörerischen Macht den Betrachter zu vernichten. Das ist die einzige Möglichkeit, diese Kreatur zu zerstören. Der Betrachter hat es nicht geschafft, sich des Zepters zu bemächtigen, weil der Gegenstand verflucht wurde. Daran könnt ihr den wahren Wert des Artefakts ermessen oder die davon ausgehende Bedrohung. Wärt ihr... währt ihr bereit, nach unten zu gehen und das Artefakt zu beschaffen?" Link nickte nur und wartete auf die Zustimmung der Gruppe. "Wir werden sehen, ob wir dieses Zepter finden!", stimmte er zu.

Ein Lächeln huschte über das faltige Gesicht des alten Mannes. "Ich bin äußerst dankbar. Wir haben es versucht, doch unsere Blindheit schränkt uns ein. Diese Kammer, in der wir sind, ist sicher, solange... dieser Sarkophag dort drüben nicht geöffnet wird. Ich möchte dich bitten, ihn auf keinen Fall zu öffnen... Ich spüre, wie das Böse davon ausgeht und ich möchte, dass meine Brüder und ich hier in Sicherheit bleiben können. Oh, ich bete darum, dass mir die Göttinnen irgendwann meinen dummen Fehltritt vergeben und mir mein Augenlicht wiedergeben! Seid in den Tiefen vorsichtig und denkt daran, dass die Göttinnen wahrscheinlich niemanden erlauben, das Artefakt für sich selbst zu behalten. Denkt daran!" Der alte Mann seufzte erneut: "Auf gutes Gelingen!" Die Gruppe bedankte sich für die Warnung und zog weiter. Als sie an dem erwähnten Sarg vorbeikamen, konnte jeder von ihnen eine dunkle Macht spüren, Liana ganz besonders. Doch auf Geheiß des Mannes blieben sie ihm fern, folgten dem Gang weiter und eine Wendeltreppe hinab.


3. Der alte Tempel
(Anm. der Autorin: Bis zum Ende des Kampfes "Kotahitanga" von "Oceania" abspielen)

Bedächtig liefen sie die Treppe hinunter, Schwerter gezogen und Bögen bereit. Link ging voran, ein Feuerpfeil im Anschlag, um den Weg vor ihnen auszuleuchten. Sie wollten keine Fackeln anzünden, um irgendwelche Spuren zu hinterlassen, denn die Mitglieder des Kultes konnten ihnen auf den Fersen sein. Pony hatte ihr Schwert Beschützer gezogen und hielt ihre freie Hand stets am Edelsteinbeutel bereit. Liana konzentrierte sich nur auf zwei ihrer Sinne: Sehen und Hören. Je mehr sie ihre anderen drei Sinne vernachlässigte, desto mehr schärften sich ihre anderen Beiden. Sie hielt den Bogen in ihrer rechten Hand, die Linke jederzeit bereit in den Köcher zu greifen. Elbryan konnte sich nicht wirklich zwischen Sturmwind und Falkenschwinge entscheiden, so dass er nun eine Hand am Schwertgriff und die andere am Bogenschaft hatte. Zelda bildete das Schlusslicht der Gruppe und sammelte ihr magischen Kräfte.

Die breite Wendeltreppe schien sich endlos lang zu ziehen. Jeder Schritt von ihnen war so lautlos, dass selbst das Atmen hörbarer sein musste, als ihre Fortbewegungen. Plötzlich rannte Liana an Pony vorbei, um zu Link zu gelangen. "Wir müssen vorsichtig sein", flüsterte sie ihm zu, "Da unten ist irgend etwas. Ich kann es hören." Link nickte und richtete seine roten Augen wieder auf den Weg vor ihnen. Er entspannte kurz den Bogen, blies das Feuer aus, legte den Pfeil wieder an, ließ Jill und Elbryan, der sich nun für Sturmwind entschieden hatte, vor und gesellte sich zu den Fernkämpfern. Jill hatte sich einen Edelstein aus dem Beutel geholt und führte die Gruppe. Dieser Stein war ein sogenanntes Katzenauge, der ihr die Sehschärfe einer Katze verlieh. Der Gang vor ihnen wurde langsam heller und noch immer schlichen sie. Nach einer Weile steckte Pony den Edelstein wieder zurück, da nun genügend Licht vorhanden war, woher auch immer es kam. Unerwartet hielt sie an und sammelte die anderen hinter sich. "Haltet eure Waffen bereit", flüsterte sie, griff in den Beutel und holte einen Diamanten heraus, "Spinnen und Schatten." - "Hier, nimm den", meinte Zelda leise zu Elbryan und hielt ihm einen Unsichtbarkeitsring hin, den sie auf der Lon-Lon Farm von Liana erhalten hatte. "Am besten versteckt ihr euch beide in einem Schlupfwinkel in der Nähe der Monster. Wir werden sie zu uns locken und auf halber Höhe werdet ihr zuschlagen." Jill und Elbryan nickten ihr zu und steckten sich die Ringe auf, worauf sie wie vom Erdboden verschluckt verschwanden. Nur Liana konnte noch ihre Schritte hören. "Sie sind in Position", meinte die Elfe etwas lauter, um die Spinnen auf sich aufmerksam zu machen. "Wir stürmen", sagte Link und rannte mit gespanntem Boden los, Liana und Zelda im Schlepptau.

Unten wurden sie schon von ein paar giftgrünen Spinnen mit schwarzen Mustern erwartet. Doch hinter diesen harmlosen Gegnern befanden sich zwei erschreckende Kreaturen. "Betrachter", murmelte Link, der das von Liana geschaffene Bild noch immer im Kopf hatte. Die Elfe machte kein ängstliches Gesicht: "Das sind nur die Kleineren von der Sorte." Link schaute sie besorgt an. "Die sind mindestens anderthalb Meter groß, wie riesig sind denn die Ausgewachsenen?" - "Mindestens einen Meter größer, wenn nicht manchmal sogar zwei!", antwortete Liana prompt und legte einen Pfeil an, "Die Augen sind ihre Schwachstellen." Sie schoss den Pfeil ab, welcher den rechten Betrachter in eines der Stielaugen traf, natürlich von einer leisen Melodie begleitet. Das Monster schrie förmlich auf und schloss das Auge. Ein wahrer Pfeilregen prasselte nun von den unsichtbaren Freunden auf die Betrachter ein, während sich die Spinnen daranmachten, auf die sichtbaren Kämpfer zu zulaufen. "Heute gibt's Spinnensalat!", rief Link, während er Bogen gegen Schwert und Pfeile gegen Schild austauschte. Als er sich gerade ins Getümmel stürzen wollte, stieß Zelda ein "Warte!" aus. Er drehte sich um und erkannte, nach einem kurzen, hellen Lichtblitz, in Zeldas Hand eine noch nie zuvor gesehene Waffe. Es handelte sich um ein Langschwert, dessen gelblich schimmernde Parierstange mit feinen, goldenen Runen überzogen war. An den Enden dieses Schwertelementes befand sich jeweils ein tiefblauer Edelstein. Der Griff war aus schwarzem, festem Material und an dessen Ende prangte ein in Gold gefasster silberner Schwertknauf, dessen Mitte von einem dunkelroten, sechseckigen Rubin verziert wurde. Die Runen setzten sich in der Mitte der Klinge dort als gerade Linie fort, wo bei den meisten Eisenschwertern die Blutrinne vorhanden war. Von diesem Schwert ging eine Magie aus, die so stark war, dass es sogar die Spinnen spürten und abrupt stehen blieben.

