Erinnerungen

Autor: Kathryn


Alle Erinnerungen verlieren sich im Strom der Zeit, so wie Tränen im Regen

Es war ein Ort an dem Dunkelheit herrschte, ein Ort der so alt und so vergessen war, dass er sich schon lange nicht mehr daran erinnern konnte, dass Licht existierte, dass überhaupt etwas existierte, dass er selbst existierte.
Es war ein Ort an dem keine Bewegung war, sogar der Staub der Generationen hatte sich schon vor Hunderten von Jahren endgültig zur Ruhe gesenkt. Vollkommen von der Außenwelt versiegelt existierte dieser Ort zeitlos durch die Jahrhunderte, langsam vergessen, der Zugang einst von den Göttinnen selbst verschlossen, auf dass kein Sterblicher ihn mehr betreten möge, solange Hass und Habgier die Herzen der Kinder der Göttinnen beherrschten. Und so geschah es, dass auch die Göttinnen selbst diesen Ort vergaßen und er eine Ewigkeit in der stillen Dunkelheit seiner selbst existierte, existierte ohne zu wissen, wie die Zeit vor den verschlossenen Toren verging, ohne zu wissen, wie die Geschichte sich schrieb, sich wiederholte, wie die Dunkelheit immer wieder nach dem Leben der Welt trachtete, stets zurückkam, getragen wurde von den pestverseuchten Winden aus dem Norden, wiederkehrte mit dem Winter, der von den hohen kalten Bergen her mit eisigen Klauen nach dem Land griff und sich mit dem Wüstenwind in die Herzen der Sterblichen schlich.
Ein Dämon, fast so alt wie die Zeit selbst, einst einer der Mächtigsten unter allen Kindern der Nacht, von den Göttinnen einst gestürzt und sich seither vor Rache verzehrend, von der Dunkelheit gestärkt, über all die Jahrtausende am Leben erhalten, nie in der Lage seinen Frieden zu finden, zurückkehrend wie ein Geist, eine Seele, unfähig sanft zu entschlafen. Doch auch er hatte den Ort vergessen, erinnerte sich nicht mehr an den Gang der zu ihm führte, von uralten Kristallen in ein sanftes blaues Dämmerlicht getaucht, wie der Schein einer fremden Sonne.
Aber selbst wenn der Dämon sich erinnert hätte, so war das Siegel der Göttinnen ungebrochen, unüberwindbar für alle Sterblichen, für alle, die den Schlüssel nicht hatten. Der Schlüssel, nur ein Gedanke, nur ein Wort, nur ein Bild, von allen vergessen, sogar von den Göttinnen, nur von einem nicht.

Seit die Zeit begann ward der Mond nicht mehr gesehen, der rot wie Blut am Himmel schien, einst, als der Weltenraum noch von der vollendetsten aller Ordnungen, dem vollständigen Chaos, beherrscht wurde, da war er ein gerngesehener Gast, doch als die Göttinnen aus dem Urchaos, dem großen Nichts, emporstiegen und Ordnung schufen um das Chaos zu beherrschen, Zeit schufen um darin sterbliches Leben zeugen zu können, da verschwand der blutrote Mond, hielt sich versteckt zwischen Sterblichen und Unsterblichen, maskierte sich in fremder Form, wagte es nicht mehr, sein blutrotes Licht scheinen zu lassen, denn barg sein Licht etwas, das nie zurückerlangt werden sollte, barg sein Licht, so rot wie das vergossene Blut Unschuldiger, Erinnerungen.
Erinnerungen an alles, was geschah, an alles, was war, bevor die Zeit entstand, an eine Zeit, als die drei Göttinnen der Welt der Sterblichen noch nicht existierten, an jedes Geschehen seit der Schaffung der Welt.
Er, der Mond, erinnerte sich an den Ort, trauerte stumm in seinem Herzen um ihn, der die Zeit nicht mehr mitbekam, flüsterte oft im Stillen das Wort, das der Schlüssel war, gab dem Gedanken Form und Klang, doch erlöste er den Ort nie von seinem endlosen Schlaf.
Nur das Geschehen auf der Welt, welche die drei Göttinnen in ihrem Streben nach Ordnung geschaffen hatten, das beobachtete er, Tag für Tag erblickte er mit seinen Augen, welche die ganze Welt erblicken konnten ein jedes Lebewesen, die Herzen der Sterblichen, blickte in sie hinein, sah die Dunkelheit, die sich dort eingenistet hatte, die Dunkelheit, welcher die Sterblichen so bereitwillig die Pforten ihrer Seelen geöffnet hatten.
Und immer dann, wenn die Dunkelheit zu stark wurde, gebar sie den Dämon wieder, stärkte seinen Durst nach Rache und nach Macht, nach Blut und nach Tod.
Doch ein um das andere Mal scheiterte der Dämon, wurde zurückgeschlagen von einem Jüngling, von den Göttinnen dazu auserwählt, die Ordnung zurückzubringen, das Licht wieder erstrahlen zu lassen.
Viele Seelen begleiteten ihn auf seinen Wegen, starben mit ihm und kehrten eines Tages mit ihm wieder, andere kreuzten seine Pfade nur kurz, erhielten nie die Chance, ihn jemals wieder zu sehen.