"Jetzt aber", meinte Link und rannte mit Zelda in die Spinnenmenge, unterstützt von Lianas und Elbryans zielgenauen Schüssen und der, wenn auch unsichtbaren Schwerthilfe von Pony. Falkenschwinges Federn spreizten sich dutzende Male ohne wirklich nennenswerte Ergebnisse zu erzielen. Gerade mal zwei Spinnen hatte Elbryan erledigen können, andere tippelten noch mit Pfeilen im Körper umher, aus dessen Wunden eine grüne Flüssigkeit austrat. Zelda kämpfte mit Link und der unsichtbaren Gefährtin gegen die zu nahe kommenden Spinnen an. Die Prinzessin führte die Klinge hervorragend, obwohl sie noch nie mit einem Schwert in der Hand gesehen wurde. Sogar Link war erstaunt, da sie manche Attacken vollführen konnte, die er nur mühsam und noch nicht einmal so perfekt und präzise wie sie ausführen konnte. Elbryan wurde es langsam leid, seine Pfeile zu vergeuden, also verstaute er Falkenschwinge, griff nach Sturmwind und zog sich, während er auf die Spinnen zulief, den Unsichtbarkeitsring vom Finger. Anfangs waren es nicht viele Monster, die es wagten in die Schwerter der Kämpfer zu laufen. Doch allmählich wurden es immer mehr und niemand wusste, woher sie kamen. Schließlich bildeten die Spinnen eine undurchdringliche, grün-schwarze Mauer, hinter denen die Betrachter seelenruhig vor sich hin schwebten. Aber das Abschlachten der achtbeinigen Angreifer ging weiter und die Gruppe stand in einem immer größer werdenden grünen Blutsee.

"Verdammt, das werden immer mehr!", schimpfte die nun sichtbare Jill, als sie gerade die nächstbeste Spinne zur Strecke brachte. Link warf einen kurzen Blick zu den Augentyrannen. "So langsam glaube ich zu wissen, woran das liegt. Liana, haben die beiden Monster etwas damit zu schaffen?" Die Elfin brauchte ein paar Momente, um sich von einigen Spinnen zu befreien. "Du könntest recht haben!", rief sie ihm zu, "Wie ich schon sagte, sie haben ein paar gute Zauber drauf!" Link nickte entschlossen, vollführte mit seinem Schwert zwei aufeinanderfolgende Rundumschläge, um sich Platz zu schaffen und griff nach seinem Schild. "Gebt mir Deckung, soweit es möglich ist. Ich werde versuchen, diesem Spinnengewusel ein Ende zu bereiten!" Er rannte los, den Schild wie einen Schneepflug nutzend. Jill und Zelda versuchten die Spinnen so gut wie möglich von Liana und Elbryan fernzuhalten, welche die Betrachter unter Beschuss nahmen. Link schob sich durch die grüne Masse, sprang manchmal von Spinnenrücken zu Spinnenrücken, wenn diese ihn einfach nicht durchlassen wollten. Die Betrachter erkannten langsam die anrückende Gefahrenquelle und schossen mit magischen Kugeln um sich. Doch Link lief unbeirrt weiter, wich einigen Magieattacken aus und erlegte ein paar besonders hartnäckige Spinnen. Letztendlich war er nur noch eine Spinne von den Betrachtern entfernt. Allerdings war dieses achtbeinige Monster etwas anders. Es hatte eine rot-schwarze Musterung, war größer, als die anderen Spinnen und besaß zwei zusätzliche Facettenaugen. Link war von dem Exemplar wenig beeindruckt, hatte zwei Pfeile angelegt und führte seinen geplanten Mehrfachschuss aus.

Die Pfeile bohrten sich in den Spinnenkörper. Aus den Wunden floss eine gelbliche, säurehaltige Flüssigkeit, welche die Geschosse fast vollständig auflöste. Link wich ein paar Meter zurück und feuerte unentwegt Pfeile auf die Spinne, doch diese krabbelte ihm immer hinterher. Als sein Köcher fast leer war, bekam er tatkräftige Unterstützung: Elbryan und Liana ließen die zaubernden Betrachter für einige Momente außer Acht und richteten ihre Geschosse auf die Spinne. Ohne es zu wissen, hielt Link seinen letzten Pfeil in der Hand, der sich nach dem Abschuss direkt in den Kopf der Spinne bohrte. Diese tat ihre letzten Schritte und fiel tot zu Boden. Sekundenbruchteile später stand die Spinnenhorde still und rührte sich keinen Millimeter mehr. Jill, Elbryan, Liana und Zelda hielten inne und sahen sich irritiert um. Link zog wieder Schwert und Schild und griff einen der Betrachter an. Aber dieser schoss so viele magische Geschosse ab, dass es dem Angreifer unmöglich war, auszuweichen. Doch Link wäre nicht Link, würde er keinen Ausweg parat haben. Er hielt seinen Schild unmittelbar vor sich und die Geschosse wurden von der spiegelblanken Oberfläche in einem zielgenauen Winkel reflektiert, sodass alle Augen, bis auf das Zentralauge, verletzt wurden. Mit ein paar gekonnten Schwerthieben war das Monster so sehr verwundet, dass es seinen Verletzungen erlag. Gerade als sich Link auf den zweiten Betrachter stürzen wollte, musste er feststellen, dass sich dieser aus dem Staub gemacht hatte. Doch nicht nur der Augentyrann war verschwunden sondern auch die Spinnenhorde. Die drei Bogenschützen suchten den ganzen Raum nach liegen gebliebenen und noch brauchbaren Pfeilen ab.

Die Gruppe lief einen alten Gang entlang, dessen Wände von Moos bewachsen waren und an manchen Stellen schlängelte sich Efeu empor. Vor ihnen wurde ein Bauwerk sichtbar. Ein von Säulen gehaltenes weißes Dach, welches mit winzigen aber aufwendig gestalteten Verzierungen überzogen war, erbaut auf einem leicht türkisfarbenen Untergrund, nur über eine kleine Treppe erreichbar. Jedoch war schon von weitem zu erkennen, dass das Gebäude von einer großen Erdspalte entzwei gerissen wurde. "Wie sollen wir über diese Spalte kommen?", fragte Liana etwas besorgt. "Das muss wirklich ein sehr gefährliches Artefakt sein", meinte Zelda, "Ich hoffe, wir bringen das alles so schnell wie möglich hinter uns. Mich überkommt ein unheimliches Gefühl." Link führte die Gruppe zu der Treppe. Als er gerade einen Fuß auf die unterste Stufe setzen wollte, kam von irgendwo eine Stimme her. "Löse die dir gestellten Rätsel und der Weg wird sich dir offenbaren." Alle schauten sich verwundert um. Elbryan entdeckte eine kleine Figur über ihnen auf dem Dach. "Ich werde mich deinen Rätseln stellen", erklärte Link. "Die Brücke ist gefallen und endet im Tod. Nenne den Namen, damit der Weg gerufen wird. Was ist die Brücke?" Das erste Rätsel war gestellt. Zelda machte den anderen mit einer kurzen Geste klar, ihn in Ruhe denken zu lassen. "Er wurde ja nicht umsonst ‚Wüstenfuchs' genannt", erklärte sie leise. Link ging ein paar Mal auf und ab. "Meine Antwort ist: Leben!" Stille. Langsam wurde er nervös, denn er wusste nicht, was passiert, wenn er eine falsche Antwort geben würde. "Leben ist die Brücke, die im Tod enden muss", erklärte die Stimme, "Doch die Pflicht kann es begrenzen. Du sprachst von der Brücke, aber das allein reicht nicht. Du bist nicht allein auf der Brücke. Nenne den Namen, um dein Weg zu rufen. Er läuft mit dir und durch ihn läufst du und doch lässt er dich hinter sich." Link bewegte sich keinen Millimeter, denn ihm lag die Antwort klar auf der Hand. "Meine Antwort lautet: Zeit." - "Zeit ist bei dir, du bewegst dich durch sie und immer bewegt sie sich vorwärts. Zeit verstreicht mit und ohne dich, doch die Pflicht lässt sie manchmal warten. Die Brücke ist nicht beständig und das Ende verändert den Ort. Nenne den Namen, damit der Weg gerufen wird. Sage mir den schwersten Schritt auf der Brücke." Jetzt kam Link richtig ins Grübeln. Der erste Schritt kann genauso verhängnisvoll sein, wie der letzte und alle anderen dazwischen. Doch bei welchem können echte Probleme auftreten? Jeder Schritt entscheidet den weiteren Verlauf, deshalb... "Natürlich!", entfuhr es Link. Spannung baute sich in allen auf. "Der, den man gerade tut, denn er allein ist meine Wahl!" Erneut machte sich eine unheimliche Stille breit. Plötzlich kam von dem Erdspalt ein eigenartiges Geräusch her. "Der jetzige Schritt kann dein erster und auch dein letzter sein. Diesen einen kannst du wählen und gestalten, auch wenn die Wahl vom Schicksal zwingend vorgegeben sein kann. Du hast den Weg gerufen und darfst dich der Bewachung anschließen. Die Pflicht erwartet dich."

Vor ihnen schlängelte sich ein Gang entlang. Liana konnte das Plätschern von Wasser hören. "Ich frage mich, was dieser Wächter mit ‚Bewachung' und ‚Pflicht' meinte", wunderte sich Elbryan. "Wir werden es mit Sicherheit gleich erfahren", sagte Link, "Solche Wächter werden oft kurz vor dem bewachten Ort plaziert, die letzte Hürde sozusagen." Als die Gruppe um die nächste Ecke bog, erstreckte sich vor ihnen eine seltsame Tempelanlage. Die Ebene war über einem riesigen See errichtet worden und nur noch einer der zu dem Haupttempel führenden, schmalen Wege war begehbar. Das Grundgerüst des Tempels war aus purem Stein und die riesigen Lücken zwischen den einzelnen Trägern waren mit dunkelblauem Glas verschlossen worden. Die Eingangstür war aus massivem Holz und stand einen Spalt weit offen. Die unzähligen Verzierungen waren über das Bauwerk verstreut nicht detailgenau zu erkennen. Das gesamte Gebäude machte einen sehr morbiden Eindruck. Zelda hatte sich schon über diese Gänge in der Kanalisation gewundert, aber sie hatte noch nie gehört, dass Hyrule auf einer alten Tempelanlage erbaut worden war, welche zudem noch intakt zu sein schien. Vor dem Tempel stand ein Mann in einer schwarzen Mönchskutte, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. An anderen Stellen liefen Kinder zwischen acht und zwölf Jahren herum. Verwunderlich war, dass sie nicht miteinander spielten, sondern zumeist einfach nur da standen, über irgendetwas nachdachten und, soweit man es mithören konnte, in Rätseln sprachen. "Ich hoffe, dass dieses Artefakt in diesem Tempel aufbewahrt wird", meinte Pony, "Sonst war ja so gut wie alles umsonst." Sie gingen auf das Gebäude zu. Als sie sich zwei Meter vor dem Mann befanden, warf dieser ihnen ein gefühlskaltes "Hallo" entgegen. Verwundert stoppte Link die Gruppe. "Darf ich fragen, wer du bist, ohne allzu neugierig zu erscheinen?", fragte er mit einem sarkastischen Unterton. Ein kurzer Lacher entfuhr dem Mann. "Natürlich ist dem so", sagte er, "oder du hättest die Frage nicht gestellt. Es spielt keine Rolle. Ich habe nichts vor dir zu verbergen und wenn dem doch so wäre, würde mich das auch nicht kümmern. Ich bin sicher, du würdest dich gleich viel bedeutender fühlen, aber ich bin einfach nicht an dir interessiert. Ich denke, du wirst noch feststellen, dass unser Interesse nur sehr wenigen Dingen gilt." Link verdrehte die Augen. "Dann sag mir doch einfach, wer du bist. Was ist das für ein Ort?" - "Ah!", machte der Mann, "Du wünschst also eine ausführliche Erläuterung. Das ist wieder typisch. Ich sollte das wirklich einmal aufschreiben, damit ich es nicht wieder und wieder wiederholen muss. Naja, wir erhalten ohnehin nicht gerade häufig Besuch. Wir sind die Wächter. Wir hüten diesen Tempel. Das ist sehr wichtig, denn alle paar hundert Jahre kommt jemand dahergelaufen, der ohne uns einfach hineinstolpern würde. Wir haben vergessen, was wir bewachen, wir haben vergessen, seit wie vielen Generationen wir hier sind und wir haben vergessen, wie es ist, ein Ziel zu haben." Link machte eine skeptische Mine. "Eure Bestimmung scheint euch ja nicht wirklich zu begeistern", meinte Jill, "Warum bleibt ihr überhaupt noch hier?" - "Wir können nicht weg von hier", seufzte der Mann, "Wir können nicht einmal sterben. Wir werden wiedergeboren, unsere Seelen sind in einem endlosen Kreislauf gefangen. Wir müssen wieder und wieder erfahren, dass wir zu einem Schicksal verdammt sind, das nicht mehr von uns gewollt ist." - "Können wir euch da nicht in irgend einer Weise helfen?", fragte Link. "Tut doch was ihr wollt!", verärgert musterte er ein Gruppenmitglied nach dem anderen, "Für uns gibt es ohnehin kein Entkommen. Wir haben unser Schicksal akzeptiert. Wir lehren dies den reinkarnierten Jungen, die es dann den Alten lehren, bevor diese sterben und wiedergeboren werden. Die Abmachung mit uns, die uns in diese Position gebracht hat, wurde buchstabengetreu eingehalten und daher ist es völlig unmöglich, dass wir den Fängen dieser Abmachung entkommen, unabhängig davon, wie sinnlos sie inzwischen geworden ist. Ihr werdet scheitern. Es gibt keine andere Möglichkeit. Wir akzeptieren das. Wir erwarten auch nichts anderes." Link seufzte. "Wenn dem so ist, werden wir einfach das holen, was wir suchen und dann gehen!"