Und so drehte sich das Rad der Geschichte, die Schlange die sich selbst in den Schwanz biss, die aufkommende Dunkelheit, das Erscheinen des Jünglings, das Zurückschlagen des Dämons, der Tod des Jünglings und eine neue Chance für die Dunkelheit, wieder hervorzukommen.
Wie die Wellen eines vom Sturm gepeitschten Ozeans schaukelten sich die Kräfte der Ordnung und des natürlichen Chaos hin und her, versuchten immer wieder, sich gegenseitig zu vernichten, wurden stärker und stärker, verschlangen sich gegenseitig, kehrten wieder, noch stärker als zuvor. Der ewige Gang der Geschichte, sich stets wiederholend, das Rad des Schicksals das sich immer wieder drehte und dennoch schon wusste, wo es halten würde, während die Farben noch durcheinander wirbelten. Schwarz wie die Dunkelheit und Rot wie das Blut, einen entgültigen Sieg, den gab es nicht, konnte es nicht geben, für keine der beiden Seiten, so lange die Zeit existierte.

Und die Zeit verging weiter, floss dahin wie ein großer Strom, schrieb so unzählbar viele Geschichten, so viele Legenden und ließ sie alle wieder verschwinden, in dem ewigen Abgrund des Vergessens zu Nichts zerfallen. Und alles was blieb war der Blutmond, der des Nachts das Heulen des einsamen Wolfes hörte und der sich noch erinnerte – an alles und an jeden, bis auf sich selbst.

Doch es passierte, dass eine Zeit kam, wo die Dunkelheit stärker war als jemals zuvor, wo der Jüngling ausgeschickt wurde, sie erneut zu bekämpfen. Doch er hatte keine Chance, das mächtige Schwert in seiner Hand zerbarst nutzlos wie ein alter morscher Ast, sein Schild zersprang unter dem Prankenhieb des Dämons.
Und der Mond sah alles, wusste dass, würde der Jüngling verlieren, würde die Dunkelheit die Welt für immer beherrschen und irgendwann die Zeit und so auch sich selbst und mit sich die Göttinnen auslöschen. Dann würde das Urchaos, das große leere O, das absolute Nichts zurückkehren und er würde wieder scheinen müssen…
Aber er war nur ein Mond, ein blutroter Mond, älter als die Göttinnen und die Zeit, er hatte so viel gesehen und sich gemerkt. Nur eine Sache hatte er vergessen: Wie sollte ein Mond scheinen?
Sonnen schienen, Sterne schienen, aber Monde nicht. Sogar die schwarze Sonne, einst wie eine Königin unter den Sonnen hatte auf ihre eigene Art und Weise geschienen und mit den ewig sterbenden Sternen um die Wette geleuchtet.
Aber er war nur ein Mond… und Monde leuchteten nicht!
Würde nun die Zeit enden würde er wieder leuchten müssen, wieder scheinen müssen, sein blutrotes Licht wieder über das endlose Nichts schicken – aber er wusste nicht mehr wie.