Die Gruppe setzte den Weg fort. "Nehmt, was ihr wollt!", rief ihnen der Mann hinterher, "Wir sind nur dem Namen nach noch Wächter. Es wäre genauso gut, wenn wir hirnlose Skelette wären!"
So schwer die Türflügel auch zu sein schienen, so bekam man einen Einzelnen schon fast nicht zu fünft auf. Als die Gruppe den Raum betrat, hatte sie kaum Zeit sich genau umzusehen, denn in der Mitte des Raumes stand ein mächtiger Dämon, einer viel zu groß geratenen Mantikora ähnlich: Ein Menschengesicht mit Löwenmähne, ein Löwenleib, der über und über mit dunkelroten Schuppen gepanzert war, Klauen mit so scharfen Krallen, die Diamanten teilen konnten, gigantischen Fledermausflügeln und einen mit Stacheln besetzten Schwanz. "Ja, kommt nur!", lachte es, "Kommt und greift mich an! Beweist euren Mut." Der Dämon lachte schallend. Elbryan schnappte sich Falkenschwinge und spannte den Bogen. "Wie du willst!" Der Pfeil flog direkt auf die Stelle zwischen die Augen zu, sauste durch den Kopf hindurch und bohrte sich am anderen Ende des Tempels in eine der unzähligen Steinsäulen. Doch anstatt einen Todesschrei von sich zu geben, lachte der Dämon nur noch lauter und die Wunde schloss sich. "Gewalt nützt hier offenbar überhaupt nichts", seufzte Link. "Was nun?", fragte Liana. Alle warteten auf einen Angriff des Dämons, aber dieser sah die Gruppe mit selbstsicherem, bösem Lächeln an. "Vielleicht hilft ja genau das Gegenteil!", sagte Jillseponie und tastete in dem kleinen Lederbeutel nach einem bestimmten Stein. Als sie ihn gefunden hatte, hielt sie ihn schon fast triumphierend hoch. "Der Hämatit?", wunderte sich Zelda. "Er kann nicht nur Seelen bannen und einfangen", erklärte Pony, "sondern verfügt auch über heilsame Kräfte." Sie begann sich auf den Stein zu konzentrieren und magische Energie zu sammeln, lud ihn immer weiter auf und machte den Dämon neugierig. "Ja, komm nur her", dachte sie, "und untersuche ihn mit deinen Klauen." Als sie bemerkte, dass sie schon genug Energie in den Stein gebracht hatte, ging sie auf das Monster zu, wollte seinen Körper anfassen, um die Magie zu übertragen, doch da schnellte schon der Schwanz des Dämons von der Seite herbei und schleuderte sie zurück zu der Gruppe, wo sie bewusstlos liegen blieb. "Verdammt", fluchte Elbryan und kniete neben ihr nieder. "Keine Panik", meinte Link und holte eine kleine Flasche aus einer seiner Gürteltaschen hervor. Aus dem Behälter kam ein eigenartiges, rosanes Glühen. Link ließ die kleine Fee aus der Flasche. "Wer soll geheilt werden?", fragte sie. "Der Dämon dort drüben", erklärte Link. Die Fee drehte ihren Kopf zur Seite. "Einen Dämon? Wieso sollte ich einen Dämon heilen wollen? Ich habe immer gedacht, dass diese Sorte Monster besonders gefährlich ist. Seit wann stehen diese Ausgeburten der Hölle denn auf der guten Seite? Denn..." - "Tu es einfach, in Ordnung?", unterbrach Link. "Schon gut, schon gut!" Mit diesen Worten flog die Fee zu dem Monster, streute Feenstaub über ihn und verschwand, bevor der Dämon mit einem ohrenbetäubenden, schrillen Schrei wortwörtlich im Erdboden versank.

"Irgend etwas stimmt hier nicht", stellte Link fest, "das war viel zu leicht!" - "Ich denke nicht, dass es das war", meinte Liana, "Die meisten würden nicht erkennen, dass Gewalt nicht immer die beste Lösung ist. Sie würden so lange gegen diesen Dämon kämpfen, bis sie getötet werden." - "Warum glaubst du, sollte es so sein?", fragte Pony, die zwar noch auf dem Boden lag, aber schon wieder bei Bewusstsein war. "Das sagen mir die Skelette, die hier herumliegen", Liana deutete auf die Knochen, die über den Boden verstreut waren und manchmal konnte man ein altes Eisenschwert erkennen. "Wer wandelt im Tempel meines Selbst?", fragte eine Stimme. Die Gruppe suchte nach dem Ursprung. Vor einer Art Altar am anderen Ende des Raumes befand sich ein Avatar, seltsam gekleidet. "Gebt euch zu erkennen, bevor ihr der Sicht meines Selbst entgleitet." - "Mein Name ist Link, das hier sind Zelda, Jilseponie, Liana und Elbryan und wir haben uns gerade deines kleinen Wächters entledigt!" - "Den Wächter?", fragte der Avatar, "Das Biest ist nicht von mir. Es tötet meine Form immer wieder. Ihr habt es nur vorübergehend erledigt. Es kommt wieder und wieder. Die Legion meiner Anhänger nährt die Kreatur und ich bin geschwächt und verblasse zusehends. Eine solche Macht hat das Biest!" - "Du wirst hier nicht angebetet", erklärte Link, "Die draußen empfinden nichts als Verachtung." Die Gestalt machte ein verärgertes Gesicht: "Aber sie müssen dienen, so ist das abgemacht. Sie sollten wachen und ich sollte sie am Leben erhalten. Und das soll für alle Zeit so sein!" Link schüttelte den Kopf. "Das muss ein Ende haben", seufzte er, "Es ist schon so lange her, sie kennen nicht einmal mehr deinen Namen." - "Dann ist es nicht verwunderlich, dass ich das Biest nicht besiegen kann", sagte der Avatar bekümmert, "Es ist ihre Verachtung und ihr Pathos und das ist zum Gegenstand ihrer Anbetung geworden, ob sie es wissen oder nicht. Selbst der Dimensionsreißer hat an Kraft verloren und ist keine so gewaltige Gefahr mehr, wie ich einst dachte." Pony empfand, wie der Rest der Gruppe, Mitgefühl für den Avatar. "Kann man denn gar nichts tun?", fragte sie besorgt. "Die Abmachung besagte, dass ich den Dimensionsreißer bis ans Ende der Zeit beschützen würde", erklärte das Wesen, "Ich werde den Worten eine neue Interpretation verleihen, denn es ist auf jeden Fall das Ende meiner Zeit. Der Plan der Abmachung sah vor, dass der Dimensionsreißer nicht noch einmal verwendet werden sollte. Wenn es in der Tat das Ende der Zeit ist, dann sollte meine letzte Handlung dessen Zerstörung sein. Ich besitze jedoch nicht die Kraft dafür." - "Dieses Artefakt wird noch gebraucht", sagte Link, "Vielleicht können wir einander helfen." Der Avatar schloss die Augen und schien sich auf irgendetwas Bestimmtes zu konzentrieren. Link spürte, wie eine unbekannte Macht in seine Gedanken und Erinnerungen eindrang und sie wie ein Lexikon durchsuchte. Als diese Kraft seinen Kopf wieder entlastete, öffnete auch das Wesen wieder seine Augen und blinzelte einige Male. "Ja", sagte er leicht überrascht, "in deinen Gedanken sehe ich einen Weg, diesen Ort zu erlösen. Du wirst meinen Teil des großen Wunderwerks an dich nehmen und mit dem anderen verbinden. Die komplette Rune ist zweifellos in der Lage, das Untier zu zerstören. Verwendet sie nur einmal oder ihr seit des Todes. Mein Volk muss wissen, dass mein Plan dafür sorgen soll, dass die lange Zeit ihrer Knechtschaft ein Ende finden wird. Sie müssen einen Moment der Hoffnung erleben, die mir die Kraft gibt, sie zu befreien." Alle nickten zustimmend. Der Avatar ließ etwas bläulich Schimmerndes in seiner Hand erscheinen und übergab es Link. "Und vergiss nicht: Du darfst es nur ein einziges Mal benutzen!", sagte das Wesen und verschwand.

Die Gruppe verließ den Tempel. Der Mann in der Kutte stand immer noch vor dem Gebäude und starrte ungläubig auf den ersten Teil des Dimensionsreißers. Elbryan verstand seine Andeutung. "Es ist der Wille deines Herren es fortzubringen, damit es geschwächt wird", sagte er. Der Mann schüttelte den Kopf. "Nichts wird sich verändern", rief er ihnen hinterher, "Ihr vergeudet nur eure Zeit!" Sie gingen den Weg zurück, den sie gekommen waren. Doch bevor sie die Treppe erklommen, legten sie auf dieser eine kleine Pause ein.


4. Eine mächtige Waffe

Die letzte Stufe war geschafft. Sie gingen den Gang entlang, bogen um die Ecke und kurz vor dem monströsen Sarg wurde eine bekannte Stimme laut. "Seid - Seid ihr das?", fragte der Blinde, "Seid ihr erfolgreich zurückgekehrt?" - "Ja", sagte Elbryan, "wir haben die Hälfte bei uns." Der alte Mann war sichtlich erfreut. "Einer meiner Freunde, Tad, ist immer noch beim Kult", erklärte er, "Ihr müsst ihn finden und den Satz sagen ‚Das Auge ist blind!'. Dann wird er wissen, wer ihr seid und kann euch helfen. Sprecht nur mit ihm und geht Gaal aus dem Weg. Wenn er merkt, dass ihr die eine Hälfte bei euch tragt, ist alles verloren." Der von Link geschaffene Weg war so, wie sie ihn verlassen hatten und konnten ihm ohne Zwischenfälle folgen.

Als sie die zentrale Anlage des Kultes betraten, bot sich ihnen auf eine erschreckende Weise ein atemberaubender Anblick. Der Raum war kreisrund und der Weg befand sich am äußeren Rand. In der Mitte befand sich eine grün schimmernde Energiequelle, die zwischen zwei Halterungen schwebte. Über die Funktion dieser Quelle konnte man nur rätseln. Die Mitte war nur durch einen einzigen schmalen Weg erreichbar, denn um sie herum befand sich das tiefste Schwarz. Die Fünf hielten zunächst nach Gaal Ausschau. "Niemand zu sehen", flüsterte Zelda. Liana schaute sich etwas genauer um. "Bis auf diese Person dort drüben", sagte sie und zeigte auf einen Mann, welcher vor einem Abgrund stand, der irgendwo hinzuführen schien. "Tad", meinte Link und lief los.

"Was wollt ihr?", fragte der Mann, als sie vor ihm stoppten. "Nur soviel", erklärte Pony, "Das Auge ist blind." Der Mann lächelte. "Ah, ihr seid Freunde von Sassar", sagte er, "Endlich ist seine Hoffnung war geworden. Hört mir zu. Ihr müsst in die Grube hinter mir hinabsteigen. In einem der Gänge befindet sich die zweite Hälfte des..." Er stoppte und sah sich kurz um. "...des Dimensionsreißers. Doch passt auf. Sobald ihr die beiden Hälften vereinigt habt, wird das Blicklose Auge erscheinen und die Rune an sich nehmen wollen." - "Der Kult wird nicht mehr lange existieren", versprach Link und führte die Gruppe den Abgrund hinunter.

Die Wände der Gänge schienen aus organischem Material zu bestehen, schleimig, fleischfarben und sich leicht bewegend. Nichts war zu hören, nichts bis auf ihr eigener Atem, ihre Schritte. Aber Betrachter konnten schwebten, konnten sich lautlos fortbewegen, das wussten sie und bewegten sich ebenfalls vorsichtig vorwärts. Der Gang, in dem sie sich gerade befanden, führte sie zu einem scheinbar zentralen Raum, der Knotenpunkt aller Wege. Hier schwebten einige Augentyrannen vor sich her, jedoch war es nicht die kleine Sorte. "Wie du gesagt hattest", flüsterte Link, "Zweieinhalb Meter." - "Wie wollen wir an ihnen vorbei?", fragte Elbryan leise, "Ich habe keine Lust gegen zehn dieser Monster zu kämpfen." Zelda stieß Link an. "Fällt dir nichts ein, Wüstenfuchs?", lächelte sie. "Zum Kämpfen habe ich auch keine Lust", sagte er, "Aber ich brauche noch ein bisschen Zeit." Zelda nickte und legte eine Hand auf seine Schulter, welche von Link liebevoll ergriffen wurde. Da spürte er die Besiegelung ihres Ehegelübtes. "Der Ring", entfuhr es ihm leise, "Elbryan, Pony, habt ihr noch die Unsichtbarkeitsringe?" Die beiden kramten in ihren Sachen herum und fanden sie. "Passt auf", flüsterte Link, "Wir machen es wie folgt. Liana ist die Leiseste von uns allen, sie wird nicht bemerkt werden. Sie wird sich mit Hilfe eines Ringes unsichtbar machen. Dann wird sich einer von uns Vieren ebenfalls unsichtbar machen und ihr in den Gang folgen. Wenn die beiden außerhalb der Sicht der Betrachter sind, bekommt Liana den zweiten Ring, kommt hierher zurück und der nächste wird unsichtbar. So müssten wir alle unbeschadet an den Augentyrannen vorbeikommen." - "Das ist eine gute Idee", lobte Liana, "Aber woher sollen wir wissen, welcher Gang uns zu dem zweiten Teil der Rune führt?" Pony durchsuchte ihre Edelsteine. "Ich denke, ich kann da Abhilfe schaffen", erklärte sie und hielt den Hämatit empor. Dann ließ sie sich durch Zustimmung aller in den Stein fallen. Bald schon schwebte ihre Seele aus ihrem Körper und durchsuchte einen Gang nach dem anderen. Ihr war klar, dass sie sich um jeden Preis von den Betrachtern fernhalten musste, da diese sie bemerken könnten.