Und so traf der Mond eine Entscheidung, verließ sein Versteck zwischen der Welt der Sterblichen und der Unsterblichen, trat langsam aus dem Schatten der Zeitlosigkeit hervor, stieg hinab auf die Welt der Sterblichen, suchte den Jüngling, wartete bis es Nacht wurde und der volle bleiche Mond am Himmel stand. Dann begab der blutrote Mond sich zu dem Jüngling, drang sanft in seine Träume ein, sprach zu ihm, erzählte ihm von dem Ort, den alle vergessen hatten, erklärte ihm, dass in diesem Ort noch immer eine uralte Macht schlummerte, eine Macht vor langer Zeit dort von den Göttinnen versteckt, auf dass kein Sterblicher mit verdorbenem Herzen mehr nach ihr greifen könne. Und in dieser Nacht verriet der Mond den Schlüssel, verriet dem Jüngling im Traum den Gedanken, nannte ihm den Klang und zeigte ihm die Form.
Dann verschwand der Mond für immer, wieder zurück in sein Versteck wo er sich niederließ und still hoffte, dass es dem Jüngling gelingen würde, die Ordnung zu erhalten, nur lange genug, damit er nachdenken konnte, sich erinnern konnte, wie er einst vor der Zeit mit seinem leuchtenden, scheinenden Glanz das Nichts erfüllt hatte… er war ein Mond unbefleckt von dem Regen der Zeit, der die Erinnerungen raubte.

Und während der Mond in Gedanken versank und weit draußen in der Leere, die jetzt den Weltenraum beherrschte, eine schwarze Sonne um eine sterbende Schwester trauerte und die Göttinnen versuchten, einen Plan zu schmieden, wie sie die Ordnung erhalten könnten, erhob der Jüngling sich von seinem Lager, nahm sein zerbrochenes Schwert wieder an sich und verließ sein Lager, wanderte in jene Richtung, die ihm die fremde Gestalt in seinem Traum genannt hatte, jene seltsame Gestalt, die Hoffnung versprach, ein unscheinbarer Schemen im fahlen Licht eines verklingenden Mondes, mit Augen rot wie Blut und einer Stimme wie Tausend Stimmen.
Für viele Tage und Wochen wanderte der Jüngling wie es ihm gesagt war, immer weiter und weiter, erklomm ein Gebirge so hoch, dass selbst der kleinste der Berge hoch über die Wolken ragte. Und dort, hoch oben über dem Dach der Welt, beschützt von einem Zauber, von dem er nichts wusste und der ihm das Atmen ermöglichte, fand er den Eingang zu jenem lange vergessenen Ort, wagte sich langsam im trüben Schein seiner Lampe weiter, betrachtete die mit Zeichen einer uralten Sprache übersäten Wände, wie sie im Schein seiner Lampe zu gespenstischem Leben zu erwachen schienen, kam vorbei an Kristallen, die einst vor unendlicher langer Zeit den Ort mit Licht erfüllt hatten und nun schon so lange zerborsten und verloschen waren, seit jenem Moment, als der letzte Sterbliche dahinschied, der wusste, was diese Zeichen an den Wänden bedeuteten.
Und der Jüngling schritt weiter, tiefer und tiefer in den Berg hinein, von uralter Magie beschützt, die verhinderte, dass die einst angebrachten Fallen ihn sein Leben kosteten, bis er an jenem Sigel der Göttinnen ankam, leise das Wort sprach, den Namen jenes Geschenkes nannte, welches die Göttinnen einst den Sterblichen gemacht hatten: „Triforce…“
Und lautlos verschwand das Sigel der Göttinnen, gab preis, was es so lange behütet beschützt hatte, den letzten Eingang zum heiligen Reich, zu jenem Ort, der einst rein und klar und ohne Makel gewesen war, bis der erste Sterbliche seinen Fuß hineinsetzte. Jetzt herrschte nur noch die vollkommene Dunkelheit, die nur wiederwillig vor dem sanften Schein der Lampe des Jünglings zurückwich, vergebens versuchte, den Pfad zu jenem Heiligtum der Stille verborgen zu halten.
Doch der Jüngling vertrieb die Dunkelheit, schritt den Pfad entlang, der sich vor ihm auftat, schritt ohne zu zögern durch die Dunkelheit hindurch, erreichte jenen Ort der Stille, der die Zeit vergessen hatte, brachte das Licht zurück, das Leben und die Zeit.

Jeder seiner Schritte wirbelte den Staub der Zeit auf, als Link langsam den kreisrunden Raum betrat, der nun, da er wieder Leben spürte, wieder zu erstrahlen begann und wo über den Häuptern von drei Einhörnern die drei lange vergessenen Fragmente des Triforce für immer geeint und doch getrennt schwebten.
Der Hylianer lächelte: „Unicorn Fountain… Brunnen des Einhorns… ich verstehe…“

Nichts hat auf ewig Bestand, denn irgendwann stirbt auch die letzte Erinnerung

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