Nach einer Weile öffnete Jill blinzelnd ihre Augen und verstaute den Hämatit. "Es ist der Gang, der uns direkt gegenüber liegt", erklärte sie, "Man kann ihn von den anderen unterscheiden. Der Eingang hat am oberen Rand eine kleine Ausbuchtung. Ich habe übrigens keine Betrachter oder andere Monster in ihm entdecken können. Der Weg ist frei." Sie gingen so vor, wie es geplant war. Zuerst wurde Pony geführt, gefolgt von Elbryan, dann Zelda und zum Schluss Link. Der Gang sah nicht nur vom Eingang her anders aus, sondern auch der Weg selbst war anders. Die Wände bestanden hier nicht aus dem organischen Material, sondern aus kaltem, grauen Stein. Der Gang hatte nur eine Biegung und die war extrem ausgewuchtet. An diesem Teil der Wand ragten Nadelfelsen waagerecht aus der Wand, spitz und scharf wie der beste Kampfspeer der Welt. Hinter der Ecke befand sich ein kleiner runder Raum in dessen Zentrum sich etwas Lebendiges befand. Ein Flecken rötlicher Materie, aus dessen Mitte etwas empor wuchs, sich bewegte und an einer Stelle eine Art Öffnung hatte. "Die andere Hälfte befindet sich dort drinnen", sagte Pony und war allein von der Vorstellung angewidert, den zweiten Teil aus diesem schleimigen Etwas zu holen. "Dann muss ich wohl wieder dran glauben", seufzte Link. Er zog sich seinen linken Handschuh aus und krempelte den Ärmel hoch. Vorsichtig griff er in dieses sich bewegende Etwas und tastete es vorsichtig nach der Rune ab. Erst als sein Arm fast vollständig in dieser Masse versunken war, konnte er die andere Hälfte des Artefakts ertasten. Langsam befreite er es aus seiner Gefangenschaft. Er musste sich allerdings über den Zustand seines Armes wundern, denn er war nicht, wie zuerst geglaubt, mit einer Schleimschicht überzogen. Link zog den Ärmel wieder lang und zog seinen linken Handschuh an. Er holte das andere Stück der Rune aus seiner Gürteltasche. Wie von Geisterhand fügten sich die beiden bläulich schimmernden Teile zu dem mächtigen Artefakt zusammen, dem Dimensionsreißer. Stille. Doch dann kam aus dem Gang ein merkwürdiges Geräusch. Es klang so, als ob sich aus dem organischen Material, welches überall die Wände bedeckte, etwas formte. Die Gruppe rannte um die Ecke und stand nun einem riesigen, augenlosen Betrachter gegenüber. "Das Blicklose Auge", bemerkte Liana. "Zelda", rief Link und warf ihr das Artefakt zu, "Benutze es!" Mit einem Kriegsschrei auf den Lippen und dem heiligen Schwert in der Hand rannte Link auf den Betrachter zu, um ihn von Zelda abzulenken. Doch in dem Moment, als die Prinzessin das Relikt aktivierte und somit eine gleißend helle Kugel auf den schwebenden Körper abschoss, schickte der Augentyrann einen unsichtbaren Energieball zu Link. Als der Augentyrann von der Macht des Dimensionsreißers getroffen wurde, löste er sich förmlich auf. Der Körper teilte sich in tausende Energiekugeln auf, die kurze Zeit in der Luft schwebten und mit einem Schlag verschwanden. Alle gaben einen erleichterten Seufzer von sich. "Wir sind endlich außer Gefahr", lächelte Link Zelda an. Diese wollte gerade zu ihm, doch dann...

(Anm. der Autorin: Für diesen Abschnitt "Saltwater" von "Chicane Feat. Maire Brennan" abspielen)
"AAAAAAAAAAHHH!" Link wurde von der unsichtbaren Energiekugel getroffen. Der Aufprall riss den gesamten Brustbereich seiner schwarzen Tunika und Teile des weißgrauen Bodysuits entzwei und somit auch den Schultergürtel der Schwertscheide, welche klappernd zu Boden fiel. Von der Wucht der Energie wurde ihm das Schwert aus den Händen gerissen, doch der Druck der plötzlichen Entladung schleuderte ihn in einem Wahnsinnstempo nach hinten, direkt auf die nadelspitzen, kegelförmigen Steinsäulen zu, die horizontal aus der Wand ragten. Ein helles, lautes Knacken, vermischt mit einem grauenvollen Knirschen, verursachte bei Liana einen Brechreiz, doch sie konnte sich gerade noch so beherrschen. Mit schreckgeweiteten Augen hing Link einige Zentimeter über dem Boden, am Bauch durchbohrt von einer der Steinsäulen, die einen Meter vorne aus ihm herausragte und einen Durchmesser von mindestens zwanzig Zentimeter maß, doch Schmerzen hatte er keine. Er hielt das kalte Gestein mit leicht zitternden Händen umklammert und versuchte das Geschehene irgendwie zu realisieren. Seltsamerweise floss kein Tropfen Blut aus dem offenen Gewebe, nur die große Wunde, die sich quer über seine Brust erstreckte, war blutüberströmt. Er konnte seine Beine nicht mehr bewegen und spüren, denn seine Wirbelsäule war kurz über dem Becken regelrecht zerborsten und somit auch alle Nervenstränge gerissen. "Link", hauchte Zelda. Ihre Augen wurden feucht und Tränen flossen ihre Wangen hinunter. Zuerst dachte sie, dass sie eingeschlafen sein musste, dass Link in Wirklichkeit noch lebte, neben ihr lag und sie wärmte. Doch dann musste sie sich schweren Herzens eingestehen, dass dies die Realität war, dass es ihr Mann war, der dort über dem Boden hing und keine Traumphantasie eines grauenvollen Alptraumes. Link wandte seinen Kopf zu Zelda, welche gerade auf ihn zurannte, und wechselte seinen Gesichtsausdruck in einen warmen und freundlichen Blick, in den sich die Prinzessin verliebt hatte. "Zelda", flüsterte er, als sie bei ihm war, und rang schon ein bisschen nach Luft. Sie antwortete nicht, sah ihm in die Augen und küsste ihn ein letztes Mal. Sie konnte spüren, wie sein Körper kälter wurde, wie seine Seele langsam aus ihm herausfuhr. "Zelda", keuchte Link, "Ich... liebe... dich..." Er starb. Zelda konnte es nicht fassen. Sie war wütend, wütend auf sich, dass sie die Macht nicht spüren konnte und auf den Anführer des Kultes, der alle dazu gebracht hatte, diese Waffe zu holen. "Gaal!", schrie sie vor Wut, "Diesen Bastard werde ich erledigen!" - "Das bringt ihn auch nicht wieder", erklärte Pony und versuchte sie zu beruhigen. "Das ist mir egal! Er hat mir das genommen, was mir am Wichtigsten war. Dafür soll er zur Hölle fahren!" Sie lief voran, die drei im Schlepptau. Links Leiche hing nicht mehr an der Steinsäule. Pony hatte sie in einen ihrer Steine eingefangen, damit sie ihn später unbemerkt in die Zitadelle der Zeit bringen können, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Zelda schlich nicht an den Betrachtern vorbei, sondern schickte die kräftigsten Magieattacken, die sie kannte, auf die Monster, welche noch nicht einmal die Zeit hatten, zu reagieren. Die Prinzessin kochte vor Wut und wehe dem, der sie aufhalten wollte.

In dem mit einem Auge beschmückten Vorraum angekommen, sahen sie Gaal stehen. "Kommt zurück!", rief er den nun ehemaligen Mitgliedern des Kultes hinterher, die durch die Kanalisation zurück nach Hyrule wollten, "Das Blicklose Auge wurde getötet, doch es ist noch nicht alles verloren! Lasst uns Rache nehmen und -" - "Die einzige Person, die hier und jetzt Rache nehmen wird, bin ich!", schrie Zelda. Gaal wandte sich um. "Du", zischte er, "Du hast dich gegen das Universum selbst gewandt!" Mit diesen Worten und einem Kampfstab bewaffnet ging er auf Zelda los. Doch bevor er sie erreichte, lief er mit dem Kopf gegen eine von Zelda errichtete, unsichtbare Mauer und fiel bewusstlos zu Boden. "Ich werde ihn nicht töten", erklärte sie, "Ich bin nicht wie er, ich bin kein Monster!" Einige der hylianischen Stadtwachen hatten ein paar Mitglieder festgenommen und zwei trugen nun auch ihren bewusstlosen Anführer davon. Sie kamen auf Raurus Befehl, um die Feinde festzunehmen. Die Vier konnten jedoch noch nicht nach Hyrule zurück, denn sie mussten den Dimensionsreißer zu dem alten Tempel zurückbringen.

"Ihr kehrt zurück", fragte der Mann vor dem Tempel, "Warum seid ihr zurückgekommen? Ihr habt das große Wunderwerk zurückgebracht!" - "Ich habe dir doch gesagt, dass es der Wille eures Herrn ist", erklärte Elbryan, "Es hat keine Energie mehr und wird nun zerstört." Der Mann schien verärgert. "Du lügst!", rief er, "Du musst lügen! Es sind mehrere Zeitalter vergangen, seitdem sich irgendetwas geändert hat!" - "Und das Zeitalter ist nun vorbei. Nun ist einfach die Zeit für ein Ende gekommen." Der Mann schüttelte den Kopf. "Das kann nicht sein", sagte er irritiert, "Es ist unvorstellbar, dass ihr die Bringer der Veränderung seid. Es ist einfach unmöglich. Ich..." Er sah sich um und seufzte. "Ich muss mich selbst überzeugen. Ich muss das Wort hören. Wir alle müssen es." Er rief alle Wächter zu sich und erklärte ihnen das Geschehene. Dann betraten sie den Tempel.

"Hier gibt es nichts", beschwerte sich der Mann, als sie sich im Gebäude versammelt hatten, "Es hat noch nie etwas gegeben, außer den Gestank unseres Hasses." Zelda schnaubte verächtlich. "Warum sollte er auch zu euch kommen?", fragte sie, "Ihr alle gebt euch doch noch nicht einmal die Mühe, seinen Namen auszusprechen!" - "Der Name wurde schon seit einer Generation nur noch als Fluch verwendet. Es gab kein Zeichen und es gab keinen Grund." Pony schüttelte den Kopf. "Wir haben euch doch ein Zeichen gegeben!" Der Mann sah in alle Gesichter. "Ich werde... ich..." Er schüttelte sich. "Amantor!", rief er, "Dein Volk ruft dich! Wir fragen dich... Wir bitten dich... Bitte... wir benötigen dich." Der Avatar erschien und Zelda übergab ihm den Dimensionsreißer. "Ich höre", sagte er, "Ich höre euch, ihr, die gelitten habt und noch immer leidet. Die Zeit ist zu Ende." Mit diesen Worten löste sich das Artefakt auf. "Was ist dann noch zu tun?", fragte einer. "Nichts", entgegnete der Avatar, "Die Aufgabe ist erledigt. Die alten Feinde sind fort und die Pflicht ist erfüllt. Dies ist das Ende der Dinge. Findet nun Ruhe!" Der Avatar und seine Anhänger verschwanden. Zelda konnte sich nun nicht mehr halten und brach in Tränen aus.

Als die Gruppe die Kanalisation erreicht hatte, versiegelte Zelda mit ihrer Magie den Zugang zu der unterirdischen Anlage. Sie konnten nun nach Hyrule zurückkehren, wenn auch schweren Herzens.

5. Unerwartete Begegnung
(Anm. der Autorin: Für das gesamte, letzte Kapitel "Who wants to live forever" von "Dune" abspielen)

Das Wetter spiegelte ihren Gemütszustand wieder. Es regnete ohne Unterlass, kein einziger Sonnenstrahl konnte die Wolkendecke durchbrechen und das einzige Licht kam von den Blitzen, deren bizarre Formen über den Himmel zuckten. Zelda lag auf der rechten Seite des Doppelbettes in ihrem Schlafgemach und starrte auf die leere Fläche rechts neben ihr, das weiße, lange Nachthemd, welches stark einem einfachen Kleid ähnelte, lag in einem Wirrwarr unter der Bettdecke. Sie strich mit ihrer linken Hand ein paar Mal über die Bettdecke, in der Hoffnung noch irgend etwas von Link zu spüren, nur um dann ihre Finger in den Stoff zu krallen und selbst in Tränen auszubrechen. Vor ihrem geistigen Auge versuchte sie sich den Moment ihrer Hochzeit noch einmal anzusehen. Teilweise gelang es ihr sogar, aber dann sah sie wieder, wie Link auf die Felsen aufprallte und dieses grauenvolle Geräusch ließ sie erneut schwer trauern. Stets kämpfte sie gegen diese Bilder an, aber meistens verlor sie die Schlacht.
Plötzlich schrak Zelda auf, als sie an der Schulter berührt wurde. Es war ihr Vater, der sich um sie sorgte. "Zelda", sagte er mitleidig, setzte sich auf die Bettkante und wurde dann von seiner Tochter stürmisch, schluchzend und krampfhaft umarmt. Er hielt sie mit einem Arm fest und strich ihr mit der freien Hand übers Haar. Nach einer Weile hatte sie sich etwas beruhigt, setzte sich aufrecht hin und schaute auf den leeren Platz neben ihr. Liebevoll wurde sie von ihrem Vater in den Arm genommen.

"Ich kann das alles nicht verstehen", meinte sie nach einiger Zeit, "wir haben dieses Ding besiegt, wir haben alle Strapazen durchstanden und doch..." Sie stieß einen tiefen und schweren Seufzer aus. "Mein Kind", sagte der König und drückte sie kurz gegen sich, "ich weiß, dass es schwer für dich sein muss, solch einen großen Verlust zu verkraften. Du musst dir nichts vorwerfen." Zelda schloss die Augen und schluckte. Ihr Vater hatte das ungute Gefühl, etwas Falsches gesagt zu haben - obwohl er Recht hatte - denn er wollte sie nicht noch tiefer in ihre Trauer hineinziehen. "Hör mir jetzt mal ganz genau zu. Du hättest nichts tun können, so sehr du es auch wolltest. Was geschehen ist, ist nun einmal..." Zelda riss sich förmlich aus seinem Arm. "Worte!", rief sie in einem schluchzenden Tonfall, "Nichts als Worte! Was kannst du schon wissen? Du kanntest ihn nicht so gut wie ich und du hattest nicht dasselbe für ihn empfunden. Was ich für empfand, dass ging in " Sie vergrub ihr Gesicht in das Kopfkissen und begann zu weinen. Ihr Vater wollte gerade seine Hand auf ihre Schulter legen, um sie zu beruhigen, doch sie schlug sie mit einem "Lass mich allein!" weg. Der König stand auf, ging auf die Tür zu und schaute sich noch einmal kurz um. Gerade als er die Klinke hinunter drückte, hob Zelda ihre Kopf. "Tut mir leid", schluchzte sie. Ihr Vater rang sich ein Lächeln ab: "Schon in Ordnung. Ich weiß, dass diese Zeit besonders für dich schwer ist." Mit diesen Worten verließ er das Zimmer.

Zelda hatte sich wieder hingelegt und versuchte zu schlafen. Doch der Raum kam ihr viel zu fremd vor, als dass sie sich hätte ausruhen können. Ihre Wahrnehmung hatte sich von Grund auf geändert. In ihren Augen hatten die Steinwände eine ganz andere Farbe angenommen, eine Düstere, wie alles andere, das sie umgab. Sie wollte aber schlafen, denn sie fühlte sich ausgelaugt, matt und wollte, wenn auch nur für einen kurzen Moment, ihren Schmerz vergessen. Wütend warf sie die Bettecke auf, schlüpfte in ihre Sandaletten, stand auf, strich ihr blütenweißes Nachthemd glatt und warf ihre Haare zurück. Zelda öffnete die Tür und trat in den langen Gang, dessen eine Seite nur aus Säulen bestand, die eine Art von Fensterreihe darstellte. Langsam ging sie diesen Gang entlang, dachte nach, warf manchmal einen Blick in den Himmel und summte eine traurige Melodie vor sich hin. Die Luft roch frisch, vom Regen gewaschen, der Wind war feucht und mild und alles was sie hören konnte war das Niederprasseln der Regentropfen, jedoch wurde dieses Geräusch immer leiser.

Zelda betrat die Eingangshalle. Auch dieser Raum schien ihr fremd. Doch lange verweilte sie hier nicht, sondern ging leise zu der Bibliothek. Dort zündete sie drei Kerzen an und setzte sich in den großen, eigentlich gemütlichen Sessel. Sie wusste nicht, warum sie es tat, aber irgendetwas löste diesen Zwang in ihr aus. Lieber hätte sie sich schluchzend unter ihrer Bettdecke versteckt, als hier zu sein. Die Füße auf der Sitzkante, ihre Beine mit ihren Armen umschlungen und das Kinn auf die Knie gelegt, starrte Zelda auf die Kerzen vor sich auf dem Tisch. ‚War der Sieg seinen Preis wert?' Diese Frage ging ihr die ganze Zeit durch den Kopf. Langsam wurde ihr klar, dass es egoistisch war zu denken, dass es das nicht wäre. Link war sich der Gefahr bewusst gewesen und scheute sie nicht. Zelda hätte ihm seine Würde geraubt, würde sie sich daran festklammern, dass er nicht hätte sterben dürfen, dass der Preis zu hoch war.

Plötzlich kam von irgendwo ein Luftzug her und die drei Kerzen auf dem Tisch bewegten sich. Zelda hob ihren Kopf und rieb sich ungläubig die Augen. Die erste Kerze schob sich mitsamt Halter nach oben, die zweite nach links und die dritte nach rechts. Gleichzeitig stoppten alle drei Kerzen und bildeten nun ein gleichschenkliges Dreieck. Die Prinzessin saß aufrecht und starrte verwundert auf den Tisch. Da veränderten die Flammen ihre Farben: Aus dem gelblichen wurde Rot, Grün und Blau. Diese Flammen schwebten nun empor und ordneten sich zwei Meter links von dem Stuhl entfernt wieder in als Dreieck an. Verwundert stand Zelda auf und sah die Formation an. "Wir grüßen dich, Prinzessin", sagte eine Stimme, "Wir kommen mit einem wichtigen Anliegen zu dir." Erstaunt sah Zelda die farbigen Flammen an: "Nayru, Din und Farore, die Göttinnen selbst, brauchen meine Hilfe?" - "Du hast mit dem Held der Zeit gegen einen falschen Gott gekämpft", erklärte Din. "Wir sind euch dafür sehr dankbar", fuhr Nayru fort. "Uns?", fragte Zelda, "Ihr als Göttinnen müsstet doch wissen, dass er diesen Kampf nicht überlebt hat!" - "Das ist uns sehr wohl bewusst, Prinzessin", sagte Farore. "Doch es war unerwartet", meinte Nayru, "Sein Lebensfaden ist noch nicht zu Ende gewesen." - "Das Schicksal hat noch Pläne mit ihm", erklärte Din, "Seine Zeit war noch nicht gekommen." Zeldas Gesicht war voller Hoffnung. "Meint ihr damit, dass..." - "Er wird sein Leben weiterführen", unterbrach Farore. Freudentränen rannen Zeldas Gesicht herunter. "Ich danke euch", flüsterte sie. Aus den drei Flammen lösten sich weiße Lichtstrahlen und die Göttinnen verschwanden.

Zelda stürmte aus der Bibliothek und wollte zu Links aufgebahrten Sarg in der Zitadelle der Zeit begeben, doch das brauchte sie nicht. Er stand in der Eingangshalle und schaute sich verwirrt um, als wäre er aus einem schlechten Traum erwacht. "LINK!", rief Zelda und rannte auf ihn zu. "Zelda", flüsterte er fast fragend, als sie ihm beim Umarmen beinahe die Luft aus den Lungen drückte. "Was ist... Was ist passiert?" - "Später, Link, später", flüsterte sie und küsste ihn, "Ich bin so froh, dass du wieder da bist. Ich dachte... Ich hatte dich eigentlich schon verloren!" - "Und ich habe etwas vergessen", meinte er. "Was?", fragte Zelda etwas verwundert. "Na, du hast morgen Geburtstag und ich habe noch nicht mal ein Geschenk für dich!", erklärte er, um sie etwas aufzuheitern. Die Prinzessin lächelte: "Das schönste Geschenk steht gerade vor mir."

Am nächsten Tag wurde nicht nur Zeldas Geburtstag ausgiebig gefeiert, sondern auch Links Wiederkehr. Doch diesem war, nachdem Zelda ihn über seine Rückkehr aufgeklärt hatte, etwas mulmig zumute. Was wird wohl noch auf Hyrule zukommen, dass sogar die Göttinnen es für nötig hielten, ihm ein zweites Leben zu schenken